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Gastrointestinale Blutung

Letzte Aktualisierung: 17.9.2024

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Gastrointestinale Blutungen sind zu ca. 90% im Ösophagus, Magen oder Duodenum lokalisiert („obere GI-Blutung“), können aber auch dem Jejunum und Ileum oder dem Kolon entstammen. Die Ursachen sind dabei vielfältig: Neben der häufigsten Genese – dem Ulcus ventriculi oder duodeni – kommen unter anderem auch Angiodysplasien, entzündliche Erkrankungen oder Karzinome als Blutungsquelle infrage. Je nach Höhe der Läsion und Verweildauer des Blutes im Darmtrakt können Bluterbrechen (Hämatemesis), Teerstühle (Meläna) oder frische Blutauflagerungen auf dem Stuhl auffallen.

Eine stationäre Überwachung ist essenziell, um bei eintretender Schocksymptomatik infolge einer Blutungsanämie und begleitender Hypovolämie frühzeitig mit kreislaufstabilisierenden Maßnahmen reagieren zu können. Diagnostik und Therapie gehen anschließend Hand in Hand, da während einer Endoskopie nicht nur die Blutungsquelle lokalisiert werden kann, sondern auch in vielen Fällen in gleicher Sitzung eine Blutstillung durch Unterspritzen, Sklerosieren oder Ligieren möglich ist.

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Ätiologietoggle arrow icon

Obere GI-Blutung (häufig: 90%!)

Ursache proximal des Treitz-Bandes (Übergang DuodenumJejunum)

Untere GI-Blutung

Ursache distal des Treitz-Bandes (zumeist Kolon)

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Klassifikationtoggle arrow icon

Klassifikation nach Modus des Blutungsnachweises

  • Okkulte Blutung: Klinische Blutungszeichen fehlen, eine Blutungsanämie bzw. eine chronische Eisenmangelanämie deuten jedoch auf eine stattgehabte Blutung hin
  • Overte Blutung: Offensichtliche gastrointestinale Blutung mit klinischen Blutungszeichen

Klassifikation der Blutungsaktivität bei gastroduodenalen Ulzera nach Forrest [1]

  • Die Forrest-Klassifikation beschreibt den klinischen Befund in der Endoskopie und erlaubt zudem eine Einschätzung des Risikos einer Rezidivblutung (ohne Durchführung einer Intervention).
Forrest-Klassifikation
Stadium Beschreibung Risiko Rezidivblutung
Forrest I Aktive Blutung
Ia Spritzende arterielle Blutung ca. 85–100%
Ib Sickerblutung ca. 25–55%
Forrest II Inaktive Blutung
IIa Läsion mit sichtbarem Gefäßstumpf ca. 20–50%
IIb Koagelbedeckte Läsion ca. 20–40%
IIc Hämatinbelegte Läsion ca. 5–10%
Forrest III Läsion ohne Blutungszeichen ca. 5%

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Symptomatiktoggle arrow icon

Allgemeinsymptome

DGVS-GI-Blutung Empfehlung 1: Zu einer ersten Risikoeinschätzung bei vermuteter gastrointestinaler Blutung sollten eine (Fremd‑)Anamnese, der körperliche Untersuchungsbefund und die Erhebung der Vitalparameter herangezogen werden!

Spezifische Symptome einer gastrointestinalen Blutung

Obere GI-Blutung

  • Hämatemesis (Bluterbrechen) evtl. kaffeesatzartig
  • Meläna (Teerstuhl)
    • Hinweis auf Blutung des oberen GI-Traktes
    • Beschaffenheit: Meist pechschwarz, glänzend, breiig, charakteristisch übelriechend
    • Andere Ursachen für Schwarzfärbung des Stuhls
      • Nahrungsmittel: Heidelbeeren (Blaubeeren), rote Bete, Spinat, dunkle Schokolade bzw. dunkle Kekse
      • Medikamente: Eisen- und Kohletabletten
  • Hämatochezie (rote Darmblutung)

Untere GI-Blutung

  • Hämatochezie
  • Meläna
  • Bei Rektumblutung
    • Frisches Blut, das streifenförmig auf dem Stuhl aufliegt
  • Bei Kolonblutung
    • Dunkelrote, geleeartige Blutbeimischung
  • Erhöhte Stuhlfrequenz und Hypermotilität des Darmes

Eine Meläna ist bei oberer und unterer GI-Blutung möglich! Zudem sollten auch Blutungen aus dem Nasen-Rachen-Raum (nächtliches Nasenbluten, Tumoren) mitbedacht werden!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Anamnese

