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Studien-Telegramm-Archiv 2023

Letzte Aktualisierung: 21.8.2024

Einleitungtoggle arrow icon

Zusammen mit der HOMe-Academy der medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes und dem Ärzte-Team des Agaplesion-Markus Krankenhauses Frankfurt bietet AMBOSS einen Newsletter zu internistischen Studien und Publikationen an. Der Newsletter richtet sich insb. an alle interessierten Kollegen aus Klinik und Praxis, die neben der alltäglichen Praxis wichtige wissenschaftliche Entwicklungen im Blick behalten möchten. Unter Tipps & Links findest du den Link zur Anmeldung.

Im Folgenden werden ab dem Beginn der Newsletter-Versendung die Inhalte aller bisherigen Ausgaben im Jahr 2023 als Archiv zur Verfügung gestellt werden.

Archive weiterer AMBOSS-Studien-Telegramme

Wissenschaftliche Schirmherrschafttoggle arrow icon

Die Auswahl und Zusammenfassung der Studien und Publikationen findet in enger Zusammenarbeit mit der kardiovaskulären Studiengruppe HOMe statt.

Verantwortliche Ärztinnen und Ärzte:
Prof. Dr. med. Gunnar Heine (Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselerkrankungen und Gefäßerkrankungen, AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS Frankfurt a.M./Universität des Saarlandes), Prof. Dr. Dr. Stephan Schirmer (Kardiologie, Universität des Saarlandes/Kardiologische Praxis Kaiserslautern), Prof. Dr. Dr. Sören Becker (Infektionserkrankungen und Tropenmedizin, Universität des Saarlandes), Dr. med. Paul Diefenhardt (Nephrologie, Innere Medizin II - Uniklinik Köln), Anja Scheuer (Innere Medizin IV - Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Universität des Saarlandes)

Verantwortlicher Studienkoordinator: Fabio Lizzi (Universitätsklinikum des Saarlandes)

Q4 2023toggle arrow icon

Ausgabe 275 - 16. Dezember 2023toggle arrow icon

Therapie der Hepatitis C bei chronischer Nierenerkrankung

Studientelegramm 275-2023-1/3 - Nach einer meist asymptomatisch verlaufenden akuten Hepatitis-C-Infektion entwickeln ca. 60–85% aller Infizierten einen chronischen Verlauf über mehr als 6 Monate. Von der chronischen Hepatitis C sind insg. etwa 0,7% der Weltbevölkerung betroffen. Aufgrund des hiermit verbundenen Risikos, im Verlauf an einer Leberzirrhose oder einem hepatozellulären Karzinom zu erkranken oder zu versterben, sind eine konsequente Diagnostik und Therapie der Hepatitis C ein globales Gesundheitsanliegen. Die Diagnose erfolgt dabei mittels nachgewiesenen Anti-HCV-Antikörpern und anschließender Bestätigung durch HCV-RNA. Die Therapie der Hepatitis C ist bereits bei jeder replikativen Form indiziert und erfolgt mittels einer direkt-antiretroviralen Kombinationstherapie, wobei zwischen genotypspezifischen und pangenotypischen Therapieregimes unterschieden wird.

Begleiterkrankungen wie eine chronische Nierenerkrankung stellen dabei eine besondere Herausforderung dar. So ist bspw. bei Personen mit chronischer Nierenerkrankung die Pharmakokinetik vieler antiviraler Medikamente verändert. Im Vorjahr hat die KDIGO daher eine Leitlinie zur Therapie der chronischen Hepatitis C bei chronisch nierenkranken Menschen publiziert. Zentrale Aspekte dieser Leitlinie wurden nun zu einem lesenswerten Übersichtsartikel zusammengefasst.

  • AMBOSS-Inhalte: Verlauf der Hepatitis-C-Infektion | Hepatitis C - Therapie | Therapie der Hepatitis C bei Begleiterkrankungen
  • Titel der Studie: Prevention, Diagnosis, Evaluation, and Treatment of Hepatitis C in Chronic Kidney Disease: Synopsis of the Kidney Disease: Improving Global Outcomes 2022 Clinical Practice Guideline [1]
  • Autorenschaft: Awan et al.
  • Journal: Annals of Internal Medicine®

SGLT2-Inhibitoren und Erythrozytose

Studientelegramm 275-2023-2/3 - SGLT2-Inhibitoren (Gliflozine) werden aktuell in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2, der Herzinsuffizienz und der chronischen Nierenerkrankung eingesetzt. Als Nebenwirkungen werden stets (zumeist harmlose) Harnwegs- und Genitalinfektionen sowie (sehr selten) Ketoazidosen aufgelistet. Eine weitere Nebenwirkung – die kontextabhängig als Vor- oder Nachteil interpretiert werden kann – ist die sekundäre Erythrozytose, d.h. ein absoluter oder relativer Anstieg von Hämoglobin oder Hämatokrit über die alters- und geschlechtsspezifischen Normwerte.

Nun wurden hierzu mehrere Fallserien publiziert und die bisherige Erkenntnis in einem lesenswerten Artikel zusammengefasst. Die Autorenschaft war außerdem zum Interview bei MARKUS@HOMe zu Gast.

  • AMBOSS-Inhalte: SGLT2-Inhibitoren | Sekundäre bzw. reaktive Erythrozytose - Ursachen
  • Titel der Studie: Sodium–glucose co-transporter-2 inhibitor use and erythrocytosis: assessment of risk and need for referral to haematology [2]
  • Autorenschaft: Gangat et Tefferi
  • Journal: Nephrology Dialysis Transplantation

EMPA-KIDNEY: Benefit in Subgruppenanalysen für Empagliflozin

Studientelegramm 275-2023-3/3 - Die beiden Studien CREDENCE [3] und DAPA-CKD [4] zeigten bereits einen nephroprotektiven Effekt von SGLT2-Inhibitoren bei chronischer Nierenerkrankung. Nun liegen zusätzlich umfangreiche Subanalysen aus EMPA-KIDNEY vor: Empagliflozin verringert das Risiko für das Fortschreiten chronischer Nierenerkrankungen auch bei niedriger Albuminurie unterschiedlichster Ursachen (bspw. bei Glomerulonephritiden). Offen bleibt, inwieweit Empagliflozin auch einen positiven Effekt bei autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung, bei Nierentransplantierten und Typ-1-Diabetes hat, da diese Gruppen in EMPA-KIDNEY [5] ausgeschlossen bzw. unterrepräsentiert waren.

Die Studie wurde von Boehringer Ingelheim und Eli Lilly finanziert.

Ausgabe 274 - 02. Dezember 2023toggle arrow icon

Rückschlag für Faktor-XI-Inhibitoren: OCEANIC-AF

Studientelegramm 274-2023-1/3 - Mit der Einführung von Faktor-XI-Inhibitoren war für die Mitte dieses Jahrzehnts die nächste Revolution in der Antikoagulation seit Etablierung der direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) prognostiziert worden. Diese Wirkstoffgruppe sollte gegenüber DOAK eine höhere Sicherheit hinsichtlich der Blutungsgefahr bei gleicher Effektivität ermöglichen (siehe auch: Studientelegramm 226-2022-2/3). In ihrer Entwicklung ist nun allerdings ein Rückschlag zu verzeichnen: Die Phase-III-Studie OCEANIC-AF [7] zur Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern mit dem direkten oralen Faktor-XIa-Inhibitor Asundexian wird aufgrund einer verglichen mit Apixaban unterlegenen Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen. Sicherheitsbedenken ergaben sich dagegen nicht.

Dies muss jedoch noch nicht das Ende der Entwicklung von Asundexian bedeuten, da die OCEANIC-STROKE-Studie [8] zur Sekundärprävention nicht-kardioembolischer ischämischer Schlaganfälle dennoch weitergeführt wird. Darüber hinaus könnte eine weitere Phase-III-Studie zur Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern und Kontraindikation gegen eine DOAK-Therapie (OCEANIC-AFINA) folgen.

Rückenwind für Faktor-XI-Inhibitoren: AZALEA-TIMI 71

Studientelegramm 274-2023-2/3 - Auf dem Jahreskongress der American Heart Association (AHA) wurden u.a. auch die vorläufigen Ergebnisse von AZALEA-TIMI 71 [10] vorgestellt. Die Phase-II-Studie untersuchte das Sicherheitsprofil von Abelacimab, einem humanen monoklonalen Antikörper, der die Aktivierung von Faktor XI verhindert.

1.287 Personen mit Vorhofflimmern erhielten dabei randomisiert entweder Abelacimab (90 mg oder 150 mg 1× monatlich subkutan) oder Rivaroxaban als Thromboembolieprophylaxe. Primärer Endpunkt waren schwere oder klinisch relevante Blutungen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von ca. 21 Monaten wurde die Studie vorzeitig beendet, da sich eine deutliche Überlegenheit von Abelacimab zeigte: Die Anzahl der Blutungsereignisse war unter 90 mg bzw. 150 mg Abelacimab verglichen mit Rivaroxaban um 77% (HR: 0,23; 95% KI: 0,13–0,42; p <0,0001) bzw. 67% reduziert (HR: 0,33; 95% KI: 0,19–0,55; p <0,0001). Thromboembolische Ereignisse traten allerdings unter Abelacimab numerisch häufiger auf.

In der aktuell noch laufenden Phase-III-Studie LILAC-TIMI 76 [11] wird die Wirksamkeit von Abelacimab zur Thromboembolieprophylaxe bei Personen untersucht, die keine andere orale Antikoagulation erhalten können. Die Ergebnisse der Studie sollen helfen, den Stellenwert der Substanz besser einzuordnen.

Antikoagulation bei Vorhofflimmern und Dialysepflichtigkeit: Primum non nocere

Studientelegramm 274-2023-3/3 -Während bei Vorhofflimmern ein hohes Risiko für ischämische Schlaganfälle und arterielle Embolien besteht, geht eine chronische Nierenerkrankung insb. bei Dialysepflichtigkeit mit einem erhöhten Risiko für Blutungen einher. Eine orale Antikoagulation (OAK) könnte diese noch steigern. 3 Studien (RENAL-AF [13], Valkyrie [14], AXADIA-AFNET 8 [15]) haben bereits direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) und Vitamin-K-Antagonisten (VKA) bei Vorhofflimmern und Dialysepflichtigkeit verglichen. Jedoch war die Anzahl der Studienteilnehmenden aller Studien zu gering, um abschließende Urteile erlauben zu können.

Nun liegen erste Daten der SAFE-D-Studie [16] vor, die zwar nur als Machbarkeitsstudie geplant, mit 151 Teilnehmenden aber ungefähr so groß wie RENAL-AF und sogar größer als Valkyrie und AXADIA-AFNET 8 war. In SAFE-D wurden die Teilnehmenden erstmals nicht nur auf DOAK (Apixaban) oder VKA randomisiert, sondern auch auf einen Studienarm ohne jede OAK. Trotz der kleinen Studiengröße und des kurzen Follow-up von 26 Wochen erscheinen 3 Beobachtungen berichtenswert:

1.Schlaganfälle waren in allen 3 Studienarmen summiert deutlich seltener als schwere Blutungen (2 Schlaganfälle, 8 schwere Blutungen).

2.Schwere Blutungen traten unter Warfarin doppelt so häufig auf wie unter Apixaban oder ohne OAK (4 vs. jeweils 2 schwere Blutungen).

3.Die Mortalität war unter Warfarin mehr als viermal so hoch wie unter Apixaban und mehr als doppelt so hoch wie im Studienarm ohne OAK (9 vs. 2 vs. 4 Todesfälle).

Dies unterstreicht, weshalb eine OAK bei Dialysepflichtigkeit weiterhin zurückhaltend eingesetzt werden sollte. Ein interventioneller Verschluss des linken Vorhofohrs mittels eines sog. LAA-Occluders kann als alternative Therapiestrategie erwogen werden.

Ausgabe 273 - 18. November 2023toggle arrow icon

Aortenklappenstenose: Vernachlässigte Schwere der nicht-schweren Fälle?

Studientelegramm 273-2023-1/3 - Die Aortenklappenstenose (AS) – schon jetzt die häufigste Indikation für einen Klappenersatz im Globalen Norden – gewinnt angesichts alternder Bevölkerungen weiter an Bedeutung. Gemäß aktuellen Leitlinien [18] ist ein Klappenersatz jedoch der hochgradigen (schweren) AS vorbehalten, die insb. in symptomatischen Fällen mit einer deutlich erhöhten Mortalität einhergeht (siehe auch: Studientelegramm 212-2022-1/3).

Eine US-amerikanische Kohortenanalyse untersuchte nun anhand der Datensätze von 595.120 Erwachsenen, bei denen zwischen 2016 und 2022 eine echokardiografische Beurteilung der Aortenklappe durchgeführt wurde, das Mortalitätsrisiko einer unbehandelten AS über alle Schweregrade hinweg. Bei 70.778 Untersuchten (11,9%) wurde eine AS diagnostiziert, in knapp 50% der Fälle mit leichtgradiger Ausprägung. Das Vorliegen einer AS war dabei mit einer erhöhten 4-Jahres-Mortalität assoziiert, die mit dem Schweregrad der AS anstieg (keine AS: adjustierte Mortalität 13,5%, leichte AS: 25,0%, moderate AS: 33,3%, schwere AS: 42,0%). Interessanterweise erhielten nur 60% der Personen mit schwerer AS einen Klappenersatz, obwohl dank interventioneller Methoden (TAVI) auch für Hochrisikogruppen eine evidenzbasierte Alternative zur chirurgischen Versorgung etabliert ist.

Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte berücksichtigt werden, dass die Personengruppe ohne AS insg. ein deutlich geringeres Durchschnittsalter und weniger Komorbiditäten aufwies. Dennoch unterstreicht die Studie die Behandlungsbedürftigkeit schwerer (auch asymptomatischer) Aortenklappenstenosen und wirft die Frage nach einem möglichen Vorteil einer frühzeitigeren Behandlung auf, die derzeit noch in mehreren prospektiven klinischen Studien untersucht wird.

Lesenswert ist auch das zugehörige Editorial [19] von Eugene Braunwald, der auf seine sechzigjährige Forschung über dieses Krankheitsbild zurückblickt.

Rückblick AHA I: Semaglutid bei Übergewicht

Studientelegramm 273-2023-2/3 - Ein wichtiges Thema auf dem diesjährigen Treffen der American Heart Association (AHA) war das in diesem Jahr zugelassene Medikament Semaglutid (Wegovy®) zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei Übergewicht, das in der SELECT-Studie untersucht wurde. Der Hersteller Novo Nordisk hatte erste Ergebnisse bereits per Pressemitteilung veröffentlicht (siehe auch: Studientelegramm 266-2023-1/3).

In der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie wurde eine Untersuchung an adipösen oder übergewichtigen Personen im Alter von ≥45 Jahren mit bereits manifester kardiovaskulärer Erkrankung (Myokardinfarkt, Schlaganfall oder symptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit), aber ohne bekannten Diabetes mellitus durchgeführt. Zusätzlich zur Standardtherapie wurde wöchentlich entweder das GLP1-Analogon Semaglutid (2,4 mg) oder ein Placebo subkutan verabreicht.

Kardiovaskuläre Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall) traten schlussendlich bei 569 (6,5%) der Personen in der Semaglutid-Gruppe und bei 701 (8,0%) in der Placebo-Gruppe auf (Hazard Ratio 0,80; 95% KI: 0,72–0,90; p <0,001). Unerwünschte (insb. gastrointestinale) Nebenwirkungen, die zum dauerhaften Absetzen führten, traten signifikant häufiger bei Personen unter Semaglutid auf (16,6% vs. 8,2%, p <0,001). Die Ergebnisse waren über verschiedene Alters- und Gewichtsgruppen sowie HbA1c-Werte hinweg konsistent. Darüber hinaus konnte auch eine Reduktion bspw. des Körpergewichts, HbA1c, Blutdrucks, CRP sowie LDL-Cholesterins erreicht werden.

Aufgrund der hohen Anzahl adipöser Personen mit kardiovaskulärer Erkrankung wurde die Studie mit großer Aufmerksamkeit beachtet und diskutiert, bspw. in einem begleitenden, lesenswerten Editorial [21]. Viele praktische Fragen bleiben jedoch weiterhin offen, u.a. die unklare Kostenübernahme für die hochpreisige Therapie.

Die SELECT-Studie wurde von Novo Nordisk, dem Hersteller von Semaglutid, finanziert.

Rückblick AHA II: Elektive Koronarintervention bei stabiler Angina pectoris

Studientelegramm 273-2023-3/3 - Koronarinterventionen werden bei Personen mit stabiler Angina pectoris (AP) häufig durchgeführt, wobei die Evidenzlage unklar ist. Die bereits 2017 publizierte ORBITA-Studie [23] untersuchte, ob bei medikamentös behandelter stabiler AP mit schwerer Stenose (≥70%) eines Koronargefäßes eine perkutane Koronarintervention (PCI; „percutaneous coronary intervention“) zu einer Verlängerung der kardiopulmonalen Belastungszeit führt. Im Vergleich zu einem Placebo-Eingriff konnte keine signifikante Steigerung der Belastbarkeit nachgewiesen werden.

Die nun publizierte ORBITA-2-Studie untersuchte die Hypothese, ob eine PCI die Symptomatik einer stabilen AP mildern könnte, deren medikamentöse Therapie im Rahmen der Studie gestoppt wurde. Insg. wurden 301 Studienteilnehmende mit einer Stenose mind. eines Koronargefäßes randomisiert und entweder einer PCI oder einem Placebo-Eingriff unterzogen. Nach einem 12-wöchigen Beobachtungszeitraum konnte durch die PCI eine Reduktion der AP erreicht werden. Außerdem sah man eine gesteigerte Belastbarkeit um 59,5 s auf dem Ergometer (sekundärer Endpunkt), die ungefähr der Steigerung entspricht, die man in anderen Studien durch eine medikamentöse Monotherapie erreichte. Ähnlich wie in ORBITA hatten allerdings knapp 60% der Teilnehmenden residuelle Symptome.

Mit diesen Ergebnissen ist nun erstmalig in einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Interventionsstudie ein positiver Effekt einer alleinigen elektiven PCI bei stabiler AP nachgewiesen worden.

Die Studie wurde u.a. vom britischen National Institute for Health and Care Research unterstützt.

Ausgabe 272 - 04. November 2023toggle arrow icon

Hyperkalzämie: Häufigster metabolischer Notfall bei Krebserkrankungen

Studientelegramm 272-2023-1/3 - Die Hyperkalzämie ist eine häufige, abklärungsbedürftige Elektrolytstörung. Während bei ambulanter Vorstellung der primäre Hyperparathyreoidismus die häufigste Ursache darstellt und i.d.R. elektiv abgeklärt wird, überwiegt bei hospitalisierten Personen die sog. tumorinduzierte Hyperkalzämie (TIH). Dieser internistische Notfall tritt bei bis zu einem Drittel aller Patientinnen und Patienten mit maligner Erkrankung auf und ist damit der häufigste metabolische Notfall bei Krebserkrankungen. Zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung haben die European Society of Endocrinology und die American Society for Bone and Mineral Research eine gemeinsame Leitlinie veröffentlicht, die u.a. folgende Empfehlungen enthält:

Die übersichtliche und lesenswerte Leitlinie enthält zudem u.a. Schemata zur (forcierten) Diurese sowie Empfehlungen zur medikamentösen Therapie bei Personen mit erhöhtem Calcitriol.

Prophylaxe nach tumorassoziierter Thromboembolie

Studientelegramm 272-2023-2/3 - In der Sekundärprophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) ermöglicht auch eine niedrigdosierte Therapie mit 2×2,5 mg/d Apixaban (vs. 2×5 mg/d) eine signifikante Rezidivreduktion. Dies konnte bereits 2013 in der AMPLIFY-EXT-Studie [26] gezeigt werden, die Apixaban in beiden Dosierungen gegenüber Placebo untersuchte. Allerdings wurden in dieser Studie, wie auch in vielen anderen VTE-Studien, nur sehr wenige Personen mit tumorassoziierter VTE untersucht, obwohl insb. diese eine erhöhte Rezidiv- und Mortalitätsrate aufweisen.

Die US-amerikanische EVE- und die europäische API-CAT-Studie sollen diese Lücke nun schließen: Beide Studien untersuchen Apixaban erneut in den Dosierungen 2×2,5 mg/d vs. 2×5 mg/d hinsichtlich Effektivität (Reduktion von VTE-Rezidiven) und Sicherheit (Blutungsrisiko), jedoch explizit bei Personen mit tumorassoziierter VTE. Die Ergebnisse von EVE wurden bereits auf der Jahrestagung der ISTH (International Society on Thrombosis and Haemostasis) präsentiert, allerdings noch nicht publiziert. Erste Ergebnisse von API-CAT werden voraussichtlich im Winter 2024 veröffentlicht.

Ein Interview [27] mit den Studienleitenden Prof. McBane (EVE; u.a. mit noch unpublizierten Ergebnissen) und Prof. Mahé (API-CAT) ist bei MARKUS@HOMe [28] abrufbar.

Alles im FLOW – GLP1-Analoga bei chronischer Nierenerkrankung

Studientelegramm 272-2023-3/3 - Es wird vermutet, dass GLP1-Analoga nicht nur antidiabetische und gewichtsreduzierende Effekte sowie protektive Eigenschaften für kardiovaskuläre Erkrankungen aufweisen, sondern auch nephroprotektiv wirken. Diese Annahmen beruhten bisher v.a. auf Analysen von sekundären Endpunkten aus kardiovaskulären Sicherheitsstudien. Dabei wurden eher die Effekte auf eine Albuminurie und weniger die klinischen Auswirkungen auf die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) und Dialysepflichtigkeit untersucht. Daten aus einer Phase-III-Studie standen bisher aus.

In der doppelblinden, randomisiert-kontrollierten Studie FLOW [31] wurde nun untersucht, ob die wöchentliche, subkutane Gabe des GLP1-Analogons Semaglutid (Ozempic®) bei >3.500 Personen mit Diabetes mellitus und chronischer Nierenerkrankung (CKD) über eine bloße Reduktion der Albuminurie hinaus den Progress der CKD verlangsamen kann. Vor wenigen Tagen gab Novo Nordisk, Herstellerfirma von Semaglutid und Sponsor von FLOW, bekannt, dass die Studie nach Interimsanalysen vorzeitig abgebrochen wurde, da Semaglutid einen signifikanten Benefit zeigte. Die detaillierten Ergebnisse werden 2024 präsentiert. Daher sieht es so aus, dass nephrologische Kolleginnen und Kollegen über eine pharmakologische „Fantastic Four“ zur Nephroprotektion bei Diabetes mellitus verfügen werden: ACE-Hemmer/AT1-Rezeptor-Blocker, Finerenon, SGLT2-Inhibitoren und GLP1-Analoga.

