Zusammenfassung
Lithium ist ein einwertiges Alkalimetall und wird in Form von Lithiumsalzen insb. in der Therapie affektiver Störungen eingesetzt. Dabei machen stimmungsstabilisierende, antimanische und suizidprophylaktische Eigenschaften Lithium zum Goldstandard der Phasenprophylaxe bipolarer Störungen. Weitere Indikationen sind bspw. therapierefraktäre schwere Depressionen oder schizoaffektive Störungen. Zahlreiche Nebenwirkungen (bspw. feinschlägiger Tremor, renaler Diabetes insipidus mit Polyurie und Polydipsie, Gewichtszunahme), eine geringe therapeutische Breite sowie verschiedene Interaktionspotentiale setzen in der Lithiumtherapie fundierte Kenntnisse und Erfahrungen der behandelnden Personen voraus.
Eine Lithiumintoxikation kann bspw. aus mangelnder Patientenaufklärung oder unzureichendem Wissen der behandelnden Ärzt:innen resultieren und ist ein ernstzunehmendes Erkrankungsbild, das eine sofortige Intervention erfordert. Bei korrekter Anwendung, regelmäßigen Kontrollen des Lithiumspiegels und anderer Parameter (u.a. Körpergewicht, Nieren- und Schilddrüsenwerte) sowie sorgfältiger Patientenschulung und -aufklärung ist Lithium jedoch insgesamt ein sicheres Medikament.
Wirkung
Lithium konkurriert als einwertiges Alkalimetall mit Magnesium-Ionen an spezifischen Bindungsstellen unterschiedlicher Enzyme (u.a. Inositol-Monophosphatase, Adenylylcyclase, Glykogensynthase-Kinase 3) und hemmt diese. Dies löst eine Vielzahl unterschiedlicher zentralnervöser Effekte aus, wobei nach wie vor unklar ist, welcher dieser Effekte für die antimanische, stimmungsstabilisierende oder suizidprophylaktische Wirkung von Lithium verantwortlich ist. Im Folgenden werden einige von ihnen aufgeführt: [1][2][3][4]
- Beeinflussung von
- Second-Messenger-Systemen, insb. des Inositolphosphat-Stoffwechselweges
- Neurotransmittersystemen, bspw. [4][5]
- Ionenkanälen
- Zirkadianer Rhythmik
- Neuroprotektive Effekte, u.a. durch Reduktion oxidativen Stresses und Synthese von Bcl-2-Protein (B-Zell-Lymphoma-Protein 2), siehe auch: Bcl-2-Familie
Pharmakokinetik
Lithium liegt in Form verschiedener Salze vor, bspw. als Lithiumcarbonat, -sulfat und -aspartat. Die folgenden Angaben beziehen sich dabei auf Lithiumcarbonat (bspw. Hypnorex® oder Quilonum®). [2][6]
- Resorption: Fast vollständig enteral
- Metabolisierung: Keine
- Elimination: Ausschließlich renal
- Halbwertszeit: Durchschnittlich 24 h (14–30 h)
- Ältere Menschen: 30–36 h
- Jugendliche: 18 h
- Steady State: Durchschnittlich nach 4–5 Tagen [1][3]
Indikation
- Phasenprophylaxe [2]
- Bipolarer affektiver Störungen: Mittel der 1. Wahl [7]
- Schizoaffektiver Störungen
- Schwerer depressiver Störungen
- Akutbehandlung
- Manischer Episoden, ggf. Kombination mit atypischen Antipsychotikum [2]
-
Depressiver Episoden, ggf. Kombination mit Antidepressivum (Augmentation) [2][8]
- Bei Therapieresistenz
- Bei Unverträglichkeit von Antidepressiva
- Bei V.a. eine beginnende Manie
- Prophylaxe: Clusterkopfschmerz (Mittel der 2. Wahl)
- Suizidprophylaktischer Effekt (Off-Label Use) [9]
- Reduktion aggressiven Verhaltens (Off-Label Use) [6]
Lithium kann das Suizidrisiko senken! [10]
Nebenwirkung
Im Allgemeinen ist Lithium ein gut verträgliches Medikament. Insbesondere zu Beginn der Behandlung treten jedoch häufig Nebenwirkungen auf, die i.d.R. nach einigen Tagen spontan sistieren [2].
Nebenwirkungen von Lithium [2][11] | ||
---|---|---|
Organsystem | Häufige Nebenwirkungen | Seltene Nebenwirkungen |
Psyche/Nervensystem |
|
|
Niere |
|
|
Elektrolyt- und Wasserhaushalt |
|
|
Gastrointestinaltrakt |
| |
Endokrines System |
|
|
Herz | — |
|
Blut | — | |
Haut | — |
|
Die Nebenwirkungen, die am häufigsten zu einem Therapieabbruch führen sind: kognitive Störungen, Gewichtszunahme, Tremor und Polyurie! [2]
Vorgehen bei Nebenwirkungen [2][13]
- Kernfragen
- Handelt es sich um Nebenwirkungen, die ggf. nach einigen Tagen spontan sistieren?
- Werden Krankheitssymptome möglicherweise als Nebenwirkungen der Lithiumtherapie fehlinterpretiert?
- Sind bei Komedikation/Polypharmazie evtl. andere Medikamente für die Nebenwirkungen verantwortlich?
- Kann der Lithiumspiegel ggf. auf einen unteren therapeutischen Bereich eingestellt werden, um Nebenwirkungen abzuschwächen/zu vermeiden?
- Therapieoptionen, u.a.
- Feinschlägiger Tremor
- Umstellung auf Retardpräparat
- Gabe von Propranolol
- Vermeidung koffeinhaltiger Produkte
- Ggf. Reduzierung der Lithiumdosis
- Hypothyreotische Stoffwechsellage: Substitution von L-Thyroxin
- Gewichtszunahme: Ernährungsberatung und kalorienreduzierte Ernährung
- Feinschlägiger Tremor
Es werden die wichtigsten Nebenwirkungen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Lithiumintoxikation
Definition
Ab einem Lithiumspiegel von >1,5 mmol/L ist eine Intoxikation sehr wahrscheinlich. Vor allem bei älteren Patient:innen können Intoxikationssymptome jedoch auch schon bei normalen Lithiumspiegeln auftreten.[15][16]
Epidemiologie [15][17][18]
Die nachfolgenden Daten sind aus verschiedenen Studien extrahiert und gelten näherungsweise.
- Inzidenz: 0,7–1/100 Patient:innen/Behandlungsjahr
- Geschlechterverteilung: ♀ > ♂
- Mortalität: ≤1%
Ätiologie [2][17]
Die Ursachen einer Lithiumintoxikation sind vielfältig.
- Fehlende Erfahrung der Behandelnden
- Nicht-Beachtung interagierender Medikamente (Polypharmazie)
- Unzulängliches Therapiemonitoring, insb. nach Erhöhung der Dosis
- Fehlerhafte Patientenselektion, bspw. bei schwerwiegenden Vorerkrankungen
- Ungeeignete Dosierungen
- Mangelnde Aufklärung der Patient:innen
- Mangelndes Selbstmanagement der Patient:innen
- Überdosierung (suizidal oder akzidentell)
- Nierenfunktionsstörungen
-
Störungen des Elektrolythaushaltes, insb. Hyponatriämie , bspw. durch
- Natriumarme Diät oder vermehrtes Schwitzen (bspw. bei großer Hitze, Sonnenbaden, Sauna), Infekte (Durchfall, Fieber), Dehydratation
- Diuretikatherapie (bspw. mit Thiaziden oder Schleifendiuretika)
- Siehe auch: Interaktionen in der Lithiumtherapie
- Höheres Lebensalter
Mangelnde Patientenaufklärung, fehlendes Monitoring und Arzneimittelinteraktionen zählen zu den relevantesten Risikofaktoren für die Entwicklung einer Lithiumintoxikation! [17]
Symptomatik einer Lithiumintoxikation [2][19][20][21]
Je nach Individuum und Verlaufsform unterscheidet sich insb. die initiale Symptomatik [15][16].
Allgemein
Gastrointestinal/vegetativ
- Insb. initial
- Übelkeit, Erbrechen, Inappetenz
- Diarrhö
- Abdominelle Schmerzen
Neurologisch/psychiatrisch
- Initial
- Schwindel
- Abgeschlagenheit, Apathie und Lethargie
- Dysarthrie
- Grobschlägiger Händetremor
- Ataxie
- Nystagmus (insb. Downbeat-Nystagmus mit schneller Augenbewegung nach unten ) [22]
- Bewusstseinsstörungen
- Psychomotorische Verlangsamung
- Delirante Symptomatik
- Muskuläre Faszikulationen
- Allgemeinveränderungen im EEG
- Später/bei schwerem Verlauf
Urogenital [21]
- Initial: Polyurie und Polydipsie
- Später/bei schwerem Verlauf: Niereninsuffizienz bis hin zur akuten Nierenschädigung
Kardiovaskulär
- Herzrhythmusstörungen
- Hypotension
- EKG-Veränderungen: Verlängerte QT-Zeit, T-Wellen-Umkehr, ST-Strecken-Abflachung
- Verschlechterung der globalen Herzfunktion
Verlaufsformen
Es können mehrere Verlaufsformen, die im klinischen Bild differieren, unterschieden werden:
Chronische Lithiumintoxikation [15][23]
- Auftreten: Patient:innen mit Lithiumvorbehandlung , bspw. bei
- Relativer Überdosierung, durch Akkumulation einer nur geringfügig erhöhten Dosierung
- Zunehmender Nierenfunktionsstörung
- Flüssigkeitsverlusten
- Häufigkeit: Häufiger als die akute Intoxikation
- Verlauf: Bei vergleichbaren Spiegeln verläuft die chronische schwerer als die akute Form
- Besonderheiten: Höhere zerebrale Lithiumkonzentrationen aufgrund Vorbehandlung → Schwere Intoxikationssymptome bei moderat erhöhtem Lithiumspiegel möglich
- Vordergründig: Neurologische Symptome, siehe auch: Symptome einer Lithiumintoxikation
Akute Lithiumintoxikation [15]
- Auftreten
- Akut: Patient:innen ohne Lithiumvorbehandlung
- „Akut-auf-chronisch“ (Acute-on-chronic): Patient:innen mit Lithiumvorbehandlung
- Häufigkeit: Seltener als die chronische Intoxikation
- Verlauf: I.d.R. milder als chronische Form (obwohl häufig höhere Plasmaspiegel!)
- Vordergründig
- Gastrointestinale und ggf. kardiovaskuläre Symptome [20]
- Siehe auch: Symptome einer Lithiumintoxikation
Insb. ältere Patient:innen können auch bei normalen Lithiumspiegeln Intoxikationssymptome zeigen!
Therapie einer Lithiumintoxikation [15][17][21][24]
Eine Lithiumintoxikation ist aufgrund des potenziell tödlichen Verlaufs ein medizinischer Notfall und erfordert eine multidisziplinäre und i.d.R. intensivmedizinische Behandlung. Folgende Maßnahmen sind in Abhängigkeit von der Höhe des Lithiumspiegels und des klinischen Bildes zu treffen:
- Erstmaßnahmen
- Sofortiges Absetzen von Lithium (kein Antidot vorhanden!)
- Sicherung der Atemwege und der Vitalfunktionen
- Ggf. Absetzen anderer mit Lithium interagierender Medikamente
- Siehe auch: Akute Intoxikationen - AMBOSS-SOP
- Weiteres Vorgehen [15][21]
- Großzügige Hydrierungsmaßnahmen mit isotonischer Kochsalzlösung (NaCl 0,9%) i.v. als Bolus bis zur Euvolämie (Achtung: Elektrolythaushalt sowie kardiale Funktionen berücksichtigen!)
- Fortführung der i.v. Flüssigkeitszufuhr (Zieldiurese >1,5–3 mL/kgKG/h)
- Bei akuter Lithiumintoxikation: Anterograde Darmspülung mit Polyethylenglykol (PEG) (Aktivkohle bindet nicht!)
- Ggf. Hämodialyse über 4–5 h (Zielspiegel < 1 mmol/L) oder
- Hämofiltration
- Großzügige Hydrierungsmaßnahmen mit isotonischer Kochsalzlösung (NaCl 0,9%) i.v. als Bolus bis zur Euvolämie (Achtung: Elektrolythaushalt sowie kardiale Funktionen berücksichtigen!)
- Kontrolle des Lithiumspiegels: Alle 2–4 h [16]
- Supportive Maßnahmen: Behandlung möglicher Komplikationen (bspw. Hypotension, Herzrhythmusstörungen, epileptischer Anfall)
Bei V.a. eine Lithiumintoxikation sollte Lithium sofort abgesetzt werden!
Es gibt kein Antidot zur Behandlung der Lithiumintoxikation. Auch Aktivkohle bindet Lithium nicht!
