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Polyneuropathie

Letzte Aktualisierung: 20.11.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Unter Polyneuropathien (PNP) versteht man Erkrankungen des peripheren Nervensystems, bei denen mehrere Nerven und/oder Nervenwurzeln unterschiedlicher Qualitäten durch eine systemische Störung geschädigt werden. Sie umfassen also neben Polyneuropathien im engeren Sinne auch Polyradikulopathien und kombinierte Polyneuroradikulopathien. Der Begriff „Polyneuropathie“ bezeichnet keine einheitliche Diagnose. Es handelt sich vielmehr um eine Gruppe klinisch ähnlicher Syndrome mit pathobiologischen Gemeinsamkeiten. Die möglichen Ursachen sind sehr vielfältig. Klinisch äußern sich die meisten Polyneuropathien mit langsam progredienten, distal an den Extremitäten (i.d.R. zuerst an den unteren Extremitäten) beginnenden, symmetrischen, sensiblen und im Verlauf auch motorischen Defiziten. Es existieren allerdings zahlreiche Ausnahmen von diesem häufigsten Muster. Die klinische Diagnose einer Polyneuropathie wird durch neurophysiologische Diagnostik untermauert, mit der sich die Art und das Ausmaß der Nervenschädigung genauer charakterisieren lassen. Die Prognose und insb. die Beantwortung der Frage nach einer möglichen Reversibilität der Schädigung hängt maßgeblich von diesen Informationen ab. Zur kausalen Therapie muss die zugrunde liegende Pathologie erkannt und, wenn möglich, behandelt werden. Die symptomatische Therapie erfordert in vielen Fällen eine Physiotherapie und/oder ggf. neuropathische Schmerztherapie.

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Definitiontoggle arrow icon

  • Polyneuropathie: Klinisches Erscheinungsbild einer ausgebreiteten , systemisch bedingten Schädigung peripherer Nerven
    • Polyneuritis: Polyneuropathie mit explizit entzündlicher Genese
  • Polyneuroradikulopathie: Klinisches Erscheinungsbild einer ausgebreiteten , systemisch bedingten Schädigung des peripheren Nervensystems mit Schwerpunkt auf den Nervenwurzeln
  • Polyradikulopathie: Schädigung mehrerer Nervenwurzeln, die sich zwar auf die Funktion der daraus hervorgehenden peripheren Nerven auswirken kann, die peripheren Nerven aber nicht direkt betrifft
  • Mononeuropathia multiplex (Polyneuropathie vom Multiplex-Typ): Polyneuropathie oder Polyneuroradikulopathie mit einzelnen stark betroffenen Nerven bei schwächerer oder fehlender Beeinträchtigung benachbarter Nerven [2]
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Epidemiologietoggle arrow icon

Polyneuropathien insgesamt sind die häufigsten Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Mit einem Anteil von 30–50% ist die diabetische Polyneuropathie die häufigste Form. [2][3][4]

  • Prävalenz: 5–8% in der erwachsenen Bevölkerung [5][6]
  • Inzidenz: Ca. 77/100.000 Personen über 18 Jahre, mit dem Alter zunehmend [7]
    • 50–54 J.: 60/100.000
    • 75–79 J.: 300/100.000

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Die möglichen Ursachen der Polyneuropathien sind vielfältig, allerdings ist ihre Häufigkeitsverteilung sehr ungleichmäßig. So sind in westlichen Ländern Diabetes mellitus und chronischer Alkoholkonsum die mit Abstand häufigsten zugrunde liegenden Erkrankungen. [1][2]

Metabolisch/endokrin

Toxisch

Hereditär

Inflammatorisch

Infektiös

Paraproteinämisch/paraneoplastisch [10]

Neoplastisch

Idiopathisch

  • Polyneuropathie ohne erkennbare oder nachweisbare Ätiologie trotz ausführlicher Abklärung
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Pathophysiologietoggle arrow icon

Entsprechend dem breiten ätiologischen Spektrum können sehr viele verschiedene pathophysiologische Prozesse zur polyneuropathischen Schädigung führen. Auf der Endstrecke der verschiedenen möglichen Entstehungsprozesse der Polyneuropathien kommt es zur primär demyelinisierenden oder primär axonalen Nervenschädigung, die die klinischen Symptome hervorrufen. Beide können zu Beginn der klinisch-symptomatischen Erkrankungsphase vergleichsweise isoliert vorliegen (primär demyelinisierende oder primär axonale Polyneuropathie), parallel existieren (gemischte Polyneuropathie) oder im Krankheitsverlauf ineinander übergehen. [1][2]

Demyelinisierende Polyneuropathie [12]

Bei einer demyelinisierenden Polyneuropathie werden die Axone selbst anfänglich nicht geschädigt, weshalb eine Ausheilung durch Remyelinisierung abhängig vom Erkrankungsstadium grundsätzlich möglich ist.

