Zusammenfassung
Ein Tremor beschreibt rhythmische Bewegungen eines oder mehrerer Körperteile, die sich in ihrer Erscheinungsform sehr unterscheiden können. Es werden im Wesentlichen Ruhe-, Halte- und Zieltremor unterschieden, wobei letzterer Zeichen für eine Kleinhirnläsion ist. Typische Erkrankung für einen Haltetremor ist der essenzielle Tremor, der familiär gehäuft auftritt und sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass er sich in Stresssituationen verstärkt und durch moderaten Alkoholkonsum mildert. Der Ruhetremor ist eines der Leitsymptome der Parkinson-Krankheit und ist gekennzeichnet durch einen während körperlicher Ruhe auftretenden, asymmetrisch ausgeprägten, feinschlägigen Tremor der Extremitäten, der sich ebenfalls in Stresssituationen verstärkt. Eine Sonderform stellt der orthostatische Tremor dar, der bei längerem Stand die Beinmuskeln betrifft, zu Standunsicherheit führt und oft nur elektrophysiologisch nachweisbar ist.
Terminologie
- Ruhetremor: Tremor, der bei körperlicher Entspannung auftritt und bei mentaler Anspannung zunimmt
- Aktionstremor: Tremor, der bei aktiven Bewegungen eintritt
- Haltetremor: Tremor, der eintritt, wenn eine bestimmte Körper-Stellung durch Muskelarbeit gegen die Schwerkraft gehalten werden muss
Essenzieller Tremor
- Epidemiologie: Häufigkeitsgipfel im 40. Lebensjahr
- Ätiologie: Bei ca. 60% ergeben sich Hinweise auf eine Vererbung. Die zugrunde liegenden genetischen Ursachen sind jedoch noch nicht identifiziert.
- Klinik
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Meist symmetrischer Haltetremor (Armvorhalteversuch) mit einer Frequenz von 5–10/s
- Langsam progredienter Verlauf
- Kurzzeitige Besserung nach Alkoholkonsum
- Verschlechterung in Stresssituationen
- Bei 50% der Patienten liegt zusätzlich ein Zieltremor, bei 15% ein Ruhetremor vor.
- Lokalisation: Hände (ca. 90%), Kopf (ca. 30%; sog. Ja-Ja- oder Nein-Nein-Tremor), Stimme (ca. 15%), Zunge
- Isolierte Tremorformen möglich
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Meist symmetrischer Haltetremor (Armvorhalteversuch) mit einer Frequenz von 5–10/s
- Diagnostik
- Basisdiagnostik
- Neurologische Anamnese und Untersuchung
- Laboruntersuchungen: Leber- und Nierenwerte, TSH, Elektrolyte
- Weitere Diagnostik im Einzelfall erforderlich
- Basisdiagnostik
- Therapie [1]
- Mittel der 1. Wahl
- Propranolol
- Primidon (Off-Label Use)
- Topiramat (Off-Label Use)
- Alternativ
- Botulinumtoxin: Bei essenziellem Tremor der Hände
- Tiefe Hirnstimulation (Thalamus)
- Erwägen bei schweren Verläufen und Medikamentenresistenz
- Unilateral oder bilateral
- Indikationsstellung nur in Spezialzentren
- Mittel der 1. Wahl
Orthostatischer Tremor
- Epidemiologie
- Ätiologie: Unbekannt
- Klinik: Vor allem bei längerem Stehen kommt es zu:
- Gefühl des Bebens der Beine
- Subjektiver Standunsicherheit und Stürzen
- Diagnostik
- Symptomatische Therapie: Gabapentin
Weitere Tremorformen
- Dystoner Tremor: Halte- oder Zieltremor, der nur bei vorbestehender Dystonie der gleichen Körperregion auftritt
- Holmes-Tremor: Niederfrequenter, grober Ruhe- (Halte-,) und Intentionstremor, der klassischerweise bei Läsionen im Gebiet des Ncl. ruber (z.B. durch Schlaganfall) auftritt
- Psychogener Tremor
- Meist Aktionstremor vom Halte- und/oder Bewegungstyp mit plötzlichem Beginn und Ende
- Ablenkung führt zum Sistieren des Tremors
- Verschiedene Tremorformen treten kombiniert auf
- Charakter des Tremors kann sich verändern
- Tremor bei der Parkinson-Krankheit: Typischerweise asymmetrisch ausgeprägter Ruhetremor der Extremitäten (4–6, selten bis 9 Hz)
- Flapping Tremor (Asterixis): Kein eigentlicher Tremor, sondern generalisierte kurze fallende Zuckungen durch intermittierendes plötzliches Aussetzen des Muskeltonus
- Zieltremor (zerebellärer Tremor, Intentionstremor)
- Kein eigentlicher Tremor, sondern Form der zerebellären Ataxie
- Dysmetrischer Bewegungsablauf bei zielgerichteten Bewegungen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- G25.-: Sonstige extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
- G25.0: Essentieller Tremor
- Familiärer Tremor
- Exklusive: Tremor o.n.A. (R25.1)
- G25.1: Arzneimittelinduzierter Tremor
- G25.2: Sonstige näher bezeichnete Tremorformen
- G25.3: Myoklonus
- G25.4: Arzneimittelinduzierte Chorea
- G25.5: Sonstige Chorea (Chorea o.n.A.)
- Exklusive: Chorea Huntington (G10), Chorea minor [Chorea Sydenham] (I02.‑), Chorea o.n.A. mit Herzbeteiligung (I02.0), Rheumatische Chorea (I02.‑)
- G25.6: Arzneimittelinduzierte Tics und sonstige Tics organischen Ursprungs
- Exklusive: Gilles-de-la-Tourette-Syndrom (F95.2), Tic o.n.A. (F95.9)
- G25.8-: Sonstige näher bezeichnete extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
- G25.80: Periodische Beinbewegungen im Schlaf (Periodic Limb Movements in Sleep [PLMS])
- G25.81: Syndrom der unruhigen Beine [Restless-Legs-Syndrom]
- G25.88: Sonstige näher bezeichnete extrapyramidale Krankheiten und Bewegungsstörungen
- Akathisie (behandlungsinduziert) (medikamenteninduziert)
- Stiff-man-Syndrom [Muskelstarre-Syndrom]
- G25.9: Extrapyramidale Krankheit oder Bewegungsstörung, nicht näher bezeichnet
- G25.0: Essentieller Tremor
- R25.-: Abnorme unwillkürliche Bewegungen
- Exklusive: Spezifische Bewegungsstörungen (G20-G26), Stereotype Bewegungsstörungen (F98.4), Ticstörungen (F95.‑)
- R25.0: Abnorme Kopfbewegungen
- R25.1: Tremor, nicht näher bezeichnet
- R25.2: Krämpfe und Spasmen der Muskulatur
- Exklusive: Karpopedalspasmen (R29.0), Krämpfe im Kindesalter (G40.4)
- R25.3: Faszikulation (Zuckungen o.n.A.)
- R25.8: Sonstige und nicht näher bezeichnete abnorme unwillkürliche Bewegungen
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.