Übersicht
Initiative
Die Initiative „Klug entscheiden“ wurde 2015 von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ins Leben gerufen, inspiriert durch die amerikanische „Choosing Wisely“-Initiative. Ihr Ziel ist es, durch Aufklärung über Über- und Unterversorgung die medizinische Versorgung zu verbessern.
„Klug entscheiden“ fokussiert auf diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die entweder zu häufig oder zu selten angewendet werden – obwohl sie entweder nicht nötig oder tatsächlich erforderlich wären. Ziel ist es, die Qualität der Versorgung zu steigern.
Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen entstehen durch einen transparenten Prozess, der Vorschläge aus Fachgesellschaften sowie Konsensuskonferenzen mit Experten und Patientenvertretern umfasst. Diese Empfehlungen werden regelmäßig aktualisiert, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand der medizinischen Versorgung sind.
Die Empfehlungen basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und bestehenden Leitlinien.
Weitere Schwerpunkte
- DGIM - Klug entscheiden in der Infektiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Rheumatologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Gastroenterologie
- DGIM - Klug entscheiden in der internistischen Intensivmedizin
- DGIM - Klug entscheiden in der Nephrologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Hämatologie und medizinischen Onkologie
- DGIM - Klug entscheiden in der Geriatrie
- DGIM - Klug entscheiden in der Palliativmedizin
Positiv-Empfehlungen
Antiarrhythmische Therapie bei neu diagnostiziertem Vorhofflimmern
Bei Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern (AF, < 12 Monaten) und kardiovaskulärem Risiko (CHA2DS2Vasc ≥ 2) soll eine antiarrhythmische Therapie erfolgen.
- Eine antiarrhythmische Therapie soll Symptome behandeln und die Lebensqualität bei Patienten mit symptomatischem AF verbessern (1).
- Bei unklarer Symptomatik wird eine Kardioversion empfohlen, um zu evaluieren, ob eine bessere körperliche Leistungsfähigkeit oder Lebensqualität im anschließenden Sinusrhythmus vorliegt.
- Neue Studienergebnisse weisen auf einen prognostischen Nutzen durch Wiederherstellen und Erhalts eines Sinusr Rhythmus hin: eine frühe antiarrhythmische Therapie bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren ist unabhängig von einer Antikoagulation und der Beschwerden seitens des AF mit einem verbesserten kardiovaskulären Outcome verbunden (2–3).
- In der prospektiv randomisierten Multicenterstudie EAST-AFNET 4 zeigte sich unter einer antiarrhythmischen Therapie nach einem medianen Follow-up von 5 Jahren eine signifikante Reduktion des kombinierten primären Endpunkts aus Mortalität, Schlaganfall und Hospitalisierungen (3,9% gegenüber 5% Ereignisrate/Jahr) (2).
- Insbesondere Patienten, die ein Jahr nach Studieneinschluss im Sinus Rhythmus waren, wiesen eine signifikante Reduktion des primären Studienendpunkts auf (4).
- Die Mehrzahl der Patienten, die zu einer frühen Rhythmuskontrolle randomisiert wurden, erhielten primär Antiarrhythmika.
- Die Wahl des Antiarrhythmikums richtet sich nach dem Ausmaß einer strukturellen Herzerkrankung, vorhandenen Begleiterkrankungen und dem Patientenwunsch.
- Der Stellenwert einer Katheterablation (Pulmonalveneni Isolation) ist besonders nach einer nicht erfolgreichen medikamentösen antiarrhythmischen Therapie hoch.
- Im Einzelfall kann aber auch eine primäre Ablation („first line“ Therapie) bei paroxysmalen oder persistierenden AF diskutiert werden. Diese Empfehlung wird durch zwei randomisierte Studien unterstützt (5–6).
- In höherem Lebensalter über 80 Jahren und bei gebrechlichen Patienten steht die Symptomreduktion im Vordergrund, oftmals genügt eine Frequenzregulation ohne spezifische antiarrhythmische Therapie.
1. Hindricks G, Potpara T, Dagres N, et al.: 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2021; 42: 373–498.
2. Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, et al.: Early rhythm-control therapy in patients with atrial fibrillation. N Eng J Med 2020; 383: 1305–16.
3. Willems S, Bororf K, Brandes A, et al.: Systematic, early rhythm control strategy for atrial fibrillation in patients with or without symptoms: the EAST-AFNET 4 trial. Eur Heart J 2022; 43: 1219–30.
4. Eckardt L, Sehner S, Sulig A, et al.: Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 trial. Eur Heart J 2022; 43: 4127–414.
5. Andrade JG, Wells GA, Deyell MW, et al.: Cryoablation or Drug Therapy for Initial Treatment of Atrial Fibrillation. N Eng J Med 2021; 384: 305–15.
6. Wazni OM, Dandamudi G, Sood N, et al.: Cryoballoon Ablation as Initial Therapy for Atrial Fibrillation. N Eng J Med 2021; 384: 316–24.
Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion
Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und eingeschränkter Pumpfunktion (LVEF<35%) sollen zur Reduktion von Morbidität und Mortalität als Erstlinientherapie mit folgenden Medikamenten behandelt werden: 1. ACE-Inhibitoren bzw. Sacubitril/ Valsartan (ARNI) 2. Betablocker 3. Aldosteronantagonisten 4. SGLT2-Inhibitoren (Empagliflozin bzw. Dapagliflozin)
- Eine schwere Herzinsuffizienz stellt nach wie vor eine der häufigsten Ursachen für die kardiovaskuläre Sterblichkeit dar, aber auch für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung.
- Die aktuellen ESC (European Society of Cardiology) -Leitlinien 2021 (1) empfehlen bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA Klasse II-IV) und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion die oben aufgeführten vier Substanzklassen neben Diuretika bei fehlenden Kontraindikationen als Erstlinientherapie.
- Alle diese Substanzen erniedrigen Mortalität und Morbidität und werden daher mit höchstem Empfehlungsgrad empfohlen (IA).
- Die Reihenfolge des Beginns und Schnelligkeit der Auftitration zu den Zieldosen der Substanzen richtet sich nach dem individuellen Patienten.
- Wesentliche Veränderungen zur bisherigen Therapieempfehlung sind damit zum einen, dass der sequentielle Beginn Mortalitäts-reduzierender Medikamentenklassen verlassen wurde, zugunsten einer Erstlinientherapie von vier Substanzen, die nun begonnen werden können, wie es für den individuellen Patienten am machbarsten erscheint.
- Zum anderen sind die SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin als Erstlinientherapie der Herzinsuffizienz aufgenommen worden.
- In DAPA-HF (2) waren Patienten eingeschlossen worden mit eingeschränkter Pumpfunktion und symptomatischer Herzinsuffizienz. Dapagliflozin im Vergleich zu Placebo reduzierte hierbei signifikant den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Verschlechterung der Herzinsuffizienz) um 26%.
- Analog konnte Empagliflozin in der EMPEROR-Reduced Studie (3) den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz) um 25% verringern. Diese protektiven Effekte waren unabhängig von der Komorbidität Diabetes mellitus nachzuweisen, für dessen Therapie diese Medikamentenklasse ursprünglich entwickelt wurde.
1. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Böhm M, Burri H, Butler J, Čelutkienė J, Chioncel O, Cleland JGF, Coats AJS, Crespo-Leiro MG, Farmakis D, Gilard M, Heymans S, Hoes AW, Jaarsma T, Jankowska EA, Lainscak M, Lam CSP, Lyon AR, McMurray JJV, Mebazaa A, Mindham R, Muneretto C, Francesco Piepoli M, Price S, Rosano GMC, Ruschitzka F, Kathrine Skibelund A; ESC Scientific Document Group. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021 Sep 21;42(36):3599-3726. doi: 10.1093/eurheartj/ehab368. PMID: 34447992
2. McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE, Køber L, Kosiborod MN, Martinez FA, Ponikowski P, Sabatine MS, Anand IS, Bělohlávek J, Böhm M, Chiang CE, Chopra VK, de Boer RA, Desai AS, Diez M, Drozdz J, Dukát A, Ge J, Howlett JG, Katova T, Kitakaze M, Ljungman CEA, Merkely B, Nicolau JC, O'Meara E, Petrie MC, Vinh PN, Schou M, Tereshchenko S, Verma S, Held C, DeMets DL, Docherty KF, Jhund PS, Bengtsson O, Sjöstrand M, Langkilde AM; DAPA-HF Trial Committees and Investigators. Dapagliflozin in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2019 Nov 21;381(21):1995-2008. doi: 10.1056/NEJMoa1911303. Epub 2019 Sep 19. PMID: 31535829
3. Packer M, Anker SD, Butler J, Filippatos G, Pocock SJ, Carson P, Januzzi J, Verma S, Tsutsui H, Brueckmann M, Jamal W, Kimura K, Schnee J, Zeller C, Cotton D, Bocchi E, Böhm M, Choi DJ, Chopra V, Chuquiure E, Giannetti N, Janssens S, Zhang J, Gonzalez Juanatey JR, Kaul S, Brunner-La Rocca HP, Merkely B, Nicholls SJ, Perrone S, Pina I, Ponikowski P, Sattar N, Senni M, Seronde MF, Spinar J, Squire I, Taddei S, Wanner C, Zannad F; EMPEROR-Reduced Trial Investigators. Cardiovascular and Renal Outcomes with Empagliflozin in Heart Failure. N Engl J Med. 2020 Oct 8;383(15):1413-1424. doi: 10.1056/NEJMoa2022190. Epub 2020 Aug 28. PMID: 32865377
Perkutane Intervention bei akutem ST-Hebungsinfarkt
Bei Patienten mit akutem ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) soll innerhalb von weniger als 60 Minuten nach Diagnosestellung in der Notaufnahme die Koronar-Revaskularisation erfolgen.
- Im akuten Myokardinfarkt mit ST-Hebung (STEMI) muss die Zeit zwischen medizinischem Erstkontakt und Revaskularisation, die sogenannte Systemverzögerung („system delay“), so kurz wie möglich gehalten werden (1).
- Eine rasche Revaskularisation reduziert das Risiko von akuten Komplikationen, wie Rhythmusinstabilität oder hämodynamischer Verschlechterung, und hilft Herzmuskelgewebe zu bewahren.
- Die Systemverzögerung ist eine der wichtigsten modifizierbaren Einflussgrößen der Infarktsterblichkeit (2).
- In zahlreichen Studien erbrachte die Verkürzung der Systemverzögerung eine erhebliche Senkung der Infarktsterblichkeit (3–4).
- Mindestanforderungen, die möglichst deutlich unterschritten werden sollten, sind: Diagnosestellung mittels EKG innerhalb von weniger als 10 Minuten nach Erstkontakt (dies gilt auch für erfolgreich reanimierte Patienten), Verzögerung zwischen Diagnosestellung und Katheterintervention (PCI) von weniger als 90 (-120) Minuten und PCI innerhalb von weniger als 60 Minuten nach Eintreffen im Katheterzentrum (1).
- Hierzu sind geeignete organisatorische Maßnahmen zu treffen.
- Bereits der Rettungsdienst sollte auch bei geringstem Verdacht auf einen Myokardinfarkt das EKG aufzeichnen und gegebenenfalls die Diagnose des STEMI stellen.
- Bei Erstvorstellung mit Thoraxschmerz in der Praxis oder einer Notaufnahme hat die EKG-Aufzeichnung Vorrang vor allen anderen Maßnahmen.
- Zeigt das EKG einen STEMI, so sollte der Patient/die Patientin direkt in das nächste dienstbereite Herzkatheterlabor verbracht werden, auch wenn dies nicht dem räumlich nächstgelegenen Krankenhaus entspricht (5).
- Die Bestimmung myokardialer Markerproteine spielt in dieser Situation keine Rolle und sollte nicht abgewartet werden.
- Mit Beginn des Transports sollte das Herzkatheterzentrum informiert werden, um bereits die Transportzeit für die Aktivierung der Herzkatheterbereitschaft und die Vorbereitung des Herzkatheterlabors zu nutzen (6).
- Eine kurze Anamnese (Kontrastmittelallergie?), orientierende körperliche Untersuchung, Blutentnahme und eventuell Echokardiografie sind allesamt im Herzkatheterlabor möglich und rechtfertigen nicht die primäre Aufnahme auf der Intensivstation.
- Auf keinen Fall sollte das Ergebnis der Laboruntersuchungen abgewartet werden.
- Auch die Abklärung möglicher Differenzialdiagnosen durch weitere Bildgebung ist nachrangig zur KHerzkatheterintervention.
1. Byrne RA, Rossello X, Coughlan JJ, et. al.: 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J 2023; 44: 3720-3826.
2. Terkelsen CJ, Sorensen JT, Maeng M, et al.: System delay and mortality among patients with stemi treated with primary percutaneous coronary intervention. JAMA 2010; 304: 763–71.
3. Nallamothu BK, Normand SL, Wang Y, et al.: Relation between door-to-balloon times and mortality after primary percutaneous coronary intervention over time: A retrospective study. Lancet 2015; 385: 1114–22.
4. Fordyce CB, Al-Khalidi HR, Jollis JG, et al.: Association of rapid care process implementation on reperfusion times across multiple st-segment-elevation myocardial infarction networks. Circ Cardiovasc Interv 2017; 10 (1). pii: e004061.
5. Bagai A, Jollis JG, Dauerman HL, et al.: Emergency department bypass for st-segment-elevation myocardial infarction patients identified with a prehospital electrocardiogram: A report from the American Heart Association mission: Lifeline program. Circulation 2013; 128: 352–9.
6. Squire BT, Tamayo-Sarver JH, Rashi P, Koenig W, Niemann JT: Effect of prehospital cardiac catheterization lab activation on door-to-balloon time, mortality, and falsepositive activation. Prehosp Emerg Care 2014; 18: 1–8.
Deaktivieren der Schockfunktion eines ICD
Deaktivierung der Schockfunktionen eines ICDs nicht vergessen.
- In einer Situation, in der für einen schwer erkrankten Patienten keine kurative Therapie mehr angeboten werden kann (z. B. terminale Tumorerkrankung, terminale Herzerkrankung nach Ausschöpfen aller Therapieoptionen) oder in der unmittelbaren Sterbephase selbst entfällt meist die Indikation für die Aufrechterhaltung einer ICD-Behandlung:
- Das ursprüngliche Therapieziel, einen plötzlichen Herztod durch Kammertachykardie/-flimmern zu verhindern, macht im nicht-arrhythmischen Sterbeprozess keinen Sinn und kann diesen sogar noch verschlimmern, wenn beim Sterbenden Schockabgaben auftreten.
- Damit es gar nicht erst zu belastenden oder den Sterbeprozess unnötig verlängernden Schockabgaben kommt, sollte diese Funktion beim ICD in der Sterbephase deaktiviert werden, unabhängig davon, ob der Patient dies explizit eingefordert hat, beziehungsweise auch dann, wenn sich keine klaren Hinweise auf den aktuellen oder mutmaßlichen Willen des Patienten eruieren lassen (1).
- Dies wird in der Praxis leider meist vergessen (oder niemand fühlt sich zuständig), sodass es erst nach Schockabgabe zu einer Schock-Deaktivierung kommt.
- Analoge Therapiebegrenzungssituationen ergeben sich im Palliativkontext zum Beispiel, wenn eine Intensivtherapie, Dialysebehandlung, Chemotherapie, medikamentöse Dauertherapie oder eine künstliche Ernährung/Flüssigkeitssubstitution am Lebensende beendet wird (2–8).
- Für den Sterbeprozess ist es wichtig zu wissen, dass eine Magnetauflage die Schockabgaben verhindert, denn sterbende Patienten können und sollen nicht unnötig zu Praxen oder Krankenhäusern transportiert werden und unser Gesundheitssystem erlaubt es nur in Ausnahmefällen, dass ein Arzt und ICD-Experte mit Programmiergerät einen Hausbesuch macht.
- Es erscheint sinnvoll, nur die schmerzhafte Schocktherapie zu deaktivieren.
- Aufrechterhalten oder Deaktivierung der antitachykarden Stimulation, die schmerzfrei ist und vom Patienten nicht bemerkt wird, sollte im Einzelfall abgewogen werden.
- Nicht deaktiviert werden sollten antibradykarde Stimulation und kardiale Resynchronisation, da sie das Leiden im Sterbeprozess in der Regel nicht verkürzen, sondern verschlimmern (Verschlechterung der Dyspnoe und Schwäche).
- Ein einwilligungsfähiger Patient hat nach informierter Aufklärung das Recht, eine Deaktivierung der Schockfunktionen seines ICDs zu verlangen, unabhängig davon, in welcher Lebensphase er sie einfordert und ob die ICD-Behandlung weiterhin medizinisch indiziert ist.
- Hintergrund ist, dass aktuell juristisch dem freien Willen des Patienten eine höhere Priorität als dem Leben des Patienten eingeräumt wird.
- Dies gilt sogar für den Fall, dass zu erwarten ist, dass der Patient unmittelbar nach Deaktivierung des Gerätes verstirbt (z. B. ein Schrittmacher-abhängiger Patient, dessen Schrittmacher deaktiviert wird).
- Ärztlicherseits kann das aus medizinischen Gründen nicht verweigert werden, selbst wenn eine solche Deaktivierung dem hypokratischen Eid zuwiderläuft.
- Ein Arzt hat jedoch das Recht, aus ethischen Gründen diese Deaktivierung nicht selbst durchzuführen, muss dann aber einen Kollegen nennen, der die Deaktivierung durchführt, in Analogie zum Schwangerschafts-abbruch, zu dem kein Arzt gezwungen werden kann.
1. Waltenberger J, Schöne-Seifert B, Friedrich DR, et al.: Verantwortlicher Umgang mit ICDs: Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und ihrer Schwester-Gesellschaften. Kardiologe 2017; 11: 383–97.
2. Bundesärztekammer: Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. Dtsch Arztebl 2011; 108 (7): A346–8. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung
3. Bundesgerichtshof: BGH AZ XII ZB 2/03. N Jurist Wochenschr 2003: 56: 1588–94.
4. Raspe H: Ethische Aspekte der Indikation. In: Toellner R, Wiesing U (Hrsg.): Wissen – Handeln – Ethik. Strukturen ärztlichen Handelns und ihre ethische Relevanz. Stuttgart, Jena, New York: G. Fischer 1995; 21–36.
5. Lipp V: Patientenautonomie und Lebensschutz. Zur Diskussion um eine gesetzliche Regelung der „Sterbehilfe“. Göttingen: Universitätsverlag 2005.
6. Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF (Leitlinienprogramm Onkologie): S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. Langversion 1.0 – Mai 2015, AWMF-Reg.Nr: 128/001OL. AWMF Leitlinienregister (last accessed on 10 April 2019).
7. American Academy of Hospice and Palliative Medicine, Choosing Wisely: Five Things Physicians and Patients Should Question 2013. Choosing Wisely: An Initiative of the ABIM Foundation (last accessed on 10 April 2019).
8. Bundesärztekammer: Stellungnahme der Bundesärztekammer „Medizinische Indikationsstellung und Ökonomisierung“ 2015. Stellungnahme der Bundesärztekammer „Medizinische Indikationsstellung und Ökonomisierung“
Abnahme von Blutkulturen bei Verdacht auf schwere Infektion
Bei Patienten mit Verdacht auf schwere Infektionen sollten – unabhängig von der Körpertemperatur – vor der Gabe der Antibiotika mindestens 2 Blutkulturen-(BK‑)Paare abgenommen werden. Die Einhaltung eines zeitlichen Mindestabstands zwischen den BK ist dabei nicht erforderlich.
- Schwere Infektionen (u. a. Sepsis, septischer Schock, Meningitis, Pneumonie, Endokarditis), die eine Hospitalisation erfordern, sind eine häufige Erkrankung in der Notaufnahme.
- Zur optimalen zielgerichteten Therapie ist die Kenntnis des auslösenden Erregers von zentraler Bedeutung.
- Schwere Infektionen gehen häufig mit einer Bakteriämie einher, zum Beispiel findet sich bei Pneumokokken-Pneumonienin ∼ 40 % eine Bakteriämie.
- Deswegen ist die Blutkultur ein wichtiger diagnostischer Bestandteil.
- Entgegen früherer Annahmen besteht jedoch keine Korrelation zwischen Fieberanstieg und einer hohen Bakterienlast im Blut.
- Die Sensitivität der Blutkulturdiagnostik steigt von 73 % bei der Abnahme von nur 1 Paar BK auf 90 % bei 2 Paaren.
- Bei V. a. Endokarditis sollten immer 3 BK-Paare abgenommen werden. Der zeitliche Abstand ist unwichtig. Der Zeitpunkt der Blutabnahme spielt hierbei eine untergeordnete Rolle und sollte den Beginn einer dringlichen kalkulierten Antibiotika-Therapie nicht verzögern (1–4).
- In neuen Studien hat sich auch gezeigt, dass die Abnahme aus nur einer Punktion (single-site sampling) nicht nur nicht unterlegen, sondern sogar der mehrfachen Punktion (multisite sampling) überlegen ist.
- Deswegen hat sich auch die Expertengruppe der Duke-Kriterien dafür ausgesprochen, nicht mehr die mehrfache Punktion einzufordern (5–7).
- Soll die Frage geklärt werden, ob es sich um eine Gefäßkatheterinfektion handelt (z.B. Portinfektion), wird häufig die “differential time to positivity” (DTP) verwendet.
- Hierfür müssen weiterhin unterschiedliche Abnahmestellen gewählt werden, nämlich sowohl zentral (aus dem Katheter) als auch peripher.
- Wird die zentrale BK ≥2h schneller positiv als die periphere BK, kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Infektion des Katheters handelt (= positive DTP).
1. Johansson N, Kalin M, Tiveljung-Lindell A, et al.: Etiology of community-acquired pneumonia: increased microbiological yield with new diagnostic methods. Clin Infect Dis 2010; 50: 202–9.
2. Riedel S, Bourbeau P, Swartz B et al.: Timing of specimen collection for blood cultures from febrile patients with bacteremia. J Clin Microbiol 2008; 46: 1381–5.
3. Lee A, Mirrett S, Reller LB, et al.: Detection of bloodstream infections in adults: how many blood cultures are needed? J Clin Microbiol 2007; 45: 3546–8.
4. 202315 ESC Guidelines for the management of infective endocarditis. The Task Force for the Management of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC).
5. Yu D, Larsson A, Parke A, et al.: Single-Sampling Strategy versus Multi-Sampling Strategy for Blood Cultures in Sepsis: A Prospective Non-inferiority Study. Front Microbiol 2020; 11:1639.
6. Eckwall-Larson A, Yu D, Dinnetz P, et al.: Single-site sampling versus multisite sampling for blood cultures: a retrospective clinical study. J Clin Microbiol 2022; 60(2):e01935-21.
7. Fowler VG, Durack DT, Selton-Suty C et al.: The 2023 Duke-ISCVID Criteria for Infective Endokarditis: Updating the Modified Duke Criteria. CID, DOI: 10.1093/cid/ciad271.
Bestimmung eines natriuretischen Peptids bei unklarer Dyspnoe
Bei unklarer Dyspnoe soll in der Notaufnahme ein natriuretisches Peptid bestimmt werden.
- Unspezifische Dyspnoebeschwerden sind sehr häufig und waren das Hauptsymptom bei 2,7 % der Vorstellungen in einer Notaufnahme in den USA im Jahr 2011 (1).
- Eine zugrundeliegende Herzinsuffizienz zu diagnostizieren oder auszuschließen, ist für die weitere Diagnostik und Therapie essenziell; jedoch sind Symptome und klinische Zeichen weder sensitiv noch spezifisch und daher häufig nicht geeignet, um die Diagnose einer Herzinsuffizienz mit ausreichender Sicherheit zu stellen (2–3).
- Die Bestimmung natriuretischer Peptide, von „braintype natriuretic peptide“ (BNP) oder vom N-terminalen Ende des proBNP (NT-proBNP) oder vom mid-regionalen atrialen natriuretischen Peptid (MR-pro ANP) kann nachweislich die Diagnose einer Herzinsuffizienz verbessern.
- Die Konzentrationen der natriuretischen Peptide steigen bei Druck oder Volumenbelastungen des Herzens – unabhängig von der zugrunde liegenden kardiovaskulären Ursache – an.
- Daher machen normale Blutkonzentrationen die Diagnose einer akuten Herzinsuffizienz sehr unwahrscheinlich (negativ prädiktiver Wert > 90 %).
- Aus diesem Grund empfehlen die neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) (4) die Bestimmung von natriuretischen Peptiden bei allen Patienten mit V. a. eine Herzinsuffizienz bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme.
- Die altersunabhängigen „cutoffs“ zum Ausschluss einer akuten Herzinsuffizienz liegen höher (BNP < 100 pg/ml, NT-proBNP < 300 pg/ ml oder MR-proANP < 120 pg/mL) als die „cut-offs“ zum Ausschluss einer chronischen Herzinsuffizienz.
- Nur selten werden normale Konzentrationen der natriuretischen Peptide trotz akuter kardialer Dekompensation beobachtet, zum Beispiel beim hypertensiven Lungenödem.
- Die möglichen Ursachen falsch niedriger oder falsch positiver Konzentrationen (Gewicht, Schilddrüsenfunktion, Niereninsuffizienz) müssen im Einzelfall berücksichtigt werden.
- Der positiv prädiktive Wert der natriuretischen Peptide ist niedriger als der negativ prädiktive Wert. Daher erfordert die Interpretation stark erhöhter Werte für die Diagnose der akuten Herzinsuffizienz („rule-in“) – zumindest für NT-pro BNP – auch die Berücksichtigung des Alters (4), der Nierenfunktion oder des Vorliegens eines Vorhofflimmerns (5).
- Störungen der Schilddrüsenfunktion und hoher Body-Mass-Index (>30 kg/m2) können ebenfalls zur Unterschätzung der tatsächlichen Werte führen.
- Erhöhte Werte, in der Regel oberhalb des geschlechterunabhängigen „rule-out“ cutoffs für akute Dyspnoe (z.B. NT-pro BNP > 300 ng/L) lassen nicht automatisch weder eine Differenzierung der Ursache der zugrundeliegenden Herzinsuffizienz noch des Herzinsuffizienztyps (Rechts- oder Linksherzinsuffizienz, Herzinsuffizienz mit erhaltener (HFpEF), mild reduzierter (HFmrEF) oder reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) zu (6), sodass eine weiterführende Diagnostik und Differenzierung mittels Echokardiographie und ggf. anderer Methoden unentbehrlich ist (HFrEF = heart failure with reduced ejection fraction, HFpEF = heart failure with preserved ejection fraction, valvuläre Ursache, pulmonal-arterielle Genese, Cor pulmonale etc.).
- Im Falle, dass das Ausmaß der gemessenen Konzentration überproprotional erhöht oder klinisch nicht plausibel ist, sollte an wichtige Differentialdiagnosen (z.B. kardiale Amyloidose, paroysmales Vorhofflimmern) gedacht werden (6).
- Für das Monitoring des Herzinsuffizienzverlaufs ist BNP im Gegensatz zu NT-pro BNP in der Frühphase nach Therapieeeinleitung mit Saccubitril-Valsartan nicht ideal geeignet (7).
- Während eine deutliche Erhöhung der Konzentrationen von natriuretischen Peptiden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine kardiale Dekompensation korrelieren, liegt der größte Auswand für die Identifizierung der zugrundeliegenden Ursache, wenn weder eine Herzinsuffizienz ausgesclossen noch diagnostiziert werden kann. Das Spektrum möglicher Differentialdiagnosen in der sog. „Observationszone“ ist sehr weit und beinhaltet interessanterweise auch das Vorliegen von Bronchialkarzinomen (8).
1. Mockel M, Searle J, Muller R, et al.: Chief complaints in medical emergencies: do they relate to underlying disease and outcome? The Charite Emergency Medicine Study (CHARITEM). Eur J Emerg Med 2013; 20: 103–8
2. Maisel AS, Krishna swamy P, Nowak RM, et al.: Rapid measurement of B-type natriuretic peptide in the emergency diagnosis of heart failure. N Engl J Med 2002; 347: 161.
3. McCullough PA, Nowak RM, McCord J, et al.: B-type natriuretic peptide and clinical judgment in emergency diagnosis of heart failure: analysis from Breathing Not Properly (BNP) Multinational Study. Circulation 2002; 106: 416.
4. Ponikowski P, Voors AA, Anker SD, et al.: Authors/Task Force Members. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129–200.
5. Knudsen CW, Omland T, Clopton P, Westheim A, Wu AH, Duc P, McCord J, Nowak RM, Hollander JE, Storrow AB, Abraham WT, McCullough PA, Maisel A. Impact of atrial fibrillation on the diagnostic performance of B-type natriuretic peptide concentration in dyspneic patients: an analysis from the breathing not properly multinational study. J Am Coll Cardiol. 2005;46:838–844.
6. Palladini G,Campana C,Klersy C, et al. Serum N-terminal pro-brain natriuretic peptide is a sensitive marker of myocardial dysfunction in AL amyloidosis. Circulation 2003; 107: 2440–2445.
7. Myhre PL, Vaduganathan M, Claggett B, Packer M, Desai AS, Rouleau JL, Zile MR, Swedberg K, Lefkowitz M, Shi V, McMurray JJV, Solomon SD. B-Type Natriuretic Peptide During Treatment With Sacubitril/Valsartan: The PARADIGM-HF Trial. J Am Coll Cardiol. 2019 Mar 26;73(11):1264-1272. doi: 10.1016/j.jacc.2019.01.018. Epub 2019 Mar 4. PMID: 30846338; PMCID: PMC7955687.
8. van Kimmenade RR, Pinto YM, Januzzi JL Jr. Importance and interpretation of intermediate (gray zone) amino-terminal pro-B-type natriuretic peptide concentrations. Am J Cardiol. 2008 Feb 4;101(3A):39-42. doi: 10.1016/j.amjcard.2007.11.018. PMID: 18243857.
EKG in der Notaufnahme bei akutem Thoraxschmerz
Bei Patienten mit akutem Thoraxschmerz soll in der Notaufnahme innerhalb von 10 Minuten ein von einem qualifizierten Arzt befundetes 12-Kanal-EKG vorliegen
- Akuter Thoraxschmerz ist eines der häufigsten Symptome, mit dem sich Patienten in einer Notaufnahme vorstellen.
- Differenzialdiagnostisch können sich hinter diesem Symptom potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen wie ein akutes Koronarsyndrom, eine Lungenarterienembolie oder eine Aortendissektion verbergen.
- Diese Erkrankungen müssen umgehend diagnostiziert und behandelt werden, da jeder Verzug die Prognose der Patienten nachhaltig verschlechtern kann. Insbesondere bei Vorliegen eines ST-Hebungsinfarkt (STEMI) hat das EKG unmittelbaren Einfluss auf die sofortige Initiierung einer Revaskularisationstherapie.
- Die Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie empfehlen daher, dass bei akutem Thoraxschmerz binnen 10 Minuten nach medizinischem Erstkontakt ein 12-Kanal-EKG geschrieben und befundet werden sollte (1).
- Klinische Studien konnten zeigen, dass eine Verzögerung der Diagnosestellung eines STEMIs und somit der frühen Reperfusion unmittelbaren Einfluss auf Infarktgröße, Komplikationen und Sterblichkeit hat (2–5).
- Darüber hinaus kann das 12-Kanal-EKG Herzrhythmusstörungen aufzeigen und Hinweise auf das Vorliegen eines Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI) oder einer Lungenarterienembolie liefern.
- Je nach klinischer Präsentation des Patienten und vorliegenden Risikofaktoren können auch diese beiden Krankheitsbilder einen sofortigen bzw. dringlichen Therapiebeginn erfordern (1,6).
1. Byrne RA, Rosello X, Coughlan JJ, et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J 2023; 44: 3720–826.
2. Rokos IC, French WJ, Koenig WJ, et al.: Integration of pre-hospital electrocardiograms and ST-elevation myocardial infarction receiving center (SRC) networks: impact on Door-to-Balloon times across 10 independent regions. JACC Cardiovasc Interv 2009; 2: 339–46.
3. Dieker HJ, Liem SS, El Aidi H, et al.: Prehospital triage for primary angioplasty: direct referral to the intervention center versus interhospital transport. JACC Cardiovasc Interv 2010; 3: 705–11.
4. Diercks DB, Kontos MC, Chen AY, et al.: Utilization and impact of pre-hospital electrocardiograms for patients with acute STsegment elevation myocardial infarction: data from the NCDR (National Cardiovascular Data Registry) ACTION (Acute Coronary Treatment and Intervention Outcomes Network) Registry. J Am Coll Cardiol 2009; 53: 161–6.
5. McNamara RL, Wang Y, Herrin J, et al.: Effect of door-to-balloon time on mortality in patients with ST-segment elevation myocardial infarction. J Am Coll Cardiol 2006; 47: 2180–
6. Ghanem, A., Andrassy, M., Dürschmied, D. et al.: Interventionelle Therapie und multidisziplinäre Managementstrategien für die akute Lungenembolie. Kardiologie 2023; 17: 141–59.
Antikoagulation bei Vorhofflimmern mit erhöhtem Risiko
Bei Vorhofflimmern soll unabhängig von der Häufigkeit des Flimmerns eine dauerhafte orale Antikoagulation durchgeführt werden, bei Frauen bei einem CHA2DS2-VASc Score ≥3 sowie bei Männern bei einem Score ≥2.
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Vorhofflimmern (AF) ist die mit Abstand häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Einer von drei Menschen wird im Laufe seines Lebens AF entwickeln (1).
- Eine Reihe von Begleiterkrankungen wie arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung oder Herzklappenerkrankungen, aber auch Übergewicht, ein Diabetes oder eine chronische Nierenerkrankung begünstigen die Entstehung.
- Mehr als 60% der AF Patienten beschreiben eine Einschränkung ihrer Lebensqualität und bis zu 20% entwickeln eine Depression.
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Vorhofflimmern ist mit einem 1,5- bis 2-fach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert und ist für etwa 20 bis 30% aller Hirninfarkte verantwortlich.
- Der Stellenwert einer oralen Antikoagulation in der Primär- und Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls bei AF ist durch zahlreiche kontrollierte Studien belegt (1).
- Die Verwendung des CHA2DS2-VASc-Scores stellt eine Vereinfachung der klinischen Problematik dar. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland in großen Registerdaten mit 70% antikoagulierten Patienten (CHA2DS2-VASc-Score ≥ 2) bei neu diagnostiziertem Vorhofflimmern im Mittelfeld (2).
- Bei vielen Risikofaktoren wie dem Alter steigt das Risiko zudem kontinuierlich und jede binär festgelegte Einteilung ist artifiziell. So handelt es sich um dynamische Risikofaktoren (3), die sich kontinuierlich ändern. Insbesondere für Patienten mit einem CHA2DS2-VASc-Score von 1 (beziehungsweise 2 bei Frauen) ist der potenzielle Nutzen einer dauerhaften orale Antikoagulation (OAK) möglicherweise gering. Hier sollte deshalb ein individualisiertes Abwägen erfolgen.
- Außer bei Patienten mit mechanischen Herzklappen oder mittel- bis hochgradiger Mitralklappenstenose sollten nicht Vitamin K abhängige orale Antikoagulantien (NOAK) gegenüber Vitamin-K-Antagonisten bevorzugt werden, wobei eine OAK in der Regel eine lebenslange Therapie ist (4).
- Ist eine OAK kontraindiziert (z. B. nach intrakranieller Blutung ohne reversible Ursachen) kann ein Verschluss des linken Vorhofohrs (LAA-Okkluder) erwogen werden (1).
1. Hindricks G, Potpara T, Dagres N et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2021;42:373-498.
2. Steinberg B, Gao H, Shrader P et al. International trends in clinical characteristics and oral anticoagulation treatment for patients with atrial fibrillation: Results from the GARFIELD-AF, ORBIT-AF I, and ORBIT-AF II registries. Am Heart H 2017;194:132-140.
3. Fabritz L, Crijns HJ, Guasch E et al. Dynamic risk assessment to improve quality of care in patients with atrial fibrillation: the 7th AFNET/EHRA Consensus Conference. Europace 2021 2021;23:329-344.
4. Steffel J, Collins R, Antz M, et al. 2021 European Heart Rhythm Association Practical Guide on the Use of Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial Fibrillation. Europace 2021 Apr 25:euab065. doi: 10.1093/europace/euab065.
Senkung des LDL-Cholesterins bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit
Alle Patienten mit chronischem Koronarsyndrom sind Hochrisikopatienten. Neben einer Lebensstiländerung soll eine Statintherapie initiiert werden mit dem Ziel einer LDL Senkung auf <1.4 mmol/l (<55mg/dl).
- Neben der Lebensstiländerung mit Ernährungsumstellung und körperlicher Aktivität leistet die lipidsenkende Therapie einen unverzichtbaren Beitrag zur kardiovaskulären Risikoreduktion.
- Aktuelle Daten aus der DA VINCI-Studie zeigen, dass nur 16% der Patienten, die bereits ein kardiovaskuläres Ereignis hinter sich hatten, den aktuellen Zielwert von <55mg/dl und nur 32% den davor gültigen Wert von <70md/dl erreichen (1).
- Die neue ESC-Leitlinie Dyslipidämie betont, dass das LDL-C das primäre Maß der Risikoabschätzung und damit das primäre Therapieziel darstellt.
- Das kardiovaskuläre Risiko korreliert mit der Höhe des LDL-C und der Expositionszeit (cholesterol life years) (2).
- Bei Nichterreichen der Therapieziele unter höchster verträglicher Dosis wird eine Kombinationstherapie mit Ezetimib empfohlen (1).
- Die LDL-C-Senkung wird um mindestens 50% des Ausgangswertes unter alleiniger Statintherapie und bei Kombinationstherapie mit Ezetimib um 65 % angestrebt.
- Hochrisikopatienten, bei denen das Therapieziel trotz höchster verträglicher Kombinationstherapie Statin/Ezetimib nicht erreicht wird, wird eine Kombinationstherapie mit PCSK9-Hemmern in der aktuellen ESC-Leitlinie zum chronischen Koronarsyndrom angeraten. Damit soll eine LDL-C-Senkung um 85% möglich sein (Klasse I/A) (3).
- Als Grund für die in der Praxis noch nicht optimal umgesetzten Zielwerte, könnten neben einer mangelnden Therapietreue infolge Verunsicherung der Patienten durch Medienberichte auch Vergütungsregeln insbesondere bei der Verschreibung von PCSK9 Antikörpern sein. Ein weiterer Grund könnte auch die mangelnde, konsequente Eskalation der Lipidtherapie durch den behandelnden Arzt sein.
- Auch aus gesundheitsökonomischer Sicht ist eine konsequente Umsetzung der neuen Zielwerte zu fordern. Eine Senkung des kardiovaskulären Risikos in der Bevölkerung um 1% würde zu einer Einsparung von 40 Mio. Euro jährlich führen (4).
- Das neue aktualisierte Disease Management Programm Koronare Herzerkrankung (DMP-KHK) bietet hierbei Haus- und Fachärzten die Möglichkeit einer LDL-C Zielwert Strategie durch regelmäßige Erfassung des LDL-C und der aktuellen Therapie, um eine rechtzeitige Eskalation einzuleiten.
1. Kausik Ray et al. EU-Wide Cross-Sectional Observation Study of Lipd-Modifying Therapy Use in Secondary and Primary Care: The DA VINCI study. European Journal of Preventive Cardiology 2021;28(11):1279-1289.
2. ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias:lipid modification to reduce cardiovascular risk. European Heart Journal (2019); doi:10.1093/eurheartj/ehz455
3. ESC Guidelines on the Diagnosis and Management of Chronic Coronary Syndromes 2019 European Heart Journal (2019); doi:10.1093/eurheartj/ehz425
4. Hambrecht R.,.Albus C., Halle M. ,Landmesser U..,.Löllgen H.,.Schuler G.C. ,.Perings S. :Kommentar zu den neuen Leitlinien(2016) der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zur kardiovaskulären Prävention, Kardiologe 2017.11:21-26
Plättcheninhibition bei Zustand nach akutem Herzinfarkt mit percutaner Intervention
Bei Patienten mit akutem Herzinfarkt soll nach perkutaner Koronarintervention (PCI) für 12 Monate neben ASS einer der beiden Thrombozyten-ADP-Rezeptorantagonisten (Prasugrel oder Ticagrelor) verordnet werden, falls nicht ein exzessives Blutungsrisiko vorliegt!
- Studiendaten entsprechend (1–2) und leitliniengemäß (3) ist bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und laborchemischem Hinweis auf Myokardzellschaden die Verwendung von potenten ADP-Rezeptorantagonisten wie Prasugrel oder Ticagrelor anstelle von Clopidogrel nach einer (kathetergestützten) Revaskularisation indiziert.
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Clopidogrel ist zwar weiterhin Therapie der Wahl bei PCI-Patienten mit stabiler Angina pectoris (3), sollte jedoch bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom nur noch dann eingesetzt werden, wenn Prasugrel oder Ticagrelor kontraindiziert nicht verfügbar sind (3).
- Dennoch werden etwa 20 % der Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt und 25 % der Patienten mit Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt weiterhin mit Clopidogrel behandelt.
- Trotz der unter Prasugrel und Ticagrelor höheren Blutungsrate ergab sich für beide Substanzen ein Nettonutzen mit einer Risikoreduktion für den kombinierten Endpunkt Tod/ Myokardinfarkt und Schlaganfall von 26 % für Prasugrel und einer Mortalitätsreduktion von 22 % für Ticagrelor gegenüber Clopidogrel.
- Bei Fehlen von Kontraindikationen ist daher die Gabe eines potententeren Plättchenhemmers im Biomarker-positiven akuten Koronarsyndrom einer Therapie mit Clopidogrel vorzuziehen.
1. Wiviott SD, Braunwald E, McCabe CH, et al.: TRITON-TIMI 38 Investigators: Prasugrel versus clopidogrel in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 2007; 357(20): 2001–2015.
2. Wallentin L, Becker RC, Budaj A, et al.: PLATO Investigators: Ticagrelor versus clopidogrel in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 2009; 361(11): 1045–57.
3. Windecker S, Kolh P, Alfonso F, et al: 2014 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization: The Task Force on Myocardial Revascularization of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), developed with the special contribution of the European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI). Eur Heart J 2014; 35(37): 2541–619.
Negativ-Empfehlungen
Keine antiarrhythmische Therapie bei permanentem Vorhofflimmern insbesondere in höherem Lebensalter durchführen
Bei älteren Patienten mit permanentem Vorhofflimmern sollte eine Therapie mit Antiarrhythmika nicht erfolgen.
- Bei langjährig bestehendem, anhaltendem Vorhofflimmern (permanentes Vorhofflimmern, AF) mit wenigen Beschwerden sollten keine (weiteren) Therapiebemühungen unternommen werden, AF zu beenden (1).
- Eine antiarrhythmische Therapie mit Medikamenten wie Flecainid, Sotalol oder Amiodaron sollte dann abgesetzt beziehungsweise nicht eingeleitet werden.
- Dies gilt überwiegend für ältere Patienten (> 80 Jahre), bei denen neben dem Schutz vor thromboembolischen Ereignissen dann eine Frequenzregulation, etwa mit Betablockern, im Mittelpunkt der Therapie steht.
- Bei Unklarheit hinsichtlich einer Symptomatik kann mit einer Kardioversion geprüft werden, ob Patienten symptomatisch vom Erhalt des Sinusrhythmus profitieren. Sollte dies aber nicht der Fall sein, besteht keine Indikation zu einer weiteren antiarrhythmischen Behandlung, die über eine Frequenzregulation hinausgeht (1–2).
1. Hindricks G, Potpara T, Dagres N, et al.: 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2021; 42: 373–498.
2. Eckardt L, Wolfes J, Frommeyer G: Benefits of early rhythm control of atrial fibrillation. Trends Cardiovasc Med 2023; 11: S1050–1738(23)00041–5.
Plättchenhemmung und Revaskularisation
Bei Patienten mit Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom, bei denen eine früh-invasive Behandlung mittels perkutaner Konorarintervention oder aortokoronarer Bypassoperation geplant ist, soll keine Vorbehandlung mit einem P2Y12-Rezeptorantagonisten zusätzlich zur Standardtherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) durchgeführt werden, weder in der Prähospital- noch in der Hospitalphase (P2Y12-Rezeptorantagonisten: zum Beispiel Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor oder Cangrelor).
- Basierend auf mehreren Studien und Registern, die keinen Vorteil einer Vorbehandlung mit P2Y12-Rezeptorantagonisten zeigten, wird aktuell mit hohem Evidenzgrad empfohlen, ein Preloading vor einer invasiven Untersuchung im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms nicht routinemäßig durchzuführen (1–2). Dieses Preloading birgt bei dieser Konstellation ein erhöhtes Blutungsrisiko, ohne einen gesicherten Nutzen aufzuweisen. Nur wenn keine frühe invasive Untersuchung geplant ist und die Patienten kein hohes Blutungsrisiko aufweisen, kann eine Vorbehandlung erwogen werden. Letzteres beruht aber auf einer Expertenmeinung ohne Beleg durch wissenschaftliche Studien.
1. Collet J-P, Thiele H, Barbato E, et al.: 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J 2021; 42: 1289–367. CrossRef MEDLINE
2. Thiele H, Bauersachs J, Mehilli J, et al.: Kommentar zu den 2020er-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum Management des akuten Koronarsyndroms bei Patienten ohne persistierende ST-Strecken-Hebung. Kardiologe 2021; 15: 19–31. Kommentar zu den 2020er Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum Management des akuten Koronarsyndroms bei Patienten ohne persistierende ST-Strecken-Hebung | Die Kardiologie
Antithrombotische Therapie bei akutem Koronarsyndrom und Vorhofflimmern
Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und Vorhofflimmern mit CHA2DS2-VASc-Score ≥ 1 bei Männern beziehungsweise ≥ 2 bei Frauen – und damit der Notwendigkeit zur Antikoagulation – soll nicht, wie lange Zeit praktiziert, eine 12-monatige Tripletherapie durchgeführt werden. Vielmehr soll – nach einer nur kurzen Tripletherapie, das heißt bis zu 1 Woche nach dem akuten Ereignis – als Standardtherapie lediglich eine duale antithrombotische Therapie erfolgen. Sie besteht aus einem direkten oralen Antikoagulans in der empfohlenen Dosis zur Schlaganfallprävention und einem einzelnen oralen Thrombozytenaggregationshemmer, vorzugsweise Clopidogrel. Der einzelne orale Thrombozytenaggregationshemmer soll nach 12 Monaten abgesetzt werden.
- Nach akutem Koronarsyndrom (ACS) wird eine duale thrombozytenhemmende Therapie (DAPT) für einen Zeitraum von 12 Monaten empfohlen.
- Bei Patienten mit zusätzlicher Indikation für eine orale Antikoagulation (OAK), in der Mehrzahl aufgrund von Vorhofflimmern, wurde lange Zeit eine Tripletherapie (DAPT + OAK = TAT, Triple antithrombotische Therapie) für einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten empfohlen. Dies führte jedoch zu einer deutlich erhöhten Blutungsrate.
- In den letzten Jahren wurden 4 randomisierte Studien zum Vergleich der Effektivität und Sicherheit einer DAPT, bestehend aus einemThrombozytenaggregationshemmer und einem direkten oralen Antikoagulans (DOAK), versus der herkömmlichen Tripletherapie mit Vitamin-K-Antagonisten + DAPT durchgeführt (1,2). In diesen Studien zeigte sich letztlich, dass die duale Therapie die Blutungskomplikationen signifikant reduzierte, ohne die Anzahl der ischämischen Ereignisse relevant zu erhöhen.
- In Metaanalysen wurde allerdings eine numerische, teils auch statistisch signifikante Häufung der Anzahl an Stentthrombosen nachgewiesen. Die aktuellen Empfehlungen zur antithrombotischen Therapie bei Patienten mit ACS und Indikation für OAK lauten daher:
- Bei Patienten mit ACS und Vorhofflimmern soll in der Regel eine duale antithrombotische Therapie mit DOAK und Clopidogrel durchgeführt werden.
- Ausnahmen sind Patienten mit besonders hohem Blutungsrisiko beziehungsweise mit besonders hohem Ischämierisiko, vor allem für eine Stentthrombose.
- 12 Monate nach ACS kann in der Regel die antithrombotische Therapie unter Fortführung der Antikoagulationstherapie beendet werden (1-3).
1. Collet J-P, Thiele H, Barbato E, et al.: 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J 2021; 42: 1289–367. CrossRef MEDLINE
2. Thiele H, Bauersachs J, Mehilli J, et al.: Kommentar zu den 2020er-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum Management des akuten Koronarsyndroms bei Patienten ohne persistierende ST-Strecken-Hebung. Kardiologe 2021; 15: 19–31. Kommentar zu den 2020er Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zum Management des akuten Koronarsyndroms bei Patienten ohne persistierende ST-Strecken-Hebung | Die Kardiologie
3. Hindricks G, Potpara T, Dagres N, et al.: 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) The Task Force for the diagnosis and management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC); Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Eur Heart J 2021; 42: 373–498. CrossRef MEDLINE
Akutrevaskularisierung bei akutem Herzinfarkt mit Schock
Bei Patienten mit akutem Herzinfarkt und kardiogenem Schock soll bei Vorliegen mehrerer relevanter Koronarstenosen (> 70 %) im Rahmen der Akutrevaskularisierung nur die infarktverursachende Läsion („culprit lesion“) behandelt werden.
- In den aktuellen Herzinfarktleitlinien wird bei Patienten mit akutem Herzinfarkt und infarktbedingtem kardiogenen Schock (IKS) die frühzeitige koronare Revaskularisierung mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) als prognostisch effektive Methode der Wahl empfohlen (1,2).
- Über 70% der IKS-Patienten weisen noch zusätzliche signifikante Stenosen (> 70 %) in den übrigen „Nichtinfarktgefäßen“ auf, dies ist verbunden mit einer höheren Sterblichkeit als bei koronarer Eingefäßerkrankung.
- In Registerstudien zeigte sich kein Hinweis auf die Überlegenheit einer sofortigen Mehrgefäß-PCI im kardiogenen Schock (3–4).
- In der randomisierten CULPRIT-Shock-Studie mit 706 IKS-Patienten, die eine Mehrgefäß-KHK aufwiesen, trat der primäre Endpunkt „Gesamtsterblichkeit und Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie“ nach 30 Tagen signifikant häufiger in der Gruppe mit sofortiger Mehrgefäß-PCI auf (55,4 % vs. 45,9 %, p = 0,001).
- Weiterhin war die sofortige zusätzliche PCI der Nichtinfarktläsionen mit einer signifikant höheren Sterblichkeit nach 30 Tagen (51,6 % vs. 43,3 %, p = 0,03) und einem Trend zu einer höheren Sterblichkeit nach einem Jahr (56,9 % vs. 50,0 %, p = 0,06) im Vergleich zur alleinigen PCI der „culprit lesion“ assoziiert (5–6).
- Die aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) zur koronaren Revaskularisierung (7) und zum akuten Herzinfarkt (1) sprechen sich daher gegen eine routinemäßige sofortige PCI von Nichtinfarktläsionen im kardiogenem Schock aus. Daher sollte in der klinischen Praxis die sofortige Intervention von Nichtinfarktläsionen im kardiogenen Schock nicht routinemäßig durchgeführt werden.
- Analog den Ergebnissen der großen COMPLETE- und FIRE Studien (8,9) bei Patienten mit STEMI ohne Schock können diese Läsionen zweizeitig während desselben stationären Aufenthaltes dilatiert werden – gegebenenfalls nach nichtinvasivem Ischämienachweis oder nach Dokumentation einer hämodynamisch Relevanz der Koronarstenose mittels Messung der koronaren Flußreserve im Rahmen der zweiten Herzkatheteruntersuchung (1).
- Die sofortige Mehrgefäß-PCI kann bei IKS-Patienten in Ausnahmefällen erwogen werden, zum Beispiel wenn die Infarktläsion nicht eindeutig zu identifizieren ist oder wenn höchstgradige (> 90 %) flusslimitierende (TIMI-Patency 0–2) zusätzliche Stenosen vorliegen.
1. Byrne RA, Rossello X, Coughlan JJ, et al. 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. .Eur Heart J. 2023 Oct 12;44(38):3720-3826
2. Deutsch-österreichische S3-Leitlinie „Infarkt-bedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie.“ AWMF-Registernummer 019–013; Entwicklungsstufe 3 (2019).
3. Zeymer U, Werdan K, Schuler G, et al.: Impact of immediate multivessel percutaneous coronary intervention versus culprit lesion intervention on 1-year outcome in patients with acute myocardial infarction complicated by cardiogenic shock: Results of the randomised IABP-SHOCK II trial. Eur Heart J ACC 2017; 6: 601–9.
4. de Waha S, Jobs A, Eitel I, et al.: Multivessel versus culprit lesion only percutaneous coronary intervention in cardiogenic shock complicating acute myocardial infarction: A systematic review and meta-analysis. Eur Heart J ACC 2018; 7: 28–37.
5. Thiele H, Akin I, Sandri M, et al.: CULPRITSHOCK Investigators. PCI strategies in patients with acute myocardial infarction and cardiogenic shock. N Engl J Med 2017; 377: 2419–32.
6. Thiele H, Akin I, Sandri M, et al.: One year outcomes after PCI strategies in cardiogenic shock. New Engl J Med 2018; 379: 1699–710.
7. Neumann FJ, Sousa-Uva M, Ahlsson A, et al.: 2018 ESC/EACTS guidelines on myocardial revascularization. Eur Heart J 2019; 40: 87–165
8. Mehta SR, Wood DA, Storey RF.: et al, COMPLETE trial steering committee and investigators. Complete revascularization with multivessel PCI for myocardial infarction. N Engl J Med. 2019; 381: 1411–21.
9. Biscaglia S, Guiducci V, Escaned J, et al. Complete or Culprit-Only PCI in Older Patients with Myocardial Infarction. N Engl J Med. 2023 Sep 7;389(10):889-898.
Sauerstoffgabe bei akutem Myokardinfarkt
Stabile Patienten mit akutem Myokardinfarkt und einer Sauerstoffsättigung ≥ 90 % sollen nicht routinemäßig eine Sauerstoffgabe erhalten.
- Ein akuter Myokardinfarkt wird verursacht durch das Missverhältnis von Sauerstoff- und Substratangebot und dem Bedarf des Herzens und führt zu Ischämie und myokardialem Zelltod.
- Unter der Rationale, dass die Gabe von Sauerstoff das Sauerstoffangebot im ischämischen Myokard erhöht und damit den kardialen Schaden limitiert, wurde über Jahrzehnte bei Verdacht auf Myokardinfarkt routinemäßig Sauerstoff appliziert.
- Studien und Analysen der letzten Jahre konnten jedoch zeigen, dass die routinemäßige Gabe von Sauerstoff zu einer Ausweitung der Infarktgröße führt und potenziell schädlich ist (1–2).
- Hochnormale Sauerstoffkonzentrationen im Blut können zu einer koronaren Vasokonstriktion (3) und zu einer vermehrten Produktion freier Sauerstoffradikale führen (4).
- Aber auch bei Patienten mit einer stabilen koronaren Herzkrankheit führt die Sauerstoffzufuhr mit einer FiO2 von 1,0 zu einer Abnahme des koronaren Blutflusses während der Herzkatheteruntersuchung um 30 % (5).
- Darüber hinaus konnte in einer großen randomisierten Studie gezeigt werden, dass die Gabe von Sauerstoff bei Patienten mit Verdacht auf Infarkt und einer ulsoximetrischen Sauerstoffsättigung ≥ 90 % keinen Effekt auf die 1-Jahres-Mortalität oder die Rate der Rehospitalisierung nach Infarkt hat (6).
- In einer Metaanalyse (7998 Patienten, 8 randomisiert kontrollierte Studien) wurde durch eine Sauerstofftherapie das Risiko einer Krankenhaus- oder 30-Tage-Sterblichkeit bei Patienten mit Verdacht auf oder bestätigtem akuten Myokardinfarkt nicht gesenkt (7).
- Vor diesem Hintergrund soll bei hämodynamisch und respiratorisch stabilen Patienten im akuten Myokardinfarkt bei einer Sauerstoffsättigung ≥ 90 % keine routinemäßige Sauerstoffgabe erfolgen (8–9).
- Beim ST-Hebungsinfarkt wird mit einer moderaten Evidenz Sauerstoff erst bei einer Sauerstoffsättigung < 90% empfohlen mit einer Zielsättigung von 95% (1,2,6,10,11).
- Patienten mit einem Risiko für ein hyperkapnisches Atemversagen (z.B. COPD) wurden in den randomisierten Studien zur Sauerstofftherapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ausgeschlossen (1,6,12). Bei diesen Patienten soll eine Sauerstofftherapie erst bei einer Sauerstoffsättigung < 88% begonnen werden mit einer Zielsättigung von 88% bis 92% (11).
1. Stub D, Smith K, Bernard S, et al. Air Versus Oxygen in ST-Segment-Elevation Myocardial Infarction. Circulation. 2015;131(24):2143-50. doi:10.1161/circulationaha.114.014494
2. Cabello JB, Burls A, Emparanza JI, Bayliss SE, Quinn T. Oxygen therapy for acute myocardial infarction. Cochrane Database Syst Rev. 2016;12(12):Cd007160. doi:10.1002/14651858.CD007160.pub4
3. Moradkhan R, Sinoway LI. Revisiting the role of oxygen therapy in cardiac patients. J. Am. Coll. Cardiol. 2010;56(13):1013-6. doi:10.1016/j.jacc.2010.04.052
4. Zweier JL, Talukder MA. The role of oxidants and free radicals in reperfusion injury. Cardiovasc. Res. 2006;70(2):181-90. doi:10.1016/j.cardiores.2006.02.025
5. McNulty PH, King N, Scott S, et al. Effects of supplemental oxygen administration on coronary blood flow in patients undergoing cardiac catheterization. Am. J. Physiol. Heart Circ. Physiol. 2005;288(3):H1057-62. doi:10.1152/ajpheart.00625.2004
6. Hofmann R, James SK, Jernberg T, et al. Oxygen Therapy in Suspected Acute Myocardial Infarction. N Engl J Med. 2017;377(13):1240-9. doi:10.1056/NEJMoa1706222
7. Sepehrvand N, James SK, Stub D, Khoshnood A, Ezekowitz JA, Hofmann R. Effects of supplemental oxygen therapy in patients with suspected acute myocardial infarction: a meta-analysis of randomised clinical trials. Heart. 2018;104(20):1691-8. doi:10.1136/heartjnl-2018-313089
8. Ibanez B, James S, Agewall S, et al. 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2018;39(2):119-77. doi:10.1093/eurheartj/ehx393
9. Byrne RA, Rossello X, Coughlan JJ, et al. 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes: Developed by the task force on the management of acute coronary syndromes of the European Society of Cardiology (ESC). Eur. Heart J. 2023;44(38):3720-826. doi:10.1093/eurheartj/ehad191
10. Rawles JM, Kenmure AC. Controlled trial of oxygen in uncomplicated myocardial infarction. Br. Med. J. 1976;1(6018):1121-3. doi:10.1136/bmj.1.6018.1121
11. Gottlieb J, Capetian P, Hamsen U, et al. Sauerstoff in der Akuttherapie beim Erwachsenen. Version Datum: 1.0; Juni 2021. 2021. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-021.html. Accessed 14.7.2021.
12. Ranchord AM, Argyle R, Beynon R, et al. High-concentration versus titrated oxygen therapy in ST-elevation myocardial infarction: a pilot randomized controlled trial. Am Heart J. 2012;163(2):168-75. doi:10.1016/j.ahj.2011.10.013
Duplexsonografie der Hirngefäße bei Synkope
Bei Patienten mit Synkope soll die Duplexsonographie der Hirngefäße nicht Bestandteil der Notfallroutine sein.
- Die Synkope ist definiert als abrupter, vorübergehender, kompletter Bewusstseinsverlust mit Verlust des posturalen Tonus und rascher, spontaner Erholung. Etwa 35 % aller Menschen erleiden im Laufe des Lebens eine Synkope (1), circa 1 % aller Krankenhaus-Notaufnahmen sind durch Synkopen verursacht (2).
- Die Diagnostik ist oft schwierig und erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Hausarzt, Kardiologen, Neurologen und anderen Fächern.
- Die häufigsten Ursachen einer Synkope sind die Reflexsynkope, die Synkope infolge orthostatischer Hypotension und die kardiale Synkope.
- Eine Stenose der hirnzuführenden Gefäße führt praktisch nie zur Synkope, sondern ist mit neurologischen Symptomen (z. B. Lähmungen, Sprachstörungen etc.) assoziiert.
- Es gibt keine Studiendaten, die den Nutzen einer routinemäßigen, sonographischen Untersuchung der Halsgefäße zur Abklärung unklarer Synkopen belegen. Daher ist diese ohne eine neurologische Begleitsymptomatik nicht indiziert (3–4).
- Trotz dieser Empfehlung belegen Medicare-Daten aus USA, dass eine Ultraschalluntersuchung der Carotiden bei 16,5 % aller Patienten mit unklarer Synkope durchgeführt wurde und diese Indikation 6,5 % aller angeforderten Ultraschallanforderungen der Carotiden insgesamt ausmachte (5). Daher wurde die Empfehlung, keine Ultraschalluntersuchung der Carotiden bei der Synkopenabklärung durchzuführen, bereits durch die American Academy of Neurology in deren „Choosing Wisely“-Katalog aufgenommen (6–7).
1. Ganzeboom KS, Mairuhu G, Reitsma JB, Linzer M, Wieling W, van Dijk N: Lifetime cumulative incidence of syncope in the general population: a study of 549 Dutch subjects aged 35–60 years. J Cardiovasc Electrophysiol 2006; 17 (11): 1172–6.
2. Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009). The Task Force for the Diagnosis and Management of Syncope of the European Society of Cardiology (ESC). Developed in collaboration with, 3. European Heart Rhythm Association (EHRA), Heart Failure Association (HFA), and Heart Rhythm Society (HRS). Eur Heart J 2009; 30: 2631–71. M E D I Z I N R E P O R T A 7 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 115 | Heft 15 | 13. April 2018.
3. AWMF-Leitlinie „Synkopen“. Reg.-Nr. 030–072. Stand: 30 September 2012. Gültig bis 29. September 2017. Federführende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Neurologie.
4. Shen WK, Sheldon RS, Benditt DG, et al.: 2017 ACC/AHA/HRS Guideline for the evaluation and management of patients with syncope. J Am Coll Cardiol 2017; doi: 10.1016/j.jacc.2017.03.003.
5. Scott JW, Schwartz AL, Gates JD, Gerhard-Herman M, Havens JM: Choosing wisely for syncope: low-value carotid ultrasound use. J Am Heart Assoc 2014; 3 (4). pii: e001063. doi: 10.1161/JAHA.114.001063.
6. www.choosingwisely.org/societies/american-academy-of-neurology.
7. von Scheidt, W., Bosch, R., Klingenheben, T. et al. Kommentar zu den Leitlinien (2018) der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Therapie von Synkopen. Kardiologe 13, 131–137 (2019). https://doi.org/10.1007/s12181-019-0317-2
Antikoagulation bei Vorhofflimmern mit niedrigem Risiko
Bei Patienten mit Vorhofflimmern und dennoch nur geringem Schlaganfall-Risiko (CHA2DS2- VASc-Score = 0) soll eine Blutverdünnung nicht durchgeführt werden.
- 60 % der Patienten mit einem CHA2DS2-VASc-Score von 0 und damit niedrigem Schlaganfallrisiko werden oral antikoaguliert (1) und damit einem unnötigen Risiko schwerer Blutungen von 3–5 % pro Jahr ausgesetzt (2).
- Circa eine Million Menschen in Deutschland leiden unter Vorhofflimmern, davon haben etwa 5 % nur einen CHA2DS2-VASc-Score von 0 (1). Für den Fall, dass von den Betroffenen 50 % unnötig antikoaguliert sein sollten (n = 25 000), müsste mit circa 1 000 vermeidbaren schweren Blutungen/Jahr gerechnet werden, von denen nach entsprechenden Registerdaten etwa 1/6 tödlich verlaufen (2). Dies entspräche circa 150 zusätzlichen Todesfällen/Jahr.
1. Kirchhof P, Ammentorp B, Darius H, et al.: Management of atrial fibrillation in 7 European countries after the publication of the 2010 ESC guidelines on atrial fibrillation: primary results of the PREvention oF thromboembolic events – European Registry in Atrial Fibrillation (PREFER in AF). Europace 2014; 16: 6–14.
2. Michalski F, Tittl L, Werth S, et al.: Selection, management, and outcome of vitamin K antagonist-treated patients with atrial fibrillation not switched to novel oral anticoagulants. Results from the Dresden NOAC registry. Thromb Haemost 2015; 114(5): 1076–84.
"Kontroll"-Koronarangiografie nach perkutaner Intervention
Nach unkomplizierter perkutaner Koronarintervention (PCI) soll KEINE routinemäßige „Kontroll-Koronarangiographie“ durchgeführt werden.
- Bei asymptomatischen Patienten nach unkomplizierter perkutaner Koronarintervention gibt es keine Indikation für eine routinemäßige Kontrollangiographie (1–4), weder bei Patienten nach akutem Koronarsyndrom (5), noch nach elektiver Intervention (6).
- Vielmehr soll das Hauptaugenmerk der klinischen Verlaufsbeobachtung auf die stringente Einstellung der Risikofaktoren und die Durchführung von Belastungstests gelegt werden (7).
1. Windecker S, Kolh P, Alfonso F, et al: 2014 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization: The Task Force on Myocardial Revascularization of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), developed with the special contribution of the European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI). Eur Heart J 2014; 35(37): 2541–619.
2. Bonzel T, Hamm CW, Albrecht A, et al.: Leitfaden Herzkatheter. Steinkopff Verlag, Darmstadt 2009.
3. Cassese S, Byrne RA, Schulz St, et al.: Prognostic role of restenosis in 10004 patients undergoing routine control angiography after coronary stenting. Eur Heart J 2015; 36: 94–9.
4. Levine GN, Bates ER, Blankenship JC, et al.: 2011 ACCF/AHA/SCAI Guideline for Percutaneous Coronary Intervention: a report of the American College of cardiology Foundation/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines and the Society for Cardiovascular Angiography and Interventions. Circulation 2011; 124: e574–e651.
5. Stone GW, Parise H, Witzenbichler B, et al.: Selection criteria for drug versus baremetal stents and the impact of routine angiographic follow-up: 2-year insights from the HORIZONS-AMI (Harmonizing Outcomes with Revascularization and Stents in Acute Myocardial Infarction) trial. J Am Coll Cardiol 2010; 56: 1597–604.
6. Pinto DS, Stone GW, Ellis SG, et al.: Impact of routine angiographic follow-up on the clinical benefits of paclitaxel-eluting stents. Results from the TAXUS-IV Trial. J Am Coll Cardiol 2006; 48: 32–6.
7. Rassaf T, Steiner S, Kelm M: Postoperative care and follow-up after coronary stenting. Dtsch Ärztebl Int 2013; 110(5): 72–82.
Perkutane Koronarintervention bei asymptomatischen Patienten
Bei asymptomatischen Patienten ohne Nachweis einer myokardialen Ischämie respektive ohne Nachweis eines hämodynamisch signifikanten Stenosegrades soll auf eine Behandlung von Koronarstenosen mittels perkutaner Koronarintervention verzichtet werden.
- In Deutschland werden jährlich über 300 000 perkutane Koronarinterventionen durchgeführt, die Hälfte bei akutem Koronarsyndrom und die andere Hälfte bei chronisch stabiler koronarer Herzkrankheit (1).
- Bei Patienten mit chronisch stabiler KHK (stabile Angina pectoris oder stumme Myokardischämie) sollen nur diejenigen Koronarstenosen einer Koronarintervention zugeführt werden, bei denen entweder eine prognostische Indikation oder eine entsprechende klinische Symptomatik trotz optimaler medikamentöser Therapie vorliegt (1–2).
- Konkrete Empfehlungen dazu finden sich in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur stabilen KHK (3) und zur Myokardrevaskularisation (4): als Revaskularisationsindikation werden Koronarstenosen 90% sowie diejenigen Koronarstenosen > 50 % angesehen, bei denen in der Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) ein Druckabfall im poststenotischen Segment von mehr als 20 % unter maximaler Hyperämie nachzuweisen ist.
- Die Durchführung der FFR-Messung wird helfen, aus prognostischer wie symptomatischer Sicht unnötige Koronarinterventionen zukünftig zu verhindern.
1. Deutsche Herzstiftung (Hrsg) in Zusammenarbeit mit Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung, Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie und Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie: 26. Deutscher Herzbericht 2014. Deutsche Herzstiftung, Frankfurt am Main, 2014; 47–86.
2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK – Langfassung, 4. Aufl., Version 1. 2016. www.khk.versorgungsleitlinien.de. DOI: 10.6101/AZQ/000267. Internet: www.versorgungsleitlinien.de; www.awmf-leitlinien.de. Zu Negativempfehlung 2 bzw. 4 siehe auch Anhang 3 (Patienteninformation und Entscheidungshilfen zu Kapitel 8 Revaskularisationstherapie: „Verdacht auf koronare Herzkrankheit: Brauche ich eine Herzkatheter-Untersuchung?“ bzw. „Katheter-Untersuchung bei koronarer Herzkrankheit: Stents einsetzen oder erst mal abwarten?“).
3. Montalescot G, Sechtem U, Achenbach S, et al.: 2013 ESC guidelines on the management of stable coronary artery disease: the Task Force on the management of stable coronary artery disease of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2013; 34(38): 2949–3003. Erratum: 2014; 35(33): 2260–61.
4. Windecker S, Kolh P, Alfonso F, et al: 2014 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization: The Task Force on Myocardial Revascularization of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), developed with the special contribution of the European Association of Percutaneous Cardiovascular Interventions (EAPCI). Eur Heart J 2014; 35(37): 2541–619.
ICD-Implantation nach Herzinfarkt
Innerhalb der ersten 40 Tage nach Herzinfarkt soll KEINE primärpräventive ICD-Implantation durchgeführt werden.
- Der implantierbare Cardioverter- Defibrillator (ICD) hat sich als effektive Therapie zur Verhinderung des plötzlichen Herztods bei Hochrisikopatienten etabliert: bei Patienten mit überlebtem Herz-Kreislauf-Stillstand, anhaltenden Kammertachykardien (1), zur Primärprävention des plötzlichen Herztods bei chronischer HI (2) und bei Patienten im chronischen Postinfarktstadium (> 40 Tage nach Infarkt) mit reduzierter, linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF <= 35 %) (3).
- Auch früh nach Myokardinfarkt (besonders im ersten Monat) ist das Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, stark erhöht und nimmt dann bis 24 Monate nach Infarkt ab (4).
- Dennoch konnte in zwei randomisierten Studien kein Vorteil für eine primärpräventive ICD-Implantation früh (d. h. < 40 Tage) nach Infarkt nachgewiesen werden (5,6).
- 6–12 Wochen nach Myokardinfarkt soll die LVEF überprüft werden.
- Bei weiterhin reduzierter LVEF ist die Indikation zur primärpräventiven ICD-Implantation zu diesem Zeitpunkt durch die aktuelle Studienlage belegt.
1. Priori SG, Blomström-Lundqvist C, Mazzanti A, et al.: 2015 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J 2015; 36(41): 2793–867.
2. Bardy GH, Lee KL, Mark DB, et al.: Sudden Cardiac Death in Heart Failure Trial (SCDHeFT) Investigators. Amiodarone or an implantable cardioverter-defibrillator for congestive heart failure. N Engl J Med 2005; 352(3): 225–37.
3. Moss AJ, Hall WJ, Cannom DS, et al. for the Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial Investigators: Improved survival with an implanted defibrillator in patients with coronary disease at high risk for ventricular arrhythmia. N Engl J Med 1996; 335(26): 1933–40.
4. Solomon SD, Zelenkofske S, McMurray JJ, et al.: Valsartan in Acute Myocardial Infarction Trial (VALIANT) Investigators. Sudden death in patients with myocardial infarction and left ventricular dysfunction, heart failure, or both. N Engl J Med 2005; 352: 2581–88.
5. Hohnloser SH, Kuck KH, Dorian P, et al.: Prophylactic use of an implantable cardioverter- defibrillator after acute myocardial infarction. DINAMIT Investigators. N Engl J Med 2004; 351(24): 2481–8.
6. Steinbeck G, Andresen D, Seidl K, et al.: IRIS Investigators: Defibrillator implantation early after myocardial infarction. N Engl J Med 2009; 361(15): 1427–36.