Ausgabe 271 - 21. Oktober 2023toggle arrow icon

Update der europäischen Herzinsuffizienz-Leitlinie

Studientelegramm 271-2023-1/3 - Die wichtigste Neuerung der 2021 veröffentlichten Herzinsuffizienz-Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) war die Empfehlung einer medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) mit 4 prognoseverbessernden Substanzen gleichzeitig: Entweder ACE-Hemmer, AT1-Rezeptor-Blocker oder ARNI sowie Betablocker, Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten und SGLT2-Inhibitoren. Wenige Stunden nach Vorstellung der Leitlinie wurden die Ergebnisse der EMPEROR-Preserved-Studie präsentiert, die erstmals einen prognostischen Benefit des SGLT2-Inhibitors Empagliflozin auch bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) nachweisen konnten (siehe auch: Studientelegramm 185-2021-1/4). Dieses Ergebnis bestätigte sich mittlerweile sowohl für Dapagliflozin als auch für die Herzinsuffizienz mit gering reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF; siehe auch: Studientelegramm 234-2022-3/3).

Nun wurde daher ein Update der Leitlinie veröffentlicht, in dem die ESC folgende neue Empfehlungen ausspricht:

Die herausfordernde Studienlage zur intravenösen Eisengabe diskutierten wir bereits mehrfach im Studien-Telegramm (siehe auch: Studientelegramm 269-2023-3/3) und kürzlich bei MARKUS@HOMe [33]. Dort ist außerdem ein Gespräch zur neuen Leitlinie [34] mit Prof. Böhm (Co-Autor) und Prof. Maack (Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz) abrufbar.

SYMPTOMS und CASTING: Zwei Studien zum World Thrombosis Day

Studientelegramm 271-2023-2/3 - Am 13. Oktober feierte der von der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) ins Leben gerufene “World Thrombosis Day [36]” seinen 10. Geburtstag. Dies nehmen wir zum Anlass, um insb. auf zwei Studien hinzuweisen:

In der (abgeschlossenen, aber noch unveröffentlichten) CASTING[37]-Studie wurde untersucht, ob der TRiP(Cast)-Score ein valides Tool zur Stratifizierung von Thromboserisiken nach Trauma der unteren Extremität mit ≥7-tägiger Immobilisation darstellt und ob er als Entscheidungshilfe für oder gegen eine Thromboseprophylaxe genutzt werden kann. Ziel der Studie war es, zu zeigen, dass bei einem TRiP(Cast)-Score von <7 auf eine Thromboseprophylaxe verzichtet werden kann. Dies würde im Vergleich zu früheren Praktiken eine deutliche Reduzierung der Verschreibung von Antikoagulanzien bedeuten.

In der SYMPTOMS-Studie ging es um die Frage, inwieweit eine Thromboseprophylaxe mit 40 mg Enoxaparin symptomatische venöse Thromboembolien (VTE) bei hospitalisierten älteren Erwachsenen verhindern kann. Zwar wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten der Vorteil einer Prophylaxe bereits eingehend erforscht (Samama et al., NEJM 1999[38]), allerdings wurde ein symptomunabhängiger primärer Endpunkt (Auftreten von VTE) gewählt. In der nun veröffentlichten prospektiven randomisierten Studie wurden dagegen symptomatische VTE über einen Zeitraum von 30 Tagen bei 2.559 >70-Jährigen unter 40 mg Enoxaparin oder Placebo untersucht. Das Ergebnis war auf den ersten Blick ernüchternd: Eine signifikante VTE-Reduktion gelang unter Enoxaparin nicht. Allerdings weist die Studie, die aufgrund von Problemen bei der Arzneimittelversorgung vorzeitig abgebrochen werden musste, auf einen potenziellen Legacy-Effekt hin: Gegen Ende der Nachbeobachtungszeit weichen die Kaplan-Meier-Kurven tendenziell auseinander. Somit könnte bei einer (noch) größeren Studienpopulation oder längeren Nachbeobachtung ein Benefit nachweisbar sein.

Eine kritische Diskussion [39] beider Studien wurde von MARKUS@HOMe mit den Beteiligten Dr. Douillet (CASTING) und Prof. Le Gal (SYMPTOMS) am World Thrombosis Day geführt.

„AHA!“: Neue Ideen in der Therapie der arteriellen Hypertonie und Adipositas

Studientelegramm 271-2023-3/3 - Traditionell werfen wir vor den großen kardiologischen Jahreskongressen einen Blick auf die wichtigsten Studien. Das diesjährige Programm der Late-Breaking Science des Kongresses der American Heart Association (AHA) verspricht spannende Studien, die weit über die Kardiologie hinaus bedeutsam sein könnten:

Relevant für die zukünftige Behandlung der arteriellen Hypertonie ist die randomisiert-kontrollierte, doppelblinde KARDIA-1-Studie [41]. Im Rahmen der Phase-II-Studie wurde die Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments Zilebesiran untersucht, das mittels RNA-Interferenz (RNAi) die Bildung von Angiotensinogen hemmt. Medikamente, deren Wirkung auf RNAi basiert, lassen sich anhand des Suffixes „-siran“ identifizieren. Die Studie schließt an eine Phase-I-Studie [42] an, die vor einigen Wochen im NEJM publiziert wurde (siehe auch: Studientelegramm 265-2023-1/3). Gegenüber den bekannten, täglich verabreichten Antihypertensiva bietet Zilebesiran den Vorteil einer subkutanen Gabe mit größeren Verabreichungsintervallen.

Ein weiteres Thema wird das Medikament Semaglutid (Wegovy®) sein, das seit Juli dieses Jahres bei Personen mit Übergewicht (Body Mass Index ≥27) und einer gewichtsassoziierten Begleiterkrankung oder Adipositas (Body Mass Index ≥30) verschrieben werden darf. Im Rahmen des Kongresses werden hierzu die Ergebnisse der SELECT-Studie [43] vorgestellt, in der die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse bei Personen ohne Diabetes mellitus mit Übergewicht oder Adipositas untersucht wurde. In einer Pressemitteilung kündigte der Hersteller Novo Nordisk bereits an, dass sich das Risiko durch eine Therapie mit Semaglutid um 20% deutlich reduzieren ließ (siehe auch: Studientelegramm 266-2023-1/3). Die vollständigen Studiendaten werden die zukünftigen Empfehlungen zur medikamentösen Therapie bei Adipositas vermutlich maßgeblich beeinflussen.

Ausgabe 270 - 07. Oktober 2023toggle arrow icon

IgA-Nephropathie – Applaus für eine neue Therapieoption?

Studientelegramm 270-2023-1/3 - Die IgA-Nephropathie (IgAN) ist die häufigste primäre Glomerulonephritis. Sie kann asymptomatisch verlaufen, aber auch zu schweren Nierenerkrankungen führen (u.a. Rapid-progressive Glomerulonephritis). Therapeutisch stehen allgemeine Maßnahmen wie eine Blutdruckeinstellung und eine unspezifische medikamentöse Progressionshemmung der Nierenerkrankung im Vordergrund (siehe auch: Studientelegramm 254-2023-3/3). Eine zusätzliche immunsuppressive Therapie ist umstritten – insb. aufgrund einer ambivalenten Datenlage (siehe auch: Studientelegramm 253-2023-1/3). Außerdem scheinen deutlich sicherer einsetzbare Substanzen (insb. SGLT2-Inhibitoren [45]) ähnlich effektiv zu sein. Aktuell werden daher zahlreiche neue Optionen zur Therapie der IgAN untersucht, die insb. auf das Komplementsystem wirken.

Novartis veröffentlichte nun eine Pressemitteilung mit dem Zwischenergebnis der Phase-III-Studie APPLAUSE-IgAN [46] zu Iptacopan – einem oral verabreichten Faktor-B-Inhibitor, der den alternativen Aktivierungsweg des Komplementsystems hemmt. Durch dessen Einnahme (200 mg zweimal täglich) ließ sich verglichen mit einem Placebo (jeweils zusätzlich zu einem ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptor-Blocker in maximal tolerierter Dosis) das Ausmaß der Proteinurie nach 9 Monaten (primärer Endpunkt der Zwischenanalyse) signifikant reduzieren. Die Studie wird fortgesetzt, um den Effekt auf die GFR-Slope als Maß für eine Verlangsamung des Krankheitsfortschritts über 24 Monate zu untersuchen (primärer Endpunkt zum Studienabschluss; quantitatives Maß für die Abnahme der GFR über die Zeit; angegeben in mL/min/1,73 m2 jährlich). Die endgültigen Studienergebnisse werden 2025 erwartet, Novartis strebt aufgrund der positiven Zwischenergebnisse jedoch eine vorzeitige Zulassung des Medikaments an.

Metformin bei Schwangerschaftsdiabetes: Old drug, new tricks?

Studientelegramm 270-2023-2/3 - Ein Gestationsdiabetes ist definiert als eine erstmals während einer Schwangerschaft aufgetretene Glucosetoleranzstörung und betrifft in Deutschland ca. 5% aller Schwangerschaften mit Lebendgeburten. Potenzielle Komplikationen sind bspw. Aborte, eine Eklampsie, das HELLP-Syndrom oder eine Fetopathia diabetica. Zudem besteht im Langzeitverlauf ein erhöhtes Risiko für Mutter und Kind, einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Die Standardtherapie eines Gestationsdiabetes umfasst zunächst Lebensstilmodifikationen (Ernährungsumstellung und vermehrte körperliche Aktivität), gefolgt von einer Insulintherapie. Diese ist jedoch mit weiteren Gefahren wie Hypoglykämien und überproprotionalem Gewichtsanstieg verbunden.

Die EMERGE-Studie untersuchte nun, ob die frühzeitige Gabe von Metformin den Insulineinsatz reduzieren könnte. Dafür erhielten 510 Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes randomisiert entweder Metformin oder ein Placebo, zusätzlich zur Standardtherapie. Der kombinierte primäre Endpunkt war definiert als präpartaler Beginn einer Insulintherapie oder ein Nüchternblutzuckerwert ≥5,1 mmoL/L (92 mg/dL) in Schwangerschaftswoche 32 oder 38. Der primäre Endpunkt trat bei ca. 57% der Fälle in der Metformingruppe und bei ca. 64% in der Placebogruppe ein; ein signifikantes Ergebnis wurde damit knapp verfehlt. Sekundäre Endpunkte (bspw. Körpergewichtszunahme der Mutter, Zeitpunkt des Insulineinsatzes, Geburtsgewicht bzw. -größe des Neugeborenen) deuteten einen potenziellen Vorteil einer Metformintherapie an. Zur Bestätigung der Ergebnisse sollten jedoch weitere Studien initiiert werden.

Dosing DOAKs bei Vorhofflimmern und fortgeschrittener Nierenerkrankung

Studientelegramm 270-2023-3/3 - Bei Personen mit Vorhofflimmern und fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung, die laut CHA2DS2VASc-Score von einer oralen Antikoagulation profitieren, ist eine Dosisreduktion direkter oraler Antikoagulanzien (DOAK) erforderlich. Die angepasste Dosierung von Rivaroxaban und Edoxaban orientiert sich an der Kreatinin-Clearance. Bei Apixaban soll eine Dosisreduktion erfolgen, wenn 2 von 3 Kriterien erfüllt sind: Alter ≥80 Jahre, Körpergewicht ≤60 kg, Kreatinin ≥1,5 mg/dL (133 μmol/L). Unabhängig davon sollte Apixaban laut der Europäischen Arzneimittelkommission (EMA) bei einer Kreatinin-Clearance ≤30 mL/min in geringerer Dosis verschrieben werden. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hingegen empfiehlt bei isolierter Nierenfunktionsverschlechterung keine Dosisreduktion.

In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden nun 4.313 Personen mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium G4 und G5 verglichen, die aufgrund von Vorhofflimmern eine orale Antikoagulation mit Apixaban in normaler (5 mg zweimal täglich) oder reduzierter Dosis (2,5 mg zweimal täglich) erhielten. Hierbei war die Einnahme der normalen Dosis mit einer erhöhten Blutungsgefahr assoziiert (Inzidenzrate 4,9 vs. 2,9 Events / 100.000 Personenjahre; Subdistribution Hazard Ratio [49] 1,63; 95% KI: 1,04–2,54). Zu weniger Schlaganfällen und systemischen Thromboembolien kam es hingegen nicht.

Diese retrospektiven Studiendaten suggerieren, dass bei Personen mit Vorhofflimmern und einer chronischen Nierenerkrankung mit einer Kreatinin-Clearance ≤30 mL/min eine Apixaban-Dosisreduktion ungeachtet von Körpergewicht und Alter vorteilhaft sein könnte.

Q3 2023toggle arrow icon

Ausgabe 269 - 23. September 2023toggle arrow icon

NOAH-AFNET 6: Keine orale Antikoagulation bei atrialen Hochfrequenzepisoden

Studientelegramm 269-2023-1/3 - Auf der Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC) wurden die Studienergebnisse der NOAH-AFNET-6-Studie präsentiert und zwischenzeitlich im NEJM veröffentlicht. Über den vorzeitigen Abbruch der Studie hatten wir bereits berichtet (siehe: Studientelegramm 253-2023-2/3).

Untersucht wurde die sehr alltagsrelevante Frage, ob eine orale Antikoagulation nicht nur bei Personen mit Vorhofflimmern eingeleitet werden sollte, sondern auch bei Personen mit implantierten kardialen Devices, deren Aufzeichnungen atriale Hochfrequenzepisoden (AHRE, von engl. „atrial high rate episode“) zeigen. Dabei handelt es sich um seltene, meist kurze sowie i.d.R. asymptomatische Episoden atrialer Tachyarrhythmien – eine potenzielle Vorstufe von Vorhofflimmern.

2.536 Personen ≥65 Jahre mit AHREs von ≥6 min Dauer und mind. einem zusätzlichen Risikofaktor für einen Schlaganfall erhielten randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder eine orale Antikoagulation mit Edoxaban oder ein Placebo. Der CHA2DS2VASc-Score der Teilnehmenden betrug im Median 4 Punkte, die AHREs hielten im Median 2,8 h lang an. Nach einem medianen Follow-up-Zeitraum von 21 Monaten wurde die Studie aufgrund von Sicherheitsbedenken und fehlender Wirksamkeit abgebrochen. Der kombinierte primäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall und systemische Thromboembolie) wurde bei oraler Antikoagulation mit Edoxaban zwar numerisch, aber nicht signifikant seltener erreicht (HR 0,81; 95% KI: 0,60–1,08; p = 0,15). Der kombinierte primäre Sicherheitsendpunkt hingegen (Gesamtmortalität und schwere Blutungsereignisse) wurde unter Edoxaban um 31% häufiger erreicht als unter Placebo (95% KI: 1,02–1,67; p = 0,03). Schlaganfälle traten in beiden Gruppen überraschend selten auf, insg. 462 Teilnehmende (18,2%) entwickelten ein Vorhofflimmern.

Diese Ergebnisse sprechen gegen eine orale Antikoagulation bei Auftreten atrialer Hochfrequenzepisoden. Zur Reduktion thromboembolischer Schlaganfälle wird jedoch zunehmend ein systematisches Screening auf Vorhofflimmern diskutiert.

NOAH-AFNET 6 wurde vom Deutschen Zentrum für Herzkreislaufforschung (DZHK) und Daiichi Sankyo finanziert.

Keine Zukunftsmusik: Drahtlose CRP-Messung mit Wearables – Schweißtreibendes Monitoring am Horizont

Studientelegramm 269-2023-2/3 - Akute und chronische Entzündungsprozesse spielen in der Pathophysiologie von Infektionen, kardiovaskulären und pulmonalen Erkrankungen eine entscheidende Rolle. Messungen von gängigen Entzündungsparametern sind jedoch aufwendig und die Befunde zeitverzögert. Eine Arbeitsgruppe des California Institute of Technology veröffentlichte in Nature Biomedical Engineering nun einen wegweisenden Grundlagenbeitrag zur drahtlosen, nicht-invasiven Messung von C-reaktivem Protein (CRP) aus Schweiß. Ausgangspunkt war die Entwicklung eines tragbaren Messsystems (Wearable).

Bei 80 Personen wurde mit einem auf die Haut aufgeklebten Sensor- und Messsystem hochsensitives CRP (hsCRP) aus Schweiß gemessen (induziert durch Iontophorese und körperliche Aktivität). Es erfolgte eine Subgruppenaufteilung nach Raucherstatus (aktiv, ehemalig oder nie) und Vorerkrankungen (COPD, Herzinsuffizienz, akute und zurückliegende Infektion). Die hsCRP-Werte der Subgruppen wurden miteinander und mit Ergebnissen aus Serumproben verglichen, die mithilfe konventioneller Messmethoden entstanden.

Die im Schweiß gemessenen hsCRP-Werte zeigten eine hohe Korrelation mit den Werten aus entsprechenden Serumproben. Insb. verglichen mit hsCRP-Messungen aus Speichel und Urin erwies sich die Messung aus dem Schweiß sogar als zuverlässiger als die aus den Serumproben.

Aktive Raucher wiesen höhere CRP-Werte auf als Personen ohne Nikotinkonsum. Auch bei Vorliegen einer COPD ließen sich aufgrund der chronischen Inflammation erhöhte CRP-Werte im Schweiß beobachten. Ebenfalls konsistent mit Voruntersuchungen zeigte sich die hsCRP-Dynamik bei Herzinsuffizienz. Bei erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) waren erhöhte hsCRP-Werte messbar, während diese bei reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) nicht auftraten. Im klinisch derzeit am weitesten verbreiteten CRP-Anwendungsfall des Infektions-Monitorings zeigten sich ebenfalls zuverlässige Messungen aus Schweiß, die mit den Entzündungswerten korrelierten.

Dank der in der Arbeit geleisteten Miniaturisierung des Messsystems mit aufklebbaren Sensoren und der Verbreitung der Wearable-Technologie (Bluetooth) erscheint eine breitere klinische Anwendung nicht abwegig, wodurch sich neue Möglichkeiten eröffnen: Personen mit Risikofaktoren für Infektionen könnten ambulant überwacht werden oder eine antibiotische Therapie sich besser steuern lassen. Bei der Herzinsuffizienz wäre die Progression zu einer reduzierten Ejektionsfraktion ggf. früher feststellbar. Ob hingegen eine häufige Messung des o.g. Entzündungswerts einen klinischen Nutzen in der Versorgung der genannten Personengruppen bietet, muss in klinischen Studien mit entsprechenden Endpunkten untersucht werden.

Zur Vertiefung möchten wir auf „The Seminar on Next-generation Digital Biomarkers“ am 5. Oktober 2023 hinweisen, das unter der Schirmherrschaft des Instituts für translationale Medizin an der ETH Zürich stattfindet. Die Teilnahme ist nach Anmeldung kostenfrei vor Ort oder digital möglich.

  • Anmeldung zur Veranstaltung: The Seminar on Next-generation Digital Biomarkers
  • Titel der Studie: A wireless patch for the monitoring of C-reactive protein in sweat [52]
  • Autorenschaft: Tu et al.
  • Journal: Nature Biomedical Engineering

HEART-FID or no fit? Intravenöse Eisensubstitution bei Herzinsuffizienz

Studientelegramm 269-2023-3/3 - Wir haben in den letzten Jahren bereits über die Evidenz zur intravenösen Eisengabe bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) berichtet. Die Phase-3-Studie HEART-FID wurde diesbezüglich gespannt erwartet, nachdem die kleineren Studien AFFIRM-AHF und IRONMAN jeweils knapp ein signifikantes Ergebnis der intravenösen Eisengabe auf den definierten kardialen Endpunkt verpassten (siehe: Studientelegramm 242-2022-3/3, Studientelegramm 153-2021-2/3).

HEART-FID sollte in einem unkonventionellen statistischen Design – über Bestimmung einer Win-Ratio, die eine hierarchische Ordnung klinischer Endpunkte erlaubt – einen signifikanten Benefit für die intravenöse Eisengabe bezüglich des kombinierten Endpunkts aus Tod, Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz sowie der Veränderung im 6-Minuten-Gehtest nach 6 Monaten aufzeigen. Ähnlich wie AFFIRM-HF und IRONMAN verfehlte die Studie das vordefinierte Signifikanzniveau von 0,01 knapp (unmatched Win Ratio 1,10; 95% KI: 0,99–1,23; p=0,02). Somit deuten nun drei große randomisierte Studien auf einen Vorteil einer parenteralen Eisengabe hin, ohne diesen jedoch nachweisen zu können.

Metaanalysen legen nahe, dass bei Personen mit HFrEF und Eisenmangel Hospitalisierungen aufgrund der Herzinsuffizienz durch eine intravenöse Eisensubstitution reduziert werden. Obwohl Effekte auf die Mortalität noch unklar bleiben, wird die Eisengabe in der aktualisierten ESC-Leitlinie zur Herzinsuffizienz [35] nun bei klinisch symptomatischen Personen empfohlen: zur Symptomlinderung (Klasse-I-Empfehlung) bzw. zur Reduktion stationärer Aufnahmen (Klasse-IIa-Empfehlung).

Beachtenswert ist, dass AFFIRM-HF, HEART-FID und IRONMAN durch die Hersteller der intravenösen Eisenprodukte (co‑)finanziert wurden, und zahlreiche Autoren der ESC-Leitlinien Interessenskonflikte mit diesen Herstellern aufweisen.

Eine kritische Diskussion mit Autoren von IRONMAN und HEART-FID [33] findet sich im MARKUS@HOMe-YouTube-Kanal.

Ausgabe 268 - 09. September 2023toggle arrow icon

Semaglutid: Auch wirksam bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion

Studientelegramm 268-2023-1/3 - Wir berichteten bereits über das STEP-HFpEF-Studienprogramm zur Gabe von GLP1-Analoga bei Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF; siehe: Studientelegramm 266-2023-1/3). Nun wurden die Studienergebnisse veröffentlicht und auf der Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC) präsentiert.

In STEP-HFpEF erhielten 529 Personen mit HFpEF und einem BMI ≥30 kg/m2 über 52 Wochen zusätzlich zur Standardtherapie entweder 2,4 mg Semaglutid subkutan wöchentlich oder ein Placebo (Verhältnis 1:1). Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 waren von der Studie ausgeschlossen (sie werden in der separaten STEP-HFpEF-DM-Studie [54] untersucht). Bezogen auf den dualen primären Endpunkt ließ sich im Vergleich zum Placebo durch die Gabe von Semaglutid der Clinical Summary Score im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ-CSS [55]) um weitere 7,8 Punkte erhöhen (95% KI: 4,8–10,9 Punkte; p <0,001) und das Körpergewicht um weitere 10,7 Prozentpunkte reduzieren (95% KI: -11,9 bis -9,4%; p <0,001). Auch sekundäre Endpunkte wurden durch Semaglutid positiv beeinflusst, u.a. der 6-Minuten-Gehtest (Verbesserung um 21,5 vs. 1,2 m) sowie der CRP-Serumspiegel (Reduktion um 43,5 vs. 7,3%). Schwerwiegende Nebenwirkungen (inkl. kardiovaskuläre Ereignisse) kamen unter Semaglutid signifikant seltener vor. Leichtere Nebenwirkungen (insb. gastrointestinale Symptome) traten jedoch häufiger auf und bedingten eine höhere Zahl von Therapieabbrüchen. Numerisch kam es unter Semaglutid seltener zu Krankenhausaufnahmen aufgrund der Herzinsuffizienz, allerdings reicht die Teststärke der Studie (Power) nicht aus, um diese Beobachtung auch statistisch beurteilen zu können.

Diese positiven Ergebnisse sind insb. deswegen bedeutsam, weil Adipositas als wichtiger Risikofaktor für die Entstehung der HFpEF gilt und es weiterhin kaum spezifische medikamentöse Therapieoptionen gibt. Der Stellenwert von GLP1-Analoga zur Behandlung der Adipositas wird somit weiter gestärkt.

STEP-HFpEF wurde von Novo Nordisk finanziert.

  • AMBOSS-Inhalte: Komplikationen der Adipositas | HFpEF - Definition | Semaglutid
  • Titel der Studie: Semaglutide in Patients with Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity [56]
  • Autorenschaft: Kosiborod et al.
  • Journal: NEJM

ECLS-SHOCK: Kein Benefit durch ECLS bei infarktbedingtem kardiogenen Schock

Studientelegramm 268-2023-2/3 - Bei kardiogenem Schock im Rahmen eines Myokardinfarkts hat sich die Durchführung einer kurzfristigen mechanischen Kreislaufunterstützung in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verändert: Da eine Anwendung der intraaortalen Ballonpumpe (IABP) in der Studie IABP-SHOCK II [57] keinen Benefit zeigte und folglich nicht mehr routinemäßig empfohlen wird, wurden häufig extrakorporale Life-Support-Systeme (ECLS) eingesetzt.

ECLS-SHOCK ist eine randomisiert-kontrollierte Multicenter-Studie, die bei insg. 417 Personen den Effekt eines ECLS auf die Mortalität bei infarktbedingtem kardiogenen Schock untersuchte. Aufbau und Konzept ähnelten dabei stark IABP-SHOCK II. Der primäre Endpunkt (Gesamtmortalität nach 30 d) unterschied sich nicht zwischen den beiden Studiengruppen: 100 von 209 Teilnehmenden (47,8%) in der ECLS- und 102 von 208 Teilnehmenden (49,0%) in der Kontrollgruppe (medikamentöse Therapie) verstarben. Erwartungsgemäß traten jedoch Komplikationen (insb. Blutungen sowie Gefäßkomplikationen) häufiger unter Anwendung eines ECLS auf.

Im Interview bei MARKUS@HOMe [58] stellt Prof. Thiele – Erstautor beider genannten Studien – u.a. die Ergebnisse von ECLS-SHOCK vor.

Cherchez la Femme

Studientelegramm 268-2023-3/3 - Die Ausführung der ärztlichen Tätigkeit galt lange als Männerdomäne. Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts konnten Frauen sich im Allgemeinen nicht für das Medizinstudium immatrikulieren. Heute machen sie in Deutschland rund zwei Drittel der Medizinstudierenden und knapp die Hälfte der Ärzteschaft aus.

Ob sich ein ähnlicher Trend auch in der fiktiven Repräsentation in Filmen widerspiegelt, wurde nun in einer Querschnittstudie untersucht. 1.226 Filme, die zwischen 1990 und 2020 veröffentlicht wurden, enthielten insg. 2.295 ärztliche Rollen – jedoch wurden nur 426 (18,6%) von Frauen gespielt. Eine multivariate Analyse zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit für eine weibliche ärztliche Rolle höher war, wenn es bspw. allgemein mehrere ärztliche Rollen pro Film gab oder ein höherer Anteil der Autorenschaft weiblich war.

Während also der Anteil der Frauen in der Ärzteschaft stetig steigt, wird der Genderstereotyp in der fiktiven Welt leider fortgeführt und die Frau in der Rolle als Ärztin weiterhin unterrepräsentiert.

  • AMBOSS-Inhalte: AMBOSS-Blog: Operieren in der Schwangerschaft: So geht’s | AMBOSS-Blog: Gender-Bias in der Anatomie: "Das geht schon mit der Eizelle los"
  • Titel des Research Letter: Portrayal of Women as Physicians in Movies, 1990-2020 [60]
  • Autorenschaft: Odei et al.
  • Journal: JAMA Internal Medicine

Ausgabe 267 - 26. August 2023toggle arrow icon

DiaTT: Training an Dialysetagen verbessert die Leistungsfähigkeit

Studientelegramm 267-2023-1/3 - Der gesundheitliche Benefit sportlicher Betätigung ist allgemein akzeptiert. Ob physische Aktivität auch bei Dialysepflichtigkeit und Multimorbidität positive Effekte hat, war bislang jedoch unklar. Die cluster-randomisierte DiaTT-Studie (Dialysis Training Therapy) untersuchte nun die Effekte von Ausdauer- und Krafttraining an Dialysetagen u.a. auf die Leistungsfähigkeit, Hospitalisierungsrate und das Gesamtüberleben.

In der Interventionsgruppe (n = 446) erfolgte 3×/Woche während der Dialyse ein insg. 60-minütiges Trainingsprogramm (Ausdauertraining am Ergometer sowie Krafttraining mit bspw. elastischen Widerstandsbändern). In der Kontrollgruppe (n = 471) erfolgte kein überwachtes Training. Den primären Endpunkt bildete der Unterschied im “Sit-to-stand 60”-Test nach 12 Monaten: Die Anzahl, die die Teilnehmenden beim wiederholten Aufstehen und Hinsetzen aus einem Stuhl ohne Einsatz der Arme innerhalb einer Minute erreichten. In der Interventionsgruppe konnte eine Steigerung um im Schnitt 3 Wiederholungen beobachtet werden, während die Anzahl in der Kontrollgruppe sogar geringfügig abnahm (Unterschied: 3,85 Wiederholungen; 95% KI: 2,22–5,48; p <0,0001). Die Gesamtmortalität und die Nebenwirkungsrate unterschieden sich nicht, jedoch konnten die jährlichen Krankenhaustage gesenkt werden (2 vs. 5; p <0,024).

Trotz erschwerter Bedingungen während der COVID-19-Pandemie (alternative telefonische Trainingsbetreuung Zuhause) zeigen die Studienergebnisse, dass körperliche Aktivität während Dialysebehandlungen die Leistungsfähigkeit signifikant verbessert. Eine Umsetzung im klinischen Alltag wird allerdings durch anfallende Kosten und bestehenden Personalmangel erschwert.

„Patient advocacy organizations“: Unabhängigkeit gewährleistet?

Studientelegramm 267-2023-2/3 - US-amerikanische „Patient advocacy organizations“ (PAOs) haben großen Einfluss auf die medizinische Versorgung. Sie setzen sich für die Interessen von Patientinnen und Patienten ein, indem sie u.a. über Erkrankungen aufklären und so das Krankheitsbewusstsein fördern. Außerdem gehen sie industrielle Partnerschaften zur Forschung sowie Entwicklung von Medikamenten und Medizinprodukten ein und engagieren sich politisch. Fast die Hälfte der PAOs wird finanziell durch die Pharma- und Medizinprodukteindustrie unterstützt. Daher stellt sich die Frage, ob ihre Empfehlungen durch personelle Verbindungen zu diesen Unternehmen beeinflusst werden könnten.

In einem kürzlich veröffentlichten Research Letter wurden nun die 50 umsatzstärksten US-amerikanischen PAOs identifiziert (medianer Jahresumsatz 49,7 Millionen US-Dollar; darunter u.a. die American Heart Association und die American Cancer Society), um zu untersuchen, ob ihre Führungskräfte und Angestellten in der medizinischen Industrie tätig waren oder sind. Es zeigte sich, dass drei Viertel (74%) der PAOs Vorstände und die Hälfte (50%) der PAOs Angestellte mit Verbindungen zur Industrie beschäftigen. Insg. waren von 1.091 Führungskräften 119 (10,9%) und von 476 bezahlten Angestellten 52 (10,9%) früher oder aktuell in entsprechenden Unternehmen beschäftigt. Bei 4 der 5 größten PAOs hatten die CEOs oder die Geschäftsführungen Verbindungen zur Industrie.

Die Auswirkungen dieser Beziehungen auf die Aufklärung von Betroffenen, die Behandlungsempfehlungen und die politische Einflussnahme dieser Organisationen müssen kritisch hinterfragt werden. Um das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit zu stärken, sollten PAOs ihre Verbindungen auch hinsichtlich ihrer Führungskräfte transparent machen.

Traum von Amsterdam – der ESC-Kongress steht an

Studientelegramm 267-2023-3/3 - An diesem Wochenende findet der Kongress [63] der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Amsterdam statt. Die neuen Behandlungsempfehlungen zu kardiovaskulären Erkrankungen bei Diabetes mellitus und ein Update der Herzinsuffizienzleitlinie lassen eine Aufwertung insb. von SGLT2-Inhibitoren und GLP1-Analoga erwarten. Zur Diagnostik und Therapie von Kardiomyopathien, der Endokarditis und des akuten Koronarsyndroms werden ebenfalls neue Leitlinien vorgestellt.

In insg. 9 Hotline-Sitzungen werden u.a. spannende Studien zur Therapie mit GLP1-Analoga bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (STEP-HFpEF, siehe auch: Studientelegramm 266-2023-1/3) und zur parenteralen Eisengabe bei Herzinsuffizienz (HEART-FID, siehe auch: Studientelegramm 242-2022-3/3) diskutiert – hieran anknüpfend ist am 22. September 2023 bei MARKUS@HOMe ein Gespräch mit Prof. Mentz geplant, dem Erstautor von HEART-FID. Zusätzliche Daten bzgl. einer möglichen Monotherapie mit Prasugrel zur Plättchenhemmung bei koronarer Herzkrankheit wird STOPDAPT-3 [64] liefern.

Hinsichtlich interventioneller Techniken wird die lange erwartete prospektive ECLS-SHOCK-Studie [65] Aufschlüsse zur ergänzenden extrakorporalen Kreislaufunterstützung bei infarktbedingtem kardiogenen Schock geben. Zu diesem Thema wird es am 8. September 2023 ein Interview mit Prof. Thiele (Erstautor) bei MARKUS@HOMe geben. Zudem werden Veröffentlichungen zur intravaskulären Bildgebung und Ablationsbehandlung bei Vorhofflimmern präsentiert.

Die wichtigsten Ergebnisse werden am 1. September 2023 in einer gut einstündigen Sondersendung bei MARKUS@HOMe zusammengefasst.

Ausgabe 266 - 12. August 2023toggle arrow icon

The next step: GLP1-Analoga bei HFpEF?

Studientelegramm 266-2023-1/3 - GLP1-Analoga ahmen die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP1 (von engl. “Glucagon-like Peptide-1”) nach, das die glucoseabhängige Insulinausschüttung aus den Betazellen des Pankreas verstärkt und die Glucagonausschüttung hemmt. In der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 können sie mit oralen Antidiabetika (insb. Metformin und SGLT2-Inhibitoren) sowie Insulin kombiniert werden. Im Gegensatz zu Insulin [67] senken sie u.a. die Inzidenz schwerer kardiovaskulärer Ereignisse [68], gehen mit einem nur geringen Risiko für Hypoglykämien einher und führen zu einer Gewichtsreduktion (GLP1 bewirkt zusätzlich eine verzögerte Magenentleerung; subkutan verabreichtes Liraglutid und Semaglutid sind bereits zur medikamentösen Adipositastherapie zugelassen). Durch ihre effektive Blutzuckersenkung lässt sich der Beginn einer Insulintherapie potenziell längerfristig verzögern. Aufgrund dieser positiven Eigenschaften sollten GLP1-Analoga (auch gemäß einer aktuellen Metaanalyse [69]) zunächst gegenüber Insulin bevorzugt werden – in Deutschland hingegen wird noch deutlich häufiger eine Insulintherapie gewählt.

Im Rahmen des Studienprogramms STEP-HFpEF (Semaglutide treatment effect in people with obesity and HFpEF) wird nun der Aspekt der Gewichtsreduktion zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF) untersucht. In STEP-HFpEF erhalten 529 Personen mit HFpEF und einem BMI ≥30 kg/m2 über 52 Wochen zusätzlich zur Standardtherapie entweder 2,4 mg Semaglutid subkutan wöchentlich oder ein Placebo (Verhältnis 1:1). In STEP-HFpEF DM (Semaglutide treatment effect in people with obesity and HFpEF and type 2 diabetes) werden analog 617 Personen untersucht, die außerdem an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind. Beurteilt wird der Einfluss auf den Clinical Summary Score im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ-CSS [55]; subjektive Einschätzung von Symptomen und körperlichen Einschränkungen bei Herzinsuffizienz) und auf das Körpergewicht (dualer primärer Endpunkt) sowie u.a. der Effekt auf den CRP-Serumspiegel und das Ergebnis im 6-Minuten-Gehtest (sekundäre Endpunkte). Die Ergebnisse von STEP-HFpEF sollen am 25. August auf der Jahrestagung [63] der European Society of Cardiology (ESC) in Amsterdam präsentiert werden.

Das Studienprogramm wird von Novo Nordisk finanziert.

One step beyond: Semaglutid zur Risikoreduktion bei Adipositas

Studientelegramm 266-2023-2/3 - Kurz vor der geplanten Präsentation der Ergebnisse von STEP-HFpEF veröffentlichte Novo Nordisk eine Pressemitteilung zu einer anderen großen Semaglutid-Studie.

In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-3-Studie SELECT [43] wurden 17.604 Menschen ≥45 Jahre mit Übergewicht oder Adipositas (BMI ≥27 kg/m2) ohne Diabetes mellitus untersucht, bei denen bereits eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung vorlag (Z.n. Myokardinfarkt oder Schlaganfall, symptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit). Den Teilnehmenden wurde zusätzlich zur Standardtherapie wöchentlich entweder das GLP1-Analogon Semaglutid (2,4 mg) oder ein Placebo subkutan verabreicht, um die Inzidenz für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall) über bis zu 5 Jahre zu vergleichen (kombinierter primärer Endpunkt). Laut Pressemitteilung ließ sich das Risiko durch eine Therapie mit Semaglutid um 20% deutlich und statistisch signifikant reduzieren. Das Nebenwirkungsprofil unterschied sich nach ersten Informationen nicht substanziell von dem vorheriger Semaglutid-Studien.

Detaillierte Studienergebnisse werden voraussichtlich im Jahresverlauf publiziert. Schon jetzt kann allerdings eine steigende Nachfrage nach Semaglutid erwartet werden, die bereits bestehende Lieferengpässe verstärken könnte.

SELECT wurde von Novo Nordisk finanziert.

Folsäuresubstitution zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten

Studientelegramm 266-2023-3/3 - Ein maternaler Folsäuremangel prädisponiert für konnatale Neuralrohrdefekte. Allein in den USA sind jährlich 3.000 Ungeborene betroffen, am häufigsten in Form einer Spina bifida, einer Enzephalozele oder eines Anenzephalus, der mit dem Leben nicht vereinbar ist. Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, wurde daher bisher eine Folsäuresubstitution empfohlen.

Die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) hat nun ihre Empfehlungen zur Folsäuresubstitution aus dem Jahr 2017 überprüft und behält diese auch unter Berücksichtigung der aktuellen Evidenzlage bei: Alle Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sollen täglich 400–800 μg Folsäure einnehmen (Empfehlungsgrad A). Die Substitution soll, wenn möglich, spätestens einen Monat vor Konzeption begonnen und mind. bis Ende des ersten Trimenons fortgeführt werden.

Ausgabe 265 - 29. Juli 2023toggle arrow icon

Zilebesiran: Behandlung der arteriellen Hypertonie mittels RNA-Interferenz

Studientelegramm 265-2023-1/3 - Die arterielle Hypertonie ist der in Deutschland häufigste kardiovaskuläre Risikofaktor; trotz zahlreicher verfügbarer Wirkstoffklassen erreichen allerdings etwa 25% der Betroffenen nicht die in den Leitlinien empfohlenen Blutdruckzielwerte. Das Therapieprinzip der RNA-Interferenz, das zur Behandlung der Hyperlipidämie mit dem PCSK9-Synthese-Inhibitor Inclisiran bereits etabliert ist (siehe auch: Studientelegramm 96-2019-2/3), wird aktuell bei arterieller Hypertonie untersucht. Die „small interfering RNA“ (siRNA) Zilebesiran soll dabei die hepatische Angiotensinogen-Expression hemmen und so das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System inhibieren.

Die zugehörige randomisierte multizentrische Phase-I-Studie schloss 107 Menschen im Alter von 18–65 Jahren mit arterieller Hypertonie in verschiedene Studienarme ein: In einem Arm wurde eine einmalige subkutane Gabe verschiedener Zilebesiran-Dosierungen (10–800 mg) mit einer Placebogabe verglichen. Weitere Arme umfassten u.a. die Gabe von 800 mg Zilebesiran jeweils unter kochsalzarmer (0,23 g/d) und kochsalzreicher Kost (5,75 g/d) sowie Zilebesiran in Kombination mit Irbesartan (300 mg/d für 2 Wochen bei systolischem Blutdruck >120 mmHg in Woche 6).

Neben leichten Reaktionen an der Injektionsstelle traten keine relevanten Nebenwirkungen auf (primärer Endpunkt). Typische Nebenwirkungen einer Therapie mit RAAS-Inhibitoren wurden nicht beobachtet (insb. Hypotonie, Hyperkaliämie, Verschlechterung der Nierenfunktion) – möglicherweise aufgrund der erhaltenen extrahepatischen Angiotensinogen-Synthese. Größe und Dauer der Studie reichten allerdings nicht aus, um seltene unerwünschte Ereignisse zu beurteilen. Unter Zilebesiran ließ sich eine rasche, dosisabhängige Reduktion der Angiotensinogen-Serumspiegel beobachten: Dosierungen ≥100 mg führten zu einer mittleren Senkung des Serumspiegels >90% (sekundärer Endpunkt). Auch die blutdrucksenkende Wirkung war abhängig von der gewählten Dosierung: Zilebesiran-Dosierungen ≥200 mg bewirkten eine mittlere Blutdrucksenkung >10 mmHg systolisch und >5 mmHg diastolisch ab Woche 8, die über den gesamten Follow-up-Zeitraum von 24 Wochen erhalten blieb. Erwartungsgemäß war die blutdrucksenkende Wirkung bei kochsalzreicher Ernährung aufgehoben, bei gleichzeitiger Verabreichung von Irbesartan dagegen verstärkt.

Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Zilebesiran bei arterieller Hypertonie wirksam und sicher eingesetzt werden kann. Aktuell wurden daher bereits zwei Phase-II-Studien (KARDIA-1 [41] und KARDIA-2 [73]) begonnen.

Die Studie wurde von Alnylam Pharmaceuticals finanziert.

Neue S2k-Leitlinie zur Venenthrombose und Lungenembolie

Studientelegramm 265-2023-2/3 - Nach acht Jahren wurde nun die interdisziplinäre S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie aktualisiert. Gegenüber den vorherigen Leitlinien haben sonografische Methoden in der Diagnostik der Lungenembolie an Bedeutung gewonnen. Zur Abklärung der Verdachtsdiagnose einer Lungenembolie bei hämodynamischer Instabilität wird jetzt generell eine primäre transthorakale Echokardiografie (in Form eines „POCUS”, d.h. Point-of-Care Ultrasounds) empfohlen. Wenn echokardiografische Zeichen einer akuten Rechtsherzbelastung vorliegen und keine Möglichkeit für eine notfallmäßige CT-Angiografie besteht, sollte sich eine Sonografie der Beinvenen und ggf. eine Lungensonografie (sog. „Triple-POCUS“) anschließen.

Hinsichtlich der Therapie bekommen direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) einen noch wichtigeren Stellenwert. Sie werden nun für die initiale Antikoagulation (mit Ausnahme der Lungenembolie mit hämodynamischer Instabilität oder intermediär-hohem Risiko) als gleichwertige Alternative zur parenteralen Antikoagulation angegeben. Darüber hinaus lösen sie die Vitamin-K-Antagonisten als Standardmedikament für die Erhaltungstherapie ab.

Eine ausführliche Diskussion der neuen Leitlinie [74] mit der Autorin der vorherigen Version, Prof. Hach-Wunderle, findet sich auf dem auf MARKUS@HOMe-YouTube-Kanal.

Sparsentan bei FSGS: Primärer Endpunkt verfehlt

Studientelegramm 265-2023-3/3 - Die fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) ist eine seltene glomeruläre Erkrankung, die als primäre oder sekundäre Form auftreten kann. Sie geht klinisch mit einer Proteinurie einher (häufig als nephrotisches Syndrom) und hat – insb. bei ausgeprägter Proteinurie – eine schlechte renale Prognose. Die Therapie der primären FSGS stützt sich aktuell auf eine Immunsuppression, die initial mit Glucocorticoiden beginnt. Zudem erfolgt meist eine unspezifische medikamentöse Nephroprotektion mit RAAS-Inhibitoren, obwohl dafür in dieser Indikation keine starke Evidenz vorliegt.

