- Klinik
Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse
Abstract
Bei jedem Patienten mit Luftnot gehören Pulsoxymetrie und Blutgasanalyse zu den Basisuntersuchungen. Die Pulsoxymetrie ist ein nicht invasives Verfahren, das mittels Durch- oder Beleuchtung der Haut an Fingernagel oder Ohrläppchen die prozentuale Sauerstoffsättigung des arteriellen Hämoglobins in Prozent misst. Physiologisch liegt die Sauerstoffsättigung über 95%. Wird dieser Wert unterschritten oder besteht der Verdacht auf erhöhten Kohlenstoffdioxidgehalt des Blutes (Hyperkapnie), ist eine Blutgasanalyse indiziert, um den Wirkungsgrad der Atmung objektivieren zu können. Hierfür werden im kapillären oder arteriellen Blut der Sauerstoffpartialdruck (pO2) und der Kohlendioxidpartialdruck (pCO2) gemessen. In der Notfall- und Intensivmedizin kommt diesem Verfahren, welches zugleich pH-Wert, Basenabweichung, Bikarbonat, Hämoglobin und Elektrolyte misst, eine essentielle Bedeutung zu.
Definition
- Pulsoxymetrie: Vereinfacht ist der Mechanismus wie folgt: Hämoglobin absorbiert mehr oder weniger Licht, je nachdem wie stark es mit Sauerstoff beladen ist. Demnach ist das vom Pulsoxymeter wieder aufgefangene Licht ein Indikator für den Sauerstoffgehalt des Blutes.
- Blutgasanalyse: Bestimmung des Wirkungsgrades der Lunge als Austauschorgan durch Messung des Sauerstoffpartialdrucks (pO2) und des Kohlendioxidpartialdrucks (pCO2) sowie der Regulierung des Säure-Basenhaushaltes (pH, Base-Excess, Standardbikarbonat)
Indikation
- Pulsoxymetrie
- Monitoring der Atmung
- Schnelle, nicht-invasive Überprüfung der Sauerstoffversorgung
- Blutgasanalyse
- Früherkennung kardiovaskulärer oder pulmonaler Erkrankungen
- Verlaufskontrolle chronischer pulmonaler Erkrankungen (COPD, interstitielle Lungenparenchymerkrankungen)
- Indikationen in der Intensiv- und Notfallmedizin
- Verdacht auf Hyperkapnie (bspw. bei COPD → Überwachung der O2-Therapie)
- Bei Hyperventilation (zum Beispiel als Hinweis auf Lungenembolie)
- Sauerstoffsättigung <94%
- Bestimmung, Abklärung und Monitoring des pH-Werts
- Schnelle Hämoglobinbestimmung
- Überwachung einer Beatmungstherapie
- Präoperative Diagnostik
- Pulmonale Risikopatienten mit Vorerkrankungen der Lunge: Bronchialkarzinom, COPD
Ablauf/Durchführung
- Blutgasanalyse nach Blutentnahme
- Arteriell: Bspw. aus der A. radialis
- Kapillär: Einreiben des Ohrläppchens mit hyperämisierender Salbe → 10 Minuten später Punktion mit einer Lanzette
- Venös: Gewöhnliche venöse Blutentnahme
Interpretation/Befund
Pulsoxymetrie
- Normwerte: Sauerstoffsättigung (saO2) 95–99%
- Um eine pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung von etwa 98% zu erreichen, ist ein Sauerstoffpartialdruck von etwa 100 mmHg nötig.
- Interpretation pathologischer Werte
- Sauerstoffsättigung (saO2) 90–94%: Mäßige Hypoxämie → PaO2 von ca. 80 mmHg
- Sauerstoffsättigung (saO2) 85–89%: Mittelgradige Hypoxämie → PaO2 von ca. 60 mmHg
- Sauerstoffsättigung (saO2) unter 85%: Hochgradige Hypoxämie → PaO2 von unter 50 mmHg
Bei Kohlenmonoxidvergiftung zeigt das Pulsoxymeter falsch-hohe Werte an, da das CO-Hämoglobin nicht vom oxygenierten Hämoglobin unterschieden werden kann!
Arterielle Blutgasanalyse (BGA)
- Normalwerte
- pO2: 65–100 mmHg (9,5–13,9 kPa): Altersabhängig!
- pCO2: 32–45 mmHg (4,6–6,1 kPa): Altersunabhängig!
- pH: 7,35–7,45
- HCO3−: 22–26 mmol/L
- Base Excess: –2 bis +2 mmol/L (bzw. abhängig von der Messmethode auch ±3 mmol/L).
- Weitere Parameter, die mittels moderner BGA-Geräte bestimmt werden können: Elektrolyte , Blutzucker und Hämoglobin
- Interpretation pathologischer Werte
- Unter Belastung erniedrigte pO2-Werte → Latente respiratorische Insuffizienz
- pO2↓ = Respiratorische Partialinsuffizienz
- pO2↓ und pCO2↑ = Respiratorische Globalinsuffizienz
Verschiebungen des Säure-Basen-Haushaltes
Die metabolischen Folgen der Verschiebungen des Säure-Basen-Haushalts und deren pathophysiologische Grundlagen werden im Kapitel Säure-Basen-Haushalt abgehandelt (siehe: Folgen bei pH-Abweichung).
respiratorische Azidose | respiratorische Alkalose | metabolische Azidose | metabolische Alkalose | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
pH* | ↓ | ↑ | ↓ | ↑ | |||
pCO2 | ↑ | ↓ | n/↓ (Kompensation) | n/↑ (Kompensation) | |||
HCO3− | n/↑ (Kompensation) | n/↓ (Kompensation) | ↓ | ↑ | |||
Ursachen | Hypoventilation | Hyperventilation | Hypoxämie, Niereninsuffizienz, Hypovolämie (z.B. durch Blutverlust) u.a. | Erbrechen (Magensaftverlust), Hyperaldosteronismus u.a. | |||
*Bei einer kompletten Kompensation kann der pH auch normwertig sein. Man spricht dennoch von einer kompensierten Alkalose bzw. Azidose. |
- Tipps zum Vorgehen
-
Betrachtung des pH
- Erniedrigt → Azidose
- Erhöht → Alkalose
- Betrachtung pCO2 (=Säure, respiratorisch) und HCO3− (=Base, metabolisch) zur Ursachenklärung: Veränderung eines dieser Parameter erklärt die pH-Verschiebung und damit die Genese
- Kompensation: Die Kompensation erfolgt immer im nicht ursächlichen Schenkel, d.h.: Respiratorische Genese → Metabolische Kompensation, und umgekehrt
- Gemischte/kombinierte Störungen: Sind sowohl pCO2 als auch HCO3− in Richtung Azidose (pCO2↑ und HCO3−↓) bzw. Alkalose (pCO2↓ und HCO3−↑) verändert, handelt es sich um eine kombinierte respiratorische und metabolische Störung
-
Betrachtung des pH
- Wesentliche Grundlage für Entgleisungen oder Kompensationen ist folgende Gleichgewichtsreaktion: CO2 + H2O ↔︎ H2CO3 ↔︎ H+ + HCO3−
Anionenlücke
- Bedeutung/Indikation: Errechneter Parameter zur weiteren Abklärung einer metabolischen Azidose. Eine vergrößerte Anionenlücke spricht für eine "Additionsazidose"
- Kurzbeschreibung: Die Summe der Kationen und Anionen im Blut ist gleich (elektrische Neutralität). Die Kationen werden überwiegend durch Natrium (Na+) repräsentiert, die Anionen durch Bikarbonat und Chlorid (HCO3−, Cl−). Weiterhin gibt es in beiden Fraktionen zusätzliche Bestandteile , wobei diese physiologisch in der Anionenfraktion größer sind. Subtrahiert man die Bikarbonat- und Chloridkonzentration von der Natriumkonzentration, erhält man die Differenz der Anionen- zur Kationenfraktion, die auch als Anionenlücke bezeichnet wird.
- Berechnung: Anionenlücke = Na+ - (HCO3− + Cl−)
- Normbereich: 7 ± 4 mmol/L (also 3–11 mmol/L) , ggf. auch labormethodenabhängig 12 ± 4 mmol/L (also 8–16 mmol/L)
- Diskriminierender Wert: Bei einer Anionenlücke >16 mmol/L ist mit großer Sicherheit von einer Additionsazidose (s.u.) auszugehen.
- Alternativ (mit Berücksichtigung von Kalium): (Na+ + K+) - (HCO3− + Cl-)
- Normbereich: 11 ± 4 mmol/L bzw. 16 ± 4 mmol/L
- Interpretation
- Normale Anionenlücke = „Bikarbonatverlust“
- Mögliche Ursachen
- Endogen: Diarrhö, Galle- oder Pankreasfistel , renal tubuläre Azidose
- Exogen: Medikamente (Carboanhydrasehemmer), Zufuhr von Säuren, deren Anion Chlorid ist (z.B. HCl)
- Mögliche Ursachen
- Vergrößerte Anionenlücke = „Additionsazidose“
- Mögliche Ursachen
- Endogen: Laktatazidose , Ketoazidose , Niereninsuffizienz/Urämie
- Exogen: Vergiftung durch Salicylsäure, Ethanol, Methanol, Ethylenglykol (in Frostschutzmittel enthalten)
- Mögliche Ursachen
- Störfaktoren: Hypalbuminämie (Verringerung der Anionenlücke), Hyperphosphatämie (Vergrößerung der Anionenlücke)
- Normale Anionenlücke = „Bikarbonatverlust“
Merkwort für Ursachen einer vergrößerten Anionenlücke „Kuss-Maul“: Ketonkörper, Urämie, Salicylsäure, Methanol, Äthylenglykol (bzw. Ethylenglykol), (Urämie), Laktat
Sauerstoffbindungskurve
- Beschreibt die Abhängigkeit der O2-Sättigung vom O2-Partialdruck, d.h. die Bindungsaffinität des Hämoglobins (Hb) zu O2
- Hb-Bindungsaffinität wird von äußeren Faktoren moduliert, die zu einer Links- bzw. Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve führen können
- Rechtsverschiebung → Sauerstoffbindung an Hämoglobin schwächer → Begünstigte Abgabe an Gewebe
- Ursachen
- Anstieg des CO2-Partialdrucks pCO2↑
- Temperatur↑
- pH↓
- 2,3-Bisphosphoglycerat↑
- Ursachen
- Linksverschiebung → Sauerstoffbindung an Hämoglobin stärker → Geringere Abgabe an Gewebe
- Ursachen
- Abfall des CO2-Partialdrucks pCO2↓
- Temperatur↓
- pH↑
- 2,3-Bisphosphoglycerat↓
- Ursachen
Meditricks
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Blutgasanalyse