- Klinik
Thrombozytopenien (Thrombozytenmangel)
Abstract
Eine Thrombozytopenie beschreibt den Mangel an Thrombozyten im Blut. Dies kann die Folge einer Thrombozytenbildungsstörung bei beeinträchtigter Megakaryopoese (z.B. aufgrund infiltrativer Prozesse im Knochenmark) oder eines beschleunigten peripheren Abbaus (z.B. bei mechanischer Schädigung oder Immunthrombozytopenien) sein. Eine erniedrigte Megakaryozytenzahl im Knochenmark spricht dabei für eine Bildungsstörung, eine reaktiv gesteigerte für einen erhöhten Umsatz. Bei isolierter Thrombozytopenie aufgrund verkürzter Lebenszeit der Thrombozyten und Ausschluss sekundärer Ursachen (Malignome, Autoimmunerkrankungen, Medikamente, etc.) kann eine idiopathische immunthrombozytopenische Purpura (Morbus Werlhof) vorliegen. Bei Thrombozytopenien ist die primäre Blutstillung beeinträchtigt, was sich klinisch durch petechiale Blutungen (abhängig von der absoluten Thrombozytenzahl) an Haut und Schleimhaut zeigt.
Ätiologie
Ein Thrombozytenmangel ist in der Regel auf eine gestörte Bildung im Knochenmark oder auf einen gesteigerten Umsatz zurückzuführen.
Störung der Thrombozytenproduktion
- Verminderte Produktion: Bei einer Schädigung des Knochenmarks kann es auch zu einer Verminderung der für die Thrombopoese entscheidenden Megakaryozyten kommen. In den meisten Fällen liegt der Störung eine erworbene Ursache zugrunde.
- Toxische Schädigung: Medikamente, ionisierende Strahlen, Benzol, etc.
- Malignome: Insbesondere akute Leukämien, Lymphome und ossäre Metastasen
- Ineffektive Produktion: Vitamin B12-Mangel und/oder Folsäuremangel
Bei einer verminderten Thrombozytenproduktion ist die Megakaryozytenzahl im Knochenmarkspunktat ebenfalls vermindert!
Vermehrter peripherer Umsatz
- Antikörper gegen Thrombozyten
- Idiopathisch immunthrombozytopenische Purpura (ITP) (→ siehe Verlaufs- und Sonderformen)
- Sekundäre Ursachen
- Erhöhter Verbrauch
- Mechanische Schädigung durch Herzklappen oder Blutzirkulationen in künstlichen Systemen (z.B. bei Dialysen)
- Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) und Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
- Disseminierte intravasale Gerinnung
- Splenomegalie
Bei einem vermehrten peripheren Umsatz von Thrombozyten ist die Megakaryozytenzahl im Knochenmarkspunktat reaktiv erhöht!
Symptome/Klinik
Blutungsneigung (nach den Leitlinien der DGHO)
Thrombozytenzahl/μl | Symptomatik |
---|---|
Physiologisch: >150.000 | |
>100.000 |
|
50.000-100.000 |
|
30.000-50.000 |
|
<30.000 |
|
Verlaufs- und Sonderformen
Idiopathische immunthrombozytopenische Purpura
Die idiopathische immunthrombozytopenische Purpura ist eine Ausschlussdiagnose bei einer isolierten Thrombozytopenie (<100.000/μL, abweichend vom unteren Referenzwert 150.000/μl)
- Synonyme: ITP, Morbus Werlhof
- Ätiologie: Unbekannt, eine Assoziation mit Virusinfektionen der oberen Atemwege wird diskutiert
- Epidemiologie: Häufigste Ursache einer Blutungsneigung bei Kindern
- Klinik
- Ein Drittel aller Patienten zeigt einen asymptomatischen Verlauf
- Die Klinik ist abhängig von der Thrombozytenzahl (→ siehe Klinik)
- Diagnostische Hinweise
- Isolierte Thrombozytopenie aufgrund verkürzter Lebenszeit der Thrombozyten mit reaktiv gesteigerter Megakaryopoese im Knochenmarkspunktat
- Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Thrombozyten (Bildungsort ist i.d.R. die nicht vergrößerte Milz) ohne Nachweis einer ursächlichen Erkrankung (s. oben)
- Chronifizierung: Erkrankungsdauer >12 Monate → chronische ITP
- Therapie
- Symptomlose Patienten oder Thrombozytenzahl >30.000/μL: "Watch and wait" (>80% zeigen spontane Remission innerhalb einiger Wochen)
- Symptomatische Patienten oder Thrombozytenzahl <30.000/μL: Glukokortikoide, ggf. als hochdosierte Stoßtherapie
- Second-line: Bei Nicht-Ansprechen auf Glukokortikoidtherapie, Cushing-Gefahr oder mehreren Rezidiven
- Splenektomie
- Indikation: Persistierende Thrombozytopenie und schwere Blutungen
- Verfahren: Bevorzugt minimal-invasive, laparoskopische Operation
- Intravenöse Immunglobuline: Insbesondere vor Operationen kann durch Immunglobulingabe die Thrombozytenzahl kurzfristig erhöht werden
- Immunsuppression: Ausweitung der Glukokortikoidtherapie, CD 20-Antikörper (Rituximab)
- Thrombopoetin-Rezeptoragonisten: Romiplostim, Eltrombopag
- Splenektomie
- Second-line: Bei Nicht-Ansprechen auf Glukokortikoidtherapie, Cushing-Gefahr oder mehreren Rezidiven
- Bei lebensbedrohlichen Blutungen: Gabe von Thrombozytenkonzentraten, Immunglobulinen und Glukokortikoiden
Eine dezente Splenomegalie kann in Einzelfällen vorkommen, ist aber eher untypisch und spricht deswegen gegen die Diagnose ITP!
Therapie
- Kausale Therapie bei bekannter Grunderkrankung
- Symptomatische Therapie → siehe Transfusionen: Thrombozytenkonzentrat
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
- D69.-: Purpura und sonstige hämorrhagische Diathesen
- Exklusive:
- Benigne Purpurahyper(gamma)globulinaemica (D89.0)
- Essentielle (hämorrhagische) Thrombozythämie (D47.3)
- Kryoglobulinämische Purpura (D89.1)
- Purpura fulminans (D65.‑)
- Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (M31.1)
- D69.3: Idiopathische thrombozytopenische Purpura
- Evans-Syndrom
- Werlhof-Krankheit
- D69.4-: Sonstige primäre Thrombozytopenie
- Exklusive: Thrombozytopenie mit Radiusaplasie (Q87.2); Transitorische Thrombozytopenie beim Neugeborenen (P61.0); Wiskott-Aldrich-Syndrom (D82.0)
- D69.40: Sonstige primäre Thrombozytopenie, als transfusionsrefraktär bezeichnet
- D69.41: Sonstige primäre Thrombozytopenie, nicht als transfusionsrefraktär bezeichnet
- D69.5-: Sekundäre Thrombozytopenie
- D69.52: Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ I
- D69.53: Heparin-induzierte Thrombozytopenie Typ II
- D69.57: Sonstige sekundäre Thrombozytopenien, als transfusionsrefraktär bezeichnet
- D69.58: Sonstige sekundäre Thrombozytopenien, nicht als transfusionsrefraktär bezeichnet
- D69.59: Sekundäre Thrombozytopenie, nicht näher bezeichnet
- D69.6-: Thrombozytopenie, nicht näher bezeichnet
- Exklusive:
- P61.-: Sonstige hämatologische Krankheiten in der Perinatalperiode
- P61.0: Transitorische Thrombozytopenie beim Neugeborenen
- Thrombozytopenie beim Neugeborenen durch:
- Austauschtransfusion
- idiopathische Thrombozytopenie der Mutter
- Isoimmunisierung
- Thrombozytopenie beim Neugeborenen durch:
- P61.0: Transitorische Thrombozytopenie beim Neugeborenen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.