Körperliche Untersuchung

Klinische Chemie

Apparative Diagnostik

  • (Notfall‑)Endoskopie zur Lokalisation der Blutungsquelle
  • Bei Verdacht auf Dünndarmblutung bzw. nicht lokalisierbarer Blutungsquelle
  • Rationale Diagnostik
    • Ggf. kann die Wiederholung von Gastroskopie und Koloskopie die Lokalisation einer Blutungsquelle ermöglichen
    • Kapselendoskopie bei nicht akut lebensbedrohlichen Blutungen: Angenehme und einfache Möglichkeit der Dünndarmdiagnostik.
    • Angiografische und szintigrafische Methoden bei wiederholter vital bedrohlicher Blutung
    • Blutungen durch Fisteln zwischen Gefäßimplantaten und intestinalen Strukturen sowie extraintestinale Blutungsquellen sind zwar selten, sollten aber in Betracht gezogen werden.

Da die Blutungsquelle in ca. 90% der Fälle im oberen Gastrointestinaltrakt lokalisiert ist (meist durch GI-Ulkusleiden verursacht), ist die Durchführung einer Gastroskopie die wichtigste Maßnahme zur Lokalisation und Therapie einer GI-Blutung!

GI-Blutung - Risikostratifikation und Entwicklung einer Behandlungsstrategie [2]

  • Fragen bei Erstkontakt
    • Liegt eine lebensbedrohliche Situation vor?
    • Muss eine (intensiv‑)stationäre Aufnahme erfolgen?
    • Muss eine Notfallendoskopie erfolgen?
    • Wie hoch ist das Risiko eines Blutungsrezidivs?
  • Stationäre Aufnahme und rasche Abklärung vordringlich bei
    • Alter über 60 Jahre
    • Kreislaufsymptomatik (Tachykardie und/oder Hypotonie)
    • Vorliegen kardialer, renaler, hepatischer und/oder maligner Komorbidität
    • Endoskopischem Nachweis einer Tumorblutung oder einer aktiven Blutung
    • Starken Blutungszeichen
    • Akute Blutungsanämie (Abfall des Hämoglobins ohne Veränderung des MCV)
  • Ambulante Abklärung oberer GI-Blutungen möglich bei Erfüllung der Low-risk-Kriterien nach dem Glasgow-Blatchford Bleeding Score

Glasgow-Blatchford-Scores (Rechner)

Die modifizierte Version des Glasgow-Blatchford-Scores enthält weniger Kriterien, wodurch der Score einfacher anwendbar sein soll.

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Therapietoggle arrow icon

Symptomatische Therapie der gastrointestinalen Blutung

Kausale Therapie der gastrointestinalen Blutung

  • Bei relevanter Blutung: Notfallendoskopie (zunächst Gastro-, dann Koloskopie)
  • Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung (selten): Chirurgisches Vorgehen
    • Alternativ kann bei ausreichender Erfahrung vor Ort eine angiografische Lokalisation und Embolisation bzw. Vasopressin-Therapie erwogen werden
  • Endoskopische Blutstillung
    • Injektionsverfahren: Blutende Läsionen werden mit verdünnter Adrenalinlösung unterspritzt
    • Thermische Koagulationsmethoden
      • Argon-Plasma-Koagulation (APC): Elektrische Energie wird über einen Argon-Gasstrahl (leitfähig) auf das Gewebe übertragen. Die Eindringtiefe ist begrenzt, Perforationen sind selten
      • Elektrische Koagulation: Mit mono- oder bipolaren endoskopischen Sonden kann bspw. ein blutender Gefäßstumpf thermisch koaguliert werden
    • Clips: Ein über den Arbeitskanal des Endoskops eingeführter Metallclip wird über einen Applikator vor einer lokalisierten blutenden Läsion aufgespannt und unter genauer Platzierung ausgelöst
      • Over-the-scope-Clip
        • Kommen bei größeren Blutungsquellen mit ggf. kleiner Perforation zum Einsatz
        • Clip wird nicht durch den Instrumentenkanal eingeführt, sondern auf die Spitze des Endoskops gesetzt
    • Gewebekleber: Verschiedene Formen der Gewebekleber auf physikalischer Basis (bzw. Fibrin) können in Pulverform auf blutende Läsionen aufgebracht werden und bewirken eine Blutstillung
    • Kombination mehrerer Verfahren: Gängig ist die Kombination eines Injektionsverfahrens mit einem mechanischen, thermischen oder klebenden Verfahren
    • Kontrollendoskopie: Bei schlechten Sichtverhältnissen und fraglicher Stabilität einer Blutstillung in der Notfallendoskopie sollte nach 24 h eine Kontrollendoskopie erfolgen

Bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung sollten zügig zwei suffiziente periphere Venenverweilkatheter angelegt sowie eine möglicherweise im Verlauf notwendig werdende Bluttransfusion vorbereitet werden (Abnahme von Kreuzblut, Bestimmung der Blutgruppe)!