  • Langstreckige Myelinschädigung: Myelinopathie
    • Schädigung der die Axone umgebenden Myelinschichten peripherer Nerven: Verlust eines Teils der Myelinschichten über einen längeren Nervenabschnitt
    • Verringerung des elektrischen Widerstands und Verlangsamung der saltatorischen Erregungsleitung entlang der betroffenen Nervenabschnitte
    • Längenabhängige Ausprägung der klinischen Symptome: Die längsten peripheren Nerven (i.d.R. zu den Beinen) sind am deutlichsten bzw. als erstes betroffen
    • Zunächst unveränderte Gesamtzahl der erregbaren Axone
  • Multifokale kurzstreckige Myelinschädigungen: Leitungsblöcke
    • Höhergradige Myelinschädigungen als bei langstreckiger Myelinopathie: Fokal begrenzter hochgradiger Verlust der Isolationswirkung des Myelins
    • Effektive Unterbrechung der Reizweiterleitung über die Myelinläsionen hinweg

Eine geringgradige Demyelinisierung über einen langen Nervenabschnitt führt zu einer Verlängerung der Leitungszeit (welche mit fortschreitender Demyelinisierung weiter zunimmt). Eine komplette Demyelinisierung auf kurzer Strecke führt hingegen zur effektiven Unterbrechung der Reizweiterleitung!

Axonale Polyneuropathie [12]

Bei einer axonalen Polyneuropathie werden primär die Axone selbst geschädigt, weshalb eine Ausheilung mangels ausreichender Regenerationsfähigkeit der Neurone grundsätzlich kaum möglich ist. Als Therapieziel steht daher i.d.R. die Verhinderung des Krankheitsfortschritts im Vordergrund.

  • Axonopathie: Schädigung der innenliegenden Axone peripherer Nerven
    • Verlust der Fähigkeit zur Generierung und Weiterleitung von Aktionspotenzialen entlang axonaler Membranen trotz erhaltener Myelinisierung
    • Sinkende Gesamtzahl der erregbaren Axone
    • Zunächst unveränderte Geschwindigkeit der Reizweiterleitung

Demyelinisierung und axonale Schädigung können parallel existieren (gemischte Polyneuropathie) bzw. ineinander übergehen! So können primär demyelinisierende Polyneuropathien bei anhaltender Ursache oder ohne effektive Regeneration des Myelins eine sekundäre axonale Degeneration nach sich ziehen, weil dauerhaft demyelinisierte Axone letztlich ebenfalls untergehen.

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Symptomatiktoggle arrow icon

Einteilung nach betroffenen Qualitäten [1][2]

Grundsätzlich kann zwischen der sensiblen und der sensomotorischen Polyneuropathie, jeweils mit oder ohne Beteiligung des vegetativen Nervensystems, unterschieden werden. Eine Polyneuropathie tritt nur in selteneren Fällen mit rein motorischen bzw. überwiegend motorischen Symptomen in Erscheinung.

Sensible (afferente) Symptome [13]

Motorische (efferente) Symptome [13]

Vegetative Symptome (Auswahl) [15]

Störungen des Vibrationsempfindens, der Temperaturwahrnehmung und herabgesetzte Eigenreflexe (insb. Achillessehnenreflex) gehen insb. bei diabetischer Polyneuropathie den weiteren möglichen Symptomen häufig voraus!

Einteilung nach anatomischem Verteilungsmuster [2]

Den verschiedenen PNP-Verteilungsmustern sind im Folgenden charakteristische Grunderkrankungen beispielhaft zugeordnet. Diese treten zwar häufig, aber keineswegs ausschließlich im genannten Muster auf.

Symmetrisches Verteilungsmuster

Asymmetrisches Verteilungsmuster [13]

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Diagnostiktoggle arrow icon

Die Diagnose einer Polyneuropathie wird klinisch gestellt und durch elektrophysiologische Untersuchungen unterstützt . Die Diagnostik sollte strukturiert nach bestimmten Gesichtspunkten erfolgen. [13]

  • Syndromatische Zuordnung der PNP: Feststellung und Beschreibung des Polyneuropathie-Syndroms
    1. Klinische Feststellung des Polyneuropathie-Syndroms
      • Betroffene Qualitäten?
      • Anatomisches Verteilungsmuster?
      • Vegetative Mitbeteiligung?
      • Beginn und zeitliche Dynamik?
      • Ausmaß der Behinderung?
      • Risikofaktoren?
    2. Elektrophysiologische Bestimmung des Schädigungsmusters
      • Demyelinisierende vs. axonale Schädigung?
      • Ausmaß/Prognose der elektrophysiologischen Funktionsstörung?
    3. Evtl. zusätzliche vegetative Funktionstestungen
  • Ätiologische Abklärung der PNP: Diagnostik zugrunde liegender Erkrankungen
    1. Abklärung häufigster Polyneuropathie-Ursachen
    2. Evtl. Suche nach selteneren Polyneuropathie-Ursachen
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Syndromatische Zuordnungtoggle arrow icon

Klinische Diagnostik

Anamnese [13]

  • Beginn und Dynamik
    • Wie lange bestehen die Beschwerden?
    • Schleichender oder akuter Beginn? Ggf. infolge einer Infektionskrankheit?
    • Fluktuation der Beschwerden? Treten sie evtl. schubweise auf?
  • Beschreibung der Beschwerden und Symptome
    • Liegen neuropathische Schmerzen vor? Wenn ja, in welcher Qualität, Intensität und Lokalisation?
    • Ist Gehen in der Dunkelheit noch möglich?
    • Bestehen Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder Aufstehen aus der Hocke?
    • Liegen Einschränkungen der Feinmotorik vor?
    • Kam es zu unbemerkten Bagatellverletzungen insb. der Füße?
    • Kam es bereits zu Stürzen?
    • Bei Angabe von Schwindel siehe auch: Schwindel - Anamnese
  • Expositionsanamnese
    • Liegt ein erhöhter und/oder chronischer Alkoholkonsum vor?
    • Medikamentenanamnese, insb. Frage nach (früherer) Einnahme potenziell neurotoxischer Medikamente
    • Bestand/Besteht Umgang mit Gift- oder Gefahrstoffen?
  • Familienanamnese: Familienmitglieder mit ähnlichen Beschwerden oder einer bekannten Polyneuropathie?
  • Medizinische Vorgeschichte (systemische Anamnese), insb. Frage nach

Viele Polyneuropathie-Betroffene klagen primär über Schwindel, was nicht zur unnötigen Verzögerung der korrekten Diagnosestellung führen sollte!

Polyneuropathien sind häufig, sodass polyneuropathische Symptome nicht selten mit anderen neurologischen Symptomen vermischt sind; zur Unterscheidung ist eine möglichst genaue Kenntnis der neurologischen Vorgeschichte sehr wichtig!

Klinisch-neurologische Untersuchung [13]

Zur Diagnostik einer Polyneuropathie gehört eine vollständige neurologische Untersuchung, mindestens jedoch eine orientierende neurologische Untersuchung aller Funktionssysteme, um angrenzende Krankheitsbilder oder entscheidende Zusatzsymptome (z.B. Hirnnervenausfälle) zu erkennen. Im Folgenden sind die Funktionssysteme aufgeführt, die in jedem Fall fokussiert untersucht werden müssen.

Sensibilitätsprüfung, Reflexstatus

Untersuchung der Motorik

Zentral-motorische Symptome (z.B. Tonussteigerung, Halbseitensymptome, Reflexsteigerung) sollten nicht vorhanden bzw. als eindeutig vorbestehend bekannt sein!

Stand- und Gangprüfung

Orientierende vestibuläre und zerebelläre Untersuchung

Die orientierende vestibuläre und zerebelläre Untersuchung dient insb. der Einordnung der evtl. Beschwerde Schwindel sowie bei motorischen Symptomen dem Ausschluss anderer wichtiger Ursachen für eine Standataxie und/oder Gangataxie.

Insb. bei Angabe von Schwindel sollte eine unauffällige vestibuläre und zerebelläre Untersuchung vorliegen!

Klinisch-syndromatische Zuordnung

Anhand der anamnestischen Informatioen und der klinischen Untersuchungsbefunde lassen sich fünf typische Polyneuropathieformen unterscheiden, die eine erste grobe ätiologische Einordnung ermöglichen. Im Folgenden sind die wichtigsten Charakteristika dieser Formen aufgeführt: [13][21]

  1. Langsam fortschreitende, distal-symmetrische, vorwiegend sensible Polyneuropathie
    • Häufigster Subtyp
    • Wahrscheinlichste Ursachen: Stoffwechselerkrankungen (insb. Diabetes mellitus), chronischer Alkoholkonsum, neurotoxische Medikamente (z.B. Chemotherapeutika)
  2. Polyneuropathie mit raschem Beginn, oft deutlicher Progredienz und/oder proximaler Beteiligung
    • Eher seltener, aber dringlich bzw. notfallmäßig zu behandelnder Subtyp
    • Klinische Merkmale einer erworbenen immunvermittelten Polyneuropathie (insb. Guillain-Barré-Syndrom)
  3. Polyneuropathie mit multifokalen Symptomen, neuropathischen Schmerzen und autonomer Dysfunktion, häufig rasch fortschreitend
  4. Sensibel-ataktische Neuropathie
  5. Langsam fortschreitende Polyneuropathie mit Muskelatrophien und Fußdeformitäten

Weiterführende Diagnostik

Neurophysiologische Diagnostik [12][13][21][22]

Die neurophysiologische Diagnostik unterstützt die klinische Diagnose und beantwortet die Frage, ob eine demyelinisierende oder eine axonale Schädigung vorliegt und welches Ausmaß diese hat.

Elektroneurografie (ENG)

  • Fragestellung
    • Sind die klinisch betroffenen Nerven in ihrer elektrophysiologischen Funktion geschädigt und wenn ja, wie sehr?
    • Sind sensible und/oder motorische Nerven betroffen?
    • Liegt eine axonale oder eine demyelinisierende Nervenschädigung vor?
  • Untersuchung
    • Mind. der klinisch betroffenen sensiblen und motorischen Nerven
    • Idealerweise Durchführung einer elektroneurografischen Standarduntersuchung an beiden Beinen und Armen
Elektroneurografische Standarduntersuchung bei V.a. Polyneuropathie [13]
Parameter Messungen
Motorische Neurografie
Sensible Neurografie

Die (sensitive) Messung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit sollte an der unteren Extremität an N. suralis und N. fibularis superficialis, an der oberen Extremität an N. medianus und N. ulnaris erfolgen. Diese Nerven sind der Messung leicht zugänglich und i.d.R. früh betroffen (insb. N. suralis und N. fibularis superficialis)!

Elektromyografie (EMG)

Die Elektromyografie liefert Hinweise auf Vorhandensein und Ausmaß einer sekundären, neurogenen Muskelschädigung.

  • Indikation: Bei klinischen motorischen Defiziten oder bei Auffälligkeiten in der motorischen Neurografie ohne eindeutige klinische motorische Defizite [13]
  • Fragestellung
    • Hat ein motorischer Nervenschaden zu sekundären Muskelschäden geführt?
    • Wenn ja, wie groß ist deren Ausmaß?
  • Untersuchung: Mind. der klinisch betroffenen Kennmuskeln

Typische neurophysiologische Untersuchungsbefunde

Polyneuropathie – Übersicht typischer elektrophysiologischer Untersuchungsbefunde bei axonaler und demyelinisierender Schädigung
Schädigungsmuster Elektroneurografie (ENG) Elektromyografie (EMG) Beispielerkrankungen
Demyelinisierende Polyneuropathie
  • Reduzierte Nervenleitgeschwindigkeit (NLG)
  • Fast unveränderte Amplitude der Muskelsummenaktionspotenziale (MSAP), reduzierte Amplitude der sensiblen Nervenaktionspotenziale (SNAP)
  • Meist unauffälliger Befund

Axonale Polyneuropathie

  • Reduzierte Amplituden der Muskelsummenaktionspotenziale (MSAP) und der sensiblen Nervenaktionspotenziale (SNAP)
  • Mitunter leicht reduzierte Nervenleitgeschwindigkeit (NLG)
  • Frühphase (akuter Schaden vor Beginn der Reinnervation): Pathologische Spontanaktivität in Form positiver scharfer Wellen
  • Bei chronischem Schaden (mit Reinnervation der Muskulatur)
    • Erhöhte Amplitude der Potenziale motorischer Einheiten (PmE)
    • Verlängerte Dauer und vermehrte Phasendurchgänge (Polyphasie ab >3) der PmE
    • Nachweis von Satellitenpotenzialen
    • Nachweis von Faszikulationspotenzialen und komplexen repetitiven Entladungen
    • Gelichtetes Interferenzmuster

Insb. bei hereditären Polyneuropathien besteht oft eine große Diskrepanz zwischen deutlich pathologischen elektrophysiologischen Befunden und ggf. (noch) milden Beschwerden und klinischen Symptomen!

Vegetative Funktionstestungen

Bei klinischen Hinweisen auf eine (insb. distal-sensible und/oder schmerzhafte) Polyneuropathie ohne elektrophysiologischen Nachweis können quantitative sensorische und autonome Funktionsprüfungen (z.B. Sudometrie) sehr hilfreich sein, um eine Small-Fiber-Polyneuropathie zu diagnostizieren und sogar die früher übliche Biopsie überflüssig zu machen!

Vollständige syndromatische Zuordnung

  • Vollständige Zuordnung nach Anamnese, Untersuchung und Elektrophysiologie inkl. folgender Informationen
    • Zeitliche Dynamik
    • Lokalisation
    • Betroffene Qualität(en)
    • Schädigungsmuster
  • Beispiele
    • Langsam-progrediente, distal-symmetrische und beinbetonte, führend sensible sensomotorische, demyelinisierende Polyneuropathie
    • Rasch-progrediente, auch proximal ausgeprägte, schlaff-tetraparetische sensomotorische, demyelinisierende Polyneuroradikulopathie mit Reflexausfällen

Bei einem akut aufgetretenen und rasch-progredienten polyneuropathischen Syndrom muss ein mögliches Guillain-Barré-Syndrom immer vorrangig bedacht bzw ausgeschlossen werden! (Siehe auch: Guillain-Barré-Syndrom - Diagnostik)

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Ätiologische Abklärungtoggle arrow icon

Die Diagnose der PNP-Ursachen gelingt nach syndromatischer Zuordnung über die stufenweise Abklärung der für das PNP-Syndrom wahrscheinlichsten Ätiologien. Dazu werden immer Blut- und Urinuntersuchungen sowie häufig zur Erstabklärung auch eine Liquordiagnostik benötigt. In Einzelfällen können molekulargenetische Untersuchungen, Nerv-Muskel-Biopsie oder Hautbiopsie sowie weiterführende Blutuntersuchungen erforderlich sein.

Grundlegende Blutuntersuchung [13]

Urindiagnostik

  • Suche nach Bence-Jones-Proteinurie
  • Ggf. Suche nach toxischen Substanzen

Liquordiagnostik [13]

Die Liquordiagnostik ist kein Standardbestandteil der Abklärung von Polyneuropathien, sondern kommt zum Einsatz, wenn entweder keine anderweitigen wegweisenden Befunde erhoben werden konnten oder wenn der V.a. eine Erkrankung mit typischem liquordiagnostischen Befund besteht (z.B. Guillain-Barré-Syndrom).

Für eine evtl. spätere Erweiterung der Diagnostik sollten zusätzliche Serum- und Liquorproben asserviert werden!

Spezielle Labordiagnostik in Serum und ggf. Liquor [13]

Die spezielle Labordiagnostik kommt zum Einsatz, wenn der V.a. eine entzündlich und möglicherweise infektiös bedingte Polyneuropathie besteht oder wenn in einer vorangegangenen Liquoruntersuchung eine Pleozytose oder eine zytoalbuminäre Dissoziation nachgewiesen wurde.

Erweiterte Diagnostik [13][23]

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Charakteristika spezieller Polyneuropathien (Auswahl)toggle arrow icon

Diabetische Polyneuropathie [2]

Exogen-toxische Polyneuropathien [2]

Alkohol-Polyneuropathie [2]

Lösungsmittelbedingte Polyneuropathie [2]

  • Pathophysiologie
  • Verteilungsmuster
    • Typischerweise symmetrische, distal betonte Polyneuropathie
    • Bei einem anderen Verteilungsmuster sind Lösungsmittel als Ursache unwahrscheinlich
  • Schädigungsmuster: Oft vorrangig axonale Polyneuropathie oder gemischte axonal-demyelinisierende Polyneuropathie [24]
  • Symptome: Typischerweise initial überwiegend sensible, später sensomotorische Ausfälle

Eine Manifestation der Polyneuropathie nach Beendigung der Exposition mit organischen Lösungsmitteln spricht eher gegen einen ursächlichen Zusammenhang!

Inflammatorische Polyneuropathien

Hereditäre Polyneuropathien (Auswahl) [2]

Hereditäre motorisch-sensible Neuropathien (HMSN)

Hereditäre sensible und autonome Neuropathien (HSAN) [25]

Hereditäre motorische Neuropathien (HMN) [26]

  • Gruppe sehr seltener Erkrankungen mit Degeneration der peripheren motorischen Nerven(anteile)
  • Gemeinsame Merkmale: Längenabhängige progressive schlaffe Lähmungen und Muskelatrophie

Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Drucklähmungen (tomakulöse Neuropathie, Hereditary Neuropathy with Liability to Pressure Palsies, HNPP) [2]

  • Pathophysiologie
    • Gendefekt führt zu erhöhter Anfälligkeit für funktionell relevante Myelinschädigungen nach Druckeinwirkung
    • Bildung „wurstförmiger“ Verdickungen der Myelinscheiden durch häufige und parallele De- und Remyelinisierungsprozesse
  • Verteilungsmuster: Rezidivierende Mononeuropathien oder Mononeuropathia multiplex meist oberflächlich gelegener motorischer oder gemischter Nerven
  • Schädigungsmuster: Demyelinisierende Schädigung im Sinne multifokaler Leitungsblöcke
  • Symptome: Fokale Paresen nach Bagatelltraumen oder nicht-traumatischer Druckeinwirkung, die sich i.d.R. vollständig zurückbilden
  • Therapie: Präventive Therapie (Meidung von Druckschäden, z.B. durch Polsterung)

Polyneuropathie bei akuter intermittierender Porphyrie [24]

Polyneuropathie bei Amyloidose [24]

  • Symptome
    • Distale sensomotorische Polyneuropathie
    • Variable trophische und autonom-viszerale Störungen, im späteren Verlauf auch Paresen

Small-Fiber-Polyneuropathie [2][13][14]

Die klinische Erscheinungsform der Small-Fiber-Polyneuropathie ist nicht einer einzelnen Ätiologie zuzuordnen, sondern kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein, die auch zu typischen („Large-Fiber“‑)Polyneuropathien führen können.

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

Eine funikuläre Myelose (Hinter- und Seitenstrangdegeneration bei Vitamin-B12-Mangel) kann wie eine sensible Neuropathie erscheinen, ist aber eine metabolische Myelopathie. Da ein Vitamin-B12-Mangel sowohl Rückenmark als auch periphere Nerven schädigen kann, ergeben sich allerdings keine unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen!

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Ursächliche Therapie

Symptomatische Therapie [2]

Neuropathische Schmerztherapie [27]

  • Indikation: Bei schmerzhaften Polyneuropathien
  • Ziel: Idealerweise Schmerzfreiheit, mind. Schmerzlinderung auf tolerables Niveau
  • Wirkstoffe
  • Behandlungsverlauf
    • Beurteilung der (Un‑)Wirksamkeit eines Wirkstoffes erst nach 2–4 Wochen [28]
    • Auslassversuche einer wirksamen medikamentösen Therapie frühestens nach mehreren Monaten anhaltender und ausreichender Befundstabilität und optimierter Therapie der Grunderkrankung

Die (Un‑)Wirksamkeit eines Wirkstoffes sollte erst nach 2–4 Wochen beurteilt werden! Völlige Schmerzfreiheit lässt sich in vielen Fällen nicht mehr erreichen, Ziel ist daher mindestens eine Schmerzlinderung auf ein tolerables Niveau.

Auslassversuche einer wirksamen medikamentösen Schmerztherapie sollten frühestens nach mehreren Monaten anhaltender und ausreichender Befundstabilität vorgenommen werden, wenn zudem die Therapie der Grunderkrankung optimiert wurde (z.B. unter optimaler Blutzuckereinstellung bei diabetischer Polyneuropathie)!

Funktionserhaltende Therapie [5]

  • Indikation: Insb. bei motorischer Beteiligung
  • Therapieformen
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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