- Klinik
Allgemeine Virologie
Abstract
Viren sind infektiöse Partikel und potentielle Krankheitserreger, die obligat von einer Wirtszelle abhängig sind, um ihren Vermehrungszyklus durchlaufen zu können. Eine Infektion mit Viren verläuft in vielen Fällen asymptomatisch, wobei es zu lebenslang persistierenden Infektion kommen kann (z.B. bei Herpesviridae). Da viele infizierte Patienten das Virus schon weitergeben können bevor sie Symptome zeigen, ist eine hohe Durchseuchung möglich und eine Eindämmung aufgrund fehlender Therapien in vielen Fällen schwierig. Ein wichtiges Beispiel ist das HI-Virus, an dem weltweit ca. 34 Millionen Menschen erkrankt sind und bei dem der größte Stellenwert in der Bekämpfung der Übertragung durch Aufklärung und Prophylaxe liegt.
Grundlagen
Ein Virus ist ein obligat intrazellulärer Parasit, dessen metabolische Prozesse wie die Synthese von Proteinen von einer Wirtszelle abhängig sind. Es erfüllt damit nicht alle Kriterien des Lebens (wie z.B. einen eigenständigen Stoffwechsel). Eine Sichtbarmachung mit dem Lichtmikroskop ist bei einer Partikelgröße von maximal 300nm (Pockenvirus) nicht möglich. Die Erstbeschreibung eines Virus erfolgte durch Dmitri Iossifowitsch Iwanowski im Jahr 1892.
Aufbau
Viren vermehren sich nicht durch Zweiteilung, sondern durch Zusammenlagerung einzelner Bestandteile, die mithilfe der Wirtszelle produziert werden. Die Viren unterscheiden sich zwar in ihrer Morphologie, eine Darstellung ist aber arbeits- und zeitaufwendig und mittlerweile in der Diagnostik bekannter Erkrankungen nicht mehr üblich. Die wichtigsten Virusbausteine umfassen:
- Genom
- Aufbau aus RNA oder DNA
- Einzelsträngig oder doppelsträngig
- Polarität
- Positiv: Direkte Translation in Proteine möglich
- Negativ: Komplementär zur Boten-RNA
- Kapsid
- Proteinmantel um Genom
- Hülle
- Stammt aus Wirtszelle, nicht bei jedem Virus vorhanden
- Spikes
- Virale Rezeptorproteine für die Adhäsion an der Wirtszelle
Viraler Lebenszyklus
Viren gelangen nach der Infektion in ihr entsprechendes Wirtsorgan , dort durchlaufen sie einen langen Replikationszyklus, an dessen Ende die Zusammenlagerung der einzelnen Bestandteile steht.
- Anheften (Adsorption) an der Wirtszelle: Die Infektion mit Viren ist von Oberflächenmerkmalen der Wirtszellen abhängig (z.B. infiziert das HI-Virus alle Zellen mit CD4-Oberflächenmerkmal)
- Eindringen (Penetration) in die Wirtszelle: Bei unbehüllten Viren durch Endozytose oder Transmembrantransport. Behüllte Viren fusionieren entweder mit der Hülle der potentiellen Wirtszelle oder dringen ebenfalls mittels Endozytose ein.
- Freisetzung (Uncoating) der Nukleinsäure
- Vermehrung (Replikation) der Nukleinsäure und Bildung von Virusproteinen
- Zusammenbau (Assembly) der Viruskomponenten im Anschluss an Translation und Transkription
- Freisetzung der Viren: Bei behüllten Viren durch Knospung, bei unbehüllten Viren mittels Wirtszelllyse
Der Zeitraum zwischen Uncoating in der Wirtszelle und der Produktion erkennbarer Viruspartikel wird Eklipse genannt
Pathogenese
Die krankmachende Wirkung des Virus kann auf das Virus selbst oder auf die ausgelöste Immunabwehr zurückzuführen sein, manchmal verläuft eine Infektion aber auch ohne Beeinträchtigung des Wirts. Neben diesen Auswirkungen viraler Infektionen bereiten Viren zusätzlich oft den Weg für anschließende bakterielle Superinfektionen. Folgende Mechanismen viraler Pathogenität können unterschieden werden:
- Zytolyse → Bei der Freisetzung der fertigen Viren kommt es zum Untergang der Wirtszelle
- Immunpathologische Wirtsreaktion → Das Virus selbst ist nicht zytopathogen, die zelluläre Immunantwort durch zytotoxische T-Zellen führt aber dennoch zur Zerstörung infizierter Zellen (z.B. Hepatitis B)
- Viren können zu Funktionsmodifikation mit gesteigerter Zellproliferation oder Immortalisierung führen
- Bei der Latenz kommt es nicht zur Beeinträchtigung der Wirtszelle, da nur eine minimale Transkription des Virusgenoms stattfindet
- Neben der Infektion von eukaryontischen Zellen (wie z.B. menschlichen Zellen), gibt es auch Viren, die bakterielle Zellen befallen. Diese Bakteriophagen können zu einer Übertragung von genetischem Material auf das befallene Bakterium führen und übertragen so in manchen Fällen Virulenzfaktoren, die für die Infektion des Menschen relevant sind.
Diagnostik
Wichtigstes Mittel bei der Diagnostik sind serologische Untersuchungen und der Nukleinsäurenachweis. Um spezifische Mehrproduktionen erkennen zu können, sollten im Zweifel verschiedene Materialien vergleichend untersucht werden.
- Antikörpernachweis mittels Hämagglutination oder Neutralisationstest
- Antigennachweis mittels ELISA oder Immunfluoreszenz
- Die PCR kann i.d.R. für alle wichtigen Viren angewendet werden. Es ist dabei ein quantitativer Nachweis der Viruslast (z.B. für HIV, HCV) sowie ein qualitativer Nachweis möglich.
- Die Virusisolierung ist Voraussetzung von Resistenztestungen (und wird z.B. im Rahmen einer HI-Virus-Infektion eingesetzt).
Als weitere diagnostische Mittel werden auch die kulturelle Anzucht und die Elektronenmikroskopie angewendet, diese sind aber eher zeit- und arbeitsaufwendig und haben mittlerweile einen geringen Stellenwert in der Diagnostik viraler Erkrankungen.
DNA-Viren mit Hülle
Herpesviridae
Die größte Familie der behüllten DNA-Viren sind die Herpesviridae, deren humanpathogenen Subfamilien den Menschen als einziges Reservoir haben und eine hohe Durchseuchung aufweisen. Aufgrund der klinischen Bedeutung werden sie in einem gesonderten Kapitel (Herpes-Virus-Infektionen) behandelt.
Weitere behüllte DNA-Viren
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Erkrankung |
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(Ortho‑)Poxviridae
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DNA-Viren ohne Hülle
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Erkrankung | |
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BK-Viren
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RNA-Viren mit Hülle
Paramyxoviridae
- Alle hier aufgeführten Paramyxoviridae kommen nur beim Menschen vor und werden durch Tröpfcheninfektion übertragen
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Krankheiten |
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Paramyxoviren
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Flaviviridae
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Krankheiten | |
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FSME-Virus
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Zikavirus |
Orthomyxoviridae
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Krankheiten | |
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| Influenza-A-Virus
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Weitere behüllte RNA-Viren
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Krankheiten | ||
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Hantavirus
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Krim-Kongo-Virus | |||
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RNA-Viren ohne Hülle
Picornaviridae
Subfamilie und Besonderheiten | Krankheiten | ||
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ECHO-Virus (Enteric Cytopathogenetic Human Orphan Virus) |
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Poliovirus
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Weitere unbehüllte RNA-Viren
(Sub‑)Familie und Besonderheiten | Krankheiten |
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Grundlagen der Therapie
Virustatika sind gegen Viren gerichtete Medikamente, die ihre Wirkung an verschiedenen Punkten des viralen Vermehrungszyklus entfalten. Durch die enge Verknüpfung der Viren mit ihrer Wirtszelle ist eine Selektivität der Medikamente nicht immer möglich, so dass es zu ausgeprägten Nebenwirkungen für den Menschen kommen kann.
Wichtige Beispiele sind:
- cART/HAART
- Anwendung von Aciclovir und seinen Derivaten bei Herpes-simplex-Enzephalitis
- Neuraminidase-Hemmer im Rahmen der Influenza
Des Weiteren werden auch immunmodulatorische Medikamente wie Interferone eingesetzt (z.B. bei Hepatitis B).