Abstract
Die systemische Sklerose (bzw. Sklerodermie) ist eine Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen. Es handelt sich um eine schwerwiegende chronische Erkrankung, die über eine Vermehrung des Bindegewebes zu einer diffusen Sklerose von Haut und/oder inneren Organen führt. Der Verlauf ist dabei sehr unterschiedlich: Bei der häufigeren, limitierten Form betrifft die Sklerosierung insb. die distalen Akren und das Gesicht, wobei ein Befall innerer Organe erst spät stattfindet. Die etwas seltenere, diffuse systemische Sklerose ist hingegen durch einen aggressiveren Verlauf mit Befall der ganzen Haut und früher Organbeteiligung gekennzeichnet, wobei insb. Herz-, Lungen- und/oder Nierenschädigungen mit einer ungünstigen Prognose einhergehen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Erkrankung auch unabhängig vom Verlauf eine erhebliche physische und psychische Belastung für die Patienten darstellt. Typisches klinisches Frühsymptom aller Formen ist das sog. "Raynaud-Syndrom", das bei Kälte oder Stress zu einem (schmerzhaften) Abblassen der Finger mit anschließender reaktiver Hyperämie führt.
Eine kausale Behandlung der Erkrankung ist nicht möglich, sodass die symptomatische Therapie der Hautmanifestationen sowie der jeweiligen Organschäden im Vordergrund steht. Abzugrenzen sind die zirkumskripte Sklerodermie und Sklerodermie-ähnliche Erkrankungen, bei denen nur Hautläsionen ohne systemische Beteiligung auftreten.
Definition
- Systemische Sklerose (bzw. Sklerodermie): Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, bei der es über eine Bindegewebsvermehrung zur Sklerose von Haut und/oder inneren Organen kommt
- Damit nicht zu verwechseln ist die Zirkumskripte Sklerodermie: Auf die Haut und hautnahe Strukturen begrenzte sklerosierende Erkrankung ohne Organbeteiligung
Die zirkumskripte Sklerodermie (Morphea) muss streng von der systemischen Sklerose unterschieden werden! Zwar ist beiden eine Sklerosierung der Haut gemeinsam, die zirkumskripte Sklerodermie geht jedoch nie in eine systemische Form mit Organbefall über und hat somit eine deutlich bessere Prognose!
Epidemiologie
Klassifikation
Einteilung nach Verlauf
- Limitierte systemische Sklerose (ca. 45%): Oft Aussparung des Rumpfes, Organbeteiligung erst spät und weniger stark ausgeprägt, Befallsmuster siehe Typ I
- Sonderform: CREST-Syndrom
- Diffuse systemische Sklerose (ca. 30–35%): Rasches Fortschreiten der Hautsklerose und Befall der ganzen Haut, frühere und ausgeprägtere Organbeteiligung, Befallsmuster siehe Typ II und III
Einteilung nach Klinik
- Typ I = Akraler Typ: Häufigste Form, Befall der Akren und Hände bis Handgelenke
- Typ II = Proximal aszendierender Typ: Von den Fingern aus aufsteigende, zentripetale Sklerosierung nach proximal auf Unter- und Oberarme, Beteiligung innerer Organe
- Typ III = Stammsklerose-Typ: Zentrifugale Ausbreitung vom Stamm aus, Raynaud-Phänomen kann fehlen, Beteiligung innerer Organe
Pathophysiologie
- Genaue Pathogenese: Unklar[1][2]
- Beteiligung des Immunsystems
- Depression von T-Lymphozyten
- Auftreten antinukleärer Faktoren
- Mögliche weitere Aspekte
- Stimulierende Antikörper gegen PDGF-Rezeptor
- Abnorme TGF-β-Signaltransduktion
- Vermehrte Expression des Chemokins CCL13
- Ursächliche entzündliche und fibrosierende Prozesse
- Dysregulation des Bindegewebsstoffwechsels: Entzündliche Vermehrung der extrazellulären Matrix an Haut und inneren Organen
- Vaskulopathie
- Ausgeprägte Intimaproliferation → Gefäßverengung → Störung der Mikrozirkulation
- Mangelnde Gefäßneubildung
- Mögliche begünstigende Faktoren
- Genetische Prädisposition, Assoziation mit HLA-B8, HLA-DR5
- Chemikalien-Exposition, insb. Siliziumdioxid, Lösungsmittel, Kohlenwasserstoffe
- Risikofaktoren für Organbeteiligung[2]
- Komorbiditäten
- Systemische Hypertonie
- Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH)
- Portale Hypertonie bei Leberzirrhose
- Proteinurie (akute nephrogene Krise)
- Kongenitaler Links-Rechts-Shunt
- Schilddrüsenerkrankungen
- HIV-Infektion
- Medikamenten- bzw. Drogeneinnahme
- L-Tryptophan
- Chemotherapeutika
- Appetitzügler (Aminorex, Fenfluramin, Dexfenfluramin)
- Methamphetamin und Kokain
- Sonstige
- Weibliches Geschlecht
- Schwangerschaft
- Komorbiditäten
Symptome/Klinik
Frühsymptome [1][2]
- Sekundäres Raynaud-Syndrom: Insb. unter Kälteeinwirkung durch Engstellung der Gefäße
- Initial Abblassen der Finger
- Zyanose
- Nach Rückkehr der Durchblutung: Schmerzhafte Rötung
- Unspezifische Symptome
- Reduzierter Allgemeinzustand mit Abgeschlagenheit, subfebrilen Temperaturen und depressiver Verstimmung
- Kälteempfindlichkeit
- Akrozyanose
- Gelenksteifigkeit
Bei jedem Raynaud-Syndrom sollte an eine systemische Sklerose gedacht werden!
Kutane Manifestation
- 3 Stadien der Hautveränderungen
- Schwellung durch Ödembildung
- Verhärtung durch Kalkeinlagerungen an Gelenken und Akren (Calcinosis cutis)
- Atrophie und Untergang der Hautanhangsgebilde
- Lokalisationen
- Sklerodaktylie
- Livide Verfärbung und Ödeme
- Fingerkuppennekrosen mit Indurationen und Atrophie
- Läsionen am proximalen Nagelwall mit Punktblutungen und Schmerzempfindlichkeit, ggf. Atrophie oder Verlust des Nagels
- Im Verlauf Madonnenfinger: Wachsartiges Aussehen der Finger in fixierter, krallenartiger Beugestellung
- Gesicht
- Maskenhafter Gesichtsausdruck durch fehlende Mimik
- Verkürztes Zungenbändchen durch Frenulumsklerose
- Tabaksbeutelmund: Kleiner Mund (Mikrostomie) mit perioraler, radiärer Hautfältelung
- Spitze Nase, schmale Lippen, glatte Zunge
- Stamm
- Teleangiektasien
- Hyper- und Hypopigmentierungen
- Sklerodaktylie
Extrakutane Manifestationen
- Gastrointestinaltrakt (ca. 90%)
- Hypomotilität des Ösophagus → Dysphagie, Globusgefühl und Refluxösophagitis
- Hypomotilität des Dünndarms → Meteorismus, Obstipation und Bauchkrämpfe
- Lunge (ca. 70%): Lungenfibrose, Alveolitis, pulmonale Hypertonie, Thoraxschmerz
- Nieren (ca. 45%): Arterielle Hypertonie, Niereninsuffizienz, Niereninfarkt
- Speicheldrüsen (ca. 15%): Sekundäres Sjögren-Syndrom (Sicca-Symptomatik)
- Herz: Myokardfibrose, Myokarditis, evtl. Perikarditis, Tachykardie
- Bewegungsapparat: Arthralgien oder Arthritis, Myalgien, symmetrische Synovitis, Tendovaginitis
Differenzierung zwischen limitierter und diffuser systemischer Sklerose
Klinik | Limitierte systemische Sklerose | Diffuse systemische Sklerose |
---|---|---|
Ausbreitung der Hautveränderungen | Distale Akren und Gesicht, zentripetal | Gesamte Haut, teilweise zentrifugal |
Raynaud-Syndrom | Oftmals bereits Jahre vor Manifestation von Hautläsionen | Zeitnahes Auftreten mit Beginn von Hautläsionen |
Verlauf | Langsam und kontinuierlich, teilweise über Jahre konstant | Eher schubweise und rasch progredient |
Weiterer Organbefall | Befall von Gastrointestinaltrakt und Lunge (oft erst nach Jahren) | Befall von Gelenken, Gastrointestinaltrakt, Herz, Lunge und Nieren |
Labor | Antizentromere Antikörper (ACA) häufig positiv | Anti-Scl-70-Antikörper ggf. positiv |
Verlaufs- und Sonderformen
CREST-Syndrom [3]
- Akronym für
- C → Calcinosis cutis: Weiße bis gelbliche, harte und schmerzhafte kutane Knoten an Fingergelenken, Fingerkuppen und druckbelasteten Stellen, die ulzerieren können
- R → Raynaud-Syndrom
- E → Esophageal dysmotility: Ösophagusstarre, gastroösophagealer Reflux, Dysphagie
- S → Sklerodaktylie
- T → Teleangiektasien: Typischerweise im Gesicht und palmar
- Weitere Symptome: Pulmonale Hypertonie oder Lungenfibrose möglich
- Diagnostik
- Klinik: Typische Symptom-Kombination, wobei nicht alle Symptome vorliegen müssen
- Labor: Antizentromere Antikörper (ACA) bei etwa 70% der Patienten mit CREST positiv
- Therapie: Analog zu den anderen Formen der systemischen Sklerose
- Prognose: Gut, allerdings deutlich reduzierte Lebenserwartung bei pulmonaler Hypertonie
Diagnostik
Klinik
Labor
- Antikörperdiagnostik
- γ-Globuline↑ in der Serumelektrophorese
- Antinukleäre Antikörper (ANA) zu etwa 90%
- Anti-Scl-70 (= Anti-Topoisomerase I)
- Antizentromere Antikörper (ACA)
- Anti-RNA-Polymerase III
- Rheumafaktor bei ca. ⅓ der Patienten positiv
- Siehe auch: Rheumatologische Antikörperdiagnostik
- Weitere Parameter
- Blutbild, CRP
- AST, ALT, CK, TSH, fT4
- Urinstatus und Kreatinin-Clearance
Ein Antikörpernachweis kann die Diagnose bestätigen, ein fehlender Nachweis diese jedoch nicht ausschließen!
Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes
- Ziel: Beurteilung von Morphologie und Durchblutung der Kapillaren
- Durchführung: Untersuchung des Nagelfalzes mit Öl unter einem konventionellen Mikroskop
- Ergebnis
- Frühstadium
- Erweiterung der Kapillaren (Megakapillaren)
- Aneurysmen
- Stase in betroffenen Kapillaren
- Spätstadium
- Verminderte und regressive Kapillaren
- Gefäßfreie Zonen
- Perlmuttartiger Hintergrund mit Pigmentdepots
- Frühstadium
Die Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes ermöglicht eine Unterscheidung zum primären Raynaud-Syndrom, bei dem sich keine Veränderungen zeigen!
Histologie
- Ziel: Diagnosesicherung [4]
- Durchführung: Exzisionsbiopsie inkl. Subkutis und Fettgewebe
- Ergebnis
- Frühstadium
- Infiltrat von Entzündungszellen um Gefäße und ekkrine Schweißdrüsen
- Ödem der Dermis
- Epidermis unauffällig
- Spätstadium
- Verbreiterung der Dermis
- Verminderung und Verschmälerung der Gefäße
- Atrophie der Hautanhangsgebilde
- Verbreiterung der Kollagenfaserbündel
- Verminderung des Fettgewebes
- Frühstadium
Bildgebende Diagnostik
- Röntgen der Hände: Gelenknahe Akroosteolysen, Kalkablagerungen (Calcinosis cutis) in den Händen
- CT-/Röntgen-Thorax: Hinweise auf Lungenbeteiligung
- Lungenfibrose: Feinstreifige, retikuläre Zeichnungsvermehrung über allen Lungenfeldern
- Ösophagusbreischluck
- Klaffender Ösophagus (Glasrohr-Ösophagus)
- Verminderte Motilität bzw. Amotilität im distalen Abschnitt
- Sonografie: Echokardiografie, Abdomen, Niere, Schilddrüse, Weichteile
Weitere diagnostische Maßnahmen zur Erfassung der Organbeteiligung
- Ösophagusmanometrie
- Lungenfunktionsprüfung
- EKG
- Evtl. Rechtsherzkatheter (zum Ausschluss einer pulmonalen Hypertonie)
- Bei Augenbeteiligung: Regelmäßige augenärztliche Kontrollen
ACR/EULAR-Klassifikationskriterien der systemischen Sklerose (bzw. Sklerodermie) (2013)
Kriterien | Subkriterien | Punkte |
---|---|---|
Hautverdickung der Finger | Beide Hände betroffen und Ausdehnung nach proximal bis über die MCP-Gelenke | 9 |
Sklerodaktylie distal der MCP-Gelenke | 4 | |
Geschwollene Finger | 2 | |
Läsionen der Fingerkuppen | Grübchenförmige Narben | 3 |
Ulzera der Fingerspitzen | 2 | |
Raynaud-Syndrom | 3 | |
Systemische, Sklerose-assoziierte Antikörper (antizentromere Antikörper (ACA), Anti-Scl-70 oder Anti-RNA-Polymerase III) | 3 | |
Teleangiektasie | 2 | |
Abnorme Nagelfalzkapillaren | 2 | |
Lungenbeteiligung (pulmonale Hypertonie und/oder interstitielle Lungenerkrankung) | 2 | |
Bei einem Score ≥9 liegt eine systemische Sklerose vor (Sensitivität und Spezifität ca. 90%) |
Differenzialdiagnosen
- Zirkumskripte Sklerodermie
- Generalisierter Lichen sclerosus et atrophicus
- Autoimmunerkrankungen mit Sklerose, bspw. Dermatomyositis, systemischer Lupus erythematodes
- Pseudosklerodermien
- Infektiös, insb. Lyme-Borreliose
- Medikamentös, bspw. Phenobarbital, Hepatitis-B-Vakzine, Spironolacton, Allopurinol, Bleomycin, Cisplatin, Kokain
- Toxisch, bspw.Silikon, verunreinigtes Speiseöl (sog. „Toxic Oil Syndrome“)
- Stoffwechsel-induziert, bspw. bei Necrobiosis lipoidica, Skleromyxödem, Porphyria cutanea tarda
- Immunologisch, bspw. chronische Graft-versus-Host-Disease
- Paraneoplastisch, bspw. bei Bronchialkarzinom, metastasierendem Karzinoid
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Zirkumskripte Sklerodermie
Definition [1][5][6]
Sklerosierende Erkrankung der Haut („Sklerodermie“) mit einzelnen, umschriebenen Verhärtungen des Bindegewebes, ggf. Mitbeteiligung von Muskulatur und Knochen, aber ohne Beteiligung innerer Organe
Es findet sich keine(!) Beteiligung innerer Organe und kein(!) Übergang in eine systemische Sklerose!
Epidemiologie
- Vorkommen: Weltweit
- Inzidenz: Ca. 2–3/100.000 Einwohner pro Jahr
- Altersgipfel: Kinder (ca. 35%) und im Alter von 20–50 Jahren (ca. 65%)
- Geschlecht: ♀ > ♂ (3:1)
Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar
- Ursächliche Vorgänge
- Chronisch fibrosierende Bindegewebserkrankung, entzündliche Reaktion ausgehend von den Blutgefäßen
- Aktivierung von Fibroblasten → Ablagerung von Bindegewebsstrukturen in den Hautschichten
- Mögliche begünstigende Faktoren
Klinik
- Initial Erythem
- Zentrifugale Ausbreitung, zentrale Entstehung der Sklerose
- Bei aktiven Herden im Randbereich Erythem (sog. „Lilac-Ring“), keine Haarfollikel vorhanden
- Ggf. Pigmentverschiebungen
- Ausgedehnter Befall im Bereich von Gelenken → Bewegungseinschränkungen
- I.d.R. keine Beteiligung der Hände
Einteilung
- Limitierte Form
- Plaque-Form (Morphea): Größere Einzelherde stammbetont, insb. submammär und inguinal
- Guttata-Form: Disseminierte, kleinere (i.d.R. <1 cm) Einzelherde stammbetont
- Atrophodermia Pasini et Pierini: Disseminierte, kleinere (i.d.R. <1 cm) Einzelherde stammbetont, die durch Bindegewebsatrophie zur Einsenkung unter das Hautniveau führen können, häufig Beginn im Kindesalter
- Generalisierte Form: Beteiligung von mind. 3 Körperregionen , meist symmetrisch, Konfluenz der Plaques möglich
- Sonderform: Eosinophile Fasziitis
- Lineare Form: Streifenförmige Herde mit Atrophie von darunterliegendem Fettgewebe, Muskulatur und Knochen, im Gelenkbereich ggf. Bewegungseinschränkungen
- Sonderform: Sclérodermie en coup de sabre
- Streifenförmige Herde von der Stirn bis zum behaarten Capillitium, narbige Alopezie
- Häufig Mitbeteiligung darunterliegender Strukturen (ZNS)
- Meist Kinder betroffen
- Sonderform: Sclérodermie en coup de sabre
- Tiefe Form : Fibrose von Fettgewebe und Muskulatur, häufig symmetrisch, insb. im Bereich der Extremitäten, Beginn meist ohne vorangehende Entzündung, oft Manifestation im Kindesalter
Mischformen sind möglich!
Differenzialdiagnosen
- Systemische Sklerose
- Erythema chronicum migrans
- Lichen sclerosus
- Vitiligo
- Granuloma anulare
- Kutane Mastozytose
- Mycosis fungoides
- Bei Hyperpigmentierung
- Postinflammatorische Hyperpigmentierung
- Café-au-lait-Flecken
Diagnostik
- Anamnese: Eigen- und Familienanamnese, auch bzgl. anderer Autoimmunerkrankungen
- Klinische Untersuchung: Inkl. Anogenitalregion
- Labor
- Differenzialblutbild
- Klinische Chemie: AST, ALT, γGT, AP, LDH, BSG und/oder CRP
- ANA
- Ggf. Borrelienserologie
- Ggf. CK und Aldolase: Mögliche Krankheitsaktivitätsindikatoren
- Ggf. Anti-Scl-70-Antikörper oder Antizentromere Antikörper (ACA): Zum Ausschluss einer systemischen Sklerose
- Hautbiopsie: Bei nicht-eindeutigen Befunden zur Diagnosesicherung
- Exzisionsbiopsie inkl. Subkutis und Fettgewebe
- Histologische Differenzierung der verschiedenen Subtypen nicht möglich, aber Auskunft über Tiefenausdehnung
- Entzündliche Frühphase
- Von der retikulären Dermis bis zur Subkutis dichte perivaskuläre und periadnexielle entzündliche Infiltrate mit Lymphozytose, ggf. auch Plasmazellen, Histiozyten und Eosinophile
- Verdickte Kollagenfaserbündel mit Oberflächenparallelisierung sowie Ödem im oberen Korium
- Sklerotische Spätphase
- Nur noch wenig entzündliches Infiltrat
- Sklerosierte Dermis mit Rarefizierung der Hautadnexe
- Atrophie und Ummauerung der ekkrinen Schweißdrüsen
- Verdickung der Wandstruktur kleiner Blutgefäße
- Verdickte Kollagenfaserbündel, Eosinophilie
- Klinische Haut-Scores (z.B. „Localized Scleroderma cutaneous Assessment Tool“) zur Verlaufs- und Therapieerfolgskontrolle ggf. sinnvoll
- Schädel-MRT und neurologische Untersuchung: Bei Sclérodermie en coup de sabre zum Ausschluss einer ZNS-Beteiligung
Therapie
- Keine Kausaltherapie vorhanden
Topische Therapie
- Indikation: Insb. aktive Phase bei oberflächlichen Herden
- Medikamente
- Topisch Glucocorticosteroide, bspw. Mometasonfuroat
- Alternativ
- Topisch Vitamin-D3-Analoga, bspw. Calcipotriol
- Topisch Calcineurininhibitoren, bspw. Tacrolimus
- Erwachsene
- Kinder und Jugendliche 2–16 Jahre
- Nicht empfohlen wird die topische Anwendung von Imiquimod oder die Gabe von intraläsionalem Interferon-γ
Phototherapie
- Indikation: 1. Wahl bei limitierten Formen
- Verfahren
- Medium-dose UVA1-Therapie
- Alternativ Bade- oder Creme-PUVA
Systemische Therapie
- Indikationen
- Progrediente generalisierte oder lineare Form
- Kinder mit drohender Wachstums-/Bewegungseinschränkung
- Medikamente [5]
-
Methotrexat (1. Wahl)
- Erwachsene
- Kinder
- In der akuten Phase ggf. zusätzlich Glucocorticoide
- Erwachsene
- Kinder
- Bei Nicht-Ansprechen oder Unverträglichkeiten alternativ Mycophenolat-Mofetil
-
Methotrexat (1. Wahl)
Ein Rückgang der Sklerose ist i.d.R. erst nach 8–12 Wochen zu erwarten!
Physiotherapie
- Indikation: Insb. bei linearen Formen
- Verfahren
- Manuelle Lymphdrainage
- Bindegewebsmassagen
- Übungen zum Muskelaufbau
Sonstiges
- Meidung auslösender Faktoren: Bspw. Druck
- Chirurgische Intervention: Bei Bewegungseinschränkungen oder kosmetisch entstellendem Befund
Alle genannten Medikamente werden bei der zirkumskripten Sklerodermie off-label verwendet!
Komplikation
- Karpaltunnelsyndrom, Bewegungseinschränkungen (insb. bei streifenförmiger chronisch kutaner Sklerodermie)
- Assoziation zu anderen Autoimmun- und rheumatologischen Erkrankungen, insb. Psoriasis vulgaris, systemischer Lupus erythematodes, Multiple Sklerose und Vitiligo
- Genitaler Lichen sclerosus
Prognose
- Meist spontaner Stillstand nach 2–5 Jahren, entstandene sklerotische Herde bleiben bestehen
- Rezidiv bei ca. 25% der Patienten, häufiger bei der linearen Form
Sonderform: Eosinophile Fasziitis [5]
- Definition: Seltene Sonderform der generalisierten zirkumskripten Sklerodermie mit Beteiligung der Muskelfaszien
- Epidemiologie: Wenige hundert Fälle; insb. junge Erwachsene
- Ätiologie
- Genaue Pathogenese unklar, häufig Auftreten nach Trauma
- Mechanismus: Von der Faszie ausgehende entzündliche fibrosierende Reaktion → Initial Blut- und Gewebeeosinophilie sowie Zytokinfreisetzung → Aktivierung mesenchymaler Zellen → Im Verlauf Rückgang der Entzündungszellen und Ablagerung von Bindegewebsstrukturen
- Leitsymptome
- Akut einsetzende, zunehmende schmerzhafte Verhärtung der Extremitäten (v.a. Unterarme und Oberschenkel), Kontrakturen
- Wechselnde Hauteinziehungen , durch tiefer liegende Fibrosierung von Faszie und Subkutangewebe
- Diagnostik
- Labor
- Differenzialblutbild: Insb. im Anfangsstadium Eosinophilie, als Krankheitsaktivitätsindikator geeignet
- Klinische Chemie: AST, ALT, γGT, AP, LDH, CK, BSG und/oder CRP
- ANA
- Quantitative Bestimmung von Immunglobulinen und Elektrophorese: γ-Globuline↑
- Ggf. Borrelienserologie
- Ggf. Anti-Scl-70-Antikörper oder Antizentromere Antikörper: Zum Ausschluss einer systemischen Sklerose
- Biopsie: Bei nicht-eindeutigen Befunden zur Diagnosesicherung
- Frühphase
- Dichte interstitielle Entzündungsinfiltrate mit Eosinophilen, Monozyten und Plasmazellen im tiefen Korium, subkutanen Fettgewebe bis in Faszie und Muskulatur
- In der Folge deutliche Faszienverbreiterung
- Spätphase
- Frühphase
- Labor
- Therapie[7]
- Systemische Glucocorticoide
- Ggf. Kombination mit Azathioprin (Off-Label Use)
- Ggf. zusätzlich
- Cyclophosphamid, Methotrexat, Chloroquin
- Lymphdrainage, Massage
- Phototherapie mit UVA1
- Prognose
- Chronischer, schubweiser Verlauf
- Rasches Ansprechen auf systemische Glucocorticoide
Therapie
Therapie Überblick [1][2]
- Interdisziplinäre Kombinationstherapie aus System- und Lokaltherapie sowie Physio- und Psychotherapie
- Behandlung von Patienten an spezialisierten Zentren
- Herausforderungen
- In Deutschland keine allgemeingültigen Leitlinien
- Individuelles Anpassen der Therapie an Verlauf und Organbeteiligung
- Therapieerfolg aufgrund des variablen Verlaufes nur schwer beurteilbar
Eine Heilung ist zwar nicht möglich, der Krankheitsverlauf kann aber durch eine entsprechende Therapie günstig beeinflusst werden!
Allgemeine Maßnahmen
- Kälteprophylaxe
- Vermeidung von Kälteexposition, bspw. kaltes Wasser, Wintersport, möglichst Vermeidung des Winters durch Urlaub in südlichen Ländern
- Ausreichend warme Kleidung und Heizen von Wohnräumen
- Wärmepackungen, warme Bäder, Infrarot-Hyperthermie, Sauna
- Manuelle/Bewegungstherapie: Physiotherapie durch erfahrene Therapeuten
- Lymphdrainagen
- Massagen und Krankengymnastik
- Atemtraining
- Feinmotorisches Training
- Dehnübungen, bspw. von Mund und Händen
- Moderate sportliche Betätigung
- Psychotherapie
- Biofeedback
- Aktive Entspannungsverfahren
- Schmerzverarbeitung
- Bewältigungstherapie
- Sonstiges
- Absolute Nikotinkarenz
- Vielseitige Ernährung in kleinen Portionen
- Konsequente Hautpflege mit rückfettenden Externa
Immunmodulierende/antientzündliche Therapie
- Indikationen
- Typ III frühzeitig
- Typ I und II, wenn allgemeine Maßnahmen nicht ausreichen
- Systemische Therapie
-
Glucocorticoide systemisch
- Besonderheit: Bei Patienten mit systemischer Sklerose: Erhöhtes Risiko für renale Krise mit Hypertonie und Harnretention (ab Prednisondosen von 15 mg/Tag), daher regelmäßige Kontrollen von Blutdruck und Nierenfunktion , bei V.a. renale Krise: Engmaschige Überwachung des Blutdrucks
- Für Informationen zu Nebenwirkungen und Kontraindikationen siehe: Glucocorticoide
- Zusätzlich Azathioprin systemisch (Off-Label Use)
- Bei Progression unter Therapie: Umstellen auf Ciclosporin A (statt Azathioprin)
- Weitere Medikamente
-
Glucocorticoide systemisch
- Extrakorporale Photopherese: Alternativ oder ergänzend, Bestrahlung der Lymphozyten in extrakorporalem Kreislauf mit UVA, nur an speziellen Zentren möglich
- Plasmapherese: Ggf. bei hohen serologischen Antikörpern sinnvoll, Antikörperextraktion mittels selektivem Plasmaaustausch
- Ggf. Stammzelltransplantation: Verbesserung der Haut- und Lungenbeteiligung, Senkung der Mortalität, aber sehr risikoreich und aufwändig
Aufgrund des erhöhten Risikos für eine (potenziell lebensbedrohliche) renale Krise muss eine Therapie mit Prednison bei Patienten mit systemischer Sklerose immer kritisch hinterfragt werden!
Symptombezogene Therapie
Bei Schmerzen
- Bei chronischen Schmerzen, insb. der Gelenke: NSAR, bspw. Acetylsalicylsäure, Metamizol, Paracetamol
- Bei nicht ausreichender Analgesie: Steigerung auf schwach wirksame Opioide, bspw. Tramadol, Dihydrocodein
Bei Raynaud-Syndrom
- Topische Therapie: Nitrathaltige Salbe zur Durchblutungsförderung (Off-Label Use)
- Systemische Therapie
- Calciumantagonisten p.o.
- Alternativ Therapieversuch mit Acetylsalicylsäure p.o. (Off-Label Use)
Bei Fingerkuppennekrosen
- Systemische Therapie
- 1. Wahl: Bosentan p.o.
- Alternativ: Iloprost i.v. (Off-Label Use)
- Zusätzlich
- Bei unkomplizierten Nekrosen: Trockene Wundverbände
- Bei infizierten Nekrosen: Polyvidon-Iod-Salbenverbände, ggf. systemische Antibiotikatherapie nach Antibiogramm
- Bei ausgeprägten Rhagaden/Hyperkeratosen: Hydrokolloidverband
Bei starker arterieller Durchblutungsstörung
- Systemische Therapie
- Prostaglandin E i.v.
- Alternativ ggf. Iloprost i.v. (Off-Label Use)
- Bei umschriebenen Stenosen der Aa. ulnaris und radialis: Ggf. operative Therapie
Bei Calcinosis cutis
- Operative Entfernung in Lokalanästhesie, anschließend trockene Wundverbände
Bei Mikrostomie
- Logopädie: Insb. Dehnübungen
- Bei erschwerter Nahrungsaufnahme: Mundwinkel-Erweiterungsplastik
Bei Sicca-Symptomatik
- Bei Trockenheit der Augen: Topisch Dexpanthenol-Augentropfen
- Bei Mundtrockenheit
- Regelmäßiges Kaugummikauen
- Ggf. topisch künstliche Speichelpräparate
Bei gastrointestinalen Beschwerden
- Bei Refluxösophagitis
- Protonenpumpeninhibitoren p.o.: Kinder ≥4 Jahre und Erwachsene
- Antazida p.o.: Kinder ≥12 Jahre und Erwachsene
- Bei Dysmotilität und/oder Übelkeit: Metoclopramid p.o.
- Kinder und Jugendliche ≥9 Jahre und ≥30 kgKG
- Erwachsene
Bei Proteinurie und/oder arterieller Hypertonie
- ACE-Hemmer p.o. als nephroprotektive Wirkstoffe
Bei pulmonaler Hypertonie
Bei Lungenfibrose
- Cyclophosphamid i.v.
Prognose
- Chronischer Verlauf mit geringer Selbstheilungstendenz
- Oft abnehmende Krankheitsaktivität im höheren Alter
- Prognose sehr variabel, insb. abhängig von der Ausprägung der renalen, kardialen und pulmonalen Manifestation
- 5-Jahres-Überlebensrate ca. 85%
- Bessere Prognose für Männer als für Frauen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Systemische Sklerose (Sklerodermie)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- M34.-: Systemische Sklerose
- Inklusive: Sklerodermie
- Exklusive: Sclerodermia circumscripta (L94.0), Sklerodermie beim Neugeborenen (P83.8)
- M34.0: Progressive systemische Sklerose
- M34.1: CR(E)ST-Syndrom
- Kombination von Kalzinose, Raynaud-Phänomen, Ösophagusdysfunktion, Sklerodaktylie, Teleangiektasie.
- M34.2:Systemische Sklerose, durch Arzneimittel oder chemische Substanzen induziert
- M34.8: Sonstige Formen der systemischen Sklerose
- M34.9: Systemische Sklerose, nicht näher bezeichnet
- L94.-: Sonstige lokalisierte Krankheiten des Bindegewebes
- Exklusive: Systemkrankheiten des Bindegewebes (M30-M36)
- L94.0: Sclerodermia circumscripta [Morphaea]
- L94.1: Lineare oder bandförmige Sklerodermie
- L94.2: Calcinosis cutis
- L94.3: Sklerodaktylie
- L94.4: Gottron-Papeln
- L94.5: Poikilodermia atrophicans vascularis [Jacobi]
- L94.6: Ainhum
- L94.8: Sonstige näher bezeichnete lokalisierte Krankheiten des Bindegewebes
- L94.9: Lokalisierte Krankheit des Bindegewebes, nicht näher bezeichnet
- M35.-: Sonstige Krankheiten mit Systembeteiligung des Bindegewebes
- M35.4: Eosinophile Fasziitis
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.