Abstract
Interdisziplinäres perioperatives Management beschreibt die Organisation von Abläufen und Zuständigkeiten und hat das Ziel, eine möglichst hohe Sicherheit operativer Eingriffe zu gewährleisten. Die jeweiligen Maßnahmen werden in diesem Kapitel in drei zeitliche Abschnitte gegliedert: Präoperativ, perioperativ und postoperativ.
Präoperativ sind eine verantwortungsbewusste Indikationsstellung sowie die Einschätzung der Dringlichkeit wichtig, da sich das weitere Vorgehen danach richtet. Im Notfall sollten nur die wichtigsten Fragen präoperativ abgeklärt werden – bei elektiver Operation können dagegen alle Eventualitäten bedacht und das Operationsrisiko genau analysiert werden. Durch eine ausführliche Besprechung und Aufklärung sollen Betroffene in die Lage versetzt werden, eine Entscheidung für oder gegen eine Operation zu treffen.
Im OP arbeitet das anästhesiologische, chirurgische und pflegerische Personal unter Zuhilfenahme von Standards wie dem Team Time-out eng zusammen. Schonende Operationsmethoden und eine umsichtige Narkoseführung können zu einer rascheren postoperativen Erholung beitragen. Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe kann eine postoperative Wundinfektion vermeiden.
Die postoperative Überwachung erfolgt meist im Aufwachraum, bevor die Behandlung auf Station fortgeführt wird. Typische Komplikationen und präventive Maßnahmen (z.B. im Rahmen des ERAS-Konzeptes) sollten den Verantwortlichen bewusst sein und beachtet werden.
Elektive OP-Vorbereitung
Eine gute OP-Vorbereitung dient dem Ziel, OP-Risiken zu minimieren und den Patienten bestmöglich auf den Eingriff vorzubereiten. Je nach Dringlichkeit muss der Umfang der Vorbereitung zugunsten einer zügigeren operativen Therapie reduziert werden. Bei elektiven Operationen sollten alle Möglichkeiten zur Risikoreduzierung ausgeschöpft werden. Dazu zählen eine detaillierte Anamnese, sinnvolle präoperative Diagnostik, die umfassende Patientenaufklärung sowie die therapeutische Optimierung von Vorerkrankungen.
Prästationäre Vorstellung (Ambulanz) 
Chirurgische Ambulanz
Das Vorgehen bei der chirurgischen Vorstellung richtet sich stark nach dem jeweiligen Krankheitsbild und dem geplanten Eingriff. Hier soll nur der allgemeine Ablauf schematisch wiedergegeben werden.
- Erstkontakt in Ambulanz
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Dokumentation (Anamnese- und Untersuchungsbogen)
- Zusammenschau der Vorbefunde und ggf. Durchführung weiterer apparativer Diagnostik
- Indikationsstellung zur OP bzw. deren Überprüfung: Meist fachärztliche Entscheidung
- Anordnung erforderlicher präoperativer Diagnostik und Laboruntersuchungen
- Dringlichkeit des operativen Eingriffs festlegen
- Notfall-Indikation
- Zeitfenster: Minuten
- Beispiele: Rupturiertes Bauchaortenaneurysma, Notfallmäßige Sectio caesarea
- Vorbereitung: Minimaldiagnostik
- Dringliche Operation
- Frühelektive Operation
- Zeitfenster: Tage
- Beispiel: Cholezystolithiasis, Sigmadivertikulitis [2]
- Vorbereitung möglich
- Elektive Operation
- Zeitfenster: Wochen bis Monate
- Beispiele: Knie-TEP, asymptomatische Leistenhernie
- Vorbereitung
- Planbar mit Terminwunsch
- Prästationäre Vorstellung >24 h präoperativ
- Notfall-Indikation
- Setting festlegen (ambulant vs. stationär): Siehe auch: Voraussetzungen für ambulantes Operieren
Prämedikationsambulanz
Im Folgenden wird der Ablauf in der Prämedikationsambulanz dargestellt. Für spezifische Informationen zum anästhesiologischen Vorgehen siehe auch: Prämedikation und Aufklärung in der Anästhesiologie
Anamnese [3]
- Allgemeine Informationen (siehe auch: Anamnese und Untersuchung in der Anästhesie)
- Alter
- Größe
- Ernährungsstatus
- Vormedikation
- Operationen oder Narkosen in der Vergangenheit
- Anästhesiologische Komplikationen
- Chirurgische Komplikationen
- Vorerkrankungen und Vorfälle in der Vergangenheit
- Organspezifische Anamnese
- Herz/Kreislauf: Arterieller Hypertonus, Herzrhythmusstörungen, Herzvitien, KHK, Z.n. Myokardinfarkt
- Lunge: COPD, Asthma, OSAS
- Gefäßsystem: pAVK, Thrombose, Embolie
- Gastrointestinaltrakt: Gastritis, Reflux , Dysphagie
- Leber, Gallenblase: Hepatitis, Zirrhose, Cholezystolithiasis
- Niere: Niereninsuffizienz, Dialysepflicht
- Stoffwechsel: Schilddrüsenfunktion, Diabetes mellitus, Gicht
- Bewegungsapparat: Kontrakturen, Skoliose, Myasthenia gravis, Muskelerkrankungen (Disposition für maligne Hyperthermie)
- Nervensystem: Epilepsie, Z.n. TIA oder Apoplex , Demenz
- HNO: Fehlbildungen, Hypakusis
- Augen: Katarakt, Glaukom
- Blutungsanamnese
- PONV-Anamnese
- Organspezifische Anamnese
- Weiteres
- Allergien und Unverträglichkeiten
- Körperliche Belastbarkeit (siehe dazu auch: Einschätzung des perioperativen Risikos)
- Schwangerschaft
- Zahnstatus
- Konsumverhalten: Alkohol, Drogen, Nikotin
Körperliche Untersuchung
- Inspektion des Kopf-Hals-Bereichs
- Beurteilung des Atemwegs
- Feststellung und Dokumentation von erschwerten Intubationsbedingungen
- Klinische Untersuchung des Herzens
- Klinische Untersuchung der Lunge
Einschätzen des perioperativen Risikos
Neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung ist die Abschätzung des perioperativen Risikos und dessen Minimierung der Kernpunkt der präoperativen Evaluation. Die folgenden Einschätzungen sind ausschlaggebend für die Anordnung präoperativer Zusatzuntersuchungen und beeinflussen maßgeblich die Auswahl des geeigneten Narkoseverfahrens.
ASA-Klassifikation (American Society of Anesthesiologists Physical Status Classification System) [4][5][6]
ASA-Klassifikation (2020) | ||||
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Klasse | Definition | Beispieldiagnosen | ||
Erwachsene | Kinder | Schwangere | ||
I |
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II |
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III |
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IV |
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V |
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VI |
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E: Optionaler Zusatzfaktor bei Notfalloperationen („emergency operation“) |
Die ASA-Klassifikation besitzt eine gute Korrelation mit dem perioperativen Risiko! [7]
Alle anästhesiologisch betreuten Personen sollten einer ASA-Klasse zugeordnet werden!
ASA Physical Status (Rechner)
Einschätzen der körperlichen Belastbarkeit [3][8][9]
- Metabolisches Äquivalent (engl. „metabolic equivalent of task“ = MET)
- Konzept: Vergleichbarkeit des Energieverbrauchs bei verschiedenen Aktivitäten
- Definition: 1 MET = Ruheumsatz = 1 Kilokalorien pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde
- Belastbarkeit: Möglichkeit des Patienten, einer körperlichen Aktivität nachzugehen, die den Ruheumsatz um den jeweiligen Faktor steigert
- Bewertung
- ≥ 4 MET (ca. 100 W): Ausreichende Belastbarkeit
- < 4 MET: Erweiterte kardiovaskuläre Diagnostik bei mittlerem und hohem OP-Risiko (siehe kardiales Risiko von operativen Eingriffen)
Metabolisches Äquivalent | |||
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1 MET | 2-3 MET | 4 MET | >6 MET |
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Einschätzen des kardialen Risikos
Das perioperative kardiale Risiko kann über folgende Faktoren eingeschätzt werden:
- Akut symptomatische Herzerkrankungen
- Kardiale Risikofaktoren des Patienten (Siehe auch: Risikoeinschätzung und Screening - kardiovaskulärer Risikopatient)
- Kardiales Risiko von operativen Eingriffen
- Einschätzen der körperlichen Belastbarkeit (MET)
Ziel ist hierbei, die Schwere der vorliegenden Erkrankungen zu objektivieren, unbekannte Erkrankungen aufzudecken (siehe dazu: präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen) und entsprechende präoperative Vorbereitungen zu treffen. Dazu gehört die Anpassung von OP-Verfahren, Narkoseverfahren und perioperativer Überwachung.
Akut symptomatische Herzerkrankungen [10][11]
- Akutes Koronarsyndrom (STEMI, NSTEMI oder instabile Angina pectoris)
- Dekompensierte Herzinsuffizienz
- Signifikante Arrhythmien
- Relevante Herzklappenerkrankung mit hämodynamischen Auswirkungen
Eine akut symptomatische Herzerkrankung muss vor einer elektiven Operation zunächst abgeklärt und der Eingriff ggf. entsprechend verschoben werden!
Kardiales Risiko von operativen Eingriffen [8][9][10]
Kardiales Risiko von operativen Eingriffen | ||
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Niedriges kardiales Risiko | Mittleres kardiales Risiko | Hohes kardiales Risiko |
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Einschätzen des pulmonalen Risikos
- Prädiktoren für pulmonale Komplikationen [8][12]
- ASA-Klassifikation ≥3
- Notfalleingriff
- Hochrisikoeingriff
- Herzinsuffizienz
- Chronische pulmonale Erkrankung
Einschätzen des neurologischen Risikos
- Neurologische Risikofaktoren
- Kein etablierter Risiko-Score zur Abschätzung des Schlaganfall-Risikos vorhanden
- Anamnese und Erfassung von vaskulären Risikofaktoren für perioperativen Apoplex
Einschätzen des perioperativen Aspirationsrisikos [13]
- Erhöhtes perioperatives Aspirationsrisiko
- Notfalleingriffe (siehe auch: RSI)
- Erhöhter intraabdomineller Druck (Schwangerschaft, Adipositas)
- Verzögerte Magenentleerung (Magen-Darm-Atonie, diabetische Gastropathie)
- Gastroösophagealer Reflux
- Hiatushernie
- Traumapatienten
Eine Abwägung von OP-Dringlichkeit, Aspirationsgefahr und Möglichkeit des Verfahrenswechsels zur Vermeidung einer Allgemeinanästhesie erfordert eine interdisziplinäre Abstimmung!
Präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf die Diagnostik vor elektiven, nicht herzthoraxchirurgischen Eingriffen. Aufgrund der häufig bestehenden Vorerkrankungen bei Patienten in der Herz-Thorax-Chirurgie und dem meist hohen OP-Risiko wird die Indikation für präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen dort großzügiger gestellt. Unabhängig von der Art des Eingriffs muss für dringliche Eingriffe und Notfall-OPs eine individuelle Festlegung der Notwendigkeit einzelner Untersuchungen erfolgen.
12-Kanal-EKG [8]
- Klare Indikation
- Mind. 1 kardialer Risikofaktor nach Lee und geplanter Eingriff mit mittlerem bis hohem kardialen Risiko (siehe kardiales Risiko von operativen Eingriffen)
- Kardiale Symptome
- Symptome einer ischämischen Herzerkrankung
- Herzrhythmusstörungen
- Klappenerkrankungen, Vitien
- Herzinsuffizienz
- Kardiologisches Device
- Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (AICD )
- Implantierter Schrittmacher und klinische Symptomen und/oder fehlende Kontrollen
- Dringliche Eingriffe: Großzügigere Indikation
- Grenzfälle
- Asymptomatische Patienten >65 Jahre und geplanter Eingriff mit mittlerem/hohen kardialen Risiko
- Patienten mit kardialen Risikofaktoren und geplanter Eingriff mit niedrigem kardialen Risiko
Klinisch und anamnestisch unauffällige Patienten benötigen – unabhängig vom Alter – kein präoperatives EKG!
Röntgen-Thorax
- Klare Indikation
- Neu aufgetretene oder verschlechterte pulmonale Symptome
- Anästhesierelevante Befunde
- Verdacht auf Pathologien der Lunge mit Auswirkungen auf das weitere perioperative Management
- Verdacht auf Pathologien, die Intubation und Beatmung erschweren könnten
- Dringliche Eingriffe: Großzügigere Indikation
- Grenzfälle : Bekannte Lungenerkrankung und geplanter großer Oberbaucheingriff
Ausschlaggebend für die Indikation ist nicht das Alter, sondern eine klinische Verdachtsdiagnose!
Erweiterte kardiovaskuläre Diagnostik [8][9]
Ziel einer erweiterten kardialen Diagnostik ist die Objektivierung klinischer Symptome und die Optimierung des präoperativen Status. Je nach Krankheitsbild kommen unterschiedliche diagnostische Methoden in Betracht.
Echokardiografie
- Klare Indikation
- Herzinsuffizienz mit Verschlechterung der Symptome innerhalb des letzten Jahres
- Neu aufgetretene Zeichen der Herzinsuffizienz
- Neu aufgetretene Dyspnoe unklarer Ursache
- Grenzfälle : Nicht vorbekanntes Herzgeräusch und geplanter Eingriff mit mittlerem oder hohem kardialen Risiko
- Ziel: Beurteilung der Pumpfunktion und Ausschluss von Pathologien der Herzklappen
Kardiale Belastungstests
- Klare Indikation: Mind. 3 kardiale Risikofaktoren nach Lee und MET <4 oder nicht beurteilbar und geplanter Eingriff mit hohem kardialen Risiko
- Grenzfälle : 1–2 kardiale Risikofaktoren nach Lee und MET <4 oder nicht beurteilbar und geplanter Eingriff mit mittlerem bis hohem kardialen Risiko
- Mögliche Methoden
- Belastungs-EKG
- Stressechokardiografie mit Dobutamin-Gabe (siehe dazu auch Stress-Echokardiografie) [14]
- Induktion von „Stress“ durch pharmakologische Steigerung der Herzaktion
- Anwendung bei körperlicher Einschränkung
- Hoher negativ-prädiktiver Wert
- Weitere Methoden siehe: Diagnostik der KHK
Kardiale Belastungstests eignen sich insb. bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren und schlechter oder nicht beurteilbarer körperlicher Belastbarkeit vor Eingriffen mit mittlerem oder hohem kardialen Risiko!
Koronarangiografie und ggf. Revaskularisierung
- Klare Indikation
- Nachgewiesene myokardiale Ischämie
- Therapierefraktärer Thoraxschmerz
- Voraussetzung: OP verschiebbar
- Grenzfälle
- Patienten mit mind. zwei kardialen Risikofaktoren nach Lee und geplantem großem arteriellem gefäßchirurgischem Eingriff
- Patienten vor Karotis-Thrombendarteriektomie
Karotis-Duplex-Sonografie
- Indikation
- Grenzfälle
- Geplanter großer, arterieller gefäßchirurgischer Eingriff
- Geplanter Eingriff im Kopf-Hals-Bereich
- Geplanter Eingriff in sitzender Lagerung
Erweiterte pulmonale Diagnostik [12][15]
Ziel einer erweiterten pulmonalen Diagnostik ist die Objektivierung klinischer Symptome und die Optimierung des präoperativen Status. Je nach Krankheitsbild kommen unterschiedliche diagnostische Methoden in Betracht.
Eine pauschale Festlegung der „Narkosefähigkeit“ eines Patienten anhand von Grenzwerten ist nicht möglich. Vielmehr muss eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung für den jeweiligen Eingriff vorgenommen werden
Pulsoxymetrie
- Indikationen
- Einschätzung des pulmonalen Status
- Ausgangswert für intra- und postoperative Verlaufskontrolle
- Methoden: Sauerstoffsättigung in Ruhe und ggf. unter Belastung
- Vorteil: Nicht-invasiv, kostengünstig und mobil einsetzbar
Arterielle Blutgasanalyse
- Indikationen
- Neu aufgetretenen pulmonale Symptome
- Verdacht auf akute Verschlechterung pulmonaler Vorerkrankung
- Pathologische Werte in Pulsoxymetrie
- Patienten mit chronischer Sauerstofftherapie
- Pulmonale Risikopatienten vor großen Operationen als Ausgangswert für intra- und postoperative Verlaufskontrolle
Lungenfunktionsdiagnostik
- Indikationen
- Neu aufgetretenen pulmonale Symptome
- Verdacht auf akute Verschlechterung pulmonaler Vorerkrankung
- Schweregradeinschätzung/Therapiekontrolle bekannter Lungenerkrankung
- Geplante Lungenteilresektion (siehe auch: Diagnostik vor thoraxchirurgischem Eingriff)
- Grenzfälle : Geplanter großer Oberbaucheingriff
- Methoden
- Aussagekraft
- Detektion von Lungenerkrankung/Schweregradeinschätzung
- Vorhersagbarkeit pulmonaler Komplikationen eingeschränkt
Bei nicht-thoraxchirurgischen Eingriffen existiert kein Grenzwert in der Lungenfunktionsdiagnostik, der in direktem Zusammenhang mit perioperativen pulmonalen Komplikationen steht. Vielmehr ist der Allgemeinzustand des Patienten entscheidend. Bei deutlich reduzierten Lungenfunktionsparametern sollte jedoch stets eine präoperative Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen!
Präoperative Laboruntersuchungen [8]
Ziel von präoperativen Laboruntersuchungen ist die Objektivierung von pathologischen Befunden aus Anamnese und/oder körperlicher Untersuchung sowie die Einschätzung des Schweregrades bestehender Erkrankungen.
Routineuntersuchungen des Blutes ohne anamnestischen oder klinischen Verdacht sind nicht indiziert!
Minimalstandard je nach erkranktem Organ
Laborparameter | Erkranktes Organ | |||
---|---|---|---|---|
Herz/Lunge | Leber | Niere | Blut | |
Hämoglobin | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Leukozyten | ✓ | |||
Thrombozytenzahl | ✓ | ✓ | ||
Natrium, Kalium | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Kreatinin | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
AST, Bilirubin, PTT, INR | ✓ |
Spezifische Indikationen
Spezifische Indikationen für präoperative Laboruntersuchungen | ||
---|---|---|
Laborparameter | Indikation | |
| ||
Hämoglobin [16] |
| |
Thrombozytenzahl | ||
Spezifische Gerinnungsdiagnostik |
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Blutzucker | Nüchternblutzucker |
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Blutzuckertagesprofil |
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Leberwerte |
| |
Kreatinin |
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Schilddrüsenwerte [17] |
| |
Blutgruppenbestimmung und „Kreuzprobe“ |
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Infektionsdiagnostik |
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Troponin, BNP [8][9] |
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Normwerte in der konventionellen Gerinnungsdiagnostik schließen eine hämorrhagische Diathese nicht aus!
Präoperative Anordnungen
Allgemeine Anordnungen
- Präoperative Diagnostik und Laboruntersuchungen
- Änderungen der Vormedikation: Siehe: Perioperativer Umgang mit Vormedikation
- Medikamentöse Prämedikation (medikamentöse Beruhigung)
- Am Vorabend (optional bei sehr aufgeregten Patienten): Gabe eines mittellang wirksamen Benzodiazepins wie z.B. Lormetazepam
- Ca. 30–60 min vor OP: Gabe eines kurzwirksamen Benzodiazepins, i.d.R. Midazolam
- Ausnahmen: Vermeidung einer routinemäßigen Prämedikation mit Benzodiazepinen bei
- Älteren Patienten [18]
- Ambulanten Operationen
- Präoperative Optimierung
- Ausgleich von Volumenmangel (z.B. parenterale Volumensubstitution)
- Ausgleich von Elektrolytstörungen
- Verbesserung der Herz-Kreislauf-Situation
- Verbesserung der pulmonalen Situation
- Verbesserung der eigenen Blutreserven, Fremdblutspenden vermeiden („Patient Blood Management“): Bspw. durch Eigenblutspende, Einsatz von „Cell-Saver-Systemen“ (siehe: Autologe Transfusion) oder optimierte Anämiebehandlung (siehe: Eisensubstitution bei präoperativer Anämie)
- Bereitstellung von Blutprodukten: Bei entsprechender Indikation (siehe auch: Indikationsstellung zur EK-Transfusion)
- Einzuhaltende präoperative Nüchternzeiten
- Hinweis auf Anästhesie-Protokoll bei
- V.a. erschwerte Intubationsbedingungen
- Erhöhtem perioperativen Aspirationsrisiko
- Schweren Allergien
- Notwendigkeit einer postoperativen Überwachung
- Besonderheiten im perioperativen Gerinnungsmanagement
Bei ausgeprägter Störung der Homöostase (Anämie, Elektrolyt- oder Volumenmangel) muss eine elektive Operation bis zur Stabilisierung verschoben werden!
Bereitstellung von Blutprodukten [19][20][21]
Grundprinzip
- Vermeidung unnötiger Bereitstellung von Blutprodukten
- Im Zweifelsfall zunächst Blutgruppenbestimmung und „Kreuzprobe“
- Begrenzte Verfügbarkeit angeforderter EKs beachten
- Abbestellung nicht benötigter EKs unverzüglich
- Freigabe nicht-abgerufener EKs im Blutdepot
- Praktisches Vorgehen siehe: Transfusionen und Transfusion von Erythrozytenkonzentraten - Klinische Anwendung
Anzahl der Erythrozytenkonzentrate
- Einflussfaktoren
- Patientenspezifische Faktoren (siehe auch: Indikationsstellung zur EK-Transfusion)
- Aktueller klinischer Zustand
- Kardiovaskuläre Risikofaktoren
- Alter
- Beeinträchtigung der Blutgerinnung (angeboren oder erworben, siehe auch: Perioperatives Gerinnungsmanagement, Antikoagulation und Blutungsrisiko bei Operationen und Interventionen)
- OP-Verfahren und Operateur
- Logistische Faktoren
- Klinikinternes Labor vorhanden oder externe Bearbeitung nötig
- Lieferzeiten für nachgeforderte EKs
- Menge vorrätiger Blutprodukte
- Möglichkeit von fremdblutsparenden Maßnahmen (siehe auch: Autologe Transfusion)
- Patientenspezifische Faktoren (siehe auch: Indikationsstellung zur EK-Transfusion)
Maximum Surgical Blood Order Schedule | ||
---|---|---|
Geplante Operation | Anzahl Erythrozytenkonzentrate | |
Allgemeinchirurgie | Sigmaresektion | 0 |
Tiefe anteriore Rektumresektion | 2 | |
Ösophagusresektion | 4 | |
Gastrektomie | 2–4 | |
Leberteilresektion | 2 | |
Kausch-Whipple-OP | 4 | |
Ausgedehnte Adhäsiolyse | 2 | |
Unfallchirurgie/Orthopädie | Knie-TEP-Implantation | 0–2 |
Hüft-TEP-Implantation | 2 | |
Knie-TEP-Wechsel | 2 | |
Hüft-TEP-Wechsel | 2–4 | |
Spondylodese mehrerer Etagen | 2–4 | |
Gynäkologie | Abdominale Hysterektomie | 0 |
Offene OP eines Ovarialkarzinoms | 2 | |
Wertheim-OP | 2–4 | |
Urologie | TUR-P | 0 |
Zystektomie | 2 | |
Nephrektomie | 2 | |
Radikale Prostatektomie | 2 | |
Gefäßchirurgie | Karotis-Thrombendarteriektomie | 0 |
Peripherer Bypass | 2 | |
Offene OP eines Bauchaortenaneurysmas | 4 | |
HNO | Neck Dissection | 2 |
Perioperativer Umgang mit Vormedikation
Perioperativer Umgang mit Vormedikation - Kurzübersicht
Perioperativer Umgang mit Vormedikation - Kurzübersicht | ||
---|---|---|
Gabe pausieren | Individuell abwägen | Gabe fortführen |
|
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|
Die folgenden Hinweise zu den spezifischen Substanzen sind zur Risiko-Nutzen-Abwägung zu beachten. Ggf. abweichende Klinikstandards sind unbedingt zu berücksichtigen.
Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmer
- Perioperativer Umgang oft komplex
- Siehe: Perioperatives Gerinnungsmanagement und Anästhesiologisches Management: Regionalanästhesie unter Antikoagulation
Antidiabetika
- Allgemein
- Ziel: Perioperative Normoglykämie trotz Nüchternphase
- Überbrückend: Passagere Insulintherapie nach Insulinkorrekturschema
- Metformin [22][23][24]
- 48 h präoperativ bis 48 h postoperativ pausieren (Prophylaxe einer Lactatazidose)
- Sulfonylharnstoffe [8][23]
- Mind. am OP-Tag, ggf. schon am Vorabend pausieren
- SGLT2-Inhibitoren [8][23]
- 48 h präoperativ pausieren (Prophylaxe einer normoglykämen Ketoazidose)
- Postoperativer Wiederbeginn bei intakter Nierenfunktion
Insulintherapie
- Allgemein: Gabe reduzieren oder Gabe nach Insulinkorrekturschema zur Vermeidung von Hypoglykämien [8][23]
- Kurzwirksames Insulin: Am OP-Tag nur nach Insulinkorrekturschema (nicht nach Patientenschema)
- Vorgehen nach Insulintherapieschema
- Intensivierte Insulintherapie
- Basalinsulin belassen
- Keine festen Bolusgaben
- Ausgleich nach Insulinkorrekturschema
- Konventionelle Insulintherapie
- 50% der morgendlichen Dosis Verzögerungsinsulin
- Ausgleich nach Insulinkorrekturschema
- Siehe auch
- Intensivierte Insulintherapie
Kardiovaskuläre Medikamente
- Allgemein
- Antihypertensive Wirkstoffe: Abwägung zwischen dem Risiko einer perioperativen Hypotonie und dem Risiko einer hypertensiven Entgleisung
- Antiarrhythmische bzw. frequenzkontrollierende Wirkstoffe: Abwägung der Konsequenzen des Absetzens
- Betablocker und (retardierte) Nitrate: Fortführen, da bei Absetzen das Risiko eines Myokardinfarktes perioperativ ansteigt [8][25][26]
- Calciumantagonisten: I.d.R. Fortführen einer Dauertherapie, wenn kein sehr hohes perioperatives Hypotonierisiko besteht [8][26] [8][23][26]
- Subgruppe Verapamil und Diltiazem: Mit Wirkung auf Herzfrequenz
- I.d.R. Fortführen, wenn zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern eingesetzt
- Für Diltiazem am ehesten Datenbelege zur perioperativen Risikoreduktion vorhanden
- Dihydropyridine wie Amlodipin:
- Fortführen eher vorteilhaft bei Patienten mit vasospastischer Angina pectoris
- Jedoch nicht einsetzen: Kurzwirksame unretardierte Formen
- Subgruppe Verapamil und Diltiazem: Mit Wirkung auf Herzfrequenz
- ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker: Nach Risiko und Vorerkrankungen divergierende Empfehlungen
- Eher fortführen: Bei Patienten mit Dauermedikation zur Herzinsuffizienz-Therapie [22][26]
- Eher Pausieren: Bei OP mit erhöhter Gefahr für perioperative Hypotension [8]
- α2-Agonisten (Clonidin und α-Methyldopa): Pausieren, im Idealfall 2 Wochen präoperativ umstellen [24][25]
- Bei kurzfristigem Absetzen bzw. Pausieren: Ausgeprägtes Risiko einer hypertensiven Entgleisung („Rebound-Hypertonie“)!
- Bei perioperativer Hypotension: Höherer Katecholaminbedarf möglich
- Digitalisglykoside: Individuelle Risikoabschätzung erforderlich [23][24]
- Eher fortführen: Wenn die Indikation eine Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern ist, um eine Tachyarrhythmia absoluta zu vermeiden
- Absetzen kurzfristig wirkungslos: Durch lange Halbwertszeit der Digitalispräparate klingt die Wirkung nicht ab
- Überdosierung vermeiden: Im Zweifel präoperative Spiegelbestimmung
- Risiko von Komplikationen bei Elektrolytentgleisungen (Hypokaliämie, Hyperkalzämie), Hypoxie und Katecholaminen (Verstärkung der Digitaliswirkung!)
- Statine: Fortführen, Neuverordnung bei gefäßchirurgischen Eingriffen 2 Wochen präoperativ sinnvoll [25][26]
Pulmonologische Wirkstoffe
- Inhalativa: Fortführen, hierzu zählen
- Inhalative Corticosteroide
- Inhalative Bronchodilatatoren
- Theophyllin: Eher fortführen, insg. divergierende Empfehlungen bei unzureichender Evidenz [24]
- Überdosierung vermeiden, Spiegelkontrollen prä- und postoperativ
Psychopharmaka
- Allgemein: I.d.R. Fortführen zur Vermeidung psychiatrischer Rückfälle
- SSRI: Eher fortführen, hierbei strenge Beachtung von Interaktionen!
- Serotonin-Syndrom vermeiden: Keine Gabe von Pethidin, Tramadol und anderen serotonerg wirkenden Medikamenten
- Erhöhtes Blutungsrisiko
- Generelles Blutungsrisiko bei Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern
- In Kombination mit NSAR insb. Risiko für gastrointestinale Blutungen
- Trizyklische Antidepressiva: Fortführen, Interaktionen mit Narkosemedikation beachten [22][23]
- Verstärkte Wirkung von direkten Sympathomimetika, Hypnotika, Opioiden und Inhalationsanästhetika
- Abschwächung indirekter Sympathomimetika
- MAO-Hemmer [27]
- Nicht-selektive, irreversible MAO-Hemmer : Pausieren und Umstellen auf reversible MAO-Hemmer 2 Wochen präoperativ (Prophylaxe von Arzneimittelinteraktionen)
- Selektive, reversible MAO-Hemmer: Fortführen möglich, wenn psychiatrisch notwendig, jedoch unter strenger Beachtung kontraindizierter Medikamente
- Serotonin-Syndrom vermeiden: Keine Gabe von Pethidin, Tramadol und anderen serotonerg wirkenden Medikamenten
- Indirekte Sympathomimetika : Gefahr der hypertensiven Krise und exzitatorischer Reaktionen
- Lithium: Eher pausieren, es bestehen jedoch divergierende Empfehlungen [27]
- Pausieren: Bei größeren Eingriffen mit hohem Risiko einer akuten Nierenschädigung und/oder Elektrolytstörungen, i.d.R. erfolgt eine Pausierung 72 h vor dem Eingriff
- Wiederansetzen: Postoperativ so schnell wie möglich, wenn Nierenfunktion stabil und Elektrolyte balanciert sind
- Fortführung möglich: Bei psychiatrischer Indikation, in diesen Fällen engmaschige Kontrollen des Lithium-Serumspiegels und der Nierenfunktion
- Pausieren: Bei größeren Eingriffen mit hohem Risiko einer akuten Nierenschädigung und/oder Elektrolytstörungen, i.d.R. erfolgt eine Pausierung 72 h vor dem Eingriff
- Antipsychotika: Fortführen, bei Pausieren Gefahr für akute Psychose oder postoperative Verwirrung [27]
- Arzneimittel-Wechselwirkungen beachten
- Gefahr der QT-Zeit-Verlängerung beachten, siehe: Erworbenes Long-QT-Syndrom
- Benzodiazepine: Fortführen, da ausgeprägte Rebound-Phänomene beim Pausieren
Neurologische Medikamente
- L-Dopa: Fortführen
- Zur Vermeidung einer Symptomverschlechterung möglichst lückenlose Gabe [27]
- Antiepileptika: Fortführen
- Ggf. perioperative Spiegelkontrolle bei schwer einstellbaren Epilepsien und zusätzlichen prokonvulsiven Risikofaktoren [27]
Analgetika
- Opioide: Fortführen
- Bei chronischen Schmerzpatienten frühzeitige interdisziplinäre Absprache und ggf. schmerztherapeutisches Konsil, um Über- oder Unterdosierung zu vermeiden
- Nicht-Opioid-Analgetika: Fortführen
- Die Einhaltung der Tageshöchstdosen sind bei Anordnung der postoperativen Schmerztherapie zu beachten
Weitere
- Diuretika: Nur am Morgen des OP-Tags pausieren, intra- und postoperativ bedarfsweise (parenterale) diuretische Therapie
- Unmittelbar postoperativ wieder ansetzen, wenn Patient normal trinken kann
- Orale Glucocorticoide: Fortführen
- Bei Nebennierenrindeninsuffizienz ggf. Anpassung der Hydrocortison-Dosierung an die Stresssituation (Prophylaxe einer Addison-Krise)
- Protonenpumpeninhibitoren und H2-Blocker: Fortführen
- Ovulationshemmer: Fortführen [28]
- Kein routinemäßiges Absetzen empfohlen
- Kontrazeptionsschutz anpassen: Durch Interaktion mit Narkose- und Schmerzmitteln kann die kontrazeptive Wirkung verändert sein; dann ist ein zusätzlicher zuverlässiger Kontrazeptionsschutz notwendig!
- Schilddrüsenmedikation: Fortführen von L-Thyroxin oder Thyreostatika
- Perioperativ wird eine Euthyreose angestrebt, ggf. präoperative Kontrolle und Dosisanpassung
Perioperatives Gerinnungsmanagement
Präoperative Gerinnungsdiagnostik [8][29]
Gerinnungsanamnese [30][31]
- Blutungsanamnese [29]
- Auffälligkeiten bei vorangegangenen Operationen / Interventionen
- Zeitpunkt, Dauer und Intensität der Blutung
- Art des Eingriffs, Re-Operationen aufgrund von Blutungskomplikationen
- Erythrozytenkonzentrate oder andere Blutprodukte erhalten
- Nicht-operative Auffälligkeiten
- Spontanes Zahnfleischbluten
- Verlängerte Blutungszeit beobachtet, bspw. bei Bagatellverletzungen, Nasenbluten oder Menstruationsblutung
- Neigung zu Hämatomen (ohne adäquates Trauma oder nach Blutentnahme bzw. Injektionen)
- Petechien
- Auffälligkeiten bei vorangegangenen Operationen / Interventionen
- Thromboseanamnese [29]
- Vorangegangene Erkrankungen
- Aktuell
- Dauerhafte Einnahme von Gerinnungshemmern, Herzklappenersatz
- Unmittelbar präoperative Immobilisation
- Unmittelbar präoperativer Infekt
- Bekannte Gerinnungsstörung, bspw. [32][33]
- Hämorrhagische Diathesen
- Thrombozytär, bspw. (angeborene) Thrombozytopathien, Thrombozytopenien
- Plasmatisch, bspw. Koagulopathien wie Hämophilie A oder B
- Vaskulär, bspw. bei Morbus Osler, Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom
- Kombiniert, bspw. Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom, DIC
- Gerinnungsneigung
- Für Grundlagen zu Gerinnungsstörungen und zur Pathophysiologie der Gerinnung siehe: Blutgerinnung und hämorrhagische Diathesen
- Hämorrhagische Diathesen
- Vorerkrankungen [29]
- Aktuelle Erkrankungen mit Einfluss auf die Blutgerinnung, bspw.
- Leberzirrhose
- Chronische Niereninsuffizienz
- Alkoholabusus
- Maligne Tumoren
- Autoimmunerkrankungen, bspw. SLE
- Malnutrition, Malabsorption
- Weitere Vorerkrankungen, die eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber Gerinnungshemmung oder -aktivierung bedingen, bspw. intrakranielle Blutungen, Magenulkus
- Aktuelle Erkrankungen mit Einfluss auf die Blutgerinnung, bspw.
- Medikamente [29]
- Cumarine: Phenprocoumon, Warfarin (konventionelle Vitamin-K-Antagonisten)
-
Direkte orale Antikoagulanzien
- Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban (direkte Faktor-Xa-Inhibitoren)
- Dabigatran (direkter Thrombininhibitor)
- Thrombozytenaggregationshemmer: ASS, Clopidogrel, Ticagrelor, Prasugrel
- Heparine
- Hormonelle Kontrazeption [28]
- Unselektive Cyclooxygenasehemmer (!) [29]
- Weitere: Antibiotika , frei verkäufliche (pflanzliche) Präparate zur „Durchblutungsförderung“, Valproinsäure
- Allergien / Unverträglichkeiten / Adverse Reaktionen
- Bspw. gegenüber gerinnungshemmenden Medikamenten
- Insb. HIT II beachten, siehe auch: Heparin-induzierte Thrombozytopenie
- Familienanamnese
- Gerinnungsstörungen bekannt?
- Oben genannte Auffälligkeiten unter Blutungsanamnese, Thromboseanamnese bei nahen Verwandten aufgetreten?
Mithilfe einer standardisierten Blutungsanamnese können alle Patienten mit klinisch relevanter Blutungsneigung identifiziert werden! [29][30]
Durch die Thromboseanamnese sollen Patienten mit besonders hohem Risiko für thromboembolische Komplikationen oder Kontraindikationen gegen eine routinemäßige Thromboseprophylaxe identifiziert werden! [29]
Präoperative Gerinnungsdiagnostik - Untersuchungen [29]
- Körperliche Untersuchung, bspw. achten auf
- Hämatome, großflächige Einblutungen und Petechien
- Leberhautzeichen
- Laborparameter
- Indikation: Bei V.a. eine Gerinnungsstörung, bei Einnahme von Medikamenten, welche die Blutgerinnung beeinflussen sowie bei Leber- oder Niereninsuffizienz [8]
- Ausnahme: Blutungsanamnese nicht durchführbar → Standardmäßig aPTT, INR, Thrombozytenzahl, Fibrinogen, Thrombozytenfunktionstest bestimmen
- Umfang richtet sich nach dem Ausmaß der Symptome
- Basisdiagnostik: Schließt hämorrhagische Diathesen nicht aus [8]
- Spezielle Gerinnungsdiagnostik [29]
- Parameter abhängig von Vorerkrankung bzw. klinischer Verdachtsdiagnose
- Komplexere Fälle an Gerinnungsambulanz verweisen
- Indikation: Bei V.a. eine Gerinnungsstörung, bei Einnahme von Medikamenten, welche die Blutgerinnung beeinflussen sowie bei Leber- oder Niereninsuffizienz [8]
Präoperative Gerinnungsdiagnostik [29] | ||||
---|---|---|---|---|
Klinischer Fall | Basisdiagnostik | Spezielle Diagnostik | ||
Unauffällige Blutungsanamnese* |
| |||
Bekannter Gerinnungsfaktoren-Mangel |
| |||
Auffällige Blutungsanamnese |
|
| ||
Blutungsanamnese nicht durchführbar |
| |||
Nierenerkrankung |
| |||
Lebererkrankung |
| |||
Bekannte Thrombozytenfunktionsstörung | Faktor XIII |
| ||
Intraoperative Blutung |
| |||
Postoperative Blutung |
| |||
*Keine Einnahme gerinnungshemmender oder -fördernder Medikamente, keine Leber- oder Niereninsuffizienz, keine Blutungszeichen |
Nur bei anamnestischen Auffälligkeiten (Blutungsanamnese positiv, Leber- oder Niereninsuffizienz, Einnahme gerinnungshemmender oder -fördernder Medikamente) sollte eine Gerinnungsdiagnostik durchgeführt werden. Eine isolierte Bestimmung der Laborwerte ohne standardisierte Blutungsanamnese ist i.d.R. nicht aussagekräftig! [8][31]
Eine präoperative Thrombophilie-Diagnostik ist auch bei anamnestischen Auffälligkeiten nicht indiziert! Stattdessen muss eine adäquate Thromboseprophylaxe erfolgen! [29]
Blutungsrisiko von Eingriffen und Nutzen-Risiko-Abwägung
- Neben oben genannten patientenabhängigen Risikofaktoren für thromboembolische Komplikationen und Blutungskomplikationen ist die Art der Eingriffs entscheidend
- Für das Blutungsrisiko je nach Eingriff siehe Antikoagulation und Blutungsrisiko bei Operationen und Interventionen
Perioperatives Management bei bestehender Antikoagulation [8][34]
Das Vorgehen beim Pausieren und Wiederansetzen von Antikoagulationsbehandlungen muss in Rücksprache mit dem Operateur festgelegt werden. Je nach zugrundeliegender Indikation für die Antikoagulation gelten für das Pausieren Vorgaben, die ggf. unter Mitbetreuung durch Internisten oder Neurologen an die individuelle Situation angepasst werden müssen. Bei geplanter Regionalanästhesie siehe auch: Anästhesiologisches Management: Regionalanästhesie unter Antikoagulation
Perioperatives Management bei oraler Antikoagulation
- DOAK [35]
- Präoperativ
- Bei Eingriffen mit kaum gegebenem Blutungsrisiko nicht absetzen
- Bei Eingriffen mit niedrigem, moderatem oder hohen Blutungsrisiko absetzen erwägen
- Intervall zwischen Absetzen und OP abhängig vom Blutungsrisiko der Operation und der Nierenfunktion des Patienten, bspw.
- Eingriffe mit hohem Blutungsrisiko (z.B. Viszeralchirurgie): 48 h präoperativ letzte Dosis
- Eingriffe mit niedrigem Blutungsrisiko: 24 h präoperativ letzte Dosis
- Kein Bridging
- Antagonisieren, falls notwendig
- Im Notfall: Prothrombinkonzentrat, alternativ mit rekombinantem Faktor VIIa
- Dabigatran: Antagonisierung mit Idarucizumab (z.B. Praxbind®), zudem dialysierbar
- Rivaroxaban, Apixaban: Spezifische Antagonisierung mit Andexanet alfa, siehe auch: Rote-Hand-Briefe zu Ondexxya® (Andexanet alfa)
- Plasmakonzentrate i.d.R. ineffektiv, da enthaltene Gerinnungsfaktoren durch Wirkung der DOAK inaktiviert werden
- Postoperativ gerinnungshemmende Therapie so früh wie möglich wieder beginnen
- Weitere Informationen zum Blutungsrisiko je nach OP und Dosisreduktion bei eingeschränkter Nierenfunktion: Siehe Perioperativer Umgang mit DOAK
- Präoperativ
- Cumarine (Vitamin-K-Antagonisten) [36]
- Präoperativ INR bestimmen
- Bei Eingriffen mit niedrigem Blutungsrisiko nicht absetzen
- Größere invasive Eingriffe: 4–7 d vorher absetzen [23]
- Ziel-INR ca. <1,5 [8]
- Siehe auch Blutungsrisiko bei Operationen und Interventionen
- Bridging erwägen, falls abgesetzt
- Insb. bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko kann Bridging vorteilhaft sein
- Weitere Informationen zur praktischen Durchführung des Bridgings und Kritik am Konzept: Siehe Bridging (Antikoagulation)
- Antagonisieren, falls notwendig
- Elektiv, z.B. mit 1–2 mg Vitamin K
- Im Notfall: Prothrombinkonzentrat, alternativ Fresh Frozen Plasma
- Präoperativ INR bestimmen
- Weitere Informationen zu den oralen Antikoagulantien: Siehe Vitamin-K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulanzien
Beim Pausieren der Vitamin-K-Antagonisten ist die Entscheidung für oder gegen ein Bridging vom individuellen Thromboembolierisiko abhängig!
Perioperatives Management bei nicht-oraler Antikoagulation
- NMH
- Präoperativ 2 d vor dem Eingriff absetzen, falls notwendig
- Selten Bestimmen der Anti-Faktor-Xa-Aktivität nötig
- Antagonisierung mittels Protamin teilweise möglich
- Postoperativ am Folgetag nach der OP wieder ansetzen
- Präoperativ 2 d vor dem Eingriff absetzen, falls notwendig
- UFH
- Fondaparinux [29]
- Präoperativ je nach Nierenfunktion 36–42 h vor dem Eingriff absetzen
- Postoperativ Erstgabe frühestens 6 h nach dem Eingriff
- Weitere Informationen zu den nicht-oralen Antikoagulantien: Siehe Nicht-orale Antikoagulation
- Weitere Informationen zum Blutungsrisiko verschiedener Operationen und der Risiko-Nutzen-Abwägung mithilfe von Scores: Siehe Antikoagulation und Blutungsrisiko bei Operationen und Interventionen
Perioperatives Management bei Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern [8][34][37]
Bei der Entscheidung, ob Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren ihre bestehende Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern perioperativ pausieren sollten, ist eine Abstimmung zwischen Chirurgen, Internisten, Neurologen und Anästhesisten notwendig. Es gilt, drei Faktoren gegeneinander abzuwägen:
- Dringlichkeit des operativen Eingriffs
- Blutungsrisiko des geplanten Eingriffs
- Thromboembolierisiko des Patienten
Auch kleinere invasive Eingriffe können mit einem hohen Blutungsrisiko einhergehen (z.B. Tonsillektomie)! [29]
- Monotherapie mit ASS
- Präoperativ i.d.R. nicht absetzen, bspw. bei
- Eingriffen mit niedrigem bis moderatem Blutungsrisiko, siehe auch Blutungsrisiko bei Operationen und Interventionen
- Intraarteriellen Stents (insb. bei KHK und PTCA)
- Im Rahmen einer Sekundärprophylaxe grundsätzlich nicht absetzen
- Ausnahmen: Präoperativ i.d.R. absetzen bei
- Neurochirurgischen Eingriffen
- Im Rahmen einer Primärprophylaxe ca. 5–7 d vor größeren invasiven Eingriffen
- Postoperativ ist der Zeitpunkt des Wiederbeginns einer ASS-Therapie dem Blutungsrisiko anzupassen
- Präoperativ i.d.R. nicht absetzen, bspw. bei
- Duale Thrombozytenaggregationshemmung [8][23]
- Präoperativ: P2Y12-Antagonisten nur vor großen Operationen mit hohem Blutungsrisiko absetzen
- Clopidogrel 5–7 d vorher
- Ticagrelor 5 d vorher
- Prasugrel 7 d vorher
- Perioperativ Therapie mit ASS möglichst fortführen
- Postoperativ duale Plättchenhemmung schnellstmöglich wieder ansetzen
- Elektive Operationen bestenfalls solange verschieben, bis duale Thrombozytenaggregationshemmung beendet ist bzw. von der Monotherapie abgelöst wurde
- Im Notfall: Medikation fortführen, Blutungskomplikationen in Kauf nehmen und behandeln (v.a. mit Thrombozytenkonzentraten, evtl. kombiniert mit Desmopressin, Antifibrinolytika) [34]
- Präoperativ: P2Y12-Antagonisten nur vor großen Operationen mit hohem Blutungsrisiko absetzen
- Weitere Informationen zu den Wirkstoffen, u.a. Dosierungshinweise, Kontraindikationen und Interaktionen: Siehe Thrombozytenaggregationshemmer
Heparine können die Funktion der Thrombozytenaggregationshemmer nicht ersetzen! Zwar wird ein Bridging mit NMH nach dem Absetzen von ASS und/oder Clopidogrel im klinischen Alltag oftmals durchgeführt, dieses Vorgehen ist jedoch nicht angebracht! [37]
Bei Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulantien muss perioperativ individuell zwischen dem Thrombose- und dem Blutungsrisiko abgewogen werden! Bei kleineren Eingriffen oder Interventionen mit geringem Blutungsrisiko ist ein Pausieren nicht notwendig! [34]
Perioperatives Gerinnungsmanagement – Vorgehen bei Hyperkoagulabilität [29]
- Risikogruppen: Patienten mit
- Angeborener oder erworbener Thromboseneigung
- Prä- oder intraoperativer Akutphasereaktion
- Bereits präoperativ bestehender Immobilisation
- Management: Adäquate Thromboseprophylaxe durchführen!
- Insb. bei Patienten mit kurz zurückliegender Thrombose / Embolie
- APC-Resistenz: Antikoagulation bevorzugt mit NMH
- Nur selten sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, bspw. bei
- Antithrombin-Mangel: Ggf. Inhibitor-Substitution durchführen
- Protein-C-Mangel: Ggf. Inhibitor-Substitution durchführen
Perioperatives Gerinnungsmanagement – Perioperative Thromboseprophylaxe
- Je nach individuellem Risiko für eine venöse Thromboembolie indiziert
- Für Informationen zu den Wirkstoffen und der Dosierung: Siehe Perioperative Thromboseprophylaxe und Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung
Besonders unfallchirurgische/orthopädische Eingriffe gehen oft mit einer Immobilisation des Patienten einher, einem der größten Risikofaktoren für postoperative Thrombosen!
Präoperative Aufklärung
Vor jedem größeren Eingriff erfolgt eine Aufklärung über die Art des Eingriffs (chirurgische Aufklärung) und der Schmerzausschaltung (anästhesiologische Aufklärung). Dies geschieht i.d.R. separat. Der Patient muss rechtzeitig in einer ihm verständlichen Weise im relevanten Rahmen über den Eingriff sowie die allgemeinen und spezifischen Risiken aufgeklärt werden, sodass er in der Lage ist, eine eigenständige Entscheidung ohne Handlungsdruck zu treffen. [38]
Allgemeine rechtliche Informationen bspw. zur Dokumentation, Aufklärung betreuter Personen und Umfang der Aufklärung finden sich unter Aufklärungspflicht. Spezielle Inhalte zur Aufklärung bei darmchirurgischen Eingriffen sind zusätzlich unter präoperatives Management bei darmchirurgischen Eingriffen aufgeführt.
- Ärztliche Tätigkeit
- Nicht an nicht-ärztliches Personal delegierbar
- Muss mündlich und in einer für den Patienten verständlichen Sprache durchgeführt werden
- Einverständniserklärung bei Kindern
- Prinzipiell Unterschrift/Aufklärung beider Erziehungsberechtigter (insb. bei größeren elektiven Eingriffen!)
- Siehe auch: Einwilligung und Aufklärung bei Minderjährigen
Jeder chirurgische Eingriff erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung! Erst die ausdrückliche Zustimmung des Patienten erlaubt die Durchführung des Eingriffs!
Chirurgische Aufklärung [38]
Generelles [39]
- Indikation
- Erklären der Notwendigkeit der geplanten chirurgischen Maßnahme und Aufzeigen möglicher Alternativen [40]
- Erläuterung des Nutzens der Operation für den Patienten
- Erläuterung der Folgen und Risiken einer Nichtbehandlung
- Zeitpunkt
- Kleinere, ambulante Eingriffe: Aufklärung am selben Tag möglich
- Eingriffe mit stationärem Aufenthalt: Spätestens am Vortag (≥24 h) vor dem operativen Eingriff; ausgenommen Notfalloperationen [39]
Umfang der Aufklärung [39]
- Lokalisation und Ausmaß der geplanten Operation, ggf. Erweiterung der Operation je nach intraoperativem Befund
- Aufklärung über mögliche (geplante) Folgeoperationen
- Dringlichkeit des operativen Eingriffs
- Dauer der Operation
- Technik und Durchführung der Operation: Bspw. Laparoskopisch-assistiertes oder konventionelles Verfahren [38]
- Zusätzlich notwendige Interventionen: Bspw. Einlage eines Blasenkatheters und von Sonden/Drainagen
- Postoperatives Prozedere: Inkl. Tragweite des geplanten Eingriffs
Risiken [38]
- Allgemeine Risiken einer chirurgischen Maßnahme
- Blutung, Nachblutung
- Infektion
- Allergische Reaktion
- Thrombose und Lungenembolie
- Wundheilungsstörung
- Narben-/Keloidbildung
- Spezielle Risiken
- Bspw. Verletzung benachbarter Strukturen, insb. von Hohlorganen, Gefäßen und Nerven
- Ausweitung nach intraoperativem Befund
- Folgeeingriffe/-komplikationen
Postoperatives Prozedere [41]
Hier sollte dem Patienten das geplante bzw. zu erwartende Prozedere erläutert werden. Auch ist es wichtig, den Patienten darauf hinzuweisen, dass es postoperativ individuell durchaus zu Änderungen oder einem anderen Verlauf kommen kann.
- Intensivstationäre Überwachung
- Schema des Kostaufbaus
- Schema der Mobilisation und Physiotherapie
- Notwendige Verhaltensregeln für die Sicherstellung des Therapieerfolgs
- Medikamentöse Weiterbehandlung
- Dauer des stationären Aufenthaltes
- Notwendige ambulante Nachsorge, Kontrolluntersuchungen und Rehabilitationsmaßnahmen
- Bei Tumorpatienten: Weitere Nachsorge und Therapie nach Eingang des endgültigen histologischen Ergebnisses
Anästhesiologische Aufklärung [42]
- Setting
- I.d.R. in der Prämedikationsambulanz
- Alternativ in der Notaufnahme oder auf Station (auf keinen Fall im OP oder Einleitungsraum! )
- Zeitpunkt: Bis spätestens am Abend vor der Operation
- Ausnahmen
- Kleinere ambulante Eingriffe bei gesunden Patienten (ASA-Klassifikation 1 oder 2): Aufklärung direkt vor der Operation möglich
- Notfall
- Ausnahmen
Umfang der Aufklärung
Ablauf
- Verhalten bis zum OP-Tag
- Verhalten bei akuter Erkrankung kurz präoperativ (z.B. schwere Erkältung)
- Anpassen der Medikamente zur Vermeidung von Komplikationen (siehe auch: Präoperatives Absetzen bzw. Pausieren von Medikamenten)
- Verhalten am OP-Morgen [43]
- Präoperative Nüchternzeiten (inkl. Nikotinabstinenz! ) und deren Relevanz
- Art der Medikamenteneinnahme: Frühmorgens mit einem Schluck Wasser (außer pausierte Medikamente!)
- Ablauf im Operationssaal
- Geplantes postoperatives Prozedere: Art des Aufwachens, Aufenthalt im Aufwachraum oder auf Intensivstation und geplante postoperative Schmerztherapie
- Ambulante Eingriffe → Aushändigen eines Merkblattes zu diesen Punkten
- Postoperative Betreuung durch volljährige Person für 24 h
- Fahruntauglichkeit und Geschäftsunfähigkeit innerhalb der ersten 24 h nach OP
- Notieren wichtiger Telefonnummern: Patient, Betreuungsperson
- Information zu Verhalten bei akuten postoperativen Komplikationen
- Ambulante Eingriffe → Aushändigen eines Merkblattes zu diesen Punkten
Narkoseverfahren
- Aufklärung über alle für den Eingriff möglichen Verfahren (inkl. der Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen)
- Allgemeine Narkoserisiken
- Perioperatives Aspirationsrisiko
- Allergische Reaktion
- Infektionen oder Blutungen im Bereich von Einstichstellen
- Postoperative Übelkeit und Erbrechen (siehe auch: PONV-Risikofaktoren)
- Herz-Kreislauf-Komplikationen
- Pulmonale Komplikationen
- Ungeplante Aufnahme auf eine Überwachungs- bzw. Intensivstation
- Lagerungsschäden
- Verfahrensspezifische Risiken
- Intubationsnarkose: Bspw. Heiserkeit, Schäden an Zähnen oder Zahnersatz
- Spinalanästhesie, Periduralanästhesie und ähnliche Verfahren: Bspw. Kopfschmerzen, Schwindel oder Querschnittssymptomatik
- Generell bei Regionalanästhesie: Verfahrenswechsel aufgrund unzureichender Schmerzausschaltung
- Patientenspezifische Risiken: Siehe auch: Anästhesiologische Aufklärung: Spezifische Risiken
- Erweiterte Maßnahmen (Bspw. ZVK oder invasive arterielle Blutdruckmessung)
- Aufklärung über Notwendigkeit, Art, Risiken und Komplikationen der jeweiligen Maßnahme (siehe bspw. auch: Komplikationen bei ZVK-Anlage)
Die Narkoseaufklärung sollte sich stets individuell nach dem Risikoprofil des Patienten richten und vorhandene Risiken klar kommunizieren, ohne den Patienten unnötig zu verunsichern!
Dokumentation
- Ausfüllen des Anästhesie-Protokolls: Insb. Allergien, Vorerkrankungen, Pausieren von Medikamenten oder noch fehlende Befunde
- Dokumentation wichtiger Besonderheiten: Deutlicher Vermerk auf dem Anästhesie-Protokoll sowie elektronisch im OP-Plan
- Erwartete erschwerte Intubationsbedingungen
- Erhöhtes perioperatives Aspirationsrisiko
- Prädisposition für maligne Hyperthermie
- Bekannte hämorrhagische Diathese (siehe auch: Perioperatives Gerinnungsmanagement)
- Ausfüllen und Unterschreiben des Aufklärungsbogens
- Unterschriften von aufklärendem Arzt und dem Patienten/Betreuungsbevollmächtigten/Erziehungsberechtigten
- Wichtig: Jeweils mit Datum!
- Mitgeben einer Kopie des unterschriebenen Aufklärungsbogens
Aufklärung über mögliche Bluttransfusionen
- Durch Anästhesisten oder Chirurgen vor Eingriffen mit zu erwartendem größerem Blutverlust
Unmittelbar perioperatives Management
OP-Vorbereitung auf Station
Präoperative Nüchternzeiten bei Erwachsenen [43][44][45]
- Ziel: Minimierung des perioperativen Aspirationsrisikos
- Nüchternzeiten
- Feste Nahrung: Bis 6 h vor OP
- „Trübe“ Flüssigkeiten, bspw. Milch
- Trinkjoghurt, Smoothies
- Klare Flüssigkeit: Bis 2 h vor OP
- Rauchen: Frühstmögliche Nikotinkarenz , max. bis 6 h vor OP
- Feste Nahrung: Bis 6 h vor OP
Präoperative Nüchternzeiten im Kindesalter [46][47]
- 6-4-3-1-Schema
- Vollwertige Mahlzeit: 6 h
- Nicht-klare Flüssigkeiten inkl. (Fertig‑)Milch oder Kakao, kleine Mahlzeiten : 4 h
- Muttermilch: 3 h
- Klare Flüssigkeiten : 1 h
- Bei signifikanter Verlängerung der Nüchternzeiten: Erhöhtes Risiko für Komplikationen, bspw.
- Hypoglykämie und Ketoazidose
- Während der Narkoseeinleitung: Dehydratation und Blutdruckabfall, Unkooperativität und Befindlichkeitsstörungen (insb. bei kleinen Kindern)
- Kinder mit anästhesierelevanten Vorerkrankungen : Grundsätzlich identische Empfehlungen wie bei gesunden Kindern, auch bei
- Medikamenteneinnahme
- Ernährung über eine enterale Sonde oder ein Gastrostoma
Die präoperativen Nüchternzeiten sollten bei Kindern möglichst nicht verlängert werden!
Bei Kindern mit anästhesierelevanten Vorerkrankungen gelten hinsichtlich der präoperativen Nüchternzeiten grundsätzlich dieselben Empfehlungen wie bei gesunden Kindern!
Umsetzung von präoperativen Anordnungen
- Präoperative Homöostase
- Parenterale Volumenersatztherapie
- Elektrolytausgleich (siehe auch: Therapie der Hypokaliämie, Therapie der Hyponatriämie)
- Ausgleich einer präoperativen Anämie (siehe auch: Indikationsstellung zur EK-Transfusion)
- Medikamentengabe
- Fortführung der Dauermedikation laut Anordnung (siehe auch: Perioperativer Umgang mit Vormedikation)
- Angeordnete medikamentöse Prämedikation auf Abruf
- Perioperative Thromboseprophylaxe siehe auch: Thromboseprophylaxe - Operative Eingriffe
Sonstige Vorbereitungen
- Markierung des OP-Gebiets: Bspw. Stoma anzeichnen bei geplanter Stomaanlage
- Bei viszeralchirurgischen Eingriffen: Abführende Maßnahmen nach Maßgabe des Operateurs (siehe auch: Präoperative Darmvorbereitung)
- Enthaarung des OP-Gebiets: Möglichst mit einer Haarschneidemaschine [48]
Ablauf im OP
Für die anästhesiologische Vorbereitung im Einleitungsraum siehe: Allgemeinanästhesie - Vorbereitung.
„Surgical Safety Checklist“ [49][50][51]
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden hier alle Teile der Checkliste (vor, während und nach der Narkose) hintereinander aufgeführt. Das eigentliche Abhaken erfolgt jedoch gestaffelt.
- Klinikinterne Standards beachten!
- Hintergrund
- Dient zur Verbesserung der Patientensicherheit und zum internen Qualitätsmanagement des Krankenhauses
- Art und Zeitpunkt der Durchführung sowie weitere Details können je nach Standort variieren
- Grundlegende geprüfte Inhalte vergleichbar
- Implementierung und Anwendung vom Bundesgesundheitsministerium empfohlen [52]
- Verantwortliche: Ärztliches und OP-Pflegepersonal
Die Checkliste begleitet den Patienten von der Station bis in den Aufwachraum und sorgt für kurzes Innehalten an allen wichtigen „Checkpoints“!
Vor der Narkoseeinleitung
- Identität: Patient nennt Name und Geburtsdatum, Abgleich mit Unterlagen und Patientenarmband
- Eingriff: Patient bestätigt Art und Ort des Eingriffs
- Einwilligung
- Schriftliche OP-Einwilligung liegt vor
- Schriftliche Anästhesie-Einwilligung liegt vor
- Ausnahme: Notfall-OP
- Eingriffsort: Markiert (wenn möglich)
- Sicherheit
- Abfrage/Kontrolle der präoperativen Nüchternzeiten
- Abfrage von Allergien
- Fremdkörper entfernt? (Zahnprothesen, Schmuck etc.)
- Kontrolle der Patientenakte auf Vollständigkeit (EKG, Laboruntersuchung, Röntgenbilder etc.)
- Gerätecheck erfolgt? Siehe auch: Kurzcheck des Narkosegerätes
- Medikamente prüfen: Präoperative Anordnungen umgesetzt?
- Erhöhtes Risiko durch den Eingriff vorhanden? Siehe auch: Einschätzen des perioperativen Risikos
- Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg vorhanden?
- Material
- Bestellte Blutprodukte vorhanden?
- Benötigte Implantate und Instrumente vorhanden?
- Pulsoxymeter angeschlossen und funktional?
Vor Hautschnitt: Team Time-out [51]
- Teamvorstellung
- Bestätigung anhand der Checkliste von
- Patientenidentität
- Art des Eingriffs
- Eingriffsort/Abgleich mit Markierung
- Lagerungskontrolle
- Vollständigkeit der Befunde
- Chirurgische Aspekte
- Kritische OP-Schritte oder erwartete Probleme
- Geplante Dauer der OP
- Erwarteter Blutverlust
- Anästhesiologische Aspekte
- Vorerkrankungen des Patienten
- Spezifische anästhesiologische Probleme
- Perioperative Antibiotikaprophylaxe
- Bestätigung durch OP-Pflegepersonal
- Sterilität
- Vollständigkeit von Implantaten/Instrumenten
Vor Verlassen des OP-Saals
- Bestätigung durch OP-Pflegepersonal
- Art des durchgeführten Eingriffs
- Vollständigkeit von Material/Instrumenten, bspw. Bauchtücher
- Falls zutreffend: Gewebeproben beschriftet?
- Falls zutreffend: Materialversagen oder andere technische Probleme intraoperativ?
- Relevante Aspekte zum postoperativen Management mitteilen
Einleitung der Anästhesie
Die Wahl des Narkoseverfahrens ist abhängig vom geplanten Eingriff und den Komorbiditäten des Patienten.
- Für Inhalte zu Narkoseverfahren und Indikationen siehe
- Für die praktische Durchführung siehe
Vorbereitungen im Operationssaal
- Hygienische Maßnahmen
- Raumdesinfektion
- Chirurgische Händedesinfektion
- OP-Kittel und sterile Handschuhe anziehen
- Saal-Vorbereitung
- OP-Tisch
- OP-Saal mit medizinischen Geräten , Instrumentarium („OP-Siebe“) und Verbrauchsmaterialien
- Steriler Instrumententisch
- Lagerung des Patienten
- Je nach geplanter Operation
- Bei Operation an Extremitäten: Entfernung immobilisierender Orthesen/Castverbände und Anlage einer Blutsperre
- Auf ausreichende Polsterung achten
- Anlage eines Blasenkatheters bei langer OP-Dauer und/oder erwarteter postoperativer Immobilität
- Desinfektion und Abdecken des Operationsgebiets
Perioperative Prophylaxe mit Antihistaminika [53]
- Indikation: Bekannte schwere allergische Diathese
- Prophylaxe durch kombinierte Gabe von H1- und H2-Antihistaminikum, bspw. Dimetinden und Cimetidin
Perioperative Antibiotikaprophylaxe [54][55]
- Ziel: Vermeidung perioperativer Wundinfektion
- Durchführung: Aufgabe des Anästhesisten
- Zeitpunkt: 30–60 min vor Hautschnitt, ggf. erneute Gabe bei hohem Blutverlust >1 L oder langer Operationsdauer [54][56]
- Anwendung: Intravenöse Single-Shot-Gabe
- Prophylaxe: Antibiotikagabe <24 h [54]
- Verlängerung nur bei bereits bestehender Infektion
Klassifikation von OP-Wunden nach Cruse und Ford [57] | ||
---|---|---|
Klasse | Kontaminationsgrad | Eingriffsort/-form |
1 |
|
|
2 |
|
|
3 |
| |
4 |
|
|
- Indikationen für perioperative Antibiotikaprophylaxe
- Eingriffe der Klasse 3 und 4: Erhöhtes Infektionsrisiko
- Einbringen von Prothesen
- Ungeplante intraoperative Kontamination, bspw. durch Verletzung der Darmwand
- Eingriffe der Klasse 1 und 2: Bei chirurgischen oder individuellen Risikofaktoren
- Wahl des Antibiotikums
- Abhängig vom erwarteten lokalen Erreger- und Resistenzspektrum
- Einbeziehung der Antibiotikaresistenzlage des Krankenhauses
- Beachten von Kontraindikationen auf Seiten des Patienten
Aufgrund vorliegender Risikofaktoren besteht bei fast allen stationären Patienten bei einem Eingriff die Indikation zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe!
Als Faustregel kann gelten: Wiederholung der Gabe nach 3 h OP-Zeit bei Präparaten, die in der Therapie 3×/d gegeben werden. Für Präparate mit einer Standarddosierung von 2×/d reicht die Single-Shot-Prophylaxe auch bei längeren Eingriffen!
Bei V.a. akute Infektion sollte vor Gabe des Antibiotikums eine Sicherung des Materials zur mikrobiologischen Untersuchung erfolgen!
Die perioperative Antibiotikaprophylaxe soll nicht verlängert (das heißt: nach der Operation) fortgeführt werden.
Postoperatives Management
Management im Aufwachraum [60]
- Überwachung
- Vitalparameter : Meist EKG, nicht-invasive Blutdruckmessung und Pulsoxymetrie
- Vigilanz
- Blutverlust: Kontrolle der einliegenden Drainagen und Verbände
- Auffälligkeit von Sekreten : Kontrolle von Blasenkatheter, Magensonde und einliegenden Drainagen
- Bilanzierung
- Lagerung
- Laborkontrollen
- Rückläufigkeit von regionalanästhesiologischen Verfahren
- Behandlung von postoperativen Komplikationen im Aufwachraum
- Dokumentation
- Postoperative Flüssigkeitsgabe
- Orale Flüssigkeitsgabe schluckweise bei ausreichender Vigilanz
- Parenterale Volumenersatztherapie bei Hypovolämie oder fehlender Vigilanz
- Schmerztherapie [61][62]
- Anordnung durch Anästhesisten für unmittelbar postoperative Phase
- Anschluss von Pumpensystem bei vorhandenem Schmerzkatheter und Einbindung des Akutschmerzdienstes
- Siehe auch: Beispielalgorithmus für die Schmerztherapie auf Station
Beispielalgorithmus für die Schmerztherapie im Aufwachraum | |
---|---|
Mäßige bis starke Schmerzen (NRS ≥5) | Leichte Schmerzen (NRS 1–4) |
|
|
Bei dauerhaft nicht kontrollierbaren Schmerzen sollte die Möglichkeit zum Einsatz einer PCA (Patient-controlled Analgesia) oder eines Regionalverfahrens geprüft werden!
Entlassung aus dem Aufwachraum
- Verlegungskriterien
- Ausreichende Vigilanz
- Suffiziente Spontanatmung
- Stabile Kreislaufverhältnisse
- Weitgehende Schmerzfreiheit
- Keine oder gebesserte PONV
- Unauffällige Verbände/Drainagen
- Rückläufigkeit einer Regionalanästhesie
- Übergabe aus dem Aufwachraum
- Art des Eingriffs
- Art der Narkose
- Intraoperative Besonderheiten/Komplikationen
- Bisherige Schmerztherapie
- Sonstige Maßnahmen im Aufwachraum
Modifizierter Aldrete-Score [63] | |||
---|---|---|---|
Parameter | 0 Punkte | 1 Punkt | 2 Punkte |
Vigilanz |
|
|
|
Aktivität |
|
|
|
Kreislauf |
|
|
|
Atmung |
|
|
|
Sättigung |
|
|
|
Schmerzen |
|
| |
PONV |
|
|
|
Bewertung |
|
Vorgehen bei ambulanten Patienten
- Überwachung im Aufwachraum bis zur Erfüllung der Verlegungskriterien
- Suffiziente Schmerztherapie unter Vermeidung sedierender Effekte
- Ruheraum bis zur endgültigen Entlassung
- Entlassung durch Operateur und Anästhesist
- Intakte Vitalfunktionen und Schutzreflexe
- Weitgehende Schmerzfreiheit
- Keine PONV
- Nahrungsaufnahme/Trinken
- Miktion unauffällig
- Keine Restblockaden nach Regionalanästhesie
- Unauffällige Wundverhältnisse, trockener Wundverband
- Dokumentation/Aufklärung
- Betreuung für 24 h durch Angehörige gesichert
- Bedarfsmedikation zur häuslichen Schmerztherapie
- Verhaltensregeln bei Komplikationen
- Notfall-Kontaktdaten Chirurgie/Anästhesie
Postoperatives Management auf der Station
Die stationäre Patientenversorgung ist stark abhängig von der Art des Eingriffs und dem Zustand des Patienten. Nachfolgend werden allgemeine Prinzipien des ärztlichen Stationsmanagements abgebildet. Für Details und spezifische Handlungsanweisungen siehe auch: Postoperatives Management nach darmchirurgischen Eingriffen und Postoperative ärztliche Verlaufskontrollen in der Orthopädie und Unfallchirurgie
Aufnahme
- Durchsicht intraoperativer Befunde
- OP-Bericht
- Anästhesie-Protokoll
- Spezifische postoperative Anforderungen und notwendige Untersuchungen
- Untersuchung: Erste ärztliche Visite postoperativ auf Station
Ärztliche Anordnungen
Neuverordnung postoperativer Medikation
- Postoperative medikamentöse Thromboseprophylaxe
- Bspw. mit niedermolekularen oder unfraktionierten Heparinen
- Siehe auch: Thromboseprophylaxe - Operative Eingriffe, Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose, Thromboseprophylaxe in der Orthopädie und Unfallchirurgie
- Postoperative Schmerztherapie auf Station [61][62]
- Regelmäßige Evaluation der Schmerzintensität (NRS) in Ruhe und unter Belastung
- Primär nach der Schmerzintensität
- Auswahl der Nicht-Opioid-Analgetika nach Art des Eingriffs und ggf. vorliegenden Kontraindikationen.
- Für die Therapie somatischer Schmerzen siehe auch: Schmerztherapie in der Orthopädie und Unfallchirurgie
- Chronische Schmerzpatienten: Vorbestehende Schmerzmedikation einbeziehen
Beispielalgorithmus für die Schmerztherapie auf Station | |||
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Erwartetes Schmerzniveau | Starke Schmerzen (NRS 8–10) | Mäßige Schmerzen (NRS 5–7) | Leichte Schmerzen (NRS 1–4) |
Basismedikation |
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Anpassung bei unzureichender Wirkung |
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Rescue-Medikation bei Schmerzspitzen |
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„Magenschutz“ |
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Obstipationsprophylaxe |
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Eine ineffektive postoperative Schmerztherapie erhöht das Risiko postoperativer Komplikationen! [61]
Bei chronischen Schmerzen, dauerhaft ineffektiver Schmerztherapie und Umstellung von Schmerzkatheterverfahren auf orale Medikation sollte frühzeitig ein erfahrener Schmerztherapeut hinzugezogen werden!
Wiederansetzen der Dauermedikation [8]
- Kreislaufwirksame Pharmaka
- Stabile Kreislaufverhältnisse: Unmittelbar postoperativ wieder ansetzen/weitergeben
- Instabile Kreislaufverhältnisse: Dosisreduktion oder vorübergehendes Pausieren
- Antidiabetika [64]
- Orale Antidiabetika: Nach Beginn der oralen Nahrungsaufnahme
- Ausnahme: Metformin: 48 h postoperativ wieder ansetzen
- Insulin: Bis zur ersten Nahrungsaufnahme Basalinsulin und BZ-Korrektur nach Schema, anschließend nach präoperativem Plan
- Orale Antidiabetika: Nach Beginn der oralen Nahrungsaufnahme
- Antikoagulanzien siehe auch: Perioperatives Gerinnungsmanagement
- Psychopharmaka: Unmittelbar postoperativ weitergeben/wieder ansetzen
- Kortikosteroide
- Bei Dauertherapie oberhalb der Cushing-Schwellen-Dosis: Dosisanpassung postoperativ je nach Ausmaß der OP
- Unterhalb der Cushing-Schwellen-Dosis: Unmittelbar postoperativ in üblicher Dosis fortsetzen
- Schmerzmedikation: Vorbestehende Schmerzmedikation in postoperative Schmerztherapie auf Station einbeziehen
Postoperative Flüssigkeitsgabe und oraler Kostaufbau
- Flüssigkeitszufuhr
- Neutrale Flüssigkeitsbilanz anstreben
- Patienten frühzeitig zum Trinken motivieren
- Bei problemlosem Trinken parenterale Volumentherapie nur bei medizinischer Indikation erneut beginnen
- Kostaufbau [65]
- Frühzeitige enterale Ernährung anstreben
- Bei viszeralchirurgischen Eingriffen: Schonender Kostaufbau (siehe auch: Postoperatives Management nach darmchirurgischen Eingriffen)
- Parenterale Ernährung: Wenn keine orale Ernährung absehbar ist
Bei Intensivpatienten soll frühzeitig mit einer bevorzugt enteralen Ernährung begonnen werden! (DGIM - Klug entscheiden in der internistischen Intensivmedizin)
Weiteres
- Mobilisation unter physiotherapeutischer Anleitung: Frühzeitiger Beginn
- Atemtherapie: Verbesserung der Ventilation und Prävention von Atemwegsinfektionen
- Stuhlregulierende Maßnahmen zur Prävention postoperativer Darmmotilitätsstörungen: Bspw. bei Opioidgabe, längerer Bettlägerigkeit oder viszeralchirurgischen Maßnahmen
- Bspw. mit Macrogol-Beuteln
- Ggf. Einsatz von Suppositorien
- Siehe auch: Obstipation - Therapie
- Stressulkusprophylaxe bei kritisch kranken Intensivpatienten mit erheblichem organischen Stress und Risikofaktoren für gastrointestinale Blutungen
Tägliche Visite
- Untersuchung
- Des Abdomens und der Lunge
- Des OP-Gebiets: Verbandswechsel je nach Eingriff
- Fadenzug bzw. Entfernung von Klammermaterial
- Siehe auch: Untersuchung der Lunge, Untersuchung des Abdomens und Postoperative ärztliche Verlaufskontrollen in der Orthopädie und Unfallchirurgie und Postoperatives Management nach darmchirurgischen Eingriffen
- Inspektion von
- Drainagen
- Ggf. Blasenkatheter
- Ggf. Stoma (siehe auch: Stoma-Komplikationen)
- Evaluation des Schmerzniveaus
- Anpassung der aktuellen Schmerzmedikation
- Schmerzkatheter
- Evaluation der Analgosedierung bei intubierten Patienten: Auf der Intensivstation
- Sedierung/Dämpfung von Reflexen: Benzodiazepine (bspw. Midazolam) oder Propofol
- Analgesie mit Opioiden (bspw. Fentanyl, Sufentanil)
- Anordnung von
- Laborkontrollen
- Kontrolluntersuchungen je nach Eingriff und klinikinternen Standards
Entlassplanung
- Weiterbehandlungsempfehlungen an den Hausarzt mit Nachbehandlungsschema
- Koordination der Weiterversorgung in Absprache mit dem Sozialdienst
- Empfehlungen für den Patienten, u.a.
- Kein Baden bzw. keine Saunagänge bis zur abgeschlossenen Wundheilung
- Ggf. Hebeeinschränkung in Abhängigkeit vom operativen Eingriff
- Siehe auch: Postoperatives Management nach darmchirurgischen Eingriffen, Ambulante Nachsorge nach darmchirurgischen Eingriffen, Checkliste postoperatives Entlassmanagement in der Orthopädie
Allgemeine postoperative Komplikationen
Komplikationen im Aufwachraum [60]
Atemstörungen
Atemstörungen | ||
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Komplikation | Mögliche Ursache | Therapie |
Hypoventilation |
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Belüftungsstörungen |
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Bronchospasmus |
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Atemwegsverlegung |
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Aspiration |
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Tachypnoe |
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Bei unklarer Einschränkung der Atmung ist die Gabe von Sauerstoff die Erstmaßnahme bis zur Abklärung der Ursache!
Störung der Herz-Kreislauf-Funktion
Bei einer katecholaminpflichtigen Hypotonie sind stets schwerwiegende Komplikationen, insb. eine Nachblutung, auszuschließen und eine weitere Überwachung sicherzustellen!
