Zusammenfassung
Der Begriff Kardiomyopathie bezeichnet eine muskuläre Dysfunktion des Herzens, die durch eine elektrische und/oder mechanische Störung des Myokards bedingt und häufig mit einer Dilatation oder Hypertrophie des Herzmuskels verbunden ist. Die Kardiomyopathie kann primär (z.B. genetisch) bedingt sein oder sekundär (z.B. als Folge von Virusinfekten, toxischen Einflüssen) auftreten. Man unterscheidet vier morphologische Erscheinungsformen sowie eine nicht-klassifizierbare Form.
Die dilatative Form ist die häufigste Kardiomyopathie, entsteht idiopathisch oder sekundär (vor allem nach viraler Myokarditis) und zeichnet sich durch einen Kontraktionsverlust des Arbeitsmyokards aus. Dies führt zu einer Herzinsuffizienzsymptomatik mit Vor- und Rückwärtsversagen.
Als eine weitere wichtige Unterform ist die hypertrophe (obstruktive) Kardiomyopathie abzugrenzen, die eine der häufigsten kardial bedingten Todesursachen beim jungen Menschen darstellt. Hierbei kommt es zu einer Hypertrophie des Myokards, die aber eine verminderte diastolische Dehnbarkeit nach sich zieht. Je nachdem, ob die linksventrikuläre Ausflussbahn durch die Hypertrophie eingeengt wird oder nicht, unterscheidet man die obstruktive von der nicht-obstruktiven Form.
Als dritte Unterform ist die seltene restriktive Kardiomyopathie abzugrenzen, die sich durch eine verminderte diastolische Erschlaffung der Herzkammern auszeichnet und somit zu einem Rückstau des Blutes in die Vorhöfe und vor dem Herzen führt.
Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie ist die vierte Unterform und stellt eine weitere mögliche Ursache eines plötzlichen Herztodes bei jungen Erwachsenen dar. Hier kommt es aber im Gegensatz zur hypertrophen Kardiomyopathie zu einem Zelluntergang des rechtsventrikulären Myokards, woraus eine Herzmuskelschwäche und eine Dilatation des rechten Ventrikels folgen. Durch die veränderte Anatomie kommt es zu Störungen der Erregungsausbreitung, die insbesondere zu ventrikulären Herzrhythmusstörungen und Kammerflimmern führen können.
Weiterhin werden die Kardiomyopathien nach ihrer Ursache eingeteilt. Hier gibt es unterschiedliche Klassifikationen (WHO, American Heart Association), die sich hinsichtlich der Einteilung in primäre (genetisch, gemischt oder erworben) und sekundäre bzw. spezifische (Speicherkrankheiten, toxisch, endokrin u.a.) Formen unterscheiden. Klinisch ist es letztendlich entscheidend, dass eine eruierbare Ursache (wenn möglich) kausal behandelt werden sollte, wohingegen idiopathische Kardiomyopathien lediglich symptomatisch therapiert werden können.
Übersicht über die morphologischen Kardiomyopathieformen
Kardiomyopathie | Pathophysiologie | Klinik | EKG/Echokardiografie | Besonderheiten |
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Dilatative Kardiomyopathie |
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Hypertrophe Kardiomyopathie |
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Restriktive Kardiomyopathie |
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Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie |
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Sonstige unklassifizierte Kardiomyopathien |
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Restriktive Kardiomyopathie
- Epidemiologie: Sehr seltene Erkrankung
- Pathophysiologie: Minderung der ventrikulären Elastizität während der Diastole durch Vermehrung von Bindegewebe → Füllung der Ventrikel in der Diastole↓ → Blutstau in den Vorhöfen → Vergrößerte Vorhöfe
- Ätiologie
- Myokardiale Form: Idiopathisch oder im Rahmen von Systemerkrankungen (wie Sklerodermie, Amyloidose, Sarkoidose, Hämochromatose)
- Endokardiale Form: Karzinoid-Syndrom, eosinophile Endokarditis (Löffler-Endokarditis)
- Klinik
- Herzinsuffizienz mit Dyspnoe und Stauungszeichen
- Tachykardie
- Ähnlich einer konstriktiven Perikarditis („Panzerherz“)
- Diagnostik
- Echokardiografie: Große, dilatierte Vorhöfe; Ventrikelvolumen normal, evtl. mit nachweisbarer Wandverdickung; Ejektionsfraktion (nahezu) normal bei reduzierter diastolischer Füllung
- Rechts- und Linksherzkatheteruntersuchung mit Druckmessung
- Evtl. Myokardbiopsie zur Ursachenbestimmung
- Therapie
- Soweit möglich, sollte die Grunderkrankung aggressiv therapiert werden, um ein Fortschreiten der Herzinsuffizienz zu verhindern
- Frühe symptomatische Therapie der Herzinsuffizienz: Diuretika, ACE-Hemmer, Betablocker
- Ultima ratio: Herztransplantation
Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
- Epidemiologie: Vor allem junge Erwachsene betroffen (autosomal-dominant mit unvollständiger Penetranz)
- Pathophysiologie
- Rechtsventrikulärer Zelluntergang → Ausdünnung der Ventrikelwand → Dilatation des rechten Ventrikels → Ventrikuläre Rhythmusstörungen
- Klinik: Sehr variabel
- Rechtsherzinsuffizienz
- Belastungsinduzierte ventrikuläre Tachykardie oft Erstsymptom
- Diagnostik
- Familienanamnese: Plötzliche Herztode bei Verwandten?
- EKG: Repolarisationsstörungen in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1–3) → Charakteristisch, aber selten nachweisbar, ist dabei eine Epsilonwelle am Ende eines verbreiterten QRS-Komplexes, evtl. Rechtsschenkelblock
- Echokardiografie und evtl. rechtsventrikuläre Angiografie: Explizite Suche nach lokalen Wandbewegungsstörungen des rechten Ventrikels (Normalbefunde schließen eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie nicht aus)
- MRT und evtl. Myokardbiopsie zum Nachweis der Fetteinlagerungen
- Therapie
- Vermeidung von Sport/Überanstrengung
- Antiarrhythmische Medikation (Betablocker)
- ICD-Implantation
Sonstige unklassifizierte Kardiomyopathien
Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
- Synonyme: „broken-heart-syndrome“, transient left ventricular apical ballooning syndrome
- Kurzbeschreibung: Akute, reversible Dysfunktion des linken Ventrikels bedingt durch intensiven emotionalen oder physischen Stress
- Epidemiologie
- In >90% der Fälle: Ältere, postmenopausale Frauen
- Bei 1–2% aller Patienten mit V.a. STEMI
- Klinik: Symptome wie bei akutem Koronarsyndrom und kardialer Dekompensation
- Diagnostik
- EKG
- ST-Hebungen (wie STEMI) in 44% der Fälle
- ST-Senkungen in <10% der Fälle
- Nach 12–24 h: T-Inversionen und QT-Verlängerung >500 ms
- Labor: Oft nur leichte Troponinerhöhung
- Echokardiografie
- Vorwiegend apikale Akinesie, hierdurch bedingte Ballonierung der Herzspitzenregion
- Wandbewegungsstörung passt nicht zu einem typischen Versorgungsgebiet einer Koronararterie
- Reduzierte Ejektionsfraktion
- Herzkatheteruntersuchung
- Koronarangiografie häufig unauffällig (keine Koronarstenosen bzw. Gefäßverschluss)
- Ggf. Ventrikulografie zur Diagnosesicherung
- EKG
- Therapie
- Betablocker
- Symptomatische Therapie wie bei Herzinsuffizienz
- Komplikationen: 50% der Patienten erleiden kardiovaskuläre Komplikationen
- Prognose
- I.d.R. günstig; spontane Erholung bei „Stressfreiheit“ möglich (Stunden–Wochen)
- Bei hospitalisierten Patienten mit kardiovaskulären Komplikationen: Mortalität ähnlich STEMI (4–5%)
Non-compaction-Kardiomyopathie
- Synonym: Isolated left-ventricular non-compaction
- Definition: Seltene, angeborene Kardiomyopathie, die mit einer gestörten Morphologie des linksventrikulären Myokards (prominente Trabekularisierung und tiefe intertrabekuläre Recessus) einhergeht
- Klinik: Herzinsuffizienz, Arrhythmien, Thrombembolien
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
I42.-: Kardiomyopathie
- Exklusive: Ischämische Kardiomyopathie (I25.5); Kardiomyopathie als Komplikation bei: Schwangerschaft (O99.4), Wochenbett (O90.3)
- I42.0: Dilatative Kardiomyopathie
- Kongestive Kardiomyopathie
- I42.1: Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie
- Hypertrophische Subaortenstenose
- I42.2: Sonstige hypertrophische Kardiomyopathie
- Hypertrophische nichtobstruktive Kardiomyopathie
- I42.3: Eosinophile endomyokardiale Krankheit
- I42.4: Endokardfibroelastose
- Angeborene Kardiomyopathie
- I42.5: Sonstige restriktive Kardiomyopathie
- Obliterative Kardiomyopathie o.n.A.
- I42.6: Alkoholische Kardiomyopathie
- I42.7: Kardiomyopathie durch Arzneimittel oder sonstige exogene Substanzen
- I42.8-: Sonstige Kardiomyopathien
- I42.80: Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie [ARVCM]
- I42.88: Sonstige Kardiomyopathien
- I42.9: Kardiomyopathie, nicht näher bezeichnet
- Kardiomyopathie (primär) (sekundär) o.n.A.
I43.-:* Kardiomyopathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- I43.0*: Kardiomyopathie bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
- Kardiomyopathie bei Diphtherie (A36.8†)
- I43.1*: Kardiomyopathie bei Stoffwechselkrankheiten
- Kardiale Amyloidose (E85.-†)
- I43.2*: Kardiomyopathie bei alimentären Krankheiten
- Alimentäre Kardiomyopathie o.n.A. (E63.9†)
- I43.8*: Kardiomyopathie bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.