Zusammenfassung
Die Perikarditis ist eine Entzündung des Herzbeutels. Im klinischen Alltag wird sie oft als idiopathisch klassifiziert, es sind aber viele unterschiedliche Ursachen möglich (bspw. Virusinfektionen oder Autoimmunreaktionen nach einem Herzinfarkt). Bei einer Myoperikarditis greift die Entzündung auf die angrenzenden Schichten des Herzmuskels über. Typisches Symptom ist ein stechender Thoraxschmerz, der unabhängig von Belastung auftritt. Das EKG kann diffuse ST-Hebungen zeigen, die mit einem Myokardinfarkt verwechselt werden können – dieser sollte als Ursache daher immer zunächst ausgeschlossen werden. Bei der Herzauskultation kann ein charakteristisches Reibegeräusch auffallen. Häufig tritt begleitend auch ein Perikarderguss auf. In der Mehrzahl der Fälle verläuft die Perikarditis selbstlimitierend und erfordert keine spezifische Therapie. Strenge körperliche Schonung ist eine wichtige Maßnahme. Oft erfolgt begleitend außerdem eine Therapie mit NSAR und Colchicin, die Symptome lindern und Rezidive verhindern kann. Gefürchtete Komplikationen der Perikarditis sind die Perikardtamponade und eine chronische Konstriktion – beide können zu schweren Herzinsuffizienzsymptomen führen.
Definition
Grundsätzlich werden die entzündlichen Erkrankungen von Myokard und Perikard anhand der verschiedenen Befallsmuster definiert. Die Perikarditis wird zudem auch nach ihrem zeitlichen Verlauf eingeteilt.
Definition nach Befallsmuster
Die medizinische Terminologie ermöglicht prinzipiell eine klare Trennung der verschiedenen Formen entzündlicher Erkrankungen von Myokard und Perikard. Leider werden diese Begriffe in der Literatur trotzdem häufig synonym genutzt, verwechselt und/oder unscharf verwendet.
- Perikarditis: Isolierte Entzündung des Herzbeutels
- Myoperikarditis: Primäre Entzündung des Herzbeutels mit Beteiligung der angrenzenden Schichten des Herzmuskels
- Myokarditis: Isolierte Entzündung des Herzmuskels
- Perimyokarditis: Primäre Entzündung des Herzmuskels mit Beteiligung der angrenzenden Schichten des Herzbeutels
- Pankarditis: Entzündung aller Herzwandschichten (Endokard, Myokard, Epikard, Perikard)
Zeitlicher Verlauf
- Akute Perikarditis: Dauer ≤4–6 Wochen
- Persistierende Perikarditis: Dauer >4–6 Wochen, aber <3 Monate
- Rezidivierende Perikarditis: Rezidiv nach symptomfreiem Intervall von mind. 4–6 Wochen
- Chronische Perikarditis: Dauer >3 Monate
Epidemiologie
- Prävalenz: Ca. 27/100.000 Personen
- Verantwortlich für etwa 5% der Vorstellungen mit Thoraxschmerzen in der Notaufnahme
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Akute Perikarditiden werden im klinischen Alltag mehrheitlich (>80%) als idiopathisch klassifiziert, da häufig kein spezifischer ätiologischer Faktor nachgewiesen werden kann oder bei mildem Verlauf keine weitergehenden diagnostischen Schritte erfolgen. Meist wird dann eine virale oder autoimmune Genese vermutet, die Diagnose aber nicht validiert [2]. [3]
Infektiös
- Viren
- Häufigste Erreger: Parvovirus B19, EBV
- Weitere Erreger
- Bspw. Coxsackie-, ECHO-, Herpesviren, CMV, HIV
- SARS-CoV-2 [4][5][6]
- Bakterien (in Europa selten)
- Häufiger Erreger: Mycobacterium tuberculosis [2]
- Seltene Erreger: Bspw. Borrelia burgdorferi, Coxiella burnetii, Gonokokken, Haemophilus, Meningokokken, Pneumokokken
- Pilze und Parasiten: Sehr selten
Nicht-infektiös
- Autoimmun
- Posttraumatisches Herzsyndrom
- Perikarditis epistenocardica („Frühperikarditis“)
- Postmyokardinfarkt-Syndrom („Spätperikarditis“)
- Postkardiotomiesyndrom
- Posttraumatische Perikarditis (akzidentell oder iatrogen)
- Rheumatologische Erkrankungen und systemische Autoimmunerkrankungen
- Rheumatisches Fieber
- Posttraumatisches Herzsyndrom
- Neoplastisch
- Infiltratives Tumorwachstum oder Metastasierung
- Insb. Bronchial- und Mammakarzinome
- Leukämien, maligne Lymphome
- Primäre Herztumoren (selten)
- Infiltratives Tumorwachstum oder Metastasierung
- Metabolisch
- Urämische Perikarditis (Nierenerkrankungen)
- Myxödemperikarditis [7]
- Iatrogen/traumatisch
- Medikamentenassoziiert
- (Myo‑)Perikarditis nach COVID-19-Impfung und anderen Impfungen (bspw. Influenza-Impfung oder Pocken-Impfung [8])
- Antineoplastische Substanzen: Insb. 5-Fluoruracil, Anthracycline, Cyclophosphamid, Immuncheckpoint-Inhibitoren [7]
- Weitere (selten): Bspw. Amiodaron, Mesalazin, Procain, Thiaziddiuretika, TNF-α-Blocker
- Physikalische Schädigung: Bspw. nach Bestrahlung des Mediastinums
- Trauma: Bspw. penetrierende oder nicht-penetrierende Thoraxverletzungen, Ösophagusperforation
- Medikamentenassoziiert
Verlaufs- und Sonderformen
- Fibrinöse („trockene“) Perikarditis [11]
- Zu Beginn oder gegen Ende einer akuten Perikarditis
- Meist sehr schmerzhaft (entzündete Perikardblätter reiben aneinander)
- Auskultatorisch ggf. perikardiales Reibegeräusch
- Exsudative („feuchte“) Perikarditis
- Seröser, purulenter oder hämorrhagischer Perikarderguss
- Weniger oder nicht schmerzhaft
- Konstriktive Perikarditis (Pericarditis constrictiva): Seltene und gefürchtete Komplikation des Entzündungsprozesses
- Pathophysiologie: Eingeschränkte diastolische Füllung des Herzens
- Symptomatik: Symptome der Herzinsuffizienz, ggf. mit Jugularvenenstauung, Lebervenenstauung (Rückwärtsversagen) sowie eingeschränkter Leistungsfähigkeit und Dyspnoe (Vorwärtsversagen)
- Ggf. Pulsus paradoxus
- Verlaufsformen
- Transiente konstriktive Perikarditis (nach akuter Perikarditis in 7–10% der Fälle)
- Konstriktion reversibel nach antiinflammatorischer Therapie oder Spontanheilung
- Effusiv-konstriktive Perikarditis
- Kombination aus Konstriktion und residualem Perikarderguss
- Gestörte diastolische Füllung auch nach Perikardpunktion
- Chronisch-konstriktive Perikarditis
- Persistierende Konstriktion nach 3–6 Monaten
- Entwicklung einer konstriktiven Verlaufsform: Abhängig von der Ätiologie
- Transiente konstriktive Perikarditis (nach akuter Perikarditis in 7–10% der Fälle)
Symptomatik
Je nach zugrunde liegender Ätiologie können zusätzliche Symptome oder krankheitstypische Merkmale auftreten wie z.B. eine B-Symptomatik bei maligner Genese, Fieber bei systemischer Infektion oder Symptome einer Autoimmunerkrankung.
- Allgemeinsymptome
- Akuter Beginn
- Minderung des Allgemeinzustandes
- Subfebrile Temperaturen oder Fieber
- Thoraxschmerz
- Plötzlich einsetzend; meist scharfer, stechender Schmerzcharakter
- Auftreten eher unabhängig von Belastung, häufig lage- und atemabhängig
- Verstärkt im Liegen, bei tiefer Inspiration und beim Husten
- Besserung im Sitzen und beim Beugen nach vorne
- Ausstrahlung in die Spinae scapulae möglich (meist linksseitig) [12]
- Mit zunehmendem Perikarderguss i.d.R. nachlassende oder sistierende Schmerzen
- Seltener bei urämischer Perikarditis
- Symptome der Herzinsuffizienz
- Gestörte Ventrikelfüllung: Rückwärtsversagen des rechten Herzens, Vorwärtsversagen des linken Herzens
- Ggf. Kußmaul-Zeichen
- Gestörte Ventrikelfüllung: Rückwärtsversagen des rechten Herzens, Vorwärtsversagen des linken Herzens
Eine akute Perikarditis verursacht typischerweise scharfe, stechende retrosternale Schmerzen, die unabhängig von Belastung auftreten, durch tiefe Inspiration verstärkt werden und sich im Sitzen oder beim Beugen nach vorne bessern!
Eine durch einen Perikarderguss bedingte Perikardtamponade oder eine konstriktive Verlaufsform können bei einer Perikarditis zu Herzinsuffizienzsymptomen führen!
Diagnostik
Die Abklärung der genauen Ätiologie einer Perikarditis ist (insb. in Ländern mit niedriger Tuberkulose-Prävalenz) nicht immer zwingend erforderlich, denn die häufigsten Ursachen führen überwiegend zu milden Krankheitsverläufen und der Erkenntnisgewinn durch diagnostische Maßnahmen ist oft gering.
- Obligate Basisdiagnostik: Bei jedem V.a. Perikarditis
- Klinische Untersuchung
- Labordiagnostik
- EKG
- Röntgen-Thorax
- Transthorakale Echokardiografie
- Erweiterte Diagnostik: Wenn Basisdiagnostik nicht ausreichend zur Diagnosestellung
- Erweiterte Bildgebung (MRT oder CT)
- Ggf. Perikardpunktion
- Ggf. Herzkatheter
- Diagnostische Hinweise auf konstriktive Verlaufsform
- Nachweis einer Rechtsherzinsuffizienz und einer diastolischen Füllungsbehinderung
Klinische Untersuchung
- Symptome einer Herzinsuffizienz (neu aufgetreten oder verschlechtert)
- Vitalparameter
- Ggf. Fieber
- Auffällige Hämodynamik: Bei Perikardtamponade oder konstriktiver Perikarditis
- Hypotension
- Reflektorische Tachykardie
- Pulsus paradoxus
- Auskultation [9][11][12]
- Bei fibrinöser Perikarditis
- Perikarditisches Reibegeräusch
- Auskultation am besten links parasternal im Sitzen
- Bi- oder triphasisch
- Perikarditisches Reibegeräusch
- Bei exsudativer Perikarditis
- Leise Herztöne
- Bei konstriktiver Verlaufsform
- Bei fibrinöser Perikarditis
Labordiagnostik
- Entzündungsparameter↑ (CRP, BSG, Leukozytenzahl)
- Kardiale Biomarker
- Troponin↑, CK-MB↑: Bei myokardialer Beteiligung [13]
- NT-proBNP↑: Bei Konstriktion oder tamponierendem Perikarderguss
- Retentionsparameter↑: Bei Urämie
- Transaminasen↑: Bei Lebervenenstauung durch Konstriktion oder tamponierendem Perikarderguss
- TSH↑: Bei Hypothyreose
- Hypervolämische Hyponatriämie: Bei konstriktiver Verlaufsform als Folge des Vorwärtsversagens
- Weitergehende Diagnostik: Bei V.a. spezifische Genese
- Erregerdiagnostik: Bei V.a. Tbc
- Blutkulturen: Bei V.a. bakterielle Genese
- Rheumatologische Antikörperdiagnostik: Bei V.a. rheumatologische Erkrankung oder systemische Autoimmunerkrankung
- Virusserologie: Nur bei V.a. HIV, sonst nicht empfohlen
EKG [13][14]
Die EKG-Veränderungen folgen bei einer akuten Perikarditis einem zeitlichen Verlauf . In Fällen mit raschem Ansprechen auf die Therapie oder bei sehr milden Verläufen kann das EKG auch völlig normal sein. Ein normales EKG schließt daher eine Perikarditis nicht sicher aus.
- Sehr frühes Stadium
- Diffus verteilte PQ-Senkungen [7][15]
- Akutes Stadium
- Diffus verteilte ST-Hebungen [7]
- Über mehreren oder sogar allen Ableitungen, keinem konkreten Gefäßversorgungsgebiet zuzuordnen
- Können in allen Standardableitungen auftreten
- Ausnahmen: Ableitung aVR (immer ST-Senkung), Ableitung V1 (ST-Senkung möglich) [14]
- Für die Abgrenzung zum Myokardinfarkt siehe: Gegenüberstellung von EKG-Veränderungen bei akuter Perikarditis und STEMI
- Ggf. diffus verteilte PQ-Senkungen
- Diffus verteilte ST-Hebungen [7]
- Intermediärstadium
- Rückbildung von ST-Hebungen und PQ-Senkungen
- Diffuse verteilte Abflachung der T-Wellen
- Subakutes Stadium
- Diffus verteilte T-Negativierungen
- ST- und PQ-Strecke unauffällig
- Ausheilung oder Chronifizierung
- Ausheilung: Rückbildung der T-Negativierungen → EKG normal
- Chronische Perikarditis: Keine spezifischen EKG-Veränderungen, häufig T-Negativierungen
Diffus verteilte ST-Hebungen und PQ-Senkungen sind typisch für eine akute Perikarditis, ein normales EKG schließt die Diagnose aber nicht aus!
- Zusätzlich mögliche EKG-Befunde bei ausgeprägtem Perikarderguss
- Ggf. periphere oder totale Niedervoltage
- Ggf. elektrischer Alternans
Gegenüberstellung von EKG-Veränderungen bei akuter Perikarditis und STEMI | ||
---|---|---|
EKG-Kriterium | Akute Perikarditis | STEMI |
Verteilung der ST-Hebungen | Diffus (in mehreren oder sogar allen Ableitungen) | Lokalisiert (einem oder mehreren Gefäßstromgebieten zuzuordnen) |
Ursprung der ST-Hebung | Meist aus dem aufsteigenden Anteil hinter der S-Zacke | Meist aus dem absteigenden Anteil hinter der R-Zacke |
Form der ST-Hebung | Konkaver Bogen („sattelförmig“) | Konvexer Bogen |
Amplitude der ST-Hebung | Meist <0,3 mV | Oft >0,3 mV (bis >1 mV möglich) |
Reziproke ST-Senkungen | Nein | Ja |
R-Verlust | Nein | Ja |
Ausbildung pathologischer Q-Zacken im Verlauf | Nein | Ja |
Bei unklaren Befunden muss ein akuter Myokardinfarkt im Zweifel immer zuerst ausgeschlossen werden!
Bildgebung [1]
Röntgen-Thorax [10]
- Meist unauffälliger Befund
- Ggf. Darstellung der Ätiologie: Bspw. Lungenkarzinom, Mammakarzinom oder Lungentuberkulose
- Bei exsudativer Verlaufsform mit Perikarderguss (erst ab einer Ergussmenge >250–300 mL)
- Vergrößerung der Herzsilhouette mit verminderter Lungengefäßzeichnung
- Bei konstriktiver Verlaufsform mit Kalzifizierung
- Perikardverkalkung: Deutliche spangen- bzw. plattenartig erhöhte Strahlendichte (Transparenzminderung)
Echokardiografie
- Methode der Wahl zur Diagnose eines Perikardergusses
- Bei akuter Perikarditis in etwa 60% der Fälle mit echoarmem Randsaum um die Ventrikelkonturen [7]
- Unveränderte linksventrikuläre Pumpfunktion
- Ggf. Hyperechogenität („Aufhellung“) und/oder Verdickung der Perikardblätter [13]
- Diastolische Füllungsbehinderung und/oder dilatierte Vorhöfe: Ggf. Hinweis auf konstriktive Verlaufsform [7]
Bei Perikarditis und Myoperikarditis ist die Pumpfunktion des linken Ventrikels definitionsgemäß nicht durch den entzündlichen Prozess eingeschränkt!
Kardiale Schnittbildgebung (MRT und CT)
- Bei unklaren Befunden in der Echokardiografie oder zur ergänzenden Diagnostik
- Kardiale Magnetresonanztomografie mit gadoliniumhaltigem Kontrastmittel (CMR) [16]
- In Geweben mit florider Entzündung: Verstärkte Signalanreicherung
- Ausmaß und Verteilung der entzündlichen Aktivität
- Einzige nicht-invasive Methode zur Bestätigung einer Myokardbeteiligung
- Ggf. Perikarderguss: Beurteilung von Ausdehnung und Morphologie
- Ggf. Verdickung des Perikards >4 mm [16]
- Unterscheidung zwischen akut-entzündlicher und fibrotischer Perikardverdickung
- Funktionelle Analyse: Beurteilung der systolischen und diastolischen Funktion
- Verschiedene weitere Parameter: Identifikation einer konstriktiven Verlaufsform [7][16]
- In Geweben mit florider Entzündung: Verstärkte Signalanreicherung
- Kardiale Computertomografie mit iodhaltigem Kontrastmittel
- In Geweben mit florider Entzündung: Erhöhte Kontrastmittelaufnahme
- Ausmaß und Verteilung der entzündlichen Aktivität
- Beurteilung einer Myokardbeteiligung: Mittels CT technisch nicht möglich
- Ggf. Perikarderguss
- Beurteilung von Ausdehnung und Morphologie
- Unterscheidung von Transsudat und Exsudat [2]
- Ggf. Verdickung des Perikards >4 mm
- Beste Methode zur Darstellung perikardialer Verkalkungen
- Bei konstriktiver Verlaufsform geeignet zur OP-Vorbereitung (Perikardektomie) und Beurteilung des OP-Ergebnisses
- Darstellung extrakardialer struktureller Auffälligkeiten
- Sinnvoll u.a. bei Verdacht auf: Tuberkulose, Raumforderung, bakterielle Infektion, Trauma oder systemische Erkrankung
- In Geweben mit florider Entzündung: Erhöhte Kontrastmittelaufnahme
Invasive Diagnostik [1]
- Perikardpunktion
- Diagnostische Perikardpunktion: Suche nach spezifisch behandelbaren Ursachen (z.B. bakteriell, neoplastisch oder rheumatologisch)
- Therapeutische Perikardpunktion: Entlastung einer Perikardtamponade oder eines großen Ergusses
- Indikationen
- Bei V.a. purulenten (bakteriellen) Perikarderguss
- Bei V.a. tuberkulösen Perikarderguss
- Bei V.a. neoplastischen Perikarderguss
- Symptomatischer Perikarderguss ohne Ansprechen auf NSAR (nach mind. 1 Woche Therapie)
- Perikardtamponade oder großer Perikarderguss
- Linksherzkatheter: Ausschluss eines Myokardinfarktes [13]
- Rechtsherzkatheter: Bestätigung einer Konstriktion
- Perikardioskopie: Zur makroskopischen Beurteilung des Perikard und Entnahme von Perikardbiopsien
- Endomyokardbiopsie (EMB): Einzige Methode zur zweifelsfreien Sicherung oder zum Ausschluss einer Myokardbeteiligung
Diagnosekriterien der Perikarditis nach Definition der ESC
Nach Definition der ESC kann die Diagnose einer Perikarditis gestellt werden, wenn mind. 2 der folgenden 4 Kriterien vorliegen:
- Perikarditische Thoraxschmerzen (>85–90% der Fälle)
- Typische EKG-Veränderungen (bis zu 60% der Fälle)
- Perikarderguss: Neu aufgetreten oder progredient (bis zu 60% der Fälle)
- Perikardreiben bei Herzauskultation (≤33% der Fälle)
Zusätzliche unterstützende Befunde
- Entzündungsparameter↑ (CRP, BSG, Leukozytenzahl)
- Hinweis auf eine Perikarditis durch bildgebende Verfahren
Wichtige Differenzialdiagnosen wie ein akutes Koronarsyndrom müssen immer ausgeschlossen werden!
Differenzialdiagnosen
- Bei Thoraxschmerzen
- Wichtigste Differenzialdiagnose: Akutes Koronarsyndrom
- Siehe auch: Differenzialdiagnose bei Thoraxschmerz
- Bei Perikarderguss: Bspw. Albuminmangel (siehe auch: Ätiologie des Perikardergusses)
- Bei Konstriktion
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die akute Perikarditis ist ein häufig selbstlimitierendes Krankheitsbild, eine antiinflammatorische Therapie mit NSAR und Colchicin kann allerdings Symptome lindern und Rezidive verhindern.
Allgemeine Maßnahmen
Stationäre oder ambulante Behandlung
- Stationäre Aufnahme und weitergehende Diagnostik: Bei hohem Risiko (≥1 vorliegender Indikator)
- Ambulante Behandlung: Bei niedrigem Risiko (kein vorliegender Indikator) [2]
- Antiinflammatorische Therapie (s.u.)
- Kontrolle des Therapieansprechens nach 1 Woche
Prognoseindikatoren für einen komplizierten Verlauf | |
---|---|
Hauptindikatoren | Nebenindikatoren |
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|
Körperliche Schonung und Sportverbot
- Körperliche Schonung bis zur vollständigen Symptomfreiheit und Normalisierung des CRP
- Sportverbot
- Mind. 3 Monate nach Beschwerdebeginn bei isolierter Perikarditis
- Mind. 6 Monate nach Beschwerdebeginn bei myokardialer Beteiligung (Myoperikarditis)
- Wiederaufnahme von Leistungssport: Erst nach kompletter Remission und Normalisierung diagnostischer Tests
Kausale Therapie
- Antiinfektive Therapie
- Weitere Therapieoptionen
- Intraperikardiale Therapie
- Prolongierte Drainage
- Sklerosierung mit Gentamicin
- Ätiologiespezifische Therapie, z.B. bei malignem oder autoreaktivem Perikarderguss
- Absetzen auslösender Medikamente
- Nierenersatzverfahren: Bei urämischer Perikarditis
- Therapie auslösender Grunderkrankungen: Bspw. Neoplasien, Kollagenosen
- Perikardpunktion: Ergussdrainage, Entlastung einer Herzbeuteltamponade
- Perikardektomie
- Intraperikardiale Therapie
Antiinflammatorische Therapie [1][10]
Akute und persistierende Perikarditis
- Erstlinientherapie
- NSAR: Bspw. ASS oder Ibuprofen in hoher Dosis
- Einsatz auch bei myokardialer Beteiligung (Myoperikarditis) empfohlen [17]
- Und Colchicin
- Einsatz bei myokardialer Beteiligung (Myoperikarditis) aktuell nicht empfohlen [18]
- NSAR: Bspw. ASS oder Ibuprofen in hoher Dosis
- Zweitlinientherapie
- Erst nach Ausschluss einer infektiösen Genese
- Indikationen
- Versagen der Erstlinientherapie
- Autoimmunerkrankungen
- Kontraindikationen gegen NSAR oder Colchicin
- Glucocorticoide, z.B. Prednisolon
- Therapieeinleitung in niedriger Dosis
- Nach Ansprechen sehr langsam ausschleichen
Rezidivierende und chronische Perikarditis
- NSAR: Bspw. ASS , Ibuprofen oder Indometacin in hoher Dosis
- Und Colchicin
- Glucocorticoide, z.B. Prednisolon
- Erst nach Ausschluss einer infektiösen Genese
- Indikationen
- Versagen der Erstlinientherapie
- Autoimmunerkrankungen
- Kontraindikationen gegen NSAR oder Colchicin
- Bei Versagen der Erstlinientherapie: Gabe zusätzlich zu NSAR und Colchicin
- Therapieeinleitung in niedriger Dosis
- Nach Ansprechen sehr langsam ausschleichen
- Therapie sehr vorsichtig ausschleichen
- In seltenen Fällen: Therapie mit Immunglobulinen, Anakinra oder Azathioprin
Therapie der konstriktiven Perikarditis [1]
Der Nachweis einer aktiven Entzündung des Perikards ist bei konstriktiver Verlaufsform der beste Prädiktor einer möglichen Reversibilität der Konstriktion durch eine antiinflammatorische Therapie. [7]
- Transiente konstriktive Perikarditis
- Antiinflammatorische Therapie über 2–3 Monate
- Bei Therapieversagen: Perikardektomie
- Effusiv-konstriktive Perikarditis
- Perikardpunktion und Ergussdrainage
- Anschließend: Antiinflammatorische Therapie [11]
- Bei Therapieversagen: Perikardektomie
- Chronisch-konstriktive Perikarditis
- Bei Nachweis aktiver Entzündung: Antiinflammatorische Therapie erwägen
- Bei anhaltend schwerer Symptomatik (NYHA-Stadium III oder IV): Perikardektomie [7]
- Hohe perioperative Letalität (bis 12%)
- Bei geringer Symptomatik, weit fortgeschrittener Erkrankung oder hohem OP-Risiko : Medikamentöse Symptomkontrolle
Komplikationen
- Rezidive
- Häufigste Komplikation (bis zu 30% der Fälle)
- Halbierung der Rezidivrate durch Behandlung mit Colchicin
- Konstriktive Perikarditis (Pericarditis constrictiva)
- Progression zur konstriktiven Verlaufsform v.a. abhängig von der Ätiologie
- Niedriges Risiko: Virale und idiopathische Genese (<1% der Fälle)
- Intermediäres Risiko: Autoimmune und neoplastische Genese (2–5% der Fälle)
- Hohes Risiko: Bakterielle Genese, insb. bei purulentem Erguss und Tuberkulose (20–30% der Fälle)
- Progression zur konstriktiven Verlaufsform v.a. abhängig von der Ätiologie
- Herzbeuteltamponade
- Auftreten meist zu Beginn des Krankheitsverlaufs
- Häufigkeit abhängig von der Ätiologie
- Selten: Bei viraler und idiopathischer Genese
- Häufiger: Insb. bei purulenter Perikarditis, Neoplasie, Tuberkulose oder Myxödemperikarditis
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Nachsorge
- Bei ambulanter Behandlung: Evaluation des Therapieansprechens nach 1 Woche [1]
Prognose
Alle Verlaufsformen der Perikarditis können ausheilen, rezidivieren oder in eine chronische Form übergehen. Die Langzeitprognose ist meist gut, jedoch abhängig insb. von der Ätiologie.
- Idiopathische und virale Genese: Gute Prognose, jedoch hohes Rezidivrisiko (bis zu 30%)
- Bakterielle und neoplastische Genese: Letalität 20–30%
- Myokardiale Beteiligung (Myoperikarditis): Gute Langzeitprognose [19]
- Konstriktive Verlaufsform: Unbehandelt schlechte Prognose, jedoch potenziell kurativ behandelbar
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I01.-: Rheumatisches Fieber mit Herzbeteiligung
- I01.0: Akute rheumatische Perikarditis
- I09.-: Sonstige rheumatische Herzkrankheiten
- I09.2: Chronische rheumatische Perikarditis
- I30.-: Akute Perikarditis
- I30.0: Akute unspezifische idiopathische Perikarditis
- I30.1: Infektiöse Perikarditis
- Pyoperikarditis
- I30.8: Sonstige Formen der akuten Perikarditis
- I30.9: Akute Perikarditis, nicht näher bezeichnet
- I31.-: Sonstige Krankheiten des Perikards
- I31.0: Chronische adhäsive Perikarditis
- I31.1: Chronische konstriktive Perikarditis
- I31.9: Krankheit des Perikards, nicht näher bezeichnet
- I32.-*: Perikarditis bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- I32.0*: Perikarditis bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
- Perikarditis:
- durch Gonokokken (A54.8†)
- durch Meningokokken (A39.5†)
- syphilitisch (A52.0†)
- tuberkulös (A18.8†)
- Perikarditis:
- I32.1*: Perikarditis bei sonstigen anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten
- I32.8*: Perikarditis bei sonstigen anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Perikarditis (bei):
- chronischer Polyarthritis (M05.3-†)
- systemischem Lupus erythematodes (M32.1†)
- urämisch (N18.-†)
- Perikarditis (bei):
- I32.0*: Perikarditis bei anderenorts klassifizierten bakteriellen Krankheiten
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.