Schleifendiuretika und Thiazide sind absolut kontraindiziert! [19]
Komplikationen
- Persistierende neurologische Störungen: SILENT (Syndrome of irreversible Lithium-effectuated Neurotoxicity) [15][25]
- Irreversible Nierenfunktionsstörungen, bspw. chronische tubulo-interstitielle Nephritis, Diabetes insipidus renalis [15]
- Herz-Kreislauf-Stillstand
Kontraindikation
Kontraindikationen einer Lithiumtherapie [2][3][6][16][26] | ||
---|---|---|
Organsystem | Absolute Kontraindikationen | Relative Kontraindikationen |
Niere |
|
|
Herz |
| |
Elektrolyt- und Wasserhaushalt / Stoffwechsel |
|
|
Nervensystem | — |
|
Endokrines System | — | |
Haut | — | |
Blut | — |
|
Allgemein |
|
|
Bei einer schweren psychiatrischen Erkrankung und fehlenden bzw. erfolglosen alternativen Behandlungsmethoden kann trotz Vorliegen relativer Kontraindikationen Lithium eindosiert werden. Dies sollte jedoch nur unter besonderer Vorsicht bei vollstationärer Behandlung, unter täglichen Blutspiegelkontrollen und mit der geringsten effektiven Dosierung erfolgen! [6]
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Interaktion
Arzneimittelinteraktionen
Es gibt eine Vielzahl von Medikamenten, die direkt oder indirekt den Lithiumspiegel und/oder die Wirkung von Lithium beeinflussen können. Im Folgenden sind beispielhafte, wichtige Medikamente aufgeführt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Arzneimittelinteraktionen in der Lithiumtherapie [2][6][16] | |
---|---|
Substanz | Interaktionen |
| |
| |
|
|
| |
|
|
|
|
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
|
|
| |
|
|
Einfluss des Natrium- und Wasserhaushaltes auf die Lithiumtherapie [2][27][28][12]
Lithium ähnelt in der Struktur Natrium und nutzt im Körper dieselben Transportmechanismen und Ausscheidungswege . Eine Veränderung des Natrium- und Wasserhaushaltes führt i.d.R. auch zu einer veränderten Lithiumausscheidung.
- Hyponatriämie: Gesteigerte Natriumrückresorption → Gesteigerte Lithiumrückresorption → Steigende Lithiumspiegel mit Intoxikationsgefahr!
- Hypernatriämie: Verminderte Natriumrückresorption → Verminderte Lithiumrückresorption → Sinkende Lithiumspiegel!
Verminderte Lithiumausscheidung (Intoxikationsgefahr) | Erhöhte Lithiumausscheidung (sinkende Lithiumspiegel!) |
---|---|
|
Weitere Einflüsse
- Verminderung der glomerulären Filtrationsrate (GFR): Lithium kann renal nicht bzw. nicht mehr ausreichend eliminiert werden → Steigende Lithiumspiegel mit Intoxikationsgefahr!
- Nierenfunktionsstörungen, bspw. Niereninsuffizienz
- Ältere Patient:innen
- Koffein: Senkung des Lithiumspiegels
- Alkohol: Zunahme kognitiver Störungen, vermindertes Reaktionsvermögen sowie psychomotorische Verlangsamung
Therapieempfehlungen
Vor Beginn einer Lithiumtherapie [1][2][4][6]
Eine stabile und vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung ist Grundbaustein einer sicheren Lithiumbehandlung und kann die Therapieadhärenz stark fördern. Vor Therapiebeginn sollten unbedingt die Kontraindikationen einer Lithiumtherapie geprüft werden.
- Anamnese
- Psychiatrische Anamnese, mit zusätzlichem Schwerpunkt auf somatische Anamnese [1]
- Medikamentenanamnese, siehe auch: Arzneimittelinteraktionen in der Lithiumtherapie
- Klinische Untersuchungen
- Neurologische Untersuchung
- Internistische Untersuchung mit
- Dermatologischer Untersuchung
- Gewicht, Körpergröße
- Blutdruck, Puls
- Halsumfang
- Labordiagnostik
- Routinelabordiagnostik, insb.
- Nierenwerte
- Schilddrüsenwerte
- Elektrolyte
- Schwangerschaftstest
- Siehe auch: Labordiagnostik in der Psychiatrie
- Zur Einschätzung der Nierenfunktion: Kreatinin-Clearance (über 24-h-Sammelurin), alternativ Bestimmung der eGFR mittels MDRD-Formel (Rechner)
- Routinelabordiagnostik, insb.
- Apparative Diagnostik
- Aufklärung (unter Einbeziehung von Angehörigen oder Vertrauenspersonen) [4]
- Wirkung von Lithium, Nebenwirkungen von Lithium, Symptomatik einer Lithiumintoxikation [4]
- Handlungsanweisungen
- Vermeidung interagierender Medikamente (Liste aushändigen!), siehe auch: Arzneimittelinteraktionen in der Lithiumtherapie
- Sicherstellung einer effektiven Kontrazeption bei Frauen [4]
- Weitere Maßnahmen
- Lithiumpass aushändigen
- Informieren anderer behandelnder Ärzt:innen über Lithiumtherapie
Auswahl des Präparates [6]
- Keine Priorisierung einzelner Lithiumsalze [6]
- Retardpräparat bevorzugen
- Wechsel des Präparates vermeiden
Dosierung [16]
Lithium wird spiegelabhängig eindosiert und hat eine sehr enge therapeutische Breite. Die folgenden Angaben beziehen sich dabei auf Lithiumcarbonat.
- Allgemein
- Dosierung individuell unterschiedlich → Anstreben des geringsten wirksamen Lithiumspiegels
- Gabe: 1–2× täglich mit der Hauptdosis abends
- Bei älteren Patient:innen: Halbierte Startdosis wählen und langsam aufdosieren (siehe auch: Lithium - Besondere Patientengruppen)
- Neueinstellung
- Wirkeintritt: Frühestens nach 2–4 Wochen
- Eindosierung
- Einschleichend
- Initial ca. 12 mmol Lithium/Tag
- Dosissteigerung: Je nach Alter, therapeutischem Effekt und Lithiumspiegel
- Ca. 18–36 mmol Lithium/Tag
- Verteilt auf 2 Gaben oder
- Einmalgabe abends
- Dosisreduktion: Langsam und in kleinen Schritten
- Absetzen (unter engmaschiger psychiatrischer Anbindung!) [4]
- Kein abruptes Absetzen (mit Ausnahme bei V.a. Lithiumintoxikation!)
- Dosisreduzierung über mind. 2 Wochen, möglichst über mehrere Monate
- Suizidrisiko: Nach Absetzen deutlich erhöht!
Da die Patient:innen i.d.R. zuerst die Nebenwirkungen von Lithium spüren, müssen sie zur Adhärenzförderung unbedingt über den verzögerten Wirkeintritt von Lithium informiert werden! [6]
Beim Absetzen von Lithium gilt Folgendes: Je länger eine Person mit Lithium behandelt wurde, desto langsamer und kontrollierter sollte Lithium ausgeschlichen werden!
Bei Absetzen der Lithiummedikation ist das Suizidrisiko deutlich erhöht! [6]
Spiegelbestimmung [2]
- Durchführung
- Erste Kontrolle des Plasmaspiegels eine Woche nach Therapiebeginn (im Steady State)
- 12 ± 0,5 h nach der letzten Einnahme
- Häufigkeit [2]
- 1. Monat: 1×/Woche
- 2.–6. Monat: 1×/Monat
- Ab 7. Monat: Vierteljährlich
- Zielbereich [2][6]
- Rezidivprophylaxe (Phasenprophylaxe): 0,5–0,8 mmol/L
- Akutphase (antimanische Wirkung): 0,9–1,2 mmol/L
- Augmentation: 0,4–0,8 mmol/L
Lithium hat eine sehr enge therapeutische Breite. Der therapeutische Referenzbereich beträgt 0,5–1,2 mmol/L! Bei älteren Patient:innen (>65 Jahre) sollte der Serumspiegel 0,6 mmol/L nicht überschreiten! [16][31]
Anwendungshinweise [6][16]
- Einnahme
- Unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit
- Nicht liegend
- Immer zur gleichen Uhrzeit
- Vorgehen bei Versäumnis
- Einnahme nicht nachholen
- Bis zur nächsten regulären Einnahme warten
- Kein Ausgleich durch Einnahme doppelter Dosis
Versäumte Einnahmen sollten nicht nachgeholt werden! [16]
Behandlungsdauer [4]
- Phasenprophylaxe: Mind. 6–12 Monate [16]
- Akuttherapie (Manie): Einige Tage bis mehrere Wochen
- Augmentationsbehandlung (bei unipolarer Depression): 4 Wochen [4][5]
- Ausnahme: Suizidprophylaxe (Off-Label Use)
Kontrolluntersuchungen
Bereits vor Behandlungsbeginn sollten einige Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden, siehe hierzu: Vor Beginn einer Lithiumtherapie.
Kontrolluntersuchungen während einer Lithiumtherapie [2] | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Behandlungszeitraum | 1. Monat | 2. Monat | 3. Monat | 4. Monat | 5. Monat | 6. Monat | Vierteljährlich | Jährlich |
Lithiumspiegel | 4× | 1× | 1× | 1× | 1× | 1× | 1× | — |
Elektrolyte (inkl. Ca2+) | 1× | — | 1× | — | — | 1× | — | — |
Kreatinin | 4× | 1× | 1× | 1× | 1× | 1× | 1× | — |
24-h-Urinvolumen, GFR | — | — | — | — | — | 1× | — | 1× |
Schilddrüsenwerte | — | — | — | — | — | — | — | 1× |
EKG | 1× | — | — | — | — | — | — | 1× |
Blutdruck und Puls | 1× | — | 1× | — | — | 1× | 1× | — |
Körpergewicht | — | — | 1× | — | — | 1× | 1× | — |
Halsumfang | — | — | 1× | — | — | 1× | 1× | — |
Blutbild | — | — | — | — | — | — | — | 1× |
Besondere Patientengruppen
Die Anwendung von Lithium in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie von Lithium bei älteren Personen wird in den folgenden Subsektionen behandelt.
Personen mit Körpergewicht <50 kg
Gemäß der Fachinformation gelten hier dieselben Empfehlungen wie bei älteren Personen.
Schwangerschaft und Stillzeit
- Zu beachten
- Lithium ist plazentagängig und schwach teratogen
- Erhöhtes Frühgeburtsrisiko
- Strenge Indikationsprüfung
- Neueinstellung im 1. Trimenon möglichst vermeiden
- Schwangerschaft unter bereits bestehender Lithium-Therapie: Fortführung nach Nutzen-Risiko-Prüfung möglich
- Off-Label Use
- Für weiterführende Informationen siehe: Tipps & Links (Embryotox) und Fachinformation [16]
- Empfehlungen zur Lithium-Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit
- Schwangerschaft
- Dosierung (Retardpräparat): Aufteilung auf 3–4 Einzeldosen/d zur Vermeidung von Plasmaspitzen
- Engmaschige Spiegelkontrollen (Lithium-Pass)
- Im 1. Trimenon: Medikamentenspiegel möglichst niedrig halten
- 16.–18. SSW: Ultraschallfeindiagnostik und fetale Echokardiografie
- Auswahl einer Geburtsklinik mit neonatologischer Intensivversorgung
- Perinatal [16]
- 1 Woche vor Geburt: Dosisreduzierung um 30–50%
- Mit Einsetzen der Wehentätigkeit: Vollständiges Absetzen
- Nach Geburt
- Ursprüngliches Einnahmeschema weiterführen
- CAVE: Postpartal reduzierte Lithium-Clearance
- Stillzeit[16]
- Nicht empfohlen, bei ausdrücklichem Wunsch jedoch akzeptabel
- Wenn gestillt wird
- Möglichst geringe Dosis wählen
- Engmaschiges Monitoring des Kindes bzgl.
- Lithiumspiegel
- Dehydratation
- Vergiftungssymptome (bspw. Lethargie)
- Schwangerschaft
Ältere Personen
- Zu beachten
- Oft verlängerte HWZ: 30–36 h
- Gehäuftes Auftreten extrapyramidalmotorischer/neurotoxischer Symptome
- Erhöhtes Interaktions- und Intoxikationsrisiko durch
- Polypharmazie
- Nierenfunktionsstörungen
- Siehe auch: Interaktionen in der Lithiumtherapie
- Grundlagen einer Lithium-Therapie bei älteren Personen (>65 Jahre) [7][16]
- Halbierte Startdosis wählen und langsam aufdosieren
- Plasmaspitzen vermeiden: Aufteilung auf 2 Einzelgaben/d bevorzugen
- Lithiumspiegel >0,6 mmol/L möglichst vermeiden
- Häufigere Kontrollen des Plasmaspiegels sowie der Nierenwerte empfohlen, siehe auch: Lithium - Kontrolluntersuchungen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Lithium
Inhaltliches Feedback zu den Meditricks-Videos bitte über den zugehörigen Feedback-Button einreichen (dieser erscheint beim Öffnen der Meditricks).