- Klinik
- Arzt
Pneumothorax
Abstract
Ein Pneumothorax entsteht durch das Eindringen von Luft in den Pleuraspalt, wodurch der Unterdruck im Pleuraspalt verlorengeht und der betreffende Lungenflügel kollabieren kann. Ätiologisch werden neben traumatischen (z.B. penetrierenden) Verletzungen auch spontan auftretende Pneumothoraces beobachtet – letztere insb. bei jungen Männern. Zu beachten ist die Möglichkeit eines Spannungspneumothorax, bei dem es durch einen Ventilmechanismus zur progredienten Verdrängung des Herzens, der großen Gefäße und des Lungenflügels der Gegenseite kommt. Die resultierende Atem- und Kreislaufinsuffizienz stellt eine lebensbedrohliche Situation dar und ist als absoluter Notfall zu behandeln.
Beim Pneumothorax wird therapeutisch das Wiederanlegen der Lunge an die Thoraxwand angestrebt. Dies geschieht i.d.R. mittels Anlage einer Thorax-Drainage (z.B. Bülau-Drainage), welche einen Unterdruck im Pleuraspalt erzeugt. Unter Umständen ist ein chirurgisches Vorgehen indiziert. Beim Spannungspneumothorax ist die akute – auch schon präklinische – Aufhebung des Ventilmechanismus essentiell, um das Überleben des Patienten zu sichern.
Definition
Grundlegende Begriffsdefinition
- Pneumothorax: Luftansammlung im Pleuraspalt zwischen Lunge (Pleura visceralis) und Brustwand (Pleura parietalis)
- Spannungspneumothorax : Pneumothorax mit Ventilmechanismus, wodurch sich im Pleuraraum ein Überdruck ausbildet und es zu Kreislaufversagen kommen kann. Ein Spannungspneumothorax ist ein absoluter Notfall und entsprechend zu behandeln. (siehe Verlaufs- und Sonderformen)
Einteilung und Definition unterschiedlicher Pneumothoraxformen
- Nach Lokalisation/Anatomie
- Geschlossener Pneumothorax: Keine direkte Verbindung zur Außenluft, bspw. durch Ruptur einer Emphysemblase
- Offener Pneumothorax: Direkte Verbindung zur Außenluft, bspw. durch Läsion der Thoraxwand
- Nach Ätiologie
- Spontanpneumothorax: Innerer Pneumothorax, der ohne erkennbare äußere Ursache auftritt. Durch einen Defekt der Pleura visceralis tritt Luft aus dem Inneren der Lunge in den Pleuraspalt über (siehe auch Ätiologie)
- Primärer Spontanpneumothorax (PSP) bei lungengesunden Patienten
- Sekundärer Spontanpneumothorax (SSP) bei Patienten mit Vorerkrankungen der Lunge
- Traumatischer Pneumothorax: Pneumothorax nach Trauma (siehe auch Ätiologie)
- Iatrogener Pneumothorax: Pneumothorax nach medizinischem Eingriff (siehe auch Ätiologie)
- Spontanpneumothorax: Innerer Pneumothorax, der ohne erkennbare äußere Ursache auftritt. Durch einen Defekt der Pleura visceralis tritt Luft aus dem Inneren der Lunge in den Pleuraspalt über (siehe auch Ätiologie)
- Nach Erscheinungsbild
- Spitzenpneumothorax: Pneumothorax im Bereich der Lungenspitze, also des Lungen-Apex
- Mantelpneumothorax: Schmaler Luftsaum um das Lungengewebe
- Pneumothorax mit Mediastinalflattern: Pneumothorax mit atemabhängiger Bewegung des Mediastinums (siehe Verlaufs- und Sonderformen)
Epidemiologie
- Inzidenz: Männer ca. jährlich 22/100.000 Einwohner, Frauen ca. jährlich 7/100.000 Einwohner [1] [2]
- Geschlecht: ♂ > ♀ (etwa 3:1)
- Häufigkeitsgipfel
- Primärer (idiopathischer) Spontanpneumothorax : 25 Jahre
- Sekundärer Spontanpneumothorax : 75 Jahre
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Spontanpneumothorax
- Primärer Spontanpneumothorax (PSP): Primär idiopathisch, bei pulmonal gesunden Patienten
- Ätiologie: Ruptur blasiger Veränderungen im apikalen pleuropulmonalen Bereich
- Risikofaktoren
- Schlanke und hochgewachsene Patienten (sog. „asthenischer Körperbau“)
- Rauchen (90% der Betroffenen; bis zu 20-fach erhöhtes Risiko; Risikoanstieg mit Zigarettenanzahl)
- Männliches Geschlecht
- Genetische Prädisposition
- Sekundärer Spontanpneumothorax (SSP): Bei pulmonal vorerkrankten Patienten
- Ätiologie: Zugrundeliegende Lungenerkrankung
- Risikofaktoren
- Nikotinabusus
- Zystische Lungenerkrankungen
- COPD → Ruptur einer Bulla bei bullösem Emphysem
- Schweres Asthma bronchiale
- Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie → Kavernenbildung mit Ruptur
- Terminale Umbauprozesse („Wabenlunge“)
- Mukoviszidose (zystische Fibrose) → Bronchiektasen mit obstruktivem Emphysem
- Pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose (Histiozytosis X) → Zystenbildung mit Ruptur
- Parenchymale Lungenerkrankungen
- Lungenabszess
- Nekrose
- Septische Embolie
- Pulmonalinfarkt
- Neoplasie (bspw. Lungenkarzinom)
- Tuberkulose
- Weitere Lungenerkrankungen
- Pleuroparenchymale Fibroelastose
- Aluminose
Traumatischer Pneumothorax
- Stumpfe Gewalteinwirkung (z.B. Autounfall mit Aufprall des Thorax auf das Lenkrad, Rippenfraktur)
- Scharfe Gewalteinwirkung (z.B. Messerstichverletzung)
Iatrogener Pneumothorax
- Ätiologie
- Perkutane (Lungen‑)Biopsie
- Anlage eines Subklaviakatheters (ZVK, Shaldon-Katheter)
- Weiterhin: ÖGD mit Ösophagusperforation, Thoraxoperation , Radiofrequenzablation von Lungengewebe, Barotrauma bei Überdruckbeatmung
- Nur selten nach Bronchoskopie mit transbronchialer Lungenbiopsie oder nach einfacher Pleurapunktion ohne Luftaspiration
Bei diagnostischen bzw. interventionellen Maßnahmen mit erhöhtem Risiko für das Auftreten eines Pneumothorax sollte im Anschluss eine Röntgenaufnahme des Thorax oder eine Sonographie durchgeführt werden, um einen iatrogenen Pneumothorax auszuschließen.
Aufgrund der Gefahr eines beidseitigen Pneumothorax sollte eine Subklaviapunktion nach Möglichkeit nicht beidseitig erfolgen!
Pathophysiologie
- Die Lunge besitzt aufgrund ihrer elastischen Fasern sowie der Oberflächenspannung des alveolären Flüssigkeitsfilms grundsätzlich das Bestreben, sich zusammenzuziehen → Unterdruck im Pleuraspalt hält die Lunge entfaltet
- Verlust des Unterdrucks im Pleuraspalt → Die Lunge gibt dem Zug ihrer elastischen Fasern nach und fällt in sich zusammen
- Beim Spannungspneumothorax kommt es zusätzlich zum Auftreten eines Ventilmechanismus (siehe Verlaufs- und Sonderformen)
Symptome/Klinik
- Allgemein
- Bei traumatischem Pneumothorax zusätzlich
- Begleitverletzungen (z.B. Rippenfrakturen)
- Ggf. Hautemphysem
- Bei Ausbildung eines Spannungspneumothorax zusätzlich
- Starke Dyspnoe, Zyanose, gestaute Halsvenen bis hin zur Einflussstauung
- Angst, Panik, Unruhe
- Kreislaufdepression, Schocksymptomatik
Die Klinik des sekundären Spontanpneumothorax (bei zugrundeliegender Lungenerkrankung) ist meist ausgeprägter als die des primären Spontanpneumothorax.
Ein Spannungspneumothorax (klinische Diagnose) ist lebensbedrohlich und stellt einen akuten Notfall dar, der sofort behandelt werden muss!
Verlaufs- und Sonderformen
Spannungspneumothorax
- Pathophysiologie
- Riss in der Pleura visceralis mit Ventilmechanismus → Luft kann nur in eine Richtung strömen → Bei jeder Inspiration strömt mehr Luft in den Pleuraspalt, bei der Exspiration kann die Luft jedoch nicht entweichen → Überdruck im Pleuraraum entsteht → Mediastinalverlagerung sowie erhöhter Druck auf Lunge, Herz und Gefäße
- Komplikationen
- Zunehmende Einschränkung der Lungenfunktion auch auf der Gegenseite
- Zunehmende Behinderung des venösen Rückstroms zum Herzen (Stauung der Halsvenen, ZVD↑ steigt, HZV↓ sinkt)
- Verstärkte Atemnot bis hin zum Kreislaufversagen
Pneumothorax mit Mediastinalflattern
- Auftreten bei offenem äußeren Pneumothorax
- Lufteinstrom in den Pleuraspalt während Inspiration
- Austritt von Luft während der Exspiration
- Auftreten von Pendelluft
Hämatothorax
- Definition: Blutansammlung im Pleuraspalt
- Ätiologie
- Traumatisch: Verletzungen des Brustkorbs (bspw. Rippen-/Rippenserienfraktur, Stichverletzungen)
- Iatrogen (bspw. durch Pleurapunktion, ZVK-Anlage)
- Als Komplikation eines Spontanpneumothorax oder auch der Therapie
- Symptome/Klinik
- Diagnostik
- Körperliche Untersuchung: Abgeschwächtes/fehlendes Atemgeräusch, gedämpfter Klopfschall
- Sonographie: Nachweis selbst geringer Mengen Blut bzw. Flüssigkeit
- Röntgen-Thorax: Verschattung , ggf. Begleitverletzungen (bspw. Rippenfraktur, Pneumothorax)
- Therapie
- Thoraxdrainage (siehe auch unten unter „Therapie“)
- Ggf. operative Blutungsstillung
Seropneumothorax
- Definition: Gemeinsames Auftreten eines Pneumothorax und einer Flüssigkeitsansammlung im Thorax (z.B. in Form eines Pleuraergusses oder Empyems)
- Ätiologie: Mögliche Komplikation nach Thoraxtrauma, bspw. bei Infektion, Malignom
- Diagnostik: Röntgen-Thorax p.a.
- Zeichen des Pneumothorax mit „Pneulinie“, vermehrter Strahlentransparenz, Abbruch der Gefäßzeichnung etc. und
- Zeichen des Ergusses mit Luft-Flüssigkeits-Spiegel und homogener Transparenzminderung
- Zur Abklärung eines Pleuraergusses siehe Differentialdiagnose Pleurapunktat
- Therapie: Siehe Therapie des Pneumothorax
Menstruations-Pneumothorax (Katamenialer Pneumothorax) [3][4]
- Definition: (Wiederholtes) Auftreten eines (Hämato‑)Pneumothorax zum Zeitpunkt der Menstruation
- Epidemiologie: Sehr selten
- Ätiologie: Vermutlich bedingt durch extragenitale Endometriose-Herde im Bereich des Zwerchfells und/oder der Pleura
- Therapie
- Bei Verdacht auf Menstruations-Pneumothorax: Gynäkologische Mitbeurteilung
- Bei rezidivierendem Pneumothorax: Interventionelle Therapie erwägen (z.B. Spitzenresektion, Resektion von Endometrioseherden, Pleurodese, Pleurektomie)
- Ggf. unterstützende Hormontherapie
Diagnostik
Klinische Untersuchung und Anamnese
- Anamnese: Häufig liefern die anamnestischen Angaben bereits Anzeichen für die zugrunde liegende Ursache eines möglichen Pneumothorax
- Junge, schlanke Patienten → V.a. primären Spontanpneumothorax
- Nikotinabusus oder pulmonale Vorerkrankungen → V.a. sekundären Spontanpneumothorax
- Z.n. medizinischer Intervention oder thoraxchirurgischem Eingriff → V.a. iatrogenen Pneumothorax
- Z.n. Thoraxtrauma mit weiteren Traumafolgen → V.a. traumatischen Pneumothorax
- Starke Dyspnoe und Thoraxschmerzen → V.a. Spannungspneumothorax
- Bei jüngeren Frauen mit Spontanpneumothorax: Frage nach zeitlichem Zusammenhang mit Menstruation
- Atemmechanik: Asymmetrische Thoraxexkursion → Betroffene Thoraxhälfte „hinkt nach“
- Perkussion/Auskultation : Befunde der betroffenen Thoraxhälfte sind
- Fehlendes oder abgeschwächtes Atemgeräusch
- Hypersonorer Klopfschall
- Kein Stimmfremitus
- Auskultatorisch pulssynchrones Klicken[5]
Bei Spannungspneumothorax fallen ggf. zusätzlich ein Zwerchfelltiefstand, eine Zyanose, eine Einflussstauung (gestaute Halsvenen) und/oder ein Hautemphysem auf!
Die klinische Untersuchung ist nicht ausreichend, um einen Pneumothorax auszuschließen und dient nur als erste Orientierung!
Blutgasanalyse
- Indikation
- Zur Einschätzung der Hypoxämie/Hyperkapnie insb. bei ausgeprägtem und/oder sekundärem Pneumothorax sowie bei pulmonaler Grunderkrankung
- Bei Abfall der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung auf <92% (bei Raumluft)
- Durchführung: Kapilläre BGA, ggf. auch arterielle BGA
- Ergebnis
- Sauerstoffpartialdruck bei einem Großteil der Patienten mit Pneumothorax erniedrigt
- Eine deutliche Hypoxämie und/oder Hyperkapnie kann Zeichen eines Spannungspneumothorax oder einer schweren pulmonalen Grunderkrankung sein
Apparative Diagnostik
Röntgen
- Aufnahmetechnik
- Standard-/Initialdiagnostik: Thorax p.a. im Stehen (Luft sammelt sich apikal) und in Inspiration [1]
- Zusatzdiagnostik bei sekundärem Spontanpneumothorax: Seitliche Aufnahme im Stehen
- Typische Befunde
- Abbruch der Gefäßzeichnung
- Vermehrte Strahlentransparenz bzw. Transparenzsprung
- „Pneulinie“
- Ggf. subkutanes Emphysem und/oder Pneumomediastinum (insb. nach Trauma oder Intervention)
- Spitzenpneumothorax: Apikale Ansammlung von Luft → Apikal keine Lungengefäßzeichnung erkennbar
- Mantelpneumothorax: Komplette Ablösung der Pleura von der Thoraxwand → Ein die Lunge umgebender Saum ohne erkennbare Lungengefäßzeichnung
- Spannungspneumothorax
- Lunge meist komplett kollabiert
- Zwerchfelltiefstand auf der betroffenen Seite
- Erweiterung der Interkostalräume
- Verlagerung des Mediastinums nach kontralateral (Tracheal-, Gefäß- und Herzverlagerung)
- Bei Liegendaufnahmen: „Tiefer Randsinus“/„Deep Sulcus Sign“
- Größe des Pneumothorax: Formel nach Collins zur näherungsweisen Berechnung des Pneumothorax-Volumens
- Berechnung: Größe des Pneumothorax in % = 4,2 + 4,7 x (A + B + C)
- Grundlage ist die p.a. Röntgenaufnahme in Inspiration
- Messung der interpleuralen Abstände an drei Stellen: A = interpleuraler Abstand am Apex, B = interpleuraler Abstand mittig im Bereich der oberen Lunge, C = interpleuraler Abstand mittig im Bereich der unteren Lunge
- Interpretation
- „Großer“ Pneumothorax: A+B+C ≥4 cm
- Abschätzung des Rezidivrisikos und der Prognose bei konservativer Therapie
- Berechnung: Größe des Pneumothorax in % = 4,2 + 4,7 x (A + B + C)
Bei Verdacht auf Pneumothorax sowie nach Prozeduren mit hohem Risiko für das Auftreten eines Pneumothorax ist die Röntgen-Thorax-Aufnahme das wichtigste diagnostische Mittel!
Sonographie [1][6][7]
- Indikation
- Bei erfahrenem Untersucher als Alternative zum Röntgen
- In der Akutdiagnostik, insb. nach Thoraxtrauma
- Nach Intervention
- Befunde
- Fehlende Atemverschieblichkeit der Lunge (sog. „Pleuragleiten“)
- Pleuraspalt nicht darstellbar
- Lungenpuls nicht darstellbar
- Weitere Befunde siehe Notfallsonographie der Lunge
Bei erfolgreicher Darstellung des sog. „Pleuragleitens“ gilt das Vorliegen eines Pneumothorax als ausgeschlossen.
Das sog. „Pleuragleiten“ kann auch bei anderen Erkrankungen der Lunge (bspw. Pleuraverwachsungen, Pneumonie, Atelektasen) reduziert sein oder fehlen!
Computertomographie [1]
- Durchführung: Ohne Kontrastmittel (für die Bewertung des Lungenparenchyms nicht notwendig)
- Indikationen
- Unklarer Befund im Röntgenthorax
- Verdacht auf sekundären Pneumothorax (bspw. auch bei Patienten ≥45 J.)
- Hämatopneumothorax, Weichteilemphysem
- Klärung einer OP-Indikation
- Beurteilung der Rezidivwahrscheinlichkeit eines Pneumothorax (in bis zu 50% der Spontanpneumothorax-Fälle kommt es zum Rezidiv)
- Vorteil
- Hohe Sensitivität
- Beurteilung der genauen Ausdehnung des Pneumothorax möglich
- Befund: Viszerale Pleuralinie ist eindeutig gegen den luftgefüllten Pleuraraum abgrenzbar
Die Computertomographie ist nicht Teil der Standarddiagnostik!
Differentialdiagnosen
- Angina pectoris
- Aortendissektion
- Lungenembolie
- Pleuritis
- Pneumonie
- Ösophageale Ursachen
- Abdominelle Ursachen (Magenperforation u.a.)
- Für Details und weitere Differentialdiagnosen siehe: Differentialdiagnose Thoraxschmerzen
Die hier aufgeführten Differentialdiagnosen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Erstmaßnahmen
- Sofortige O2-Gabe (4–6 L/min) über eine Nasensonde bzw. eine Maske mit Reservoir
- Oberkörperhochlagerung zur Verbesserung des pulmonalen Gasaustausches
Konservativer Therapieversuch
- Indikation: Nur bei primärem Pneumothorax zu erwägen
- Kleiner Mantel-/Spitzenpneumothorax (<2–3 cm breiter Saum) bzw. kleiner Pneumothorax gemäß Collins-Formel, und
- Keine/geringe Dyspnoe
- Durchführung
- Symptomatische Therapie
- Ggf. wiederholte Sauerstoffgabe
- Ambulante Behandlung kann bei nicht alleinstehenden, kooperativen und einsichtigen Patienten ohne Hypoxämie erwogen werden
- Verlauf
- Häufig selbstständige Resorption der Luft
- Bei ambulanter Therapieführung Wiedervorstellung nach 24 h
- Röntgen-Thorax-Kontrolle nach 24 h und ggf. wiederholt wöchentlich
Bei primärem Spontanpneumothorax und komplizierenden Bedingungen (Vorliegen eines Hämatothorax, eines Weichteilemphysems, schwerwiegende Vorerkrankungen, anamnestische Thorax-Op und/oder Rezidiv eines Pneumothorax) sowie bei sekundärem Spontanpneumothorax sollte eine zeitnahe Vorstellung in der Thoraxchirurgie bzw. beim Pneumologen erfolgen!