In der Phase-III-Studie DUPLEX [76] wurde nun untersucht, ob eine zusätzliche Blockade von Endothelin-Rezeptoren vorteilhaft ist (insb. Endothelin-1 [77] wird mit Nierenzellschäden, Proteinurie, Entzündungen und Fibrose in Verbindung gebracht). 371 Personen zwischen 8 und 75 Jahren mit primärer FSGS erhielten dabei für 108 Wochen im Verhältnis 1:1 entweder den kombinierten Endothelin- und Angiotensinrezeptor-Antagonisten Sparsentan oder den AT1-Rezeptor-Blocker Irbesartan. Laut einer Pressemitteilung wurde der primäre Studienendpunkt allerdings verfehlt: Die sog. GFR-Slope (quantitatives Maß für die Abnahme der GFR über die Zeit; angegeben in mL/min/1,73 m2 jährlich) unterschied sich unter Sparsentan- und Irbesartan-Gabe nur geringfügig und nicht signifikant. Sekundäre Endpunkte hingegen zeigten Vorteile für Sparsentan, bspw. eine stärkere Reduktion der Proteinurie (50% vs. 30%). Weitere Studien [78] zu neuen Therapieansätzen bei FSGS dauern an.

Sparsentan ist seit 2020 von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) als Orphan Drug zur Behandlung der primären IgA-Nephropathie zugelassen. Zu beachten ist hierbei die mögliche Hepatotoxizität (bei bis zu 2,5% der Behandelten) und embryofetale Toxizität des Medikaments.

DUPLEX wurde von Travere Therapeutics finanziert.

Ausgabe 264 - 15. Juli 2023toggle arrow icon

Kein COVID-Kolibri? Langzeitkomplikationen schwerer Infektionen

Studientelegramm 264-2023-1/3 - Im Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Infektionen wurde sowohl im Akut- als auch im Langzeitverlauf [80] ein breites Spektrum von Komplikationen beschrieben, deren Pathomechanismen noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Da es Überschneidungen zum Langzeitverlauf nach schweren Infektionen wie bspw. Sepsis [81] gibt, verglich nun eine populationsbasierte kanadische Studie das Risiko für kardiovaskuläre, neurologische, psychiatrische und rheumatische Erkrankungen nach schweren SARS-CoV-2-Infektionen mit den Risiken für ebendiese Erkrankungen nach schweren Influenzainfektionen und nach einer Sepsis.

26.499 Erwachsene, die zwischen April 2020 und Oktober 2021 wegen COVID-19 stationär behandelt worden waren, wurden 352.867 Personen gegenübergestellt, die aufgrund einer Influenza oder Sepsis in ein Krankenhaus aufgenommen worden waren (präpandemische Kohorte: 299.989 Influenza- und Sepsisfälle, pandemische Kohorte: 52.878 SARS-CoV-2-unabhängige Sepsisfälle). Anhand von Gesundheitsdatenbanken wurde im Verlauf die Inzidenz für 13 prädefinierte Erkrankungen der o.g. Bereiche erhoben.

Im ersten Monat nach Entlassung traten in der COVID-19-Kohorte mehr venöse Thromboembolien, Schlaganfälle und Depressionen/Ängste als in den Vergleichsgruppen auf. Für den gesamten Follow-up-Zeitraum von einem Jahr ließ sich allerdings nur für venöse Thromboembolien im Vergleich zur Influenzakohorte ein erhöhtes Risiko nachweisen (adjustierte Hazard Ratio 1,77; 95% KI: 1,36–2,31), die Inzidenz der übrigen Erkrankungen war dagegen in der COVID-19-Kohorte mit der in den Influenza- und Sepsiskohorten vergleichbar oder sogar geringer.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die untersuchten Komplikationen in den eingeschlossenen Personengruppen nicht auf virusspezifische Pathomechanismen, sondern hauptsächlich auf die Schwere der Infektionskrankheit zurückzuführen sein könnten. Eine allgemeingültige Aussage zur Pathogenese möglicher Langzeitfolgen von COVID-19 lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten, da zum einen nur schwer Erkrankte eingeschlossen und zum anderen keine Beschwerden untersucht wurden, die typischerweise im Rahmen von Long-COVID auftreten (bspw. pulmonale Einschränkungen und subjektive Symptome wie Abgeschlagenheit). Zu beachten sind darüber hinaus unterschiedliche Zusammensetzungen der Kohorten: Die COVID-19-Kohorte wies ein erheblich niedrigeres medianes Alter und eine deutlich höhere Letalität im stationären Verlauf als die Vergleichsgruppen auf, im Vergleich zur pandemischen Sepsiskohorte interessanterweise auch eine niedrigere SARS-CoV-2-Impfquote (19,3% vs. 33,9%).

Neue CKD-Leitlinien ante portas

Studientelegramm 264-2023-2/3 - Über ein Jahrzehnt nach der letzten Veröffentlichung globaler KDIGO-Leitlinien (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) zur Diagnostik und Therapie der chronischen Nierenerkrankung (CKD) im Jahr 2012 ist die Ausarbeitung einer neuen Version weit fortgeschritten. Der Entwurf der neuen Leitlinie steht seit Anfang Juli zur öffentlichen Einsicht und Kommentierung bereit.

Hinsichtlich der Definition und Stadieneinteilung der CKD haben sich keine wesentlichen Neuerungen ergeben. Diagnostisch sollten vermehrt Cystatin C zur Berechnung der glomerulären Filtrationsrate sowie die Kidney Failure Risk Equation [83] (KFRE) zur Einschätzung der renalen Prognose verwendet werden (siehe auch: MARKUS@HOMe [84]).

In der Therapie spielen erwartungsgemäß SGLT2-Inhibitoren (siehe auch: Studientelegramm 243-2022-2/3) und der nicht-steroidale Mineralocorticoidrezeptor-Antagonist Finerenon (siehe auch: Studientelegramm 211-2022-1/3) eine wichtige Rolle, während die Gabe von Natriumbicarbonat zurückhaltender als bisher empfohlen wird.

Ausblick ESC-Kongress 2023: Wissenschaftliche Highlights angekündigt

Studientelegramm 264-2023-3/3 - Die Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC) findet dieses Jahr vom 25. bis 28. August in Amsterdam [63] statt. Traditionell wird jeweils im Juli das wissenschaftliche Programm der Veranstaltung angekündigt, das i.d.R. die Präsentation mit Spannung erwarteter Studienergebnisse beinhaltet.

Eines der Highlights wird vermutlich die HEART-FID-Studie [86] zur intravenösen Eisengabe bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) werden. Ihre Ergebnisse sind insb. deshalb bedeutsam, weil bisherige ähnliche Studien (IRONMAN und AFFIRM-AHF) einen prognostischen Benefit zwar angedeutet, das Signifikanzniveau allerdings – mutmaßlich beeinflusst durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie – knapp verfehlt hatten (siehe auch: Studientelegramm 242-2022-3/3).

Zudem werden 5 neue oder überarbeitete ESC-Leitlinien vorgestellt, u.a. zum akuten Koronarsyndrom, zu Kardiomyopathien und Endokarditis sowie zur erst 2021 veröffentlichten Herzinsuffizienz-Leitlinie [87] (siehe auch: Studientelegramm 260-2023-2/3).

Ausgabe 263 - 01. Juli 2023toggle arrow icon

Don’t poke the bear!

Studientelegramm 263-2023-1/3 - Bei akuter Immobilisation besteht ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE). Dieses Risiko ist bei langzeitimmobilisierten Menschen hingegen deutlich geringer. Die pathophysiologischen Hintergründe für diese Unterschiede sind bisher noch unklar.

Eine internationale Forschergruppe hat nun Braunbären untersucht, die sich im Winter über Monate hinweg kaum bewegen – jedoch typischerweise keine VTE entwickeln. Mithilfe massenspektrometrischer Proteom-Analysen identifizierte sie an entnommenen Blutproben das Hitzeschockprotein 47 (HSP47) als zentrales Protein, dessen reduzierte thrombozytäre Expression im Winterschlaf maßgeblich zur Protektion vor VTE beizutragen scheint. Diese Ergebnisse konnten sowohl auf andere Spezies (bspw. Mäuse) als auch auf langzeitimmobilisierte Menschen übertragen werden, womit HSP47 in den Fokus bei der Entwicklung neuer Substanzen zur Thromboseprophylaxe rücken könnte.

Eine ausführliche Diskussion mit einem der Studienleiter, Prof. Ole Frøbert, findet sich im Markus@HOMe-YouTube-Kanal [88].

NordICC – wie effektiv ist die Vorsorgekoloskopie?

Studientelegramm 263-2023-2/3 - Die Koloskopie spielt als Vorsorgeuntersuchung eine zentrale Rolle in der Früherkennung kolorektaler Karzinome (KRK). Ihre Auswirkungen auf das Darmkrebsrisiko und die damit verbundene Mortalität waren jedoch bisher weitgehend unklar.

Im Rahmen der NordICC-Studie erhielten 84.585 Personen im Alter von 55–64 Jahren aus verschiedenen Ländern (ohne systematische Darmkrebsvorsorge) im Verhältnis 1:2 entweder eine Einladung zur Vorsorgekoloskopie (n = 28.220) oder keine Einladung zu einer Vorsorgeuntersuchung (n = 56.365). Nur 42% der Personen in der Koloskopiegruppe nahmen die Einladung an; der mediane Follow-up-Zeitraum betrug 10 Jahre. Die Inzidenz kolorektaler Karzinome war insgesamt überraschend gering (0,98% in der Koloskopiegruppe; 1,2% in der Kontrollgruppe). Die Intention-to-screen-Analyse zeigte für die Koloskopiegruppe gegenüber der Kontrollgruppe nach 10 Jahren eine relative Risikoreduktion von 18% für die Inzidenz eines KRK (95% KI: 0,7–0,93). Um ein KRK zu verhindern, mussten 455 Personen zu einer Vorsorgekoloskopie eingeladen werden (Number needed to invite). Das KRK-Mortalitätsrisiko der Studiengruppen unterschied sich nicht signifikant (Koloskopiegruppe: 0,28%; Kontrollgruppe: 0,31%; relatives Risiko: 0,9; 95% KI: 0,64–1,16). In einer adjustierten Analyse wurde zudem das Risiko für den Fall berechnet, dass alle Einladungen zu einer Vorsorgekoloskopie auch angenommen worden wären. Für die Koloskopiegruppe ergab sich dabei eine relative Risikoreduktion von 31% für die Inzidenz (0,84% vs. 1,2%) und 50% für die KRK-Mortalität (0,15% vs. 0,3%).

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Vorsorgekoloskopie – mutmaßlich aufgrund mangelnder Akzeptanz – nicht signifikant auf die KRK-Mortalität auswirkt, während das Inzidenzrisiko nach 10 Jahren zwar abnimmt, jedoch geringer als auf Grundlage von Beobachtungs- und Modellierungsstudien angenommen. Die Effekte der Vorsorgekoloskopie entfalten sich allerdings ggf. auch erst längerfristig. NordICC wird daher nach 5 weiteren Jahren erneut ausgewertet und soll so den Mangel an hochwertigen Studiendaten zu dieser Fragestellung weiter reduzieren.

  • In Kooperation mit med update
    • Prof. Jürgen Pohl für das Gastro Update 2023
  • Zukünftige Fortbildungsveranstaltungen von med update
    • Gastro Update 2024 [90]: März 2024 in Mainz und Berlin
    • Intensiv Update 2023 [91]: 15. und 16. September 2023 in Köln
  • Titel der Studie: Effect of Colonoscopy Screening on Risks of Colorectal Cancer and Related Death [92]
  • Autorenschaft: Bretthauer et al.
  • Journal: NEJM

Tour Académique 2023: Le grand départ de Bordeaux

Studientelegramm 263-2023-3/3 - Wie bereits im Vorjahr wird MARKUS@HOMe [28] auch die diesjährige Tour de France mit einer „Tour académique“ begleiten, um an ausgewählten Stationen entlang der Route Interviews mit Expertinnen und Experten zu zentralen Themen der Kardiologie und Nephrologie zu führen. Der Startschuss fällt dieses Jahr in Bordeaux, dem Zielort der 7. Etappe, um am 30. Juni [93] mit Dr. Sébastien Rubin die maligne Hypertonie und am 7. Juli [94] mit Dr. Hannah Kaminski die CMV-Infektion bei Nierentransplantierten zu diskutieren.

Im Mittelpunkt des Gesprächs mit Dr. Kaminski wird eine aktuelle multizentrische Phase-3-Studie stehen, in der Effektivität und Sicherheit von Letermovir zur CMV-Prophylaxe nach Nierentransplantation im Vergleich zu Valganciclovir untersucht wurde. Valganciclovir (enteral) bzw. Ganciclovir (parenteral) sind die derzeitige Standard-CMV-Prophylaxe nach Transplantation solider Organe. Nachteil dieser Wirkstoffe ist jedoch – neben erforderlichen Dosisanpassungen bei eingeschränkter Nierenfunktion – insb. das Risiko einer Myelotoxizität. Letermovir, das bereits zur CMV-Prophylaxe nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation etabliert ist, erfordert demgegenüber keine solche Dosisanpassung und verursacht keine Myelosuppression. Allerdings sind komplexe Arzneimittelinteraktionen zu beachten sowie eine Kombination mit Aciclovir zur HSV- und VZV-Prophylaxe erforderlich.

601 CMV-seronegative nierentransplantierte Menschen, die eine Organspende einer CMV-seropositiven Person erhalten hatten, wurden 1:1 auf eine bis zu 200-tägige CMV-Prophylaxe mit entweder Letermovir oder Valganciclovir randomisiert. Primärer Endpunkt war eine CMV-Erkrankung bis zu 1 Jahr nach Transplantation, die bei 10,4% der mit Letermovir und 11,8% der mit Valganciclovir Behandelten auftrat (stratumadjustierte Differenz: -1,4%; 95% KI: -6,5 bis 3,8%; obere Konfidenzgrenze für Nicht-Unterlegenheit: 10%). Neutro- und Leukopenien (kombinierter Sicherheitsendpunkt) waren unter Letermovir signifikant seltener als unter Valganciclovir (26,0% vs. 64,0%), ebenso Therapieabbrüche aufgrund unerwünschter Ereignisse (4,1% vs. 13,5%).

Die klinische Bedeutung dieser Ergebnisse wird Dr. Kaminski als außenstehende Expertin kritisch einordnen.

Q2 2023toggle arrow icon

Ausgabe 262 - 17. Juni 2023toggle arrow icon

INTERFAST-2: Intervallfasten bei insulinabhängigem Diabetes mellitus Typ 2

Studientelegramm 262-2023-1/3 - Intervallfasten (IF) beschreibt eine intermittierende Kalorienrestriktion und/oder verlängerte Nüchternperioden, durch die bei Adipositas bereits positive Auswirkungen [96] auf das Körpergewicht und die kardiometabolische Situation nachgewiesen werden konnten. Für Diabetes mellitus Typ 2 ist die Datenlage dagegen begrenzt [97]. Die Effektivität und Sicherheit von IF bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ 2 untersuchte nun die Arbeitsgruppe um Prof. Sourij vom Universitätsklinikum Graz in INTERFAST-2. Dafür wurden 46 Teilnehmende im Alter von 18–75 Jahren auf IF (Kalorienrestriktion auf 500 kcal mit ≥18 h Nüchternperiode an 3 Tagen/Woche) oder in eine Kontrollgruppe randomisiert. Alle Teilnehmenden erhielten eine Ernährungsberatung und kontinuierliches Glucosemonitoring; an IF-Tagen wurde ein angepasstes Insulintherapieschema angewendet.

Über den Studienzeitraum von 12 Wochen kam es in der IF-Gruppe zu einer signifikanten Reduktion des HbA1c um 7,3 ± 12,0 mmol/mol (Kontrollgruppe: 0,1 ± 6,1 mmol/mol; p = 0,012). Im Gegensatz zur Kontrollgruppe (0%) erreichten 8 Personen (40%) der IF-Gruppe ebenfalls den kombinierten Endpunkt aus HbA1c-Abnahme ≥3 mmol/mol, Insulindosisreduktion ≥10% und Gewichtsabnahme ≥2% (p <0,001). Schwere Hypoglykämien wurden nicht beobachtet.

Auf dem MARKUS@HOMe-YouTube-Kanal diskutieren wir die Studienergebnisse mit Prof. Sourij [98].

OASIS 1: Orales Semaglutid bei Adipositas

Studientelegramm 262-2023-2/3 - „Backbeat, Semaglutid is on the street.“ Nachdem GLP1-Analoga bereits schrittweise Einzug in die Therapiestrategien des Diabetes mellitus Typ 2 hielten, könnten sie nun auch zum Management der Adipositas eingesetzt werden.

Während GLP1-Analoga zunächst nur als subkutane Pharmaka zur Verfügung standen, gibt es Semaglutid mittlerweile auch in Tablettenform. Größere Studien zur Therapie des Typ-2-Diabetes wurden bereits publiziert (siehe auch: Studientelegramm 70-2019-3/3); nun erfolgte die Bekanntgabe der ersten Ergebnisse in der Adipositastherapie. In der OASIS 1-Studie [100] wurde durch orales Semaglutid in einer Dosierung von 50 mg/d eine beachtliche durchschnittliche Reduktion des Körpergewichts um 15,1% erreicht.

„And after all, is oral Semaglutid the wonderwall?“ Die zur besseren Beurteilung von Effekten und Nebenwirkungen benötigte Publikation der Daten steht jedoch noch aus.

CANVAS: Rezidivprophylaxe malignomassoziierter venöser Thromboembolien

Studientelegramm 262-2023-3/3 - Niedermolekulare Heparine (NMHs) galten vor der Zulassung direkter oraler Antikoagulanzien (DOAKs) als Therapiestandard zur Rezidivprophylaxe malignomassoziierter venöser Thromboembolien (VTE). Auch mit der Etablierung von DOAKs zur VTE-Rezidivprophylaxe außerhalb der Onkologie änderte sich dies aufgrund einer unzureichenden Datenlage zu Personen mit aktiven Tumorerkrankungen zunächst nicht. Erst 2020 konnte die CARAVAGGIO-Studie [102] für dieses Kollektiv eine Nicht-Unterlegenheit von Apixaban gegenüber Dalteparin bzgl. Effektivität und Sicherheit nachweisen (siehe auch: Studientelegramm 121-2020-2/3).

In der multizentrischen CANVAS-Studie wurden nun in einem pragmatischen und praxisnahen Ansatz erneut DOAKs und NMHs in der Rezidivprophylaxe malignomassoziierter VTE verglichen. Dafür wurden 671 Teilnehmende auf ein beliebiges DOAK oder NMH (bzw. Fondaparinux) randomisiert (mit jeweils freier Wirkstoffauswahl durch das behandelnde ärztliche Personal). 638 Personen konnten über einen Follow-up-Zeitraum von 6 Monaten untersucht werden. Die VTE-Rezidivraten (primärer Endpunkt) betrugen 6,1% in der DOAK-Gruppe und 8,8% in der NMH-Gruppe (Differenz -2,7%; einseitiges 95% KI: -100% bis +0,7%; obere Konfidenzgrenze für Nicht-Unterlegenheit: 3%). Die Anzahl schwerer Blutungsereignisse und Todesfälle (sekundäre Endpunkte) unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.

Auch die Ergebnisse von CANVAS zeigen somit, dass DOAKs gegenüber NMHs in der Rezidivprophylaxe malignomassoziierter VTE nicht unterlegen sind und ein Einsatz bei dieser Indikation erwogen werden kann.

Ausgabe 261 - 03. Juni 2023toggle arrow icon

Kurative medikamentöse Therapieoption bei kardialer ATTR-Amyloidose?

Studientelegramm 261-2023-1/3 - Systemische Amyloidosen mit kardialer Beteiligung können unbehandelt mit einer progredienten Herzinsuffizienz einhergehen. Insb. bei der Transthyretin-Amyloidose (ATTR) kann sich fehlgefaltetes Transthyretin extrazellulär im Herzmuskel ablagern und zu einer fortschreitenden sowie potenziell tödlichen Kardiomyopathie führen. Die bisher einzige kurative Therapieoption ist eine Herztransplantation. Mithilfe aktueller medikamentöser Behandlungsstrategien lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung bestenfalls verlangsamen, indem Transthyretin stabilisiert und die Amyloidbildung so verlangsamt (Tafamidis, einzige zugelassene Therapieoption bei ATTR-Kardiomyopathie) oder die Synthese von Transthyretin in der Leber mittels RNA-Interferenz reduziert wird (bspw. Patisiran, zugelassen nur bei ATTR-Polyneuropathie).

Im Rahmen der Jahrestagung der Heart Failure Association der European Society of Cardiology (ESC) wurden nun die Ergebnisse einer Phase-I-Studie präsentiert, bei der ein rekombinanter humaner Anti-ATTR-Antikörper (NI006) eingesetzt wurde, um bereits abgelagertes Amyloid mittels Phagozytose zu entfernen. 40 Personen mit chronischer Herzinsuffizienz infolge einer ATTR-Kardiomyopathie erhielten dabei über 4 Monate alle 4 Wochen intravenös entweder NI006 in ansteigenden Dosierungen (0,3–60 mg/kgKG) oder ein Placebo (Verhältnis 2:1). Unabhängig von der Dosierung traten unter NI006 keine schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf. Autoantikörper gegen das Medikament konnten nicht nachgewiesen werden. Ab Dosierungen von mind. 10 mg/kgKG ergaben sich Hinweise für positive Auswirkungen auf bildgebende Surrogatparameter der kardialen Amyloidbelastung (weniger aufgenommenes Radionuklid in der Szintigrafie, geringeres extrazelluläres Volumen in der kardialen MRT).

Trotz der geringen Studiengröße sind diese positiven Ergebnisse insb. aufgrund des potenziell kurativen Therapieansatzes von großem wissenschaftlichen Interesse.

Die Studie wurde von der Firma Neurimmune finanziert, die den rekombinanten Antikörper herstellt.

Kabellose Herzschrittmacher: Jetzt auch als Zweikammersystem?

Studientelegramm 261-2023-2/3 - Konventionelle Herzschrittmacher bestehen aus einem i.d.R. pektoral-subkutan implantierten Schrittmacheraggregat, das die Batterie sowie die Elektronik enthält. Je nach System wird dieses mit 1–3 im Myokard fixierten Elektrodenkabeln verbunden, die über herznahe Venen in das Herz geführt werden. Bei Personen ohne geeignete venöse Zugangswege (bspw. bei Thrombose der Vv. subclaviae oder Infektion bereits vorhandener Sonden) können auch vergleichsweise kleine, kabellose Herzschrittmacher zum Einsatz kommen, die mithilfe eines Applikationskatheters direkt im rechten Ventrikel positioniert und dort endokardial fixiert werden (engl. „leadless pacing“). Dabei handelt es sich jedoch um Einkammerschrittmacher, die keine Vorhofstimulation oder konsistente atrioventrikuläre Synchronisation ermöglichen und daher nur bei ausgewählten Indikationen für eine Schrittmachertherapie eingesetzt werden können.

Nun wurden mit der multizentrischen Aveir-DR-i2i-Studie erstmals Daten zu Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines kabellosen Zweikammerschrittmachers veröffentlicht. 300 Personen mit einer entsprechenden Therapieindikation wurde dabei sowohl im rechten Vorhof als auch im rechten Ventrikel ein kabelloser Schrittmacher implantiert (davon 190 mit Sinusknotensyndrom und 100 mit AV-Block). Die Implantation regelrecht miteinander kommunizierender Systeme gelang in 98,3% der Fälle. Adäquate Messwerte in der Schrittmacherkontrolle nach 3 Monaten ließen sich in 90,2% der Fälle dokumentieren (kombinierter primärer Endpunkt aus atrialem Sensing ≥1 mV und atrialer Reizschwelle ≤3 V; Ziel: ≥82,5%). Der primäre Sicherheitsendpunkt (Ausbleiben schwerwiegender geräte- oder verfahrensbedingter, unerwünschter Ereignisse nach 3 Monaten) wurde in 90,3% der Fälle erreicht (Ziel: ≥78%).

Aveir DR i2i weist damit die Sicherheit und Effektivität eines kabellosen Zweikammerschrittmachers nach.

Die Studie wurde von der Firma Abbott Medical finanziert, die das Schrittmachersystem herstellt.

Prävention der diabetischen Nephropathie: An SGLT2 führt kein Weg vorbei

Studientelegramm 261-2023-3/3 - In der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 bei Personen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) ist die Kombination von Metformin (bis zu einer eGFR ≥30mL/min/1,73 m2) und SGLT2-Inhibitoren Goldstandard. Auch in der Prävention einer CKD bei Diabetes mellitus suggerieren die großen kardiovaskulären Sicherheitsstudien einen Benefit. Die GRADE-Studie verglich nun bei 5.047 Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und weitgehend normaler Nierenfunktion die renalen Effekte verschiedener Kombinationspartner zu Metformin (Sulfonylharnstoff, Langzeitinsulin, DPP4-Inhibitoren und GLP-1R-Agonisten). SGLT2-Inhibitoren waren bei Studienbeginn 2013 noch nicht etabliert.

Die Ergebnisse sind ernüchternd: Keine Substanz zeigt einen klaren Benefit, die Entwicklung der Nierenfunktion und der Albuminurie erscheint unter allen 4 Wirkstoffen nahezu identisch. Ob bei Betroffenen mit manifester diabetischer Nephropathie GLP-1R-Agonisten einen renalen Vorteil erbringen, soll die randomisierte, placebokontrollierte FLOW-Studie [106] klären, die Ende nächsten Jahres abgeschlossen werden soll.

  • AMBOSS-Inhalte: Antidiabetika: Vor- und Nachteile | SGLT2-Inhibitoren | Metformin
  • Titel der Studie: Comparative Effects of Glucose-Lowering Medications on Kidney Outcomes in Type 2 Diabetes – The GRADE Randomized Clinical Trial [107]
  • Autorenschaft: Wexler et al.
  • Journal: JAMA Internal Medicine

Ausgabe 260 - 20. Mai 2023toggle arrow icon

Noch ein “No” für NOAK: Antikoagulation nach mechanischem Klappenersatz

Studientelegramm 260-2023-1/3 - Bei Vorhofflimmern und venösen Thromboembolien haben direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) aufgrund ihrer Effektivität und Sicherheit überwiegend die Vitamin-K-Antagonisten (VKA) als Standardtherapie abgelöst. Für drei Indikationen werden jedoch weiterhin VKA bevorzugt: Bei Antiphospholipid-Syndrom, höhergradiger Mitralklappenstenose und nach mechanischem Klappenersatz.

Letztere Indikation beruhte bisher v.a. auf der RE-ALIGN-Studie [108], in der unter dem direkten Thrombininhibitor Dabigatran gegenüber Warfarin nach mechanischem Klappenersatz vermehrt thromboembolische Ereignisse, aber auch schwere Blutungen auftraten. Die Hoffnung, dass sich Faktor-Xa-Inhibitoren als vorteilhafter erweisen könnten, wurde durch die nun publizierte Studie “PROACT Xa” gedämpft: Nach Erhalt einer spezifischen mechanischen Aortenklappe (“On-X mechanical aortic valve [109]“) war Apixaban (2× 5 mg/Tag) gegenüber Warfarin (Ziel-INR 2,0–3,0) hinsichtlich des primären kombinierten Endpunktes aus Klappenthrombose und klappenbedingter Thromboembolie deutlich unterlegen (20 Ereignisse bei 16 Teilnehmenden unter Apixaban vs. 6 Ereignisse bei 6 Teilnehmenden unter Warfarin; Differenz 2,9%/Patientenjahr; 95% KI: 0,8–5,0). Schwere Blutungen traten unter Apixaban numerisch seltener auf (17 Ereignisse bei 11 Teilnehmenden vs. 21 Ereignisse bei 18 Teilnehmenden).

PROACT Xa wurde von Artivion finanziert.

Ausblick ESC-Kongress 2023: Update der Heart Failure Guidelines

Studientelegramm 260-2023-2/3 - Selten waren kardiologische Leitlinien mit so viel Spannung erwartet worden wie die “2021 Heart Failure Guidelines [87]“ der European Society of Cardiology (ESC): Erstmals wurden Empfehlungen zum Einsatz von SGLT2-Inhibitoren implementiert und die Rolle von Sacubitril gefestigt. Vermutlich ebenso selten waren Leitlinien jedoch so schnell überholt, denn am Vorabend der Leitlinienpublikation wurde mit EMPEROR-Preserved [111] die erste positive Outcomestudie zu Empagliflozin bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) veröffentlicht. Da diese Ergebnisse dementsprechend noch nicht in den Leitlinien verankert werden konnten, hat die ESC für ihren diesjährigen Kongress, also nur zwei Jahre nach deren Publikation, ein erneutes Update angekündigt. Ein weiterer Fokus wird darin vermutlich auf der Bedeutung von intravenösem Eisen liegen, nachdem Outcomestudien wie IRONMAN [112] und AFFIRM-AHF [113] durch die COVID-19-Pandemie erschwert wurden und nicht ganz eindeutige Ergebnisse erbrachten.

New ERA of Evidence? Europäischer Nephrologiekongress 2023

Studientelegramm 260-2023-3/3 - Da in wenigen Wochen der Kongress der European Renal Association [115] (ERA) mit einem vielversprechenden Programm [116] bevorsteht, weichen wir in diesem Jahr vom traditionellen Fokus des Studientelegramms auf die führenden kardiologischen Kongresse ab. Ein besonderes Augenmerk möchten wir auf zwei der angekündigten „Late-breaking clinical Trials“ richten:

Die CONVINCE-Studie [117] verglich randomisiert Hämodialyse und Hämodiafiltration. Durch die Kombination von diffusions- und konvektionsbasierter Elimination erleichtert die Hämodiafiltration (im Gegensatz zur diffusionsbasierten Hämodialyse) die Entfernung größerer Moleküle mit einem Molekulargewicht bis zu 25.000 Dalton (einschließlich der sog. „Mittelmoleküle“ von 500 bis 5.000 Dalton). Ob daraus klinische Vorteile resultieren, ist allerdings bisher unklar. Eindeutige Evidenz wäre insb. angesichts des höheren Ressourcenaufwands für die Hämodiafiltration wünschenswert.

Hinsichtlich der Antikoagulation bei dialysepflichtigen Personen versprechen Daten zum Faktor-XIa-Inhibitor Osocimab – einem langwirksamen humanen monoklonalen Antikörper (Halbwertszeit ca. 30 Tage) – eine Evidenzlücke zu schließen, die Studien zu Vitamin-K-Antagonisten und neuen oralen Antikoagulanzien bisher offenließen.

Ausgabe 259 - 06. Mai 2023toggle arrow icon

KI-Patienten-Kommunikation?

Studientelegramm 259-2023-1/3 - Wir hatten bereits vor einigen Monaten über den Einzug künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin berichtet (siehe: Studientelegramm 251-2023-1/3). Ihren Einsatz in der schriftlichen Kommunikation mit Patientinnen und Patienten untersuchte nun eine kleine Querschnittsstudie anhand von 195 Fragen, die zufällig der moderierten, öffentlichen Social-Media-Plattform für medizinische Fragen „Ask a doctor [118]“ entnommen wurden. Dabei wurden die im Forum erschienenen ärztlichen Antworten mit KI-generierten Antworten verglichen, die mithilfe des Chatbots ChatGPT erstellt worden waren. Pro Frage bewerteten drei ärztliche Gutachterinnen bzw. Gutachter beide Antworten im direkten Vergleich – jedoch ohne Kenntnis der Autorenschaft – hinsichtlich Qualität und Empathie auf einer Likert-Skala von 1 (sehr gering bzw. nicht empathisch) bis 5 (sehr gut bzw. sehr empathisch).

In 78,6% der Fälle (95% KI: 75,0–81,8%) wurden die KI-Antworten gegenüber den ärztlichen präferiert. Sowohl bezüglich der Qualität als auch Empathie der Antworten schnitt ChatGPT deutlich besser ab als seine ärztliche Vergleichsgruppe. Interessanterweise fielen die KI-generierten Antworten erheblich länger aus als die ärztlich erstellten (mittlere Wortzahl 211 vs. 52 Worte, p<0,001); längere ärztliche Antworten wurden jedoch insg. ähnlich schlecht bewertet wie kürzere. Die Studie regt umfassendere Untersuchungen an, ob KI-generierte und durch Fachpersonal anschließend angepasste Entwürfe die Dokumentation bzw. Kommunikation im Gesundheitswesen erleichtern könnten.

Acknowledgements: Dieser Text wurde ohne Nutzung von KI erstellt.

  • AMBOSS-Inhalte: Arzt-Patient-Beziehung | AMBOSS-Podcast: Künstliche Intelligenz in der Medizin – Ein Einstieg | AMBOSS-Blog: Wir wollen KI-Kompetenzen stärken
  • Titel der Studie: Comparing Physician and Artificial Intelligence Chatbot Responses to Patient Questions Posted to a Public Social Media Forum [119]
  • Autorenschaft: Ayers et al.
  • Journal: JAMA Internal Medicine

Kardiovaskuläre Prävention bei HIV-Infektion

Studientelegramm 259-2023-2/3 - Personen mit HIV haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, dennoch sind Präventionsmaßnahmen in dieser Patientengruppe kaum untersucht. 2015 initiierten die US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) daher REPRIEVE („Randomized Trial to Prevent Vascular Events in HIV“): Die internationale randomisierte placebokontrollierte doppelblinde Studie untersucht den Effekt von Pitavastatin (4 mg) auf das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei HIV-infizierten Personen unter stabiler antiretroviraler Therapie. Eingeschlossen wurden 7.769 Teilnehmende im Alter von 40–75 Jahren, die eine CD4+-T-Zellzahl >100/μL und ein niedriges bis moderates kardiovaskuläres Risiko (ASCVD Risk Score ≤15%) aufwiesen.

Nun berichten die NIH, dass eine geplante Zwischenanalyse eine Reduktion schwerer kardiovaskulärer Ereignisse um 35% unter Pitavastatin zeigte. Aufgrund des nachgewiesenen Vorteils der Statintherapie (Sicherheitsbedenken ergaben sich dagegen nicht) wurde REPRIEVE auf Empfehlung des unabhängigen Data Safety and Monitoring Boards vorzeitig beendet. Detaillierte Studienergebnisse werden in einigen Wochen erwartet.

REPRIEVE wurde von Kowa Pharmaceuticals America, Gilead Sciences und ViiV Healthcare finanziell unterstützt.

Under Pressure: Standards für die Blutdruckmessung

Studientelegramm 259-2023-3/3 - Die arterielle Hypertonie ist weltweit der häufigste kardiovaskuläre Risikofaktor. Aus diesem Grund haben viele Fachgesellschaften Leitlinien zur Diagnostik und Therapie formuliert, die sich teilweise erheblich unterscheiden.

Insg. 13 dieser Organisationen haben nun in einem internationalen Konsensdokument Empfehlungen für eine standardisierte Blutdruckmessung veröffentlicht. Auch wenn dabei eher Kompromisslösungen und keine revolutionären Neuerungen propagiert werden, ist die Publikation als Erinnerung an die wichtigsten Grundpfeiler der Blutdruckmessung dennoch empfehlenswert.

Ausgabe 258 - 22. April 2023toggle arrow icon

NOSTONE? More like YEAHSTONE!

Studientelegramm 258-2023-1/3 - Bei Erwachsenen mit calciumhaltigen Nierensteinen (>75% der Fälle) und einer Hyperkalzurie >8 mmol/d empfiehlt die aktuelle Leitlinie [122] der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) zur Sekundärprophylaxe u.a. die Einnahme von Thiaziddiuretika, um die renale Calciumausscheidung zu reduzieren. Diese Empfehlung beruht jedoch auf schwacher Evidenz aus zumeist eher kleinen Studien. Zudem wurde dabei meist Hydrochlorothiazid (HCT) in hohen Dosierungen eingesetzt, die das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöhen. Somit ist nicht nur die generelle Wirksamkeit zur Verhinderung von Steinrezidiven unklar, auch für eine ggf. dosisabhängige Wirkung gibt es nur wenig Daten.

In der NOSTONE-Studie wurden nun 416 Personen mit rezidivierenden, calciumhaltigen Nierensteinen entweder für eine Therapie mit HCT in unterschiedlichen Dosierungen (12,5 mg/d, 25 mg/d, 50 mg/d) oder mit einem Placebo randomisiert (Verhältnis 1:1:1:1). Über den medianen Follow-up-Zeitraum von 2,9 Jahren zeigte sich hinsichtlich des primären Endpunkts (symptomatisches oder radiologisch nachgewiesenes Rezidiv) kein signifikanter Zusammenhang zwischen HCT-Gabe bzw. HCT-Dosis und der Häufigkeit von Rezidiven (p = 0,66; Placebo: 60 von 102 Teilnehmenden [59%], 12,5 mg/d: 62 von 105 [59%], 25 mg/d: 61 von 108 [56%], 50 mg/d: 49 von 101 [49%]). Unter HCT kam es jedoch erwartungsgemäß vermehrt zu Nebenwirkungen (insb. Hypokaliämie, Gicht, neu aufgetretener Diabetes mellitus, allergische Hautreaktionen sowie Kreatininanstieg >150%).

Die Studie liefert somit keine Evidenz für einen Einsatz von HCT zur Rezidivprophylaxe calciumhaltiger Nierensteine oder eine dosisabhängige Wirkung.

NOSTONE wurde durch die Swiss National Science Foundation und das Inselspital Bern finanziert.

SWEETSTONE: Sweet Idea?

Studientelegramm 258-2023-2/3 - Nach den negativen Studienergebnissen von NOSTONE besteht weiterhin Bedarf für eine wirksame medikamentöse Therapie zur Rezidivprophylaxe von Nierensteinen. Das NOSTONE-Studienteam hat daher die SWEETSTONE-Studie initiiert, um das therapeutische Potenzial des SGLT2-Inhibitors Empagliflozin in dieser Indikation zu untersuchen. Die Idee beruht auf Analysen randomisierter Studien, bei denen eine Gabe von Empagliflozin bei Menschen mit Diabetes mellitus mit einer um 30–50% geringeren Inzidenz von Nierensteinereignissen assoziiert war. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind aktuell unklar.

In der randomisierten, placebokontrollierten sowie doppelt verblindeten Studie sollen 46 Erwachsene ohne Diabetes mellitus und mit rezidivierenden calcium- oder harnsäurehaltigen Nierensteinen im Cross-over-Design jeweils 14 Tage lang Empagliflozin (25 mg/d) und ein Placebo einnehmen (unterbrochen von einer 2–6-wöchigen Auswaschphase). Bewertet werden soll der Einfluss der Therapie auf die Urinkonzentrationen von Calciumoxalat, Calciumphosphat und Harnsäure – wichtige Ausscheidungsprodukte, die bei Übersättigung die Steinbildung begünstigen. Die Auswertung der Studie wird noch 2023 erwartet.

Maskenpflicht im Gesundheitswesen

Studientelegramm 258-2023-3/3 - Während der COVID-19-Pandemie wurde in öffentlichen Einrichtungen, so auch in Krankenhäusern, eine generelle Maskenpflicht eingeführt. Während die Maskenpflicht im Verlauf der vergangenen Monate nach und nach in den meisten Einrichtungen aufgehoben wurde, hatte sie in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen noch länger Bestand.

In einem nun veröffentlichten Artikel von Autorinnen und Autoren US-amerikanischer Kliniken wird die generelle Maskenpflicht im Krankenhaus diskutiert: Während die Pflicht zu Beginn der Pandemie – als es noch keine Immunität in der Bevölkerung, Impfstoffe oder Therapeutika gab – eine entscheidende Schutzmaßnahme darstellte, werden nun einige Argumente gegen eine unbegrenzte Fortsetzung aufgeführt. Eine generelle Maskenpflicht führe nicht nur zu höheren Kosten für das Gesundheitssystem, sie erschwere auch die Kommunikation insb. zu schwerhörigen oder fremdsprachigen Menschen, die zum besseren Verständnis auf Lippenlesen oder nonverbale Ausdrücke angewiesen sind. Zudem wirke sich das Maskentragen negativ auf zwischenmenschliche Beziehungen, Vertrauen und die Wahrnehmung von Empathie aus.

Aufgrund der stabilen Infektionslage ist die Test- und Maskenpflicht in Deutschland seit dem 8. April in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen aufgehoben. Laut der Autorenschaft des Artikels sollte eine generelle Maskenpflicht kein neuer medizinischer Standard werden, sondern eine Strategie zur Eindämmung einer Pandemie bleiben und demnach von der aktuellen Infektionslage abhängig gemacht werden.

Ausgabe 257 - 08. April 2023toggle arrow icon

TriClip™ zur interventionellen Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz

Studientelegramm 257-2023-1/3 - Im Rahmen der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) wurden die Ergebnisse der ersten größeren randomisierten Studie zur interventionellen Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz präsentiert. Diese erfolgt mit dem sog. TEER-Verfahren (engl. „Transcatheter Edge-to-Edge Repair“), das bereits zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz etabliert ist. Dabei werden die unzureichend schließenden Mitralklappensegel über einen Interventionskatheter mithilfe des MitraClip™ an der entsprechenden Stelle zusammengeheftet – das Verfahren wird daher umgangssprachlich auch als „Clipping“ bezeichnet. Der Zugang erfolgt i.d.R. über die V. femoralis und erfordert eine Punktion des Vorhofseptums, um zur Mitralklappe zu gelangen. Zur Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz mit einem TriClip™ ist dagegen keine Vorhofseptumpunktion notwendig, das Eingriffsrisiko somit geringer. Die größte Herausforderung während der Intervention ist die Darstellung aller drei Trikuspidalklappensegel in der simultan durchgeführten transösophagealen Echokardiografie.

In der TRILUMINATE-Pivotal-Studie wurden 350 Personen mit schwerer symptomatischer Trikuspidalklappeninsuffizienz im Verhältnis 1:1 entweder für TEER oder eine medikamentöse Therapie randomisiert. Das Ergebnis für den primären Endpunkt (hierarchisches Kompositum aus Gesamtsterblichkeit, Trikuspidalklappenoperation, Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinsuffizienz und Verbesserung der Lebensqualität gemäß KCCQ-Score [126]) ließ sich dabei durch den Eingriff im 12-monatigen Follow-up-Zeitraum signifikant verbessern (Win Ratio: 1,48; 95% KI: 1,06–2,13; p = 0,02). Allerdings ergab sich der Benefit ausschließlich aus einer Verbesserung der Lebensqualität, die Inzidenzen der anderen einzelnen Parameter unterschieden sich nicht signifikant. Eine Reduktion der Trikuspidalklappeninsuffizienz auf einen echokardiografisch nur noch höchstens mittelgradigen Befund gelang in der TEER-Gruppe bei 87% der Teilnehmenden (sekundärer Endpunkt; 4,8% in der Kontrollgruppe; p<0,001). Relevante Komplikationen traten sehr selten auf.

Die eigentlich positiven Studienergebnisse werden z.T. kritisch diskutiert, weil sich keine Auswirkungen auf objektiv messbare Komponenten des primären Endpunktes ergaben und die subjektive Verbesserung der Lebensqualität auch durch Erwartungseffekte gegenüber der Intervention hervorgerufen sein könnte. Die Studie bestätigt jedoch, dass Clipping bei schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz ein sicheres Verfahren ist, um den Schweregrad der Insuffizienz zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern.

TRILUMINATE Pivotal wurde durch die Firma Abbott finanziert, die das TriClip™-System herstellt.

Osmotisches Demyelinisierungssyndrom bei Hyponatriämie

Studientelegramm 257-2023-2/3 - In der Therapie der Hyponatriämie ist das osmotische Demyelinisierungssyndrom [128] (ODS) eine gefürchtete Komplikation. Das Krankheitsbild äußert sich am häufigsten als zentrale pontine Myelinolyse und geht mit einer hohen Morbidität sowie Mortalität einher. Da das ODS meist bei raschem Ausgleich einer Hyponatriämie auftritt, raten Therapiealgorithmen [129] zu einer sehr langsamen Erhöhung des Serumnatriumspiegels (i.d.R. um max. 8 mmol/L in 24 h).

Eine retrospektive Kohortenstudie untersuchte nun das Auftreten von ODS bei Patientinnen und Patienten, die mit einer Hyponatriämie (Serumnatrium <130 mmol/L) in fünf Lehrkrankenhäusern in Toronto im Zeitraum von 2010 bis 2020 stationär aufgenommen worden waren. Die Klassifikation als ODS erfolgte anhand neuroradiologischer Untersuchungsbefunde (mit automatisiertem Screening und anschließender individueller Prüfung).

Insg. wurden 22.858 stationäre Aufnahmen mit Hyponatriämie ermittelt (mittleres Serumnatrium bei Aufnahme 125 mmol/L; Serumnatrium 110–119 mmol/L bei 11,9%, <110 mmol/L bei 1,2%). Bei 3.632 Personen (17,7 %) war eine rasche Korrektur des Serumnatriums erfolgt (d.h. Anstieg >8 mmol/L innerhalb von 24 h). Nur 12 Patientinnen und Patienten entwickelten ein ODS (0,05%), mehrheitlich waren Personen mit schwerer Hyponatriämie <110 mmol/L betroffen. In sieben der ODS-Fälle war keine rasche Korrektur des Serumnatriums vorausgegangen.

Somit erscheint das ODS zwar als relevante, aber sehr seltene Gefahr in der Behandlung der Hyponatriämie. Größere Studien sind nötig, um mögliche Ursachen für die Entstehung eines ODS zu identifizieren.

ACE-Hemmer / AT1-Rezeptor-Blocker bei COVID-19: Final Update Alert

Studientelegramm 257-2023-3/3 - Besonders zu Beginn der COVID-19-Pandemie wurden die Effekte einer Behandlung mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptor-Blockern auf die Suszeptibilität für und den Verlauf von COVID-19 kontrovers diskutiert, zumal SARS-CoV-2 das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) u.a. als Rezeptor für den Eintritt in die Zelle benötigt (siehe auch: Studientelegramm 129-2020-1/3).

Seitdem wurden zahlreiche Metaanalysen sowie meist kleinere Studien zu diesem Thema publiziert und in regelmäßigen Abständen in einem „Living systematic Review“ zusammengefasst. Bereits in vorherigen Updates [131] wurde eine starke Evidenz dafür präsentiert, dass keine Assoziation zwischen einer schon erfolgenden Gabe von ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptor-Blockern und einem erhöhten Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion oder einem schweren COVID-19-Verlauf besteht. Das nun publizierte und vorerst finale Update befasst sich insb. weiter mit der Frage, ob der Beginn einer Therapie mit diesen Substanzen bei COVID-19 schädlich oder ggf. sogar nützlich ist. Zusammenfassend ergeben sich allerdings auch hier keine Hinweise auf einen positiven oder negativen Zusammenhang.

Q1 2023toggle arrow icon

Ausgabe 256 - 25. März 2023toggle arrow icon

Zeitumstellung in der Kritik: Endless Summer oder Eternal Darkness?

Studientelegramm 256-2023-1/4 - Morgen werden die Uhren wieder von Winterzeit (Mitteleuropäische Normalzeit) auf Sommerzeit umgestellt. In Deutschland erfolgt die Zeitumstellung aktuell seit 1980 – auch viele andere Länder führten sie als Reaktion auf die Ölkrise von 1973 ein. Eine Stunde mehr Tageslicht sollte den Bedarf an künstlichem Licht und somit den Stromverbrauch reduzieren.

Diese Maßnahme wird jedoch nicht nur aufgrund ihrer Auswirkungen auf den Schlafrhythmus und die Arbeitszeit während der betroffenen Nachtdienste kontrovers diskutiert. Zunehmend ergeben sich auch Hinweise für medizinische Konsequenzen im Zusammenhang mit der Zeitumstellung, bspw. eine erhöhte Inzidenz von Autounfällen, Depressionen und Schlaganfällen.

Nun wurde ein lesenswertes Editorial zu diesem Thema veröffentlicht: Eine Umfrage in den USA zeigte, dass die meisten Menschen die Abschaffung der Zeitumstellung und eine ganzjährige Sommerzeit gegenüber der Normalzeit bevorzugen würden (n = 1.612; 46% vs. 33%). Auch zahlreiche Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitssystem votieren gegen die halbjährliche Zeitumstellung – wissenschaftlich umstritten ist jedoch bisher, ob dabei ganzjährig die Sommerzeit oder die Normalzeit präferiert werden sollte.

  • AMBOSS-Inhalte: Schlaf | Schlafstörungen | AMBOSS-Podcast - Schlaf: Die unterschätzte Medizin
  • Titel des Editorials: Groundswell Grows for Permanent Daylight Saving Time, but Medical Societies Overwhelmingly Support Year-Round Standard Time [133]
  • Autorenschaft: Rita Rubin
  • Journal: JAMA

Elektronische Anschreiben zur Verbesserung der (Influenza‑)Impfquote?

Studientelegramm 256-2023-2/4 - Während der Influenza-Saison 2022–2023 wurde in Dänemark die pragmatische, registergestützte, cluster-randomisierte NUDGE-FLU-Studie durchgeführt, die den Einfluss elektronischer Briefe auf die Influenza-Impfquote untersuchte. Eingeschlossen wurde die gesamte ≥65-jährige Bevölkerung, sofern die Personen nicht in einem Pflegeheim wohnten oder von der elektronischen Zustellung offizieller Mitteilungen befreit waren. Die Teilnehmenden wurden in eine Kontrollgruppe mit der üblichen Versorgung (Zustellung eines Aufklärungsbriefs der dänischen Gesundheitsbehörde) bzw. in 9 Interventionsgruppen randomisiert (9:1:1:1:1:1:1:1:1:1). Die Interventionsgruppen wurden mit elektronischen Anschreiben, die verschiedene verhaltenspsychologische Ansätze verfolgten, zur Grippe-Impfung aufgerufen. Der primäre Endpunkt war der Erhalt der Grippe-Impfung bis einschließlich 1. Januar 2023.

Die Impfbereitschaft ließ sich im Vergleich zur Kontrollgruppe sowohl durch ein Erinnerungsschreiben (erneuter Versand des Standardinterventionsbriefs) als auch mithilfe einer Aufklärung zur kardiovaskulären Risikosenkung durch die Impfung signifikant steigern (Impfquoten: mit Erinnerungsschreiben 80,85%; mit Aufklärung zum kardiovaskulären Nutzen 81,00%; Kontrollgruppe 80,12%). Andere Schreiben (bspw. einfacher Versand des Standardinterventionsbriefs, depersonalierter Brief, Briefe mit Erläuterung des gesellschaftlichen Nutzens oder einer Stellungnahme Sachverständiger) nahmen keinen Einfluss auf die Impfbereitschaft.

In einer zeitgleich in Circulation publizierten Subanalyse [134] wurden die Effekte möglicher kardiovaskulärer Vorerkrankungen auf das Ergebnis untersucht. Insg. waren 264.392 Teilnehmende (27,4%) kardiovaskulär vorerkrankt, wobei dies ohne Einfluss auf das o.g. Ergebnis blieb.

Die Studie wurde durch das Center for Translational Cardiology and Pragmatic Randomized Trials in Kopenhagen sowie durch Sanofi unterstützt.

RAPID-HF: Herzschrittmacher bei HFpEF mit chronotroper Inkompetenz?

Studientelegramm 256-2023-3/4 - Eine Leistungsminderung mit eingeschränkter Belastungstoleranz ist ein Kardinalsymptom der Herzinsuffizienz, insb. bei erhaltener systolischer Pumpfunktion (HFpEF). Bei HFpEF ist der Anstieg der Herzfrequenz unter Belastung häufig eingeschränkt: Mehr als 50% der Betroffenen weisen eine chronotrope Inkompetenz auf – eine Unfähigkeit, die Herzfrequenz unter Belastung den Anforderungen entsprechend zu steigern.

In der kleinen (n = 29), aber sehr sorgfältig durchgeführten RAPID-HF-Studie wurde daher nun in einem Cross-over-Design die Hypothese untersucht, dass der unzureichende Frequenzanstieg bei Belastung durch eine (atriale) Schrittmacherstimulation ausgeglichen werden kann, um die körperliche Belastbarkeit und hämodynamische Parameter zu verbessern.

Durch die Schrittmacherstimulation ließ sich die Herzfrequenz signifikant erhöhen – sowohl unter geringer (Anstieg um 16/min, 95% KI: 10–23/min; p <0,001) als auch unter maximaler Belastung (Anstieg um 14/min, 95% KI: 7–21/min; p <0,001). Allerdings ergaben sich daraus keine signifikanten Auswirkungen auf den primären (Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle [VO2AT]) oder die sekundären Endpunkte (VO2max, ventilatorische Effizienz, subjektive Einschätzung von Symptomen anhand des KCCQ-Overall-Summary-Scores [136], NT-proBNP-Werte). Zudem kam es bei 6 Teilnehmenden (21%) zu relevanten unerwünschten Ereignissen, die sich eindeutig der Schrittmacherimplantation zuordnen ließen.

RAPID-HF liefert somit keine Grundlage für eine frequenzadaptive Vorhofstimulation bei HFpEF und chronotroper Inkompetenz. Ursächlich dafür könnte eine Abnahme des Schlagvolumens unter Belastung sein, die eine Zunahme des Herzzeitvolumens trotz steigender Herzfrequenz verhindert.

Leitlinienupdate: Perioperatives kardiologisches Management

Studientelegramm 256-2023-4/4 - Auf der letzten Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC) wurde u.a. eine neue Leitlinie zur kardiovaskulären Evaluation und dem Management von Personen präsentiert, die sich einer nicht-kardialen Operation unterziehen. Dieses Thema erscheint auf den ersten Blick trocken, ist jedoch aufgrund der hohen Prävalenz kardiovaskulärer Risikofaktoren und Erkrankungen sehr praxisrelevant.

Die aktualisierten Leitlinien fokussieren sich insb. auf das Zusammenspiel zwischen den Risiken der geplanten Operation und den individuellen Risikofaktoren Betroffener. Durch sorgfältige Anamnese und Untersuchung sollten Personen mit geringem oder mäßigem individuellen bzw. eingriffsbezogenen Risiko identifiziert werden, die keine weitere kardiologische Abklärung benötigen. Dabei sollte insb. die Belastbarkeit beurteilt werden (Einschätzung der funktionellen Kapazität entweder anhand des Duke Activity Status Index [DASI] [138] oder der Fähigkeit, zwei Treppen zu steigen).

Bei Personen mit bekannten kardiovaskulären Erkrankungen, entsprechenden Symptomen oder Risikofaktoren wird zur präoperativen Risikostratifizierung sowie zur Erkennung einer perioperativen Myokardschädigung bei Eingriffen mit intermediärem oder hohem Risiko u.a. eine serielle, hochsensitive Troponinmessung empfohlen. Zudem gibt es spezifische Empfehlungen für unterschiedliche kardiale Erkrankungen sowie zum perioperativen Umgang mit Thrombozytenaggregationshemmern und oralen Antikoagulanzien.

Basierend auf der ESC-Leitlinie veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) die Pocket-Leitlinie Nichtkardiale chirurgische Eingriffe [139]. Über die wichtigsten enthaltenen Neuerungen informierten wir bereits im AMBOSS-Leitlinien-Telegramm, das kostenlos abonniert werden kann.

Ausgabe 255 - 11. März 2023toggle arrow icon

Verapamil bei neu diagnostiziertem Diabetes mellitus Typ 1?

Studientelegramm 255-2023-1/3 - Calciumantagonisten könnten in der Frühphase des Diabetes mellitus Typ 1 eine Erhaltung der Betazellen bewirken, indem sie die glucoseinduzierte Überexpression des Thioredoxin-interagierenden Proteins – eines betazellapoptotischen Faktors – verhindern. Bisher stützt sich die Evidenz hierzu allerdings auf präklinische Studien und eine kleine klinische Studie bei Erwachsenen [141].

Eine doppelblinde klinische Studie randomisierte nun 7- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes auf Verapamil (n = 47) oder Placebo (n = 41). Der primäre Endpunkt war die “Area under the Curve” (AUC) des C-Peptid-Spiegels (Maß der Betazellfunktion) im sog. Mixed-Meal Tolerance Test [142] ein Jahr nach Studienbeginn. Die mittlere C-Peptid-AUC lag in der Verapamil-Gruppe am Studienende bei 0,65 pmol/mL (zu Studienbeginn: 0,66 pmol/mL), in der Kontrollgruppe dagegen bei 0,44 pmol/mL (zu Studienbeginn: 0,60 pmol/mL; adjustierte Differenz der Gruppen: 0,14 pmol/mL; 95% KI: 0,01–0,27; p = 0,04). Die sekundären Endpunkte (u.a. HbA1c , mittlerer Glucosespiegel, Hyper- und Hypoglykämierisiko, Insulindosis) unterschieden sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen. Bei jeweils 8 Teilnehmenden (entsprechend 17% in der Verapamil- und 20% in der Placebogruppe) trat ein therapieassoziiertes nicht-schweres unerwünschtes Ereignis auf.

Ob dieser positive Effekt auf die C-Peptid-Sekretion auch langfristig anhält, müssen weitere Studien zeigen. In einer Subgruppenanalyse erbrachte ein automatisiertes Insulindosierungssystem – anders als Verapamil – keinen Vorteil für die Betazellfunktion.

CLEAR Outcomes: Kardiovaskulärer Benefit durch Bempedoinsäure

Studientelegramm 255-2023-2/3 - Bei der Jahrestagung des American College of Cardiology wurden auch die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der CLEAR Outcomes-Studie zu Bempedoinsäure präsentiert, zu denen es vorab bereits eine Pressemitteilung gegeben hatte (siehe: Studientelegramm 249-2023-3/3). Während eine signifikante LDL-Cholesterinsenkung mithilfe von Bempedoinsäure bereits gezeigt werden konnte (bei geringer Inzidenz muskulärer Nebenwirkungen), war ein prognostischer Benefit noch nicht nachgewiesen.

Für die Studie wurden 13.970 statinintolerante Personen, die entweder ein stattgehabtes kardiovaskuläres Ereignis oder ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen, auf 180 mg/d Bempedoinsäure oder ein Placebo randomisiert. Die Teilnehmenden zeigten zuvor unter einer Statintherapie in leitliniengerechter Dosierung objektiv oder subjektiv inakzeptable Nebenwirkungen. Eine bestehende lipidsenkende Therapie konnte fortgeführt werden. Der kombinierte primäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall ohne Todesfolge sowie Koronarrevaskularisation) trat während des medianen Follow-up-Zeitraums von 40,6 Monaten unter Bempedoinsäure signifikant seltener auf als unter Placebo (HR 0,87; 95% KI: 0,79–0,96; p = 0,004). Das LDL-Cholesterin im Serum (zu Studienbeginn im Median 139 mg/dL) ließ sich mit Bempedoinsäure nach 6 Monaten um 21,1% stärker senken als mit dem Placebo (107 vs. 136 mg/dL). Auch hinsichtlich vieler sekundärer Endpunkte (u.a. einzelne Komponenten des primären Endpunkts) ergab sich eine signifikante Risikoreduktion; nicht jedoch für kardiovaskulären Tod, Tod jeder Ursache oder das Auftreten eines Schlaganfalls. Schwere Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet, unter Bempedoinsäure kam es jedoch etwas häufiger zu Gicht (3,1 vs. 2,1%), Cholelithiasis (2,2 vs 1,2%) sowie erhöhten Transaminasen, Kreatinin- und Harnsäurespiegeln.

CLEAR Outcomes kann somit erstmals einen positiven Einfluss von Bempedoinsäure auf klinische Endpunkte nachweisen. Neben den PCSK9-Inhibitoren und Ezetimib [144] (für die es allerdings in Monotherapie keine Studiendaten zu kardiovaskulären Endpunkten gibt) besteht somit für Menschen mit Statinintoleranz eine weitere gute Therapieoption.

Die Studie wurde von Esperion, dem Hersteller von Bempedoinsäure, finanziert.

SGLT2-Inhibitoren: Auch wirksam zur Behandlung der Gicht?

Studientelegramm 255-2023-3/3 - Die günstigen Effekte von SGLT2-Inhibitoren auf kardiale und renale Endpunkte wurden im Studien-Telegramm ausführlich diskutiert (siehe auch: Studientelegramm 244-2022-2/3). Mittlerweile wurden viele Subanalysen der großen Zulassungsstudien veröffentlicht, die verschiedene Einflussfaktoren auf die Endpunkte untersuchten. Nun erfolgte eine Post-hoc-Analyse von Daten aus den Zulassungsstudien für Dapagliflozin zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter (DAPA-HF [146]) und erhaltener (DELIVER [147]) Pumpfunktion. Diese untersuchte den Einfluss von Gicht auf klinische Endpunkte sowie den Einfluss von Dapagliflozin auf den Beginn einer Therapie mit harnsäuresenkenden Medikamenten oder Colchicin.

Bei Menschen mit Herzinsuffizienz ist Gicht eine häufige Komorbidität: Von den insg. 11.007 Personen, die in die Zulassungsstudien eingeschlossen worden waren, bestand bei 1.117 zu Studienbeginn eine Gicht (10,3% in DAPA-HF; 10,1% in DELIVER), wobei überwiegend Männer betroffen waren (80,3%). Gicht war dabei mit einem höheren Risiko für klinische Endpunkte assoziiert, u.a. mit vermehrten herzinsuffizienzbedingten Krankenhausaufnahmen. Die Risikoreduktion für den primären sowie alle sekundären Endpunkte durch Dapagliflozin unterschied sich bei Personen mit oder ohne Gicht verglichen mit einem Placebo nicht signifikant. Eine Therapie mit Dapagliflozin senkte jedoch die Wahrscheinlichkeit deutlich, mit einer harnsäuresenkenden Therapie (HR 0,43; 95% KI: 0,34–0,53) oder einer Einnahme von Colchicin (HR 0,54; 95% KI: 0,37–0,80) zu beginnen.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass SGLT2-Inhibitoren zur Behandlung der Gicht bei Herzinsuffizienz geeignet sein könnten. Bereits in einer früher publizierten Post-hoc-Analyse [148] hatten sich auch unter Empagliflozin Hinweise für eine harnsäuresenkende Wirkung und die Reduktion klinisch relevanter Gichtereignisse ergeben. Alternativen zur Behandlung der Gicht wären insb. aufgrund der Neben- und Wechselwirkungen der etablierten Wirkstoffe sowie zur Steigerung der Therapieadhärenz wünschenswert. Zunächst müssen diese Ergebnisse allerdings in randomisiert-kontrollierten Studien bestätigt werden.

Ausgabe 254 - 25. Februar 2023toggle arrow icon

How deep is your Lo...w Density Lipoprotein?

Studientelegramm 254-2023-1/3 - Eine verbesserte kardiovaskuläre Prognose nach Einsatz von Pharmaka zur LDL-Cholesterin-Senkung ist unumstritten und konnte in vielen randomisierten klinischen Studien belegt werden. Seit Markteinführung der PCSK9-Inhibitoren kann das LDL insb. durch eine Kombination der verschiedenen Lipidsenker um bis zu 85% gesenkt werden. Diese Möglichkeit führte wiederholt zur Frage, ob es einen LDL-Wert gibt, dessen Unterschreitung mit einer Gefährdung Behandelter einhergehen könnte.

In der FOURIER-OLE-Studie (Verlängerungsstudie von FOURIER [150]) wurde nun untersucht, wie sich eine mehrjährige Therapie mit dem PCSK9-Inhibitor Evolocumab auf kardiovaskuläre und sicherheitsbezogene Ereignisse auswirkt. 6.635 Personen unter Evolocumab-Therapie wurden dabei für im Median weitere 5 Jahre über die Zulassungsstudie hinaus beobachtet. Es zeigte sich ein linearer Zusammenhang zwischen gesenkten LDL-Werten (bis <20 mg/dL) und einem geringeren Risiko für den kombinierten primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Krankenhauseinweisung wegen instabiler Angina pectoris oder koronarer Revaskularisation).

Auch bei ausgeprägter pharmakologischer LDL-Reduktion (bis <20 mg/dL) wurde dabei keine signifikante Assoziation mit einem erhöhten Risiko für Sicherheitsendpunkte beobachtet (schwere unerwünschte Ereignisse, neue oder rezidivierende Krebserkrankung, unerwünschte Ereignisse im Zusammenhang mit Katarakt, hämorrhagischer Schlaganfall, neu aufgetretener Diabetes mellitus, neurokognitive unerwünschte Ereignisse, muskelbezogene Ereignisse oder nicht-kardiovaskulärer Tod).

Einschränkend sollte beachtet werden, dass in FOURIER-OLE nicht auf Ziel-LDL-Cholesterinwerte randomisiert wurde und während der Open-Label-Behandlungsphase keine Kontrolle mehr gegen ein Placebo erfolgte.

Kardiale Biomarker in der Schwangerschaft

Studientelegramm 254-2023-2/3 - Während einer Schwangerschaft kommt es physiologisch zu ausgeprägten kardiovaskulären Anpassungen im mütterlichen Organismus, die u.a. mit einer Gewichtszunahme, einer erhöhten Herzfrequenz und einem vergrößerten Plasmavolumen einhergehen. Diese Anpassungen beeinflussen auch den kardialen Biomarker NT-proBNP, der im Verlauf der Schwangerschaft zunächst kontinuierlich abfällt und dann postpartal deutlich ansteigt (siehe auch: Umazume et al. [152]).

Mit der hochsensitiven Bestimmung kardialer Troponine (hs-cTn) steht ein weiterer Biomarker zur Verfügung, der sich zum Nachweis einer Schädigung des Herzmuskels eignet und daher bei V.a. Herzerkrankungen regelmäßig bestimmt wird. Bisher war jedoch unbekannt, ob auch die hs-cTn-Konzentrationen während einer Schwangerschaft physiologischen Schwankungen unterliegen.

Anhand aufbewahrter Blutproben der US-amerikanischen National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) aus den Jahren von 1999 bis 2004 wurden nun die hs-cTn-Werte von 2.358 Frauen (davon 622 Schwangere) ohne bekannte kardiovaskuläre Erkrankung im Alter von 18–40 Jahren mithilfe 4 unterschiedlicher Assays bestimmt. Die hs-cTn-Werte von schwangeren und nicht-schwangeren Frauen waren bei allen 4 Assays ähnlich verteilt und unterschieden sich weder vor noch nach einer Adjustierung hinsichtlich demografischer und klinischer Faktoren (u.a. Alter, Vorliegen eines Diabetes mellitus, systolischer Blutdruck).

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kardiovaskulären Anpassungen des mütterlichen Organismus an eine Schwangerschaft nicht zu signifikanten Veränderungen der Troponinwerte führen und hs-cTn-Werte von schwangeren und nicht-schwangeren Frauen ähnlich interpretiert werden können.

Sparsentan: Neue Therapieoption bei IgA-Nephropathie?

Studientelegramm 254-2023-3/3 - In der vergangenen Woche diskutierten wir die positiven Ergebnisse der MAIN-Studie zu Mycophenolat-Mofetil bei IgA-Nephropathie (siehe auch: Studientelegramm 253-2023-1/3). Nun gibt es durch die beschleunigte Zulassung der FDA mit Sparsentan eine weitere therapeutische Option in den USA: Sparsentan – ein sowohl Endothelin- als auch Angiotensinrezeptorantagonist – kann nun zur Reduktion einer Proteinurie bei Erwachsenen mit primärer IgA-Nephropathie und hohem Risiko für eine rasche Progredienz eingesetzt werden.

Untersucht wurde die Wirksamkeit von Sparsentan in der noch laufenden Phase-3-Studie PROTECT [154]. Zwischenergebnisse [155] zeigten bereits eine schnelle, anhaltende und klinisch bedeutsame Verringerung der Proteinurie im Vergleich zur Kontrollgruppe (die mit dem AT1-Rezeptor-Blocker Irbesartan behandelt wurde). Jedoch wird es erst nach Abschluss der Studie möglich sein, die Benefits und Risiken von Sparsentan in der Therapie der IgA-Nephropathie adäquat einordnen zu können.

Ausgabe 253 - 18. Februar 2023toggle arrow icon

Mycophenolat-Mofetil bei IgA-Nephropathie

Studientelegramm 253-2023-1/3 - Die IgA-Nephropathie ist die häufigste primäre Glomerulonephritis und durch mesangiale Ablagerungen von IgA-Immunkomplexen gekennzeichnet. Sie verläuft häufig asymptomatisch, kann jedoch auch in ein nephritisches bzw. nephrotisches Syndrom oder sogar in eine Rapid-progressive Glomerulonephritis übergehen (CAVE: Nephrologischer Notfall!).

Die Therapie der IgA-Nephropathie ist bislang umstritten. Es finden sich Studien, deren Ergebnisse sowohl für (TESTING [157]) als auch gegen (STOP-IgAN [158]) den Einsatz von Steroiden sprechen. Für andere immunsuppressive Substanzen liegt wenig Evidenz vor.

Nun hat eine chinesische Arbeitsgruppe in einer monozentrischen Arbeit die Gabe von Mycophenolat-Mofetil (MMF) bei 170 Personen zwischen 18 und 70 Jahren mit IgA-Nephropathie und Proteinurie >1 g/d sowie einer eGFR von 31–59 mL/min/1,73 m2 oder persistierender Hypertonie untersucht. Teilnehmende erhielten randomisiert entweder eine Standardtherapie (u.a. mit Losartan) oder zusätzlich zur Standardtherapie MMF (1,5 g/d für 12 Monate, nachfolgend 0,75–1,0 g für mind. 6 weitere Monate). Die beiden primären Endpunkte waren (1) die Kombination aus Verdopplung des Serumkreatinins, Nierenerkrankung im Endstadium, renalem oder kardiovaskulärem Tod, und (2) Progression der chronischen Nierenerkrankung (CKD). Der kombinierte Endpunkt trat bei 6 Personen (7,1%) in der MMF-Gruppe gegenüber 18 Personen (21,2%) in der Kontrollgruppe auf (adjustierte Hazard Ratio [aHR], 0,23; 95% KI: 0,09–0,63). Ein CKD-Progress trat bei 7 (8,2%) bzw. 23 (27,1%) Teilnehmenden auf (aHR, 0,23; 95% KI: 0,10–0,57). Im Follow-up nach der Studie zeigte sich, dass die Beendigung der Therapie mit MMF zu einer beschleunigten Abnahme der eGFR führte. Nebenwirkungen traten nicht häufiger als unter Standardtherapie auf.

Trotz dieser recht positiven Ergebnisse bleibt zu bedenken, dass die Studie vor Einführung von SGLT2-Inhibitoren initiiert wurde und Informationen zu einer etwaigen begleitenden Steroidtherapie fehlen.

NOAH – AFNET 6: Studie zur oralen Antikoagulation bei Vorhof-Hochfrequenz-Episoden vorzeitig beendet

Studientelegramm 253-2023-2/3 - Eine orale Antikoagulation reduziert effektiv das Auftreten von systemischen Embolien, einschließlich ischämischer Schlaganfälle, bei klinisch manifestem Vorhofflimmern (VHF). In der Annahme, dass auch Menschen mit asymptomatischem VHF und Vorhof-Hochfrequenz-Episoden (Atrial high Rate Episodes, AHRE) – eine potenzielle Vorstufe eines VHF – von einer oralen Antikoagulation profitieren könnten, wird zunehmend ein Screening auf VHF diskutiert.

In der doppelt verblindeten, randomisierten Studie „NOAH – AFNET 6” wurde die Therapie mit Edoxaban, einem direkten oralen Antikoagulanz (DOAK), gegenüber einer Thrombozytenaggregationshemmung oder keiner antithrombotischen Therapie bei Teilnehmenden ≥65 Jahre mit AHRE und mind. 2 Schlaganfall-Risikofaktoren untersucht. Inzwischen wurde die Studie vorzeitig beendet, weil Edoxaban in Zwischenanalysen keinen klinischen Benefit erbrachte, jedoch Sicherheitsbedenken aufgrund eines (erwartbaren) erhöhten Blutungsrisikos bestanden. Dieses Ergebnis unterstreicht einmal mehr die Bedeutung randomisierter Studien zur Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Interventionen.

Die vollständigen Ergebnisse von „NOAH – AFNET 6” werden wahrscheinlich im Jahresverlauf präsentiert. Eine weitere Studie (ARTESiA [160]) zum Vergleich zwischen Apixaban und Aspirin bei gerätedetektiertem asymptomatischen VHF läuft noch.

A drop of atropine a day…? – Augentropfen für die Myopie-Prävention

Studientelegramm 253-2023-3/3 - Die Myopie führt aufgrund ihrer steigenden Prävalenz und der (insb. mit höhergradiger Myopie) assoziierten degenerativen Augenerkrankungen weltweit zu einer hohen Krankheitslast, weshalb Maßnahmen zur Reduktion ihrer Inzidenz und Progression von großer Bedeutung sind. Zunehmende Evidenz [162] deutet auf einen positiven Effekt der topischen Anwendung von Atropin auf den Krankheitsverlauf bei manifester Myopie hin. Die präventive Wirkung von Atropin-Augentropfen bezüglich des Auftretens einer Myopie untersuchte nun die randomisierte, monozentrische LAMP2-Studie.

Dafür wurden 353 Kinder im Alter von 4 bis 9 Jahren ohne vorbestehende Myopie untersucht, die 2 Jahre lang täglich entweder Atropin-Augentropfen (0,05% oder 0,01%) oder ein Placebo erhielten. Primäre Endpunkte der Studie waren das Auftreten einer Myopie sowie der Anteil der Teilnehmenden mit rascher Progression der Myopie (Zunahme um ≥1 dpt) im Studienzeitraum. Bei Anwendung 0,05%iger Atropin-Tropfen war die Myopie-Inzidenz im Vergleich zu 0,01%igen Atropin-Tropfen bzw. Placebo jeweils signifikant reduziert (28,4% vs. 45,9% bzw. 53,0%; Differenz gegenüber Placebo 24,6%; 95% KI: 12,0–36,4%), ebenso kam es seltener zu einem raschen Fortschreiten der Krankheitsausprägung (25,0% vs. 45,1% bzw. 53,9%; Differenz gegenüber Placebo 28,9%; 95% KI: 16,5–40,5%). Die Ergebnisse der Gruppe mit niedrigdosierten Atropin-Tropfen unterschieden sich dagegen nicht signifikant von der Placebogruppe.

Trotz dieser vielversprechenden Studienergebnisse sollten insb. auch hochwirksame nicht-pharmakologische Maßnahmen [163] berücksichtigt werden: Tageslichtexposition reduziert sowohl Inzidenz als auch Progression der Myopie, eine Reduktion von Naharbeit wirkt – in geringerem Maße – ebenfalls protektiv.

Ausgabe 252 - 11. Februar 2023toggle arrow icon

Lupusnephritis: No WIN-win situation

Studientelegramm 252-2023-1/3 - Eine häufige Komplikation des systemischen Lupus erythematodes (SLE) ist die Lupusnephritis (LN). Schwere, sog. proliferative, Formen einer LN werden zusätzlich zu einer immunsuppressiven Induktionstherapie mit einer Erhaltungstherapie (Mycophenolatmofetil oder Azathioprin) über mehrere Jahre behandelt. Die Frage, wie lang eine solche remissionserhaltende Therapie optimalerweise durchgeführt werden sollte, ist nicht geklärt. Die multizentrische, unverblindete Studie WIN-Lupus untersuchte nun, ob die Beendigung der Erhaltungstherapie nach 2–3 Jahren der Fortsetzung über weitere 2 Jahre nicht-unterlegen ist.

Primärer Endpunkt der Studie war die Rezidivrate einer proliferativen LN nach 24 Monaten; die Rate schwerer SLE-Schübe war einer von mehreren sekundären Endpunkten. 96 Studienteilnehmende (anstelle der initial geplanten 200) wurden randomisiert. In beiden Gruppen wurde (leitliniengerecht [165]) durchgängig Hydroxychloroquin eingesetzt; zusätzlich konnten niedrigdosierte Glucocorticoide verschrieben werden. Rezidive traten bei Fortsetzung der remissionserhaltenden Therapie seltener als bei Beendigung nach 2–3 Jahren auf (5/40 Personen [12,5%] vs. 12/44 [27,3 %]; Differenz 14,8%; 95% KI: -1,9–31,5). Auch schwere SLE-Schübe (renal oder extrarenal) waren bei fortgeführter immunsuppressiver Therapie seltener als bei früher Therapiebeendigung (5/40 [12,5%] vs. 14/44 [31,8%]; Differenz 19,3%; 95% KI: 1,3–35,7; p=0,035).

Die Nicht-Unterlegenheit einer Beendigung der Erhaltungstherapie nach 2–3 Jahren konnte somit nicht belegt werden; zusätzlich war eine frühe Therapiebeendigung mit einem erhöhten Risiko für schwere SLE-Schübe assoziiert.

Therapie der renalen Azidose I: Kein Benefit durch Veverimer

Studientelegramm 252-2023-2/3 - Eine metabolische Azidose bei Personen mit chronischer Nierenerkrankung wird trotz eingeschränkter Daten zur prognostischen Bedeutung häufig mit Bicarbonat therapiert. Bislang untersuchten Studien [167] überwiegend die Auswirkungen einer Bicarbonatsubstitution auf die eGFR bzw. Kreatinin-Clearance. Dabei zeigte sich zwar ein positiver Effekt, qualitativ hochwertige Evidenz für renoprotektive Effekte liegt allerdings nicht vor.

Als Alternativpräparat zu Bicarbonat wurde das Polyamin Veverimer entwickelt, das über eine Bindung von Salzsäure (HCl) im oberen Gastrointestinaltrakt zu einer erhöhten enteralen Säureausscheidung führt. Ob Veverimer auch einen protektiven Effekt auf renale Endpunkte hat, sollte in der randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie VALOR-CKD [168] untersucht werden. Eingeschlossen wurden 1.480 chronisch nierenkranke Personen mit einer eGFR von 20–40 mL/min/1,73 m2, die zuvor in einer Run-in-Phase auf Veverimer angesprochen hatten (d.h. adäquater Anstieg bzw. Normalisierung des Serumbicarbonats). Die Anwendung von Veverimer wirkte sich im Vergleich zu Placebo nicht auf den kombinierten primären Endpunkt (renaler Tod, Dialysepflichtigkeit oder Verminderung der eGFR um ≥40%) aus. Als eine mögliche Ursache wird diskutiert, dass die Differenz im Serumbicarbonat zwischen der Veverimer- und der Placebogruppe im Studienverlauf trotz des aufwendigen Studiendesigns geringer ausfiel als erwartet.

Die Studie wurde von Tricida, dem Hersteller von Veverimer, finanziert.

  • Titel der Pressemitteilung: Tricida Reports Topline Results from the VALOR-CKD Phase 3 Trial of Veverimer [169]

Therapie der renalen Azidose II: Kein Benefit durch Natriumbicarbonat bei Transplantierten

Studientelegramm 252-2023-3/3 - Nahezu parallel zu VALOR-CKD wurden in der multizentrischen Schweizer Preserve-Transplant-Studie die Auswirkungen einer Natriumbicarbonat-Therapie auf die Nierenfunktion von Nierentransplantierten untersucht.

Eingeschlossen wurden 242 Personen, die ≥1 Jahr nach Nierentransplantation neben einer stabilen Transplantatfunktion seit mind. 6 Monaten (bemessen am Kreatininspiegel) und einer eGFR von 15–89 mL/min/1,73 m2 auch einen niedrig-normalen bzw. erniedrigten Serumbicarbonatspiegel von ≤22 mmol/L aufwiesen. Die Teilnehmenden erhielten randomisiert über 2 Jahre entweder Natriumbicarbonat (0,5–1,5 g p.o. 3× täglich) oder ein Placebo.

In der Verumgruppe wurde zwar eine Erhöhung des Serumbicarbonatspiegels und Plasma-pH-Werts erreicht, jedoch offenbar keine Verbesserung der Transplantatfunktion: Der jährliche Abfall der eGFR (primärer Endpunkt) unterschied sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen. Ein begleitender Comment [170] ist daher pointiert mit “Six pills less” überschrieben.

Ausgabe 251 - 04. Februar 2023toggle arrow icon

“Revolutionizing Science Writing with AI: The Future of Scientific Communication”?

Studientelegramm 251-2023-1/3 - Insbesondere seit der international beachteten Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT (“Generative Pre-trained Transformer”) [172] im November letzten Jahres stellt sich die Frage nach dem richtigen Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) bei der Erstellung wissenschaftlicher Texte. Denn ChatGPT kann – je nach Anforderung – nicht nur klassisch anmutende Lyrik [173], sondern auch eloquente Diskussionen wissenschaftlicher Fragestellungen verfassen. Allerdings können darin veraltete oder gänzlich falsche Aussagen und erfundene Belege vorkommen.

Dennoch hat es ChatGPT bereits in die Autorenliste wissenschaftlicher Artikel geschafft. [174] Fachzeitschriften reagierten inzwischen durch Anpassung ihrer Regelwerke: So untersagten einige Journals die Nutzung KI-generierter Texte. [175] Auch die renommierten Fachzeitschriften des JAMA Networks ergänzten nun ihre Richtlinien entsprechend: Die Nutzung von KI sollte demnach eindeutig angegeben werden (in den Erklärungen am Ende des Artikels [Acknowledgments] bzw. im Methodenteil). Zudem obliegt die gesamte Verantwortung für die Inhalte ausschließlich der Autorenschaft (der KI oder ähnliche Technologien ausdrücklich nicht zugeordnet werden können).

Ein verantwortungsvoller Einsatz von KI mit voller Transparenz über Art und Umfang der Anwendung ist von entscheidender Bedeutung, um auch in Zukunft die Glaubwürdigkeit medizinischer Forschung und medizinischen Wissens zu schützen.

Acknowledgments: Der Titel wurde mit ChatGPT erstellt.

  • AMBOSS-Inhalte: AMBOSS-Podcast: Künstliche Intelligenz in der Medizin – Ein Einstieg | AMBOSS-Blog: Wir wollen KI-Kompetenzen stärken | Evidenzbasierte Medizin
  • Titel des Editorials: Nonhuman “Authors” and Implications for the Integrity of Scientific Publication and Medical Knowledge [176]
  • Autorenschaft: Flanagin et al.
  • Journal: JAMA

Baxdrostat – Hoffnung für die therapierefraktäre Hypertonie?

Studientelegramm 251-2023-2/3 - Das in klinischer Prüfung befindliche Medikament Baxdrostat ermöglicht erstmals eine hochselektive Hemmung der Aldosteronsynthase. Die Entwicklung einer pharmakologischen Blutdrucksenkung über diesen Ansatzpunkt wurde bisher durch die große Ähnlichkeit der Aldosteronsynthase mit der 11β-Hydroxylase, dem Schlüsselenzym der Cortisolbiosynthese, erschwert.

In dieser Woche ist die randomisierte, placebokontrollierte Phase-II-Studie “BrigHTN” publiziert worden, in der die Wirkung von Baxdrostat (2 mg, 1 mg oder 0,5 mg) bei 248 Teilnehmenden mit therapierefraktärer arterieller Hypertonie über 12 Wochen untersucht wurde. Es konnte eine dosisabhängige Reduktion des (systolischen) Blutdrucks in den Interventionsgruppen um bis zu 11 mmHg (95% KI: -16,4 bis -5,5 mmHg; p<0,001) nachgewiesen werden.

Parallel erschienen zwei lesenswerte Editorials, die zwar die Bedeutung neuer Ansätze in der Therapie der arteriellen Hypertonie hervorheben [177], jedoch auch eine kritische Analyse der Studie vornehmen [178]: Zum einen wurde durch Ausschluss von Personen mit einer eGFR <45 mL/min/1,73 m2 das Hyperkaliämie-Risiko der Behandlung vermutlich unterschätzt. Zum anderen wurde bei Anwendung der Maximaldosierung von Baxdrostat ein Abfall der eGFR um 10,7 mL/min/1,73 m2 beobachtet. Auch wenn diese Reduktion am ehesten hämodynamisch (und somit nicht nephrotoxisch) bedingt ist, erscheint sie ausgeprägter als bei anderen Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, für die ähnliche Effekte beschrieben wurden. [179] Umfangreichere Studien sind daher erforderlich, um die mögliche Rolle von Baxdrostat in der Therapie der arteriellen Hypertonie zu bewerten.

BrigHTN wurde von CinCor Pharma, dem Hersteller von Baxdrostat, unterstützt.

SGLT2-Inhibitoren + MRA = Successful Marriage?

Studientelegramm 251-2023-3/3 - Aufgrund der Etablierung von SGLT2-Inhibitoren und (zunehmend auch nicht-steroidaler) Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA) in der Inneren Medizin gewinnt die Frage an Bedeutung, wie eine kombinierte Anwendung beider Wirkstoffklassen das Wirkungs- bzw. Nebenwirkungsprofil beeinflusst. Die klinische Datenlage ist hierzu noch unzureichend und überwiegend auf klassische steroidale MRA begrenzt. Post-hoc-Analysen der klinischen Studien zum Einsatz der SGLT2-Inhibitoren Empagliflozin und Dapagliflozin bei Herz- und Niereninsuffizienz ergaben zumindest keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich einer Kombination mit MRA (EMPEROR-Reduced [181], DELIVER [182], DAPA-CKD [183]). Auch in Untersuchungen zum nicht-steroidalen MRA Finerenon zeigte sich kein Nachteil einer Kombination mit SGLT2-Inhibitoren (FIDELITY [184], siehe auch: Studientelegramm 198-2021-2/3).

Mit ROTATE-3 [185] wurde im Vorjahr die erste (kleine) gezielte Kombinationsstudie zu SGLT2-Inhibitoren und steroidalen MRA durchgeführt (siehe: Studientelegramm 234-2022-2/3). Eine kombinierte Dapagliflozin- und Eplerenon-Therapie erreichte darin bei Personen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) im Vergleich zu einem isolierten Einsatz eine stärkere Reduktion der Albuminurie bei geringerem Risiko für eine Hyperkaliämie.

Daher ist es erfreulich, dass mit CONFIDENCE eine große randomisierte Studie zur Kombinationstherapie von Finerenon und Empagliflozin bei Menschen mit CKD und Typ-2-Diabetes angekündigt wurde. Die ebenfalls randomisierte MIRACLE-Studie soll eine kombinierte Anwendung des neuartigen Mineralocorticoidrezeptor-Modulators AZD9977 und Dapagliflozin bei herzinsuffizienten Personen mit CKD untersuchen. Angesichts der geringen Studienzeiträume (6 bzw. 3 Monate) erscheint es allerdings fraglich, ob diese Phase-II-Studien eine aussagekräftige Bewertung klinischer Endpunkte erlauben werden.

Ausgabe 250 - 28. Januar 2023toggle arrow icon

DANFLU-1: Machbarkeitsstudie zur Hochdosis-Influenza-Impfung bei ≥60-Jährigen

Studientelegramm 250-2023-1/3 - Für die (jährlich empfohlene) Influenza-Impfung ≥60-Jähriger soll gemäß STIKO seit Januar 2021 ein quadrivalenter Hochdosis-Impfstoff verwendet werden. Die Empfehlung basiert auf der überlegenen Impfwirksamkeit des Hochdosis-Impfstoffs gegenüber Impfstoffen mit Standardantigendosis in höherem Alter. Insb. zur Reduktion laborbestätigter Erkrankungen besteht eine solide Evidenz. [188] Auswirkungen auf klinische Endpunkte in der (älteren) Allgemeinbevölkerung sind dagegen noch unzureichend untersucht, u.a. da derartige Analysen große Studienpopulationen erfordern. Daher entwickelte das Universitätsklinikum Kopenhagen mit DANFLU-1 eine pragmatische randomisierte Machbarkeitsstudie zur Untersuchung der relativen Effektivität des Hochdosis-Impfstoffs im Vergleich zu einem ebenfalls quadrivalenten Impfstoff mit Standardantigendosis.

Die Randomisierung wurde in die routinemäßige Impfpraxis der Influenza-Saison 2021/2022 integriert, wobei die Datenerhebung anhand nationaler Gesundheitsregister erfolgte. Eingeschlossen wurden 12.477 Personen im Alter von 65–79 Jahren.

Insg. bestätigte DANFLU-1 die Umsetzbarkeit einer registerbasierten Interventionsstudie, da die Verabreichung eines Impfstoffs entsprechend der Randomisierung zu 99,9% eingehalten wurde und auch eine nahezu vollständige Datenerhebung im Follow-up möglich war (bei 99,9% der Teilnehmenden). Darüber hinaus zeigten sich auch positive Effekte des Hochdosis-Impfstoffs auf klinische Endpunkte (Reduktion influenza- bzw. pneumoniebedingter Krankenhausaufnahmen und der Gesamtmortalität). Allerdings lag für diese Analyse keine ausreichende Teststärke (Power) vor. Darauf aufbauend wurde DANFLU-2 [189] initiiert, um in einer größeren Kohorte primär die klinischen Endpunkte zu untersuchen.

DANFLU-1 wurde von Sanofi unterstützt, dem Hersteller des Hochdosis-Influenza-Impfstoffs.

Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie der kardialen Amyloidose

Studientelegramm 250-2023-2/3 - Systemische Amyloidosen sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, bei denen sich fehlgefaltete Proteine (“Amyloid”) in verschiedenen Geweben extrazellulär ablagern. Sie können alle Organsysteme betreffen und daher vielfältige Symptome hervorrufen. In den letzten Jahren gelangen entscheidende Fortschritte in der Diagnostik (insb. der Bildgebung) und es wurden neue medikamentöse Therapieoptionen zugelassen (z.B. der Transthyretin-Stabilisator Tafamidis zur Behandlung der ATTR-Amyloidose).

Das American College of Cardiology (ACC) hat nun umfangreiche Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie der kardialen Amyloidose veröffentlicht. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist von entscheidender Bedeutung, um durch Einleitung einer geeigneten Therapie weitere Amyloidablagerungen mit Endorganschäden zu verhindern. Neueren Erkenntnissen zufolge ist jedoch von einer erheblichen Zahl verspäteter oder gänzlich fehlender Diagnosen auszugehen. Mögliche hinweisende Befunde (bspw. eine linksventrikuläre Wandverdickung ohne bestehende arterielle Hypertonie oder Herzklappenerkrankung) sowie begleitende extrakardiale Symptome (bspw. Polyneuropathie) sollten daher an eine Amyloidose denken lassen. Das Konsensusdokument bietet hierfür einen ausführlichen, strukturierten Überblick über mögliche Organmanifestationen systemischer Amyloidosen. Die gezielte Diagnostik und Therapie der kardialen Amyloidose wird in anschaulichen Algorithmen und Flowcharts zusammengefasst. Darüber hinaus wird in den Empfehlungen der hohe Stellenwert einer gut koordinierten multidisziplinären Zusammenarbeit betont (bspw. mit der Humangenetik, der Neurologie oder internistischen Disziplinen).

  • AMBOSS-Inhalte: Klassifikation systemischer Amyloidosen | Systemische Amyloidose - Therapie | Tafamidis
  • Titel der Empfehlungen: 2023 ACC Expert Consensus Decision Pathway on Comprehensive Multidisciplinary Care for the Patient With Cardiac Amyloidosis: A Report of the American College of Cardiology Solution Set Oversight Committee [191]
  • Autorenschaft: Kittleson et al.
  • Journal: Journal of the American College of Cardiology (JACC)

Next Generation Estimation? Die eGFR-Formeln des EKFC

Studientelegramm 250-2023-3/3 - Wir berichteten im Studientelegramm bereits mehrmals über Weiterentwicklungen der Formeln zur Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (“estimated glomerular filtration rate”, eGFR) ohne die umstrittene Berücksichtigung des Parameters “Race” (siehe: Studientelegramm 190-2021-1/3, Studientelegramm 172-2021-1/3). Da eine Anwendung bei der europäischen Bevölkerung allerdings zu klinisch relevanten GFR-Überschätzungen führen könnte, wurde die Entwicklung alternativer Formeln ins Gespräch gebracht (siehe: Studientelegramm 232-2022-2/3).

Das European Kidney Function Consortium (EKFC) schlug bereits 2021 mit EKFC eGFRcr [192] eine kreatininbasierte Formel vor, der eine Reskalierung des individuellen Kreatininwerts mithilfe einer Division durch den Medianwert der gesunden Bevölkerung zugrunde liegt. Dieser so adjustierte Wert gibt die proportionale Erhöhung des Serumkreatinins im Vergleich zu gesunden Menschen desselben Alters, Geschlechts sowie derselben “Race”-Zugehörigkeit an.

Nun wurde mit EKFC eGFRcys eine entsprechende Cystatin-C-basierte Formel vorgelegt, die keine Berücksichtigung des Geschlechts oder des Parameters “Race” erfordert. Der hochrangigen Veröffentlichung zufolge gelang in internationalen Studienkollektiven mit EKFC eGFRcr und eGFRcys eine genauere GFR-Schätzung als mithilfe der CKD-EPI-Formeln. Ein relevanter Vorteil der Cystatin-C-basierten Schätzung gegenüber eGFRcr ergab sich interessanterweise nicht, eine kombinierte Anwendung beider Formeln (anhand des Mittelwerts) erhöhte jedoch die Genauigkeit.

Formeln zur Abschätzung der Nierenfunktion sollten weltweit möglichst einheitlich verwendet werden, um bspw. Verzerrungen der Prävalenz der chronischen Nierenerkrankung zwischen den USA und Europa zu vermeiden. Die Einführung immer neuer Schätzformeln ist daher mit Vorsicht zu genießen. Angesichts des Bedarfs an alternativen Methoden scheint diese im NEJM publizierte Formel allerdings zumindest beachtenswert.

Ausgabe 249 - 21. Januar 2023toggle arrow icon

HDL-Cholesterin: Not only sticks and stones may break your bones

Studientelegramm 249-2023-1/3 - Ein hohes HDL-Cholesterin (HDL) galt lange als prognostisch günstig. In den letzten Jahren wurde jedoch erkannt, dass eher eine umgekehrte U-förmige Assoziation zwischen HDL und kardiovaskulärer Prognose besteht – niedriges und sehr hohes HDL sind eher ungünstig, während bei hochnormalem HDL die beste kardiovaskuläre Prognose besteht (siehe auch: Studientelegramm 227-2022-3/3). Therapieansätze zur pharmakologischen HDL-Erhöhung ergaben zudem keinen kardiovaskulären Benefit. Darüber hinaus suggerierten in den letzten Jahren einige Studien, dass hohes HDL mit einer niedrigen Knochendichte assoziiert ist.

Anhand der Studienpopulation der australischen ASPREE-Studie [194] mit insg. 16.262 Teilnehmenden (Menschen ≥70 Jahre ohne schwere Erkrankungen) wurde nun der Zusammenhang zwischen HDL-Spiegel und dem Risiko für Frakturen untersucht. Bei 1.659 Teilnehmenden trat dabei mind. eine Fraktur auf (medianes Follow-up: 4 Jahre). Insg. schien ein hohes HDL prädisponierend für Frakturen zu sein: Ein um eine Standardabweichung erhöhter HDL-Spiegel war mit einem um 14% höheren Frakturrisiko assoziiert (HR 1,14; 95% KI: 1,08–1,20). Auch nach Korrektur für mögliche Störgrößen (u.a. körperliche Inaktivität) blieb dieser Zusammenhang bestehen.

Ob eine Kausalität besteht, können Assoziationsdaten niemals final beweisen; zumindest aber unterstreichen diese Ergebnisse erneut, dass sehr hohes HDL nicht unkritisch als Marker guter Gesundheit gelten sollte.

TRANSFORM-HF: Welches Diuretikum bei Herzinsuffizienz?

Studientelegramm 249-2023-2/3 - Bei Herzinsuffizienz kommt es aufgrund einer kompensatorischen Hypervolämie mit venöser Stauung häufig zu Symptomen wie Dyspnoe und peripheren Ödemen. Für deren Behandlung werden i.d.R. Schleifendiuretika verwendet, insb. Furosemid und Torasemid. Torasemid zeichnet sich pharmakokinetisch durch eine höhere orale Bioverfügbarkeit und eine längere Halbwertszeit als Furosemid aus. Zudem werden positive Effekte von Torasemid auf zentrale pathophysiologische Faktoren der Herzinsuffizienz diskutiert, u.a. die Sympathikusaktivierung, die Aldosteronausschüttung und das ventrikuläre Remodeling. Bzgl. unterschiedlicher Auswirkungen beider Substanzen auf klinische Endpunkte gab es bisher allerdings keine ausreichende Evidenz. In kleinen Studien und Metaanalysen [196] ergaben sich lediglich Hinweise darauf, dass eine Behandlung mit Torasemid auch prognostisch vorteilhafter sein könnte.

In TRANSFORM-HF wurden nun 2.859 Personen, die aufgrund einer Herzinsuffizienz (sowohl mit erhaltener als auch reduzierter Pumpfunktion) in einem von 60 US-amerikanischen Krankenhäusern stationär behandelt wurden, unverblindet für eine Einnahme von Torasemid oder Furosemid randomisiert. Die Dosierung und Einnahmefrequenz wurden dabei durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte festgelegt (empfohlene orale Äquivalenzdosis: 1 mg Torasemid = 2–4 mg Furosemid). Während des medianen Follow-up-Zeitraums von 17,4 Monaten zeigte sich kein signifikanter Unterschied bzgl. der Gesamtmortalität (primärer Endpunkt: 26,1% in der Torasemid-Gruppe vs. 26,2% in der Furosemid-Gruppe; HR 1,02, 95% KI: 0,89–1,18; p=0,76). Auch in der Analyse der sekundären Endpunkte (u.a. Anzahl der Krankenhausaufnahmen) und zahlreicher Subgruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.

Diese Ergebnisse sind durch das unverblindete und pragmatische Studiendesign [197] sowie ungeplante Substanzwechsel und schlechte Therapieadhärenz nur eingeschränkt interpretierbar. Zusammenfassend konnte in TRANSFORM-HF jedoch kein prognostischer Vorteil von Torasemid gegenüber Furosemid nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Studie wurden auch bereits bei MARKUS@HOMe [198] diskutiert.

  • AMBOSS-Inhalte: Schleifendiuretika | Torasemid | Furosemid
  • Titel der Studie: Effect of Torsemide vs Furosemide After Discharge on All-Cause Mortality in Patients Hospitalized With Heart Failure – The TRANSFORM-HF Randomized Clinical Trial [199]
  • Autorenschaft: Mentz et al.
  • Journal: JAMA

Bempedoinsäure: New Ace against MACE?

Studientelegramm 249-2023-3/3 - Bei unzureichender Senkung des LDL-Spiegels durch Statine steht in Deutschland neben Ezetimib und PCSK9-Inhibitoren seit 2020 auch Bempedoinsäure (einzeln oder in Kombination mit Ezetimib) zur Verfügung (siehe auch: Studientelegramm 112-2020-2/3). Die Zulassung erfolgte auf Basis mehrerer Phase-III-Studien [200], die eine (zusätzliche) LDL-Senkung belegten. Ob Bempedoinsäure auch zu einer Reduktion kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität führt, blieb allerdings offen.

Diese Frage adressierte die placebokontrollierte Phase-III-Studie CLEAR Outcomes [201], deren Ergebnis nun durch den Hersteller bekanntgegeben wurde: Demnach reduzierte der Wirkstoff die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse (Major adverse cardiovascular Events, MACE) signifikant gegenüber der Vergleichsgruppe. Details der Studie werden im Frühjahr auf dem Jahreskongress des American College of Cardiology präsentiert.

CLEAR Outcomes wurde vom Hersteller der Bempedoinsäure, Esperion Therapeutics, initiiert und finanziert.

Ausgabe 248 - 14. Januar 2023toggle arrow icon

Hypocortisolismus-Diagnostik to go – Speichel-Cortison statt ACTH-Kurztest?

Studientelegramm 248-2023-1/3 - Zur Diagnostik der Nebennierenrindeninsuffizienz (NNR-Insuffizienz, Hypocortisolismus) wird standardmäßig der ACTH-Kurztest (Adrenokortikotropes Hormon) eingesetzt, bei dem der Cortisolspiegel im Serum vor und nach ACTH-Gabe bestimmt wird. Dieser muss jedoch i.d.R. in einer medizinischen Einrichtung durchgeführt werden und erfordert Blutentnahmen. Daher wurde nun in einer prospektiven monozentrischen Studie untersucht, ob auch die weniger aufwändige Bestimmung von Cortison im Speichel geeignet ist, um eine NNR-Insuffizienz zu diagnostizieren.

In die Analyse wurden 208 Personen eingeschlossen, die aufgrund eines klinischen Verdachts auf NNR-Insuffizienz einen ACTH-Kurztest erhielten. Die Teilnehmenden nahmen am Untersuchungstag unmittelbar nach dem Aufstehen selbstständig eine Speichelprobe ab. Anhand der Ergebnisse des nachfolgenden ACTH-Kurztests wurden 44% der Untersuchten als NNR-insuffizient eingestuft. Mittels ROC-Analyse (Receiver Operating Characteristics) wurde die diagnostische Genauigkeit des Speichelcortisonwerts bewertet, ein pathologisches Ergebnis im ACTH-Kurztests zu erkennen. Mit einer AUROC (Area under the ROC-Curve) von 0,95 (95% KI: 0,92–0,97) ergab sich ein überzeugendes Ergebnis. Zudem konnten Grenzwerte für den Speichelcortisonwert identifiziert werden, um eine NNR-Insuffizienz mit hoher Sensitivität (97%) ausschließen oder hoher Spezifität (97%) nachweisen zu können. Im Bereich zwischen diesen Werten (dies betraf 30% der Teilnehmenden) würde als zweiter diagnostischer Schritt ein ACTH-Kurztest folgen.

Erst die Überprüfung der Testgüte und Grenzwerte in einer unabhängigen Kohorte kann allerdings die Rolle der Speichelcortisonbestimmung in der Diagnostik der Nebennierenrindeninsuffizienz klären.

Rheumatoide Arthritis: Aktualisierte Behandlungsempfehlungen

Studientelegramm 248-2023-2/3 - Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine Autoimmunerkrankung, von der ca. 1% der Bevölkerung betroffen ist. Neben Allgemeinbeschwerden (z.B. Nachtschweiß, Myalgien), kommt es zu einer schubweisen Arthritis insb. der kleinen Fingergelenke. Bei vielen Betroffenen kommt es zu weiteren Organmanifestationen (z.B. Pleuritis, Lungenfibrose, Perikarditis/Myokarditis, Keratokonjunktivitis). Die europäische Fachgesellschaft für Rheumatologie EULAR (European League Against Rheumatism) hat nun eine Aktualisierung ihrer zuletzt 2019 überarbeiteten Empfehlungen zur Therapie der RA publiziert.

Die Behandlung soll weiterhin darauf abzielen, bei Betroffenen eine anhaltende Remission oder eine geringe Krankheitsaktivität zu erreichen. Aus diesem Grund sollte die Therapie unmittelbar nach Diagnosestellung begonnen werden. Das Mittel der ersten Wahl bleibt unverändert Methotrexat (MTX) als csDMARD (Conventional synthetic Disease-modifying anti-rheumatic Drug), sofern keine Kontraindikationen bestehen. Zu Beginn oder während der Umstellung einer Therapie sollen kurzzeitig begleitende Glucocorticoide verabreicht und so schnell wie möglich ausgeschlichen und abgesetzt werden.

Wenn das Therapieziel unter dieser Behandlung nach 3–6 Monaten nicht erreicht werden kann, sollte zunächst auf andere csDMARDs wie Leflunomid oder Sulfasalazin umgestellt werden, sofern keine ungünstigen Prognosefaktoren vorliegen (u.a. hohe Krankheitsaktivität sowie Nachweis von Rheumafaktoren oder Anti-CCP-Antikörpern). Bei ungünstigen Prognosefaktoren und/oder unzureichender Krankheitskontrolle mit csDMARDs sollte die Therapie um Biologicals, insb. TNF-α-Inhibitoren (sog. biological DMARD, bDMARD) oder JAK-Inhibitoren (sog. targeted synthetic DMARD, tsDMARD) erweitert werden. Im Vergleich zu vorherigen Empfehlungen werden die Nebenwirkungen von JAK-Inhibitoren (insb. kardiovaskuläre Ereignisse und maligne Erkrankungen) kritischer diskutiert, ein Einsatz nach Abwägung von Risikofaktoren ist aber möglich.

Pandemisch grüßt das Murmeltier: Lieferengpass von Cotrimoxazol

Studientelegramm 248-2023-3/3 - Cotrimoxazol, eine Kombination der Antibiotika Sulfamethoxazol und Trimethoprim, wird von der WHO als “essential medicine” eingestuft. Indikationen von Cotrimoxazol sind z.B. die Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (PCP), zerebrale Toxoplasmose sowie Harnwegsinfektionen (i.d.R. als Zweitlinientherapie). Auch zur antibiotischen Prophylaxe wird Cotrimoxazol in reduzierter Dosierung angewendet, bspw. bei (schwerer) Immundefizienz infolge einer HIV-Infektion oder hämatoonkologischen Erkrankung.

Allerdings ist Cotrimoxazol laut der Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte [205] (BfArM) aktuell – wie schon zu Beginn der COVID-19-Pandemie – von Lieferengpässen betroffen. Wir empfehlen daher einen erneuten Blick in die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) zum Cotrimoxazol-Versorgungsengpass aus dem Jahr 2020: Darin sind neben hämato-onkologischen Indikationen der Cotrimoxazol-Therapie (insb. zur PCP-Prophylaxe) auch Alternativpräparate zusammengestellt.

Ausgabe 247 - 7. Januar 2023toggle arrow icon

You gotta be kidney me: Empfehlungen zur kontrastmittelassoziierten Nierenschädigung

Studientelegramm 247-2023-1/3 - Seit Jahrzehnten werden die Risiken einer Gabe von iodhaltigen Röntgenkontrastmitteln (KM) für eine akute Nierenschädigung, die hierdurch verzögerte Diagnostik bei Personen mit Kreatininerhöhung und prophylaktische Maßnahmen kontrovers diskutiert. In den letzten Jahren zeigte sich, dass das Risiko einer Nierenfunktionsverschlechterung nach KM-Gabe allenfalls gering ist. Aus diesem Grund wurde die “Kontrastmittelinduzierte Nierenschädigung” zur “Kontrastmittelassoziierten Nierenschädigung” umbenannt. Von einer Verzögerung notwendiger bildgebender Diagnostik mit KM bei Personen mit erhöhten Kreatininwerten wird daher zunehmend Abstand genommen (siehe auch: Studientelegramm 81-2019-3/4).


In einer viel beachteten radiologisch-nephrologischen Leitlinie aus Kanada wurden nun neue, pragmatische Empfehlungen formuliert. Wesentliche Ratschläge:

  • Ein Screening der eGFR vor einer KM-Gabe ist bei ambulant behandelten Personen nur bei anamnestisch bekannter Nierenerkrankung notwendig.
  • Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion soll iodhaltiges KM bei gegebener Indikation nicht vorenthalten werden.
  • Bei Notfällen soll die Bestimmung der eGFR die notwendige Diagnostik nicht verzögern.
  • Personen mit dialysepflichtiger chronischer Nierenerkrankung können unabhängig von der Restausscheidung KM erhalten, ohne dass anschließend das Dialyse-Schema geändert werden muss.
  • Eine prophylaktische Hydrierung soll nur bei einer eGFR ≤30 mL/min/1,73 m2 und insb. bei arterieller KM-Gabe erwogen werden.
  • Eine Prophylaxe mit N-Acetylcystein (ACC) oder Statinen wird nicht empfohlen.
  • RAAS-Inhibitoren oder Diuretika sollen im Gegensatz zu Metformin bei Personen mit einer eGFR ≤30 mL/min/1,73 m2 nicht pausiert werden.
  • Eine Routinekontrolle des Serumkreatinins wird nur nach intraarterieller KM-Gabe bei Personen mit einer eGFR ≤30 mL/min/1,73 m2 empfohlen.

Mind the Gap: Screeningparameter für das Multiple Myelom?

Studientelegramm 247-2023-2/3 - Das Multiple Myelom (MM) führt häufig zu renalen Komplikationen, insb. der Cast-Nephropathie. Bei MM lassen sich – im Gegensatz zu glomerulären Nierenerkrankungen – im Urin neben Albumin auch die Leichtketten abnormaler monoklonaler Antikörper nachweisen (Bence-Jones-Proteinurie).

Eine kanadische Arbeitsgruppe stellte daher nun die Theorie auf, dass sich die Differenz von Gesamtprotein-Kreatinin-Quotient und Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin bei einer Bence-Jones-Proteinurie erhöhen müsste, und untersuchte, ob sich diese sog. Protein-Albumin-Lücke als Screeningparameter für ein MM eignet. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden dazu Registerdaten der erwachsenen Bevölkerung des Bundesstaates Ontario im Zeitraum von 2009 bis 2021 bzgl. einer Assoziation zwischen der Protein-Albumin-Lücke im Urin und der anschließenden Diagnose eines MM ausgewertet.

Bei 116 von 28.231 eingeschlossenen Personen wurde ein MM diagnostiziert, im Median 31 Tage nach der Urindiagnostik. Tatsächlich korrelierte in der Gesamtkohorte die Protein-Albumin-Lücke mit der Diagnose eines MM. In der Subpopulation mit stark erhöhter Proteinurie (Gesamtprotein-Kreatinin-Quotient >50 mg/mmol) war dieser Zusammenhang verstärkt (adjustierte HR bei Protein-Albumin-Lücke 57,6–111,8 mg/mmol: 3,94, 95% KI: 1,29–11,97; adjustierte HR bei Protein-Albumin-Lücke >111,8 mg/mmol: 10,97, 95% KI: 3,85–31,25), bei geringerer Proteinurie dagegen nicht nachweisbar. Wurden diese Schwellen jedoch als Grenzwerte für ein Screening verwendet, ergaben sich keine überzeugende Sensitivität und Spezifität.

Die Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass eine große Protein-Albumin-Lücke im Urin bei stark erhöhter Proteinurie an ein MM denken lassen sollte, als Screeningparameter aber nicht regelhaft verwendet werden kann.

The Winner is … : STOP ACEi

Studientelegramm 247-2023-3/3 - Gemeinsam mit dem Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie hat MARKUS@HOMe die wichtigsten nephrologischen Studien 2022 ausgewählt und in zwei YouTube-Videos diskutiert. [28] Als relevanteste Studie gilt STOP ACEi, die daher zu Jahresbeginn nochmals besondere Aufmerksamkeit verdient.

STOP ACEi untersuchte die Frage, ob bei fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung (CKD) das Absetzen einer Therapie mit ACE-Hemmern oder AT1-Rezeptor-Blockern zu einer temporären Verbesserung der Nierenfunktion führt (durch Aufhebung der hämodynamisch bedingten GFR-Reduktion) und die Betroffenen somit länger von der Dialyse fernhalten könnte. Das Ergebnis war eindeutig: Anders als häufig klinisch erhofft, führt das Absetzen von RAAS-Inhibitoren im Vergleich zum Fortführen der Medikation nicht zu einer besseren Nierenfunktion. Da numerisch mehr kardiovaskuläre Ereignisse in der Gruppe auftraten, die RAAS-Inhibitoren absetzten, erscheint diese Maßnahme zumindest bei Personen mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko möglicherweise sogar kontraproduktiv.

Eine kritische Diskussion dieser Studie sowie der anderen Top-10-Studien findet sich auf dem YouTube-Kanal MARKUS@Home unter Nephrologie 2022 (I) und Nephrologie 2022 (II). [209][210]

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