Postoperative Nachblutung
Gefährdete Konstellationen
- Eingriffe mit arterieller Gefäßeröffnung
- Eingriffe an stark vaskularisierten Organen
- Eingriffe in oder an natürlichen Körperhöhlen
- Vorbestehende oder erworbene Blutgerinnungsstörungen
- Eingriffe an volumen-/drucksensiblen Organen: Vitale Bedrohung trotz kleiner Blutvolumina
Klinische Hinweise
- Kreislaufinstabilität (siehe auch: hypovolämischer Schock)
- (Aktive) Blutung aus dem OP-Gebiet bzw. Drainagen
- Schwellung des OP-Gebietes
- Bei Eingriffen im Kopf-Hals-Bereich: Dyspnoe
Abklärung
- Kreislaufparameter
- Stabil: Weitere Diagnostik
- Instabil: Vor weiterer Diagnostik inital Stabilisierung (siehe auch Klinisches Management bei hypovolämischem Schock)
- Atemwege
- Nicht betroffen: Weitere Diagnostik
- Beeinträchtigt: Umgehende Revision
- Inspektion
- Aktive Blutungsquelle: Blutstillung
- Inaktive Blutung: Weitere Diagnostik und Überwachung
- Labordiagnostik
- Blutbild, Gerinnungsparameter
- Blutgasanalyse
- Ggf. viskoelastische Testverfahren
- Notfallsonografie: Ausschluss einer inneren Blutung
Information und Zeitmanagement
- Unmittelbare Information des Operateurs
- Bei drohender Revisions-OP: Zeitmanagement durch OP-Manager
Therapie
- Bei drohendem hämorrhagischen Schock keine Verzögerung durch Laborkontrollen
- Volumenersatztherapie
- Hämodynamische Stabilisierung mit Katecholaminen
- Siehe auch
- Auffinden und Versorgen der Blutungsquelle
- Kompression/Kühlung oder
- Operative Revision
Unauffällige Drainagebeutel und Verbände schließen eine Nachblutung nicht aus!
Störung von Volumen- und Elektrolytstatus
- Volumenstatus
- Diagnostik
- Hämodynamisches Monitoring
- Diurese
- Labordiagnostik/BGA
- Siehe auch: Hypovolämie
- Therapie: Volumenersatztherapie
- Für weitere Informationen siehe auch: Hypovolämischer Schock - Klinisches Management, Transfusion bei hämorrhagischem Schock
- Diagnostik
- Kaliumhaushalt: Meist Hypokaliämie
- Natriumhaushalt: Elektrolytstörung Natrium
Störung des Blutzuckers
- Hyperglykämie siehe auch: Insulinkorrektur bei Hyperglykämie
- Hypoglykämie siehe auch: Therapie der Hypoglykämie
PONV [67]
- Ausschluss kritischer Ursachen
- Medikamentöse Therapie siehe auch: PONV-Therapie
- Allgemeine Maßnahmen
- Schmerztherapie optimieren
- Ausreichende Volumengabe
- Oberkörperhochlagerung
- Beruhigung
Perioperative Hypothermie [68]
- Definition: Perioperative Körperkerntemperatur <36 °C
- Risikofaktoren
- Individuell
- Alter >60 Jahre
- ASA-Klassifikation >1
- Niedriger BMI
- Diabetes mellitus
- Präoperative Hypothermie
- OP-Spezifisch
- Lange Dauer
- Großer Eingriff
- Viel Spülflüssigkeit
- Niedrige Raumtemperatur
- Narkosespezifisch
- Kombinationsnarkose
- Hohe Ausdehnung einer Spinalanästhesie
- Ungewärmte Infusionslösungen oder Blutkonserven
- Individuell
- Folgen
- Kardiale Komplikationen
- Gerinnungsstörungen (siehe auch: Rahmenbedingungen der Gerinnung)
- Wundheilungsstörungen
- Shivering
- Prophylaxe
- Aktive Wärmung: Vor Narkoseeinleitung und intraoperativ (bei OP-Dauer >30 min)
- Raumtemperatur im OP mind. 21 °C
- Anwärmung von Infusionslösungen und Spüllösungen
- Maximale Abdeckung der Körperoberfläche
- Therapie
- Extubation in Normothermie: Ggf. Nachbeatmung
- Aktive Wärmung, bspw. Warmluftgebläse („Warmtouch“)
- Warme Infusionslösungen weitergeben
Shivering [68][69]
- Ätiologie
- Beeinträchtigung der Thermoregulation durch Anästhetika
- Wärmeverluste unabhängig von Anästhetikawirkung
- Epidemiologie
- Komplikationen
- Steigerung des Sauerstoffverbrauchs: Konsekutiv vermehrte kardiale Belastung und verminderte Sauerstoffsättigung
- Erhöhung des intraokularen Druckes
- Vermehrte postoperative Schmerzen
- Folgen der Hypothermie siehe auch: Perioperative Hypothermie
- Prophylaxe siehe Perioperative Hypothermie
- Therapie: Medikamentös
- Opioide, bspw. Pethidin
- Clonidin
- Siehe auch: Perioperative Hypothermie
Die Ausprägung von Shivering hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist kein sicheres Zeichen für das Ausmaß einer Hypothermie!
Postoperative Unruhe [70][71]
- Mögliche Ursachen
- Therapie
- Medikamentöse Therapie
- Stressreduzierung und vegetative Dämpfung: Clonidin
- Bei V.a. postoperatives Delir siehe auch: Medikamentöse Therapieoptionen des Delirs
- Bei V.a. Anticholinerges Syndrom: Physostigmin
- Zur Evaluation und Behandlung möglicher Ursachen siehe auch Therapie der Hypoglykämie, Beispielalgorithmus für die Schmerztherapie im Aufwachraum
- Medikamentöse Therapie
Postoperative Komplikationen, die nicht absehbar im Aufwachraum beherrschbar sind, erfordern eine Weiterbehandlung auf einer Überwachungsstation!
Postoperative Komplikationen auf der Station
- Anämie (bspw. durch intraoperative Blutverluste oder postoperative Nachblutung), Therapie abhängig von Hb-Wert und klinischer Symptomatik
- Parenterale oder orale Eisensubstitution und Verlaufskontrolle
- Transfusion, siehe auch: Transfusionsindikation für Erythrozytenkonzentrate bei akutem Blutverlust
- Postoperative Darmmotilitätsstörungen, siehe auch
- Thrombose / Lungenembolie, siehe auch
- Postoperative Myokardischämie, siehe auch: Ersteinschätzung bei ACS
- Dekubitus, zur Dekubitusprophylaxe beachte:
- Förderung der Mobilität
- Einsatz druckverteilender Hilfsmittel
- Lagerung bei Immobilisierung
- Untersuchung von Prädilektionsstellen
- Nosokomiale Wundinfektion, siehe auch: Therapieprinzipien bei Vorliegen einer nosokomialen Infektion
- Sepsis, siehe auch
- Postoperatives Fieber
- Nicht-infektiöse Ursachen
- Trauma 1.–2. Tag
- Drug Fever 1.–8. Tag
- Hämatom 2.–4. Tag
- Gicht (Kristallarthropathien) 3.–6. Tag
- Thromboembolie 4.–10. Tag
- Infektiöse Ursachen
- Aspirationspneumonie 1.–2. Tag
- Anastomoseninsuffizienz 3.–10. Tag
- Diverse Infektionen (Pneumonie, Harnwegsinfekt, katheterassoziierte Infektion, Abszess etc.) 3.–8. Tag
- Wundinfektion 5.–10. Tag
- Nicht-infektiöse Ursachen
- Spezifische Komplikationen siehe auch: Postoperative Komplikationen bei darmchirurgischen Eingriffen
Ursachen für postoperatives Fieber: 5 × W: Wind → Lunge (Pneumonie); Water → Harnwege (Zystitis); Walking → Thrombose/Lungenembolie; Wound → Wundinfektion; What did we do → Katheterinfektionen/Medikamente
Prävention von Komplikationen
Prehabilitation [72][73][74]
- Definition: Vor Durchführung einer Therapie erfolgende Maßnahmen mit dem Ziel, die physische und psychische Leistungs- und Funktionsfähigkeit zu steigern und so die Genesung zu beschleunigen sowie die peritherapeutische Morbidität und Mortalität zu reduzieren
- Maßnahmen
- Sport- und Bewegungstherapie
- Elektromyostimulation [75]
- Ernährungsberatung
- Psychologische Mitbetreuung
ERAS® und Fast-Track-Chirurgie [41][76][77][78][79]
- Nomenklatur
- ERAS® (= Enhanced Recovery after Surgery)
- Andere Begriffe: Optimal Track Surgery, Fast-Track-Rehabilitation, Fast-Track-Konzepte
- Definition: Multimodales und interdisziplinäres Behandlungskonzept mit dem Ziel der Beschleunigung der Genesung und Reduktion von perioperativer Morbidität und Mortalität [77]
- Folge: Kürzere Krankenhausaufenthalte [80]
Durchführung
In jeder Phase des perioperativen Managements können Maßnahmen zur ERAS® ergriffen werden. Neben allgemein gültigen perioperativen Maßnahmen (z.B. perioperative Thromboseprophylaxe) zeichnen sich diese v.a. durch Stressreduktion, Erhalt der Homöostase und frühe Wiederaufnahme von Funktionen aus (z.B. Frühmobilisation und rascher postoperativer Kostaufbau).
Stressreduktion
- Psychisch
- Schulung und Motivation des Patienten
- Somatisch
- Minimalinvasive Operationsverfahren
- Moderne Narkoseführung [77]
- Vermeidung einer routinemäßigen Prämedikation mit Benzodiazepinen
- PONV-Prophylaxe für schnellere postoperative Erholung und einen erleichterten oralen Kostaufbau [76][79]
- Verwendung von eher kurzwirksamen Opioiden zur Verringerung des Überhangs (siehe auch: Opioidanalgetika in der Anästhesie)
- Kombination mit lokal-/regionalanästhetischen Verfahren, z.B. thorakale Periduralanästhesie (thPDA)
Erhalt der Homöostase
- Optimierung der Organfunktion durch Reduktion von Noxen (bspw. Alkohol und Nikotin)
- Bestmögliche Einstellung von Grunderkrankungen
- Ausgeglichener Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt
- I.d.R keine präoperativen Abführmaßnahmen
- Aufnahme von klarer Flüssigkeit bis 2 h präoperativ
- Ausgleich einer ggf. bestehenden Mangelernährung
Frühe Wiederaufnahme von Funktionen
- Anregung der Darmmotilität
- Fördern von Trinken
- Begrenzung intravenöser Flüssigkeitsgabe
- Rascher oraler Kostaufbau (I.d.R. ab 4 h postoperativ möglich)
- Frühzeitige Mobilisation [77]
- Weitestgehender Verzicht auf Sonden, Drainagen und Katheter [77]
- Postoperative Analgesie: Bedarfsgerecht, multimodal und möglichst opioidsparend
- Bevorzugung von NSAID und Paracetamol vor Opioid-Analgetika
- Kombination mit Lokal-/Regionalanästhesie, z.B. thPDA
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 256-2023-4/4: Leitlinienupdate: Perioperatives kardiologisches Management
- Studientelegramm 145-2020-2/3: Intravenöse Eisengabe im Rahmen des Patient Blood Managements
- Studientelegramm 88-2019-1/3: Perioperative Pausierung von DOAK: Zeit für eine Standardisierung
- Studientelegramm 31-2018-2/3: Big RELIEF – Liberale perioperative Flüssigkeitsgabe ist nicht schädlich
- Studientelegramm 83-2019-1/3: AHA/ACC/HRS-Leitlinien-Update: Indikation und Auswahl der Antikoagulantien bei Vorhofflimmern
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 63-2022-2/3: The interval between hemodialysis and surgery matters
- One-Minute Telegram 52-2022-2/3: Does tranexamic acid reduce perioperative morbidity in noncardiac surgery?
- One-Minute Telegram 2-2020-2/3: Can metformin prevent postoperative complications in T2DM patients?
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SOP (Standard Operating Procedure)
In den Ergänzungen dieser Sektion können unter „Eigene Ergänzungen“ individuelle SOPs eingefügt werden. Diese Sektion ist über die AMBOSS-Suchfunktion mittels dem Begriff „SOP Perioperatives Management“ unmittelbar auffind- und ansteuerbar.