Thoraxdrainage
- Indikation
- Größerer und/oder symptomatischer Spontanpneumothorax
- Sekundärer Pneumothorax
- Hämatothorax
- Serothorax
- Spannungspneumothorax und beidseitiger Spontanpneumothorax erfordern die unmittelbare Anlage einer Thoraxdrainage
- Alter ≥45 Jahre
- Mögliche Zugangswege
- Bülau-Drainage: 4. ICR (auf Höhe der Mamille) zwischen vorderer und mittlerer Axillarlinie (im sog. „Safe Triangle“ )
- Monaldi-Drainage: 2. ICR Medioklavikularlinie
- Vordere Axillarlinie im 5. oder 6. ICR
Die Anlage der Bülau-Drainage (4. ICR) erfolgt unterhalb - also „below“ - des Anlageortes der Monaldi-Drainage (2. ICR).
- Durchführung
- Kleines Drainage-Lumen ≤14 Ch
- Lokalanästhesie
- Hautinzision und stumpfe Präparation mit Schere oder Kornzange am Oberrand der unteren Rippe des entsprechenden ICR → Tunnelung nach kranial → Eröffnung der Pleura parietalis ca. 1–2 ICR höher als Hautinzision → Abtasten des Pleuraspaltes mit dem Finger → Drainage wird ohne Führungsstab mit der Kornzange gegriffen und (evtl. unter Führung des Fingers) ca. 20 cm eingeführt
-
Platzierung abhängig von Defekt
- Luft → Apikal nahe der parietalen Pleurakuppel
- Flüssigkeitsansammlung (Blut, Erguss) → Kaudal
- Fixierung des Drainageschlauches an der Thoraxwand
- Sogtherapie: Bei großem Pneumothorax oder persistierendem Luftleck Anlage eines Unterdrucks von -10 bis -25 cmH2O über 3–5 Tage bzw. bis Sistieren der Luftleckage
- Ggf. Wasserschloss: Verhindert über einen Ventilmechanismus das Eindringen von Luft in den Pleuraraum
- Ggf. Pleurodese (siehe operative Therapie)
- Alternative: Therapieversuch mittels Nadelaspiration
Nach Anlage einer Thoraxdrainage sowie nach Drainage-Zug sollte eine Röntgen-Kontrolle erfolgen!
Operative Versorgung
- Indikation
- Rezidiv eines Spontanpneumothorax
- Nachgewiesene Bullae
- Spannungspneumothorax (auch Erstereignis)
- Persistierende Fistelung mit Luftleck und/oder mangelnde Reexpansion trotz Drainagebehandlung
- Dislozierte Rippenfraktur
- Spontaner Hämatopneumothorax
- Erhöhtes Rezidivrisiko (siehe auch Prognose des Spontanpneumothorax)
- Zugangswege
- Empfehlung zur videoassistierten Thorakoskopie (VATS)
- Alternativ: Offene Thorakotomie
- Chirurgische Maßnahmen
- Versorgen der Undichtigkeit der viszeralen Pleura
- Resektion blasentragender bzw. veränderter Lungenareale
-
Rezidivprophylaxe mittels Pleurodese
- Mechanisch/operativ: Pleuraabrasio, partielle (apikale) parietale Pleurektomie
- Chemisch/medikamentös (Instillation in den Pleuraspalt) : Bspw. mit Talkum , Bleomycin, Tetrazyklin oder Eigenblut
- Vorteile
- Geringeres Rezidivrisiko als bei konservativer oder Drainagetherapie
- Histologische Sicherung zur Klärung einer sekundären Genese möglich
- Nachteile
- Allgemeine postoperative Nebenwirkungen
- Notwendigkeit der stationären Aufnahme
Bei fibrosierenden Lungenerkrankungen und (folglich sekundärem) Spontanpneumothorax sollte aufgrund einer/der erhöhten Krankenhausmortalität die Indikation zur Operation zurückhaltend gestellt und eine Pleurodese über eine liegende Thoraxdrainage bevorzugt werden. [1]
Sonderfall: (Präklinische) Versorgung des Spannungspneumothorax
- Dringliche Notentlastung durch Pleurapunktion (bereits außerhalb der Klinik)
- Durchführung: 2.–3. ICR, Medioklavikularlinie, Rippenoberrand
-
Verwendung einer großlumigen Kanüle mit Ventilmechanismus
- Pleurakanüle nach Matthys, Heimlich-Ventil, Tiegel-Kanüle
- Alternativ provisorische „Tiegelkanüle“ mit Handschuhventil
- Als Ultima Ratio präklinische Verwendung einer einfachen Kanüle/Braunüle/Venenverweilkanüle ohne Ventilmechanismus
-
Verwendung einer großlumigen Kanüle mit Ventilmechanismus
- Zeitnahes Anlegen einer Thoraxdrainage
- Vor Einleitung einer Beatmung muss bei Spannungspneumothorax eine Thoraxdrainage angelegt werden
- In der Klinik: Operative Versorgung
Ein Spannungspneumothorax ist ein absoluter Notfall, der sofort therapiert werden muss!
Komplikationen
- Komplikationen durch Pneumothorax
- Totalkollaps der Lunge → Respiratorische Insuffizienz
- Spannungspneumothorax → Kardiale Insuffizienz
- Mediastinalflattern bei offenem Pneumothorax → Hämodynamische Instabilität
- Hämatothorax bei Trauma
- Rezidive
- Komplikationen nach Drainage/Operation
- Verletzung von Interkostalnerven und -gefäßen
- Blutung bis hin zum Hämatothorax
- Reexpansionsödem .
- Keimverschleppung/Infektion
- ARDS nach Talkumpleurodese ist heute sehr selten
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Rezidivrisiko bei Spontanpneumothorax
- Rezidivwahrscheinlichkeit ca. 20–30%
- Rezidivwahrscheinlichkeit erhöht bei
Rezidivprophylaxe
- Tabakentwöhnung (Rauchstopp)
- Tauchen mit Überdruckflaschen (Scuba Diving) dauerhaft vermeiden
- Auf Flugreisen und Sportarten, die mit einer starken körperlichen Belastung und/oder massivem Körperkontakt einhergehen, sollte bis zur kompletten Lungenentfaltung verzichtet werden
Klinischer Fall
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
Pneumothorax allgemein
- J93.-: Pneumothorax
- Exklusive: Pneumothorax: angeboren oder perinatal (P25.1), traumatisch (S27.0), tuberkulös (aktuelle Krankheit); (A15–A16) Pyopneumothorax (J86.‑)
- J93.0: Spontaner Spannungspneumothorax
- J93.1: Sonstiger Spontanpneumothorax
- J93.8: Sonstiger Pneumothorax
- J93.9: Pneumothorax, nicht näher bezeichnet
- J94.-: Sonstige Krankheitszustände der Pleura
- Exklusive: Pleuritis o.n.A. (R09.1); Traumatisch: Hämatopneumothorax (S27.2), Hämatothorax (S27.1); Tuberkulose der Pleura (aktuelle Krankheit) (A15–A16)
- J94.0: Chylöser (Pleura‑) Erguss
- Chylusartiger (Pleura‑) Erguss
- J94.1: Fibrothorax
- J94.2: Hämatothorax
- J94.8: Sonstige näher bezeichnete Krankheitszustände der Pleura
- Hydrothorax
- J94.9: Pleurakrankheit, nicht näher bezeichnet
- S27.-: Verletzung sonstiger und nicht näher bezeichneter intrathorakaler Organe
- S27.0: Traumatischer Pneumothorax
- S27.1: Traumatischer Hämatothorax
- S27.2: Traumatischer Hämatopneumothorax
- J95.-: Krankheiten der Atemwege nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert
- J95.8-: Sonstige Krankheiten der Atemwege nach medizinischen Maßnahmen
- P25.-: Interstitielles Emphysem und verwandte Zustände mit Ursprung in der Perinatalperiode
- P25.1: Pneumothorax mit Ursprung in der Perinatalperiode
- P25.2: Pneumomediastinum mit Ursprung in der Perinatalperiode
- P25.3: Pneumoperikard mit Ursprung in der Perinatalperiode
- P25.8: Sonstige Zustände in Verbindung mit interstitiellem Emphysem mit Ursprung in der Perinatalperiode
Pneumothorax im Rahmen einer Tuberkulose
- A15.-: Tuberkulose der Atmungsorgane, bakteriologisch, molekularbiologisch oder histologisch gesichert
- A15.0: Lungentuberkulose, durch mikroskopische Untersuchung des Sputums gesichert, mit oder ohne Nachweis durch Kultur oder molekularbiologische Verfahren
-
Tuberkulös:
- Bronchiektasie
- Fibrose der Lunge
- Pneumonie
- Pneumothorax
-
Tuberkulös:
- A15.0: Lungentuberkulose, durch mikroskopische Untersuchung des Sputums gesichert, mit oder ohne Nachweis durch Kultur oder molekularbiologische Verfahren
- A16.-: Tuberkulose der Atmungsorgane, weder bakteriologisch, molekularbiologisch noch histologisch gesichert
- A16.0: Lungentuberkulose, weder bakteriologisch, molekularbiologisch noch histologisch gesichert
-
Tuberkulös:
- Bronchiektasie
- Fibrose der Lunge
- Pneumonie
- Pneumothorax
-
Tuberkulös:
- A16.1: Lungentuberkulose, bakteriologische, molekularbiologische und histologische Untersuchung nicht durchgeführt
- Unter A16.0 aufgeführte Zustände, bakteriologische, molekularbiologische und histologische Untersuchung nicht durchgeführt
- A16.2: Lungentuberkulose ohne Angabe einer bakteriologischen, molekularbiologischen oder histologischen Sicherung
- Lungentuberkulose
-
Tuberkulös:
- Bronchiektasie
- Fibrose der Lunge
- Pneumonie
- Pneumothorax
-
Tuberkulös:
- Lungentuberkulose
Pneumothorax im Verlauf einer Schwangerschaft
- O29.-: Komplikationen bei Anästhesie in der Schwangerschaft
- Inklusive: Komplikationen bei der Mutter durch Verabreichung von Allgemein- oder Lokalanästhetikum, Analgetikum oder durch sonstige Beruhigungsmaßnahme während der Schwangerschaft
- O29.0: Pulmonale Komplikationen bei Anästhesie in der Schwangerschaft
- Aspirationspneumonie
- Aspiration von Mageninhalt oder -sekret o.n.A.
- Chemische Pneumonitis durch Aspiration
- Mendelson-Syndrom
- Pneumothorax
- O74.-: Komplikationen bei Anästhesie während der Wehentätigkeit und bei der Entbindung
- Inklusive: Komplikationen bei der Mutter durch Verabreichung von Allgemein- oder Lokalanästhetikum, Analgetikum oder durch sonstige Beruhigungsmaßnahme während der Wehentätigkeit und bei der Entbindung
- O74.1: Sonstige pulmonale Komplikationen bei Anästhesie während der Wehentätigkeit und bei der Entbindung
- Pneumothorax durch Anästhesie während der Wehentätigkeit und bei der Entbindung
- O89.-: Komplikationen bei Anästhesie im Wochenbett
- Inklusive: Komplikationen bei der Mutter durch Verabreichung von Allgemein- oder Lokalanästhetikum, Analgetikum oder durch sonstige Beruhigungsmaßnahme während des Wochenbettes
- O89.0: Pulmonale Komplikationen bei Anästhesie im Wochenbett
- Aspiration von Mageninhalt oder -sekret o.n.A.
- Aspirationspneumonie
- Chemische Pneumonitis durch Aspiration
- Mendelson-Syndrom
- Pneumothorax
Sonstiges
- J86.-: Pyothorax
- Inklusive: Abszess: Pleura, Thorax; Empyem; Pyopneumothorax
- Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95–B98) zu benutzen.
- Exklusive: Durch Tuberkulose(A15–A16)
- J86.0: Pyothorax mit Fistel
- Ösophagotracheale Fistel
- J86.9: Pyothorax ohne Fistel
- (Chronisches) Pleuraempyem o.n.A.
- Inklusive: Abszess: Pleura, Thorax; Empyem; Pyopneumothorax
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.