Differenzialtherapie nach Blutungsquelle bei GI-Blutung

Bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung sollen Protonenpumpenhemmer als intravenöse Bolusgabe verabreicht werden (bspw. Pantoprazol 80 mg i.v.)!

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AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Blutungtoggle arrow icon

Bei einer gastrointestinalen Blutung (GI-Blutung) ist schnelles Handeln essenziell, da je nach Blutungspforte und -stärke Lebensgefahr bestehen kann. Die engmaschige Überwachung, die Einschätzung der Situation sowie das schnelle Einleiten einer geeigneten Therapie stehen dabei im Vordergrund.

Erstmaßnahmen bei gastrointestinaler Blutung

  • Hilfe holen: Ärztliches Personal informieren, Patient:innen nicht alleine lassen!
    • Bei oberer GI-Blutung und Hämatemesis: Patient:innen beim Erbrechen assistieren, genügend Behältnisse zum Auffangen zur Verfügung stellen, Aspiration möglichst verhindern
    • Bei unterer GI-Blutung und Hämatochezie: Blutabgang auffangen, ggf. kreislaufstabilen Patient:innen auf die Toilette begleiten oder im Bett belassen und dort bei der Ausscheidung unterstützen
    • Bei allen Blutungen: Vor dem Verwerfen oder vor der Toilettenspülung die blutige Ausscheidung inspizieren und sich ein Bild von Menge, Blutfärbung (hell-/dunkelrot?), Geruch und Beimengungen (Schleim, Kot, Nahrungsreste) machen
  • Vitalparameter kontrollieren und stabilisieren: Blutdruck, Puls und (insb. bei oberer GI-Blutung) Sauerstoffsättigung engmaschig kontrollieren und dokumentieren
    • Periphere Venenverweilkanülen vorbereiten und ggf. legen (lassen): Blut entnehmen (ggf. inkl. geeigneter Monovetten für Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe, um bei Bedarf Erythrozytenkonzentrate anfordern zu können)
      • Mind. 2 möglichst großlumige periphere Venenverweilkanülen
      • Notfall-Labordiagnostik: Die wichtigsten Werte
    • Maßnahmen zur Stabilisierung: Bis zur Entscheidung über Art und Ausmaß einer endoskopischen Intervention nach ärztlicher Anordnung ggf.
      • Volumengabe per Infusion, ggf. Druckbeutel anfordern
      • Schocklage, jedoch keine Kopftieflage bei oberer GI-Blutung
      • Engmaschige Blutdruck- und Herzfrequenzkontrollen, ggf. mit Blutdruckmessgerät
        • Gezieltes Blutdruckmanagement nach ärztlicher Anordnung: Ausreichenden Perfusionsdruck aufrechterhalten, ohne den Blutverlust unnötig zu verstärken
      • Sauerstoffgabe, wenn spO2 eingeschränkt bzw. bei Tachypnoe
      • Ggf. auf Intensivstation verlegen: Immer in ärztlicher Begleitung und mit Notfallausrüstung
  • Siehe auch: Hypovolämischer Schock - AMBOSS-SOP, Hämorrhagischer Schock - AMBOSS-SOP

Bei einer akuten gastrointestinalen Blutung besteht bis zum Beweis des Gegenteils Lebensgefahr! Sofort das ärztliche Personal informieren und die Patient:innen nicht alleine lassen!

Bei V.a. eine gastrointestinale Blutung sollten zügig zwei suffiziente periphere Venenverweilkatheter angelegt sowie eine möglicherweise im Verlauf notwendig werdende Bluttransfusion vorbereitet werden!

Beobachten/Überwachen

Medikamentöse Therapie

  • Nach ärztlicher Anordnung
    • Infusionstherapie
    • Sauerstoffgabe
    • Ggf. Transfusion durch ärztliches Personal
    • I.v. PPI-Gabe bei oberer GI-Blutung
    • Ggf. weitere medikamentöse Maßnahmen je nach Lokalisation und Ursache des Blutungsgