Zugang zu fachgebietsübergreifendem Wissen – von > 70.000 Ärzt:innen genutzt

5 Tage kostenfrei testen
Von ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.

Glaukom

Letzte Aktualisierung: 13.1.2023

Abstracttoggle arrow icon

Das Glaukom (auch grüner Star genannt) ist eines der wichtigsten Krankheitsbilder der Augenheilkunde. Jeder 10. Deutsche ist gefährdet, im Laufe seines Lebens eine pathologische und relevante Erhöhung des Augeninnendrucks zu entwickeln. Ca. 15–20% der Erblindungen in Deutschland sind auf dieses Krankheitsbild zurückzuführen. Das Glaukom kann je nach Ursache akut oder chronisch auftreten und davon abhängig auch unterschiedliche Symptome zeigen.

Das chronische Glaukom ist durch eine chronisch-progrediente Schädigung des Sehnerven infolge eines zunehmenden Nervenfaserverlusts gekennzeichnet. Oft geht dies mit einer Erhöhung des Augeninnendrucks einher. In fortschreitenden Stadien kommt es zu Gesichtsfeldausfällen bis zur Erblindung. Therapie der Wahl ist die Augeninnendrucksenkung (medikamentös, ggf. operativ).

Während die chronische Form zunächst meist symptomarm ist, äußert sich die Akutform beim Patienten mit akuten, stärksten Augenschmerzen in Verbindung mit Einschränkung des Visus und vegetativen Reaktionen. Entscheidend ist eine frühzeitige augenärztliche Vorstellung und die sofortige Einleitung einer adäquaten, medikamentösen und/oder operativen Therapie zur Senkung des Augendrucks, um eine Erblindung zu verhindern.

  • Akuter Glaukomanfall: Akute massive Erhöhung des Augeninnendrucks durch eine Verlegung des Kammerwinkels (meist infolge eines Winkelblocks: Winkelblockglaukom, Engwinkelglaukom)
  • Chronisches Glaukom (Offenwinkelglaukom, Glaucoma chronicum simplex): Chronisch-progredienter Verlust von Sehnervenfasern einhergehend mit pathognomonischer Veränderung der Papille (oft besteht ein erhöhter Augeninnendruck)

  • Zweithäufigste Ursache für Erblindung Erwachsener in Deutschland nach der altersbedingten Makuladegeneration (AMD)
  • 15–20% der Erblindeten haben ein Glaukom
  • 8 Millionen Menschen in Deutschland sind Glaukom-gefährdet, 800.000 erkrankt, bei 80.000 besteht die Gefahr der Erblindung durch das Glaukom

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

  • Akutes Glaukom
    • Voraussetzung: Flache Vorderkammer (z.B. Hyperopie, kurzer Bulbus)
    • Auslöser: Mydriasis (Verlegung des Kammerwinkels durch die Iris)
      • Medikamentös: Mydriatika
      • Schreck-/Angstreaktion
      • Dunkelheit
  • Chronisches Glaukom: Unbekannt
  • Risikofaktoren
    • Familiäre Belastung
    • Hohes Lebensalter
    • Diabetes mellitus
    • Dunkle Hautfarbe
    • Hypotonie, Durchblutungsbeschwerden
    • Glucocorticoidtherapie etc.
Glaukomform Kammerwinkel Abflussbehinderung
Offenwinkelglaukom Primär Offen Im Trabekelwerk (idiopathisch)
Sekundär Offen Verlegung innerhalb des Trabekelwerks (z.B. durch Entzündungszellen, Erythrozyten, Pigment, Linsenprotein, Pseudoexfoliationsmaterial)
Winkelblockglaukom Primär

Blockiert

Mechanische Verlegung des Kammerwinkels durch Irisbasis
Sekundär Blockiert

Mechanische Verlegung des Kammerwinkels durch okuläre Vorerkrankungen (z.B. durch Rubeosis iridis oder Seclusio pupillae mit Iris bombée )

Kongenitales Glaukom Primär Ausdifferenzierung unvollständig Persistierendes embryonales Gewebe im Kammerwinkel

Physiologische Grundlagen

  • Normaler Augeninnendruck zwischen 10 und 21 mmHg gewährleistet optimale Funktion des optischen Systems
  • Bildung des Kammerwassers durch die Ziliarzotten
  • Fluss des Kammerwassers von der Hinterkammer durch die Pupille in die Vorderkammer, dafür pulsatile Verdrängung der Iris von der Linse bei ausreichend hohem Druck (1. physiologischer Widerstand )
  • Abfluss des Kammerwassers zu ca. 85% durch das Trabekelwerk in den Schlemm-Kanal und dann über ca. 30 Sammelkanäle in die episkleralen Kammerwasservenen (2. physiologischer Widerstand)
  • Zu 15% uveoskleraler Abfluss in den allgemeinen venösen Kreislauf

Pathophysiologische Veränderungen

Akutes Glaukom (Winkelblockglaukom, Engwinkelglaukom)

Chronisches Glaukom (Offenwinkelglaukom)

Kongenitales Glaukom

  • Buphthalmus
  • Vergrößerter Hornhautdurchmesser
  • Hornhauttrübung
  • Lichtempfindlichkeit
  • Vermehrte Tränensekretion
  • Normaldruckglaukom
    • Trotz normalen intraokulären Drucks typische okuläre Glaukom-Veränderungen
    • Schwierige Therapierbarkeit
  • Pigmentdispersionsglaukom: Verlegung des Trabekelwerks durch Irispigment
    • Krukenberg-Spindel: Pigmentablagerungen an der Hornhautrückfläche
    • Kirchenfensterphänomen: Pigmentblattdefekte der Iris
  • Pseudoexfoliationsglaukom: Verlegung des Kammerwinkels durch feinfibrilläres („Pseudoexfoliations-“)Material
    • Ablagerung von weißlich-flockenartigem Material auf Linse und im Kammerwinkel

Akutes Glaukom

  • Palpation der Augäpfel im Seitenvergleich: Steinharter Bulbus
  • Spaltlampenuntersuchung: Flache Vorderkammer, ziliare Injektion (rotes Auge) , mittelweite, entrundete, lichtstarre Pupille, trübe Hornhaut
  • Ophthalmoskopie: Einblick auf den Augenhintergrund erschwert
  • Visus: Massiv eingeschränkt

Chronisches Glaukom

  • Augeninnendruckmessung
    • Berücksichtigung der Hornhautdicke (mithilfe der Pachymetrie)
    • Technik: Meist mittels Applanationstonometrie nach Goldmann → Unter Lokalanästhesie wird ein definiertes Hornhautareal mit einem Druckstempel abgeflacht und die hierfür benötigte Kraft gemessen
    • Beurteilung: Normwert liegt zwischen 10 und 21 mmHg, bei Glaukom häufig erhöhte Werte (jedoch nicht obligat)
  • Tagesdruckprofil: Erfassung von Druckschwankungen
  • Ophthalmoskopie: Bei Glaukom Vergrößerung der zentralen Exkavation der Papille und Verschmälerung des neuroretinalen Randsaumes
  • Gonioskopie: Optische Beurteilung des Kammerwinkels mittels Kontaktglas
  • Perimetrie: Nachweis von Skotomen im Gesichtsfeld (zu Beginn typischer bogenförmiger, parazentraler Gesichtsfeldausfall (Bjerrum-Skotom))
  • Heidelberg Retina Tomograf (HRT): Bildgebende Papillendokumentation

  • Okuläre Hypertension
    • Erhöhte intraokuläre Drücke ohne Zeichen eines Glaukoms
    • Umwandlung in Glaukom möglich

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Akutes Glaukom (Winkelblockglaukom)

Sofortige augenärztliche Behandlung, da ansonsten eine irreversible Schädigung des Auges droht!

Verschlechterung der Durchblutung des Sehnerven durch Senkung des Blutdrucks! → Keine systemische Senkung des Blutdrucks während eines Glaukomanfalls!

Primärer Winkelblock

  • Therapieziel: Schnelle Drucksenkung und Schmerzreduktion
  • Medikamentös
  • Operativ
    • Verbesserung des Kammerwasserabflusses: Herstellung eines Shunts zwischen Hinter- und Vorderkammer; im Verlauf prophylaktisch auch am kontralateralen Auge [1]
      • Offen-operative Methoden (periphere Iridektomie)
      • Neodymium-YAG-Laseriridotomie
  • Manipulation: Durch ca. 30-sekündige, zentrale Komprimierung der Hornhaut kann evtl. eine passagere Abflussverbesserung erreicht werden

Sekundärer Winkelblock (Neovaskularisationsglaukom) [2][3]

Chronisches Glaukom

  • Therapieziel: Augeninnendrucksenkung

Medikamentöse Therapie

Übersicht der medikamentösen Glaukomtherapie
Kammerwasser Nebenwirkungen
Wirkstoffgruppe Auswahl an Wirkstoffen Produktion Abfluss Systemisch Lokal
Betablocker

βXAR-Antagonist

  • Timolol
↓↓↓

Sympatholytische Nebenwirkungen wie Bradykardie, Hypotension, Bronchokonstriktion

β1AR-Antagonist
  • Betaxolol
Prostaglandin-F-Rezeptor-Agonisten (FPR-Agonisten)
  • Latanoprost
  • Bimatoprost
↑↑↑↑

Wenige bis keine

α2AR-Agonisten
  • Apraclonidin
  • Brimonidin
↓↓ Sympatholytische Nebenwirkungen
Carboanhydrasehemmer (lokal)
  • Dorzolamid
  • Brinzolamid
Keine

Cholinergika (veraltet)

↑↑↑

Cholinerge Nebenwirkungen

Adrenergika (veraltet)

Sympathomimetische Nebenwirkungen

Chirurgische Therapie [4][5]

  • Verbesserung des Kammerwasserabflusses
    • Laserverfahren, z.B. Lasertrabekuloplastik
    • Operative Verfahren, z.B. Trabekulektomie , Kanaloplastik , Trabekulotomie , tiefe Sklerektomie
  • Verminderung der Kammerwasserproduktion: Zyklodestruktive Eingriffe

Kongenitales Glaukom

Absolute Operationsindikation!

Sobald die Diagnose eines kongenitalen Glaukoms gestellt wird, ist eine möglichst zeitnahe Operation (z.B. Trabekulotomie) durchzuführen.

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Glaukom: Von Management bis Forschung (August 2020)

Interesse an noch mehr Medizinwissen zum Hören? Abonniere jetzt den AMBOSS-Podcast über deinen Podcast-Anbieter oder den Link am Seitenende unter "Tipps & Links"

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

  1. Walter et al.: Basiswissen Augenheilkunde. Springer 2016, ISBN: 978-3-662-52801-3 .
  2. Rodrigues et al.: Neovascular glaucoma: a review In: International Journal of Retina and Vitreous. Band: 2, Nummer: 1, 2016, doi: 10.1186/s40942-016-0051-x . | Open in Read by QxMD .
  3. Widder et al.: Neovaskularisationsglaukom In: Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde. Band: 227, Nummer: 02, 2010, doi: 10.1055/s-0029-1240867 . | Open in Read by QxMD p. R15-R28.
  4. Grehn: Augenheilkunde. 31. Auflage Springer 2012, ISBN: 978-3-642-11332-1 .
  5. Hoang et al.: Individuelle Anpassung der kontrollierten Zyklophotokoagulation mit dem Frankfurter-Nomogramm In: Klinische Monatsblätter für Augenheilkunde. Band: 227, Nummer: S 03, 2010, doi: 10.1055/s-0030-1270022 . | Open in Read by QxMD .
  6. Grehn: Augenheilkunde. 29. Auflage Springer 2005, ISBN: 3-540-25699-7 .
  7. Lang et al.: Augenheilkunde. 4. Auflage Thieme 2008, ISBN: 978-3-131-02834-1 .