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Systemische Sklerose

Letzte Aktualisierung: 24.3.2023

Abstracttoggle arrow icon

Die systemische Sklerose (bzw. Sklerodermie) ist eine Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen. Es handelt sich um eine schwerwiegende chronische Erkrankung, die über eine Vermehrung des Bindegewebes zu einer diffusen Sklerose von Haut und/oder inneren Organen führt. Der Verlauf ist dabei sehr unterschiedlich: Bei der häufigeren, limitierten Form betrifft die Sklerosierung insb. die distalen Akren und das Gesicht, wobei ein Befall innerer Organe erst spät stattfindet. Die etwas seltenere, diffuse systemische Sklerose ist hingegen durch einen aggressiveren Verlauf mit Befall der ganzen Haut und früher Organbeteiligung gekennzeichnet, wobei insb. Herz-, Lungen- und/oder Nierenschädigungen mit einer ungünstigen Prognose einhergehen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Erkrankung auch unabhängig vom Verlauf eine erhebliche physische und psychische Belastung für die Patienten darstellt. Typisches klinisches Frühsymptom aller Formen ist das sog. "Raynaud-Syndrom", das bei Kälte oder Stress zu einem (schmerzhaften) Abblassen der Finger mit anschließender reaktiver Hyperämie führt.

Eine kausale Behandlung der Erkrankung ist nicht möglich, sodass die symptomatische Therapie der Hautmanifestationen sowie der jeweiligen Organschäden im Vordergrund steht. Abzugrenzen sind die zirkumskripte Sklerodermie und Sklerodermie-ähnliche Erkrankungen, bei denen nur Hautläsionen ohne systemische Beteiligung auftreten.

Definitiontoggle arrow icon

  • Systemische Sklerose (bzw. Sklerodermie): Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Kollagenosen, bei der es über eine Bindegewebsvermehrung zur Sklerose von Haut und/oder inneren Organen kommt
  • Damit nicht zu verwechseln ist die Zirkumskripte Sklerodermie: Auf die Haut und hautnahe Strukturen begrenzte sklerosierende Erkrankung ohne Organbeteiligung

Die zirkumskripte Sklerodermie (Morphea) muss streng von der systemischen Sklerose unterschieden werden! Zwar ist beiden eine Sklerosierung der Haut gemeinsam, die zirkumskripte Sklerodermie geht jedoch nie in eine systemische Form mit Organbefall über und hat somit eine deutlich bessere Prognose!

Epidemiologietoggle arrow icon

  • Prävalenz: Selten, weltweit ca. 40–200/1.000.000 Einwohner
  • Altersgipfel: 40.–50. Lebensjahr
  • Geschlecht: > (3:1 bis 5:1)

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Klassifikationtoggle arrow icon

Einteilung nach Verlauf

Einteilung nach Klinik

  • Typ I = Akraler Typ: Häufigste Form, Befall der Akren und Hände bis Handgelenke
  • Typ II = Proximal aszendierender Typ: Von den Fingern aus aufsteigende, zentripetale Sklerosierung nach proximal auf Unter- und Oberarme, Beteiligung innerer Organe
  • Typ III = Stammsklerose-Typ: Zentrifugale Ausbreitung vom Stamm aus, Raynaud-Phänomen kann fehlen, Beteiligung innerer Organe

Pathophysiologietoggle arrow icon

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Frühsymptome [1][2]

  • Sekundäres Raynaud-Syndrom: Insb. unter Kälteeinwirkung durch Engstellung der Gefäße
    1. Initial Abblassen der Finger
    2. Zyanose
    3. Nach Rückkehr der Durchblutung: Schmerzhafte Rötung
  • Unspezifische Symptome

Bei jedem Raynaud-Syndrom sollte an eine systemische Sklerose gedacht werden!

Kutane Manifestation

  • 3 Stadien der Hautveränderungen
    1. Schwellung durch Ödembildung
    2. Verhärtung durch Kalkeinlagerungen an Gelenken und Akren (Calcinosis cutis)
    3. Atrophie und Untergang der Hautanhangsgebilde
  • Lokalisationen
    • Sklerodaktylie
    • Gesicht
      • Maskenhafter Gesichtsausdruck durch fehlende Mimik
      • Verkürztes Zungenbändchen durch Frenulumsklerose
      • Tabaksbeutelmund: Kleiner Mund (Mikrostomie) mit perioraler, radiärer Hautfältelung
      • Spitze Nase, schmale Lippen, glatte Zunge
    • Stamm

Extrakutane Manifestationen

Differenzierung zwischen limitierter und diffuser systemischer Sklerose

Klinik Limitierte systemische Sklerose Diffuse systemische Sklerose
Ausbreitung der Hautveränderungen Distale Akren und Gesicht, zentripetal Gesamte Haut, teilweise zentrifugal
Raynaud-Syndrom Oftmals bereits Jahre vor Manifestation von Hautläsionen Zeitnahes Auftreten mit Beginn von Hautläsionen
Verlauf Langsam und kontinuierlich, teilweise über Jahre konstant Eher schubweise und rasch progredient
Weiterer Organbefall Befall von Gastrointestinaltrakt und Lunge (oft erst nach Jahren) Befall von Gelenken, Gastrointestinaltrakt, Herz, Lunge und Nieren
Labor Antizentromere Antikörper (ACA) häufig positiv Anti-Scl-70-Antikörper ggf. positiv

Verlaufs- und Sonderformentoggle arrow icon

CREST-Syndrom [3]

Diagnostiktoggle arrow icon

Klinik

Labor

Ein Antikörpernachweis kann die Diagnose bestätigen, ein fehlender Nachweis diese jedoch nicht ausschließen!

Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes

  • Ziel: Beurteilung von Morphologie und Durchblutung der Kapillaren
  • Durchführung: Untersuchung des Nagelfalzes mit Öl unter einem konventionellen Mikroskop
  • Ergebnis
    • Frühstadium
      • Erweiterung der Kapillaren (Megakapillaren)
      • Aneurysmen
      • Stase in betroffenen Kapillaren
    • Spätstadium
      • Verminderte und regressive Kapillaren
      • Gefäßfreie Zonen
      • Perlmuttartiger Hintergrund mit Pigmentdepots

Die Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes ermöglicht eine Unterscheidung zum primären Raynaud-Syndrom, bei dem sich keine Veränderungen zeigen!

Histologie

Bildgebende Diagnostik

Weitere diagnostische Maßnahmen zur Erfassung der Organbeteiligung

ACR/EULAR-Klassifikationskriterien der systemischen Sklerose (bzw. Sklerodermie) (2013)

Kriterien Subkriterien Punkte
Hautverdickung der Finger

Beide Hände betroffen und Ausdehnung nach proximal bis über die MCP-Gelenke

9

Sklerodaktylie distal der MCP-Gelenke 4
Geschwollene Finger 2
Läsionen der Fingerkuppen

Grübchenförmige Narben

3

Ulzera der Fingerspitzen

2
Raynaud-Syndrom 3
Systemische, Sklerose-assoziierte Antikörper (antizentromere Antikörper (ACA), Anti-Scl-70 oder Anti-RNA-Polymerase III) 3
Teleangiektasie 2
Abnorme Nagelfalzkapillaren 2
Lungenbeteiligung (pulmonale Hypertonie und/oder interstitielle Lungenerkrankung) 2
Bei einem Score ≥9 liegt eine systemische Sklerose vor (Sensitivität und Spezifität ca. 90%)

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Zirkumskripte Sklerodermietoggle arrow icon

Definition [1][5][6]

Sklerosierende Erkrankung der Haut („Sklerodermie“) mit einzelnen, umschriebenen Verhärtungen des Bindegewebes, ggf. Mitbeteiligung von Muskulatur und Knochen, aber ohne Beteiligung innerer Organe

Es findet sich keine(!) Beteiligung innerer Organe und kein(!) Übergang in eine systemische Sklerose!

Epidemiologie

  • Vorkommen: Weltweit
  • Inzidenz: Ca. 2–3/100.000 Einwohner pro Jahr
  • Altersgipfel: Kinder (ca. 35%) und im Alter von 20–50 Jahren (ca. 65%)
  • Geschlecht: > (3:1)

Ätiologie

  • Genaue Pathogenese unklar
  • Ursächliche Vorgänge
    • Chronisch fibrosierende Bindegewebserkrankung, entzündliche Reaktion ausgehend von den Blutgefäßen
    • Aktivierung von Fibroblasten → Ablagerung von Bindegewebsstrukturen in den Hautschichten
  • Mögliche begünstigende Faktoren
    • Genetische Prädisposition (Assoziation u.a. zu HLA-Genen)
    • Autoimmune Komponente
    • Infektion, insb. im Kindesalter Borrelien-Infektion
    • Trauma

Klinik

  • Initial Erythem
  • Zentrifugale Ausbreitung, zentrale Entstehung der Sklerose
  • Bei aktiven Herden im Randbereich Erythem (sog. „Lilac-Ring“), keine Haarfollikel vorhanden
  • Ggf. Pigmentverschiebungen
  • Ausgedehnter Befall im Bereich von Gelenken → Bewegungseinschränkungen
  • I.d.R. keine Beteiligung der Hände

Einteilung

  • Limitierte Form
    • Plaque-Form (Morphea): Größere Einzelherde stammbetont, insb. submammär und inguinal
    • Guttata-Form: Disseminierte, kleinere (i.d.R. <1 cm) Einzelherde stammbetont
    • Atrophodermia Pasini et Pierini: Disseminierte, kleinere (i.d.R. <1 cm) Einzelherde stammbetont, die durch Bindegewebsatrophie zur Einsenkung unter das Hautniveau führen können, häufig Beginn im Kindesalter
  • Generalisierte Form: Beteiligung von mind. 3 Körperregionen , meist symmetrisch, Konfluenz der Plaques möglich
  • Lineare Form: Streifenförmige Herde mit Atrophie von darunterliegendem Fettgewebe, Muskulatur und Knochen, im Gelenkbereich ggf. Bewegungseinschränkungen
    • Sonderform: Sclérodermie en coup de sabre
      • Streifenförmige Herde von der Stirn bis zum behaarten Capillitium, narbige Alopezie
      • Häufig Mitbeteiligung darunterliegender Strukturen (ZNS)
      • Meist Kinder betroffen
  • Tiefe Form : Fibrose von Fettgewebe und Muskulatur, häufig symmetrisch, insb. im Bereich der Extremitäten, Beginn meist ohne vorangehende Entzündung, oft Manifestation im Kindesalter

Mischformen sind möglich!

Differenzialdiagnosen

Diagnostik

Therapie

  • Keine Kausaltherapie vorhanden

Topische Therapie

  • Indikation: Insb. aktive Phase bei oberflächlichen Herden
  • Medikamente

Phototherapie

  • Indikation: 1. Wahl bei limitierten Formen
  • Verfahren
    • Medium-dose UVA1-Therapie
    • Alternativ Bade- oder Creme-PUVA

Systemische Therapie

  • Indikationen
    • Progrediente generalisierte oder lineare Form
    • Kinder mit drohender Wachstums-/Bewegungseinschränkung
  • Medikamente [5]

Ein Rückgang der Sklerose ist i.d.R. erst nach 8–12 Wochen zu erwarten!

Physiotherapie

  • Indikation: Insb. bei linearen Formen
  • Verfahren
    • Manuelle Lymphdrainage
    • Bindegewebsmassagen
    • Übungen zum Muskelaufbau

Sonstiges

  • Meidung auslösender Faktoren: Bspw. Druck
  • Chirurgische Intervention: Bei Bewegungseinschränkungen oder kosmetisch entstellendem Befund

Alle genannten Medikamente werden bei der zirkumskripten Sklerodermie off-label verwendet!

Komplikation

Prognose

  • Meist spontaner Stillstand nach 2–5 Jahren, entstandene sklerotische Herde bleiben bestehen
  • Rezidiv bei ca. 25% der Patienten, häufiger bei der linearen Form

Sonderform: Eosinophile Fasziitis [5]

Therapietoggle arrow icon

Therapie Überblick [1][2]

  • Interdisziplinäre Kombinationstherapie aus System- und Lokaltherapie sowie Physio- und Psychotherapie
  • Behandlung von Patienten an spezialisierten Zentren
  • Herausforderungen
    • In Deutschland keine allgemeingültigen Leitlinien
    • Individuelles Anpassen der Therapie an Verlauf und Organbeteiligung
    • Therapieerfolg aufgrund des variablen Verlaufes nur schwer beurteilbar

Eine Heilung ist zwar nicht möglich, der Krankheitsverlauf kann aber durch eine entsprechende Therapie günstig beeinflusst werden!

Allgemeine Maßnahmen

  • Kälteprophylaxe
    • Vermeidung von Kälteexposition, bspw. kaltes Wasser, Wintersport, möglichst Vermeidung des Winters durch Urlaub in südlichen Ländern
    • Ausreichend warme Kleidung und Heizen von Wohnräumen
    • Wärmepackungen, warme Bäder, Infrarot-Hyperthermie, Sauna
  • Manuelle/Bewegungstherapie: Physiotherapie durch erfahrene Therapeuten
    • Lymphdrainagen
    • Massagen und Krankengymnastik
    • Atemtraining
    • Feinmotorisches Training
    • Dehnübungen, bspw. von Mund und Händen
    • Moderate sportliche Betätigung
  • Psychotherapie
  • Sonstiges
    • Absolute Nikotinkarenz
    • Vielseitige Ernährung in kleinen Portionen
    • Konsequente Hautpflege mit rückfettenden Externa

Immunmodulierende/antientzündliche Therapie

Aufgrund des erhöhten Risikos für eine (potenziell lebensbedrohliche) renale Krise muss eine Therapie mit Prednison bei Patienten mit systemischer Sklerose immer kritisch hinterfragt werden!

Symptombezogene Therapie

Bei Schmerzen

Bei Raynaud-Syndrom

Bei Fingerkuppennekrosen

Bei starker arterieller Durchblutungsstörung

  • Systemische Therapie
  • Bei umschriebenen Stenosen der Aa. ulnaris und radialis: Ggf. operative Therapie

Bei Calcinosis cutis

Bei Mikrostomie

  • Logopädie: Insb. Dehnübungen
  • Bei erschwerter Nahrungsaufnahme: Mundwinkel-Erweiterungsplastik

Bei Sicca-Symptomatik

Bei gastrointestinalen Beschwerden

Bei Proteinurie und/oder arterieller Hypertonie

Bei pulmonaler Hypertonie

Bei Lungenfibrose

Prognosetoggle arrow icon

  • Chronischer Verlauf mit geringer Selbstheilungstendenz
  • Oft abnehmende Krankheitsaktivität im höheren Alter
  • Prognose sehr variabel, insb. abhängig von der Ausprägung der renalen, kardialen und pulmonalen Manifestation
  • 5-Jahres-Überlebensrate ca. 85%
  • Bessere Prognose für Männer als für Frauen

Meditrickstoggle arrow icon

In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.

Systemische Sklerose (Sklerodermie)

Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Sklerodermie systemische.Stand: 7. Juli 2019. Abgerufen am: 16. Juli 2019.
  2. Dirschka et al.: Klinikleitfaden Dermatologie. 3. Auflage Urban & Fischer 2010, ISBN: 978-3-437-22302-0.
  3. CREST-Syndrom.. Abgerufen am: 21. August 2019.
  4. Van Praet et al.:Histopathological cutaneous alterations in systemic sclerosis: a clinicopathological studyIn: Arthritis Research & Therapy. Band: 13, Nummer: 1, 2011, doi: 10.1186/ar3267 . | Open in Read by QxMD p. R35.
  5. S2k Leitlinie Diagnostik und Therapie der zirkumskripten Sklerodermie.Stand: 25. Oktober 2014. Abgerufen am: 26. Juni 2019.
  6. Sklerodermie zirkumskripte.Stand: 29. März 2019. Abgerufen am: 26. Juni 2019.
  7. Fasziitis eosinophile.Stand: 14. Mai 2019. Abgerufen am: 20. August 2019.
  8. Leitlinie Diagnostik und Therapie der zirkumskripten Sklerodermie.Stand: 25. Oktober 2014. Abgerufen am: 3. Januar 2017.
  9. Buchta et al.: Das zweite StEx: Basiswissen Klinische Medizin für Examen und Praxis. Springer 2013, ISBN: 3-642-18569-x.
  10. Goebeler, Hamm: Basiswissen Dermatologie. Springer 2017, ISBN: 3-662-52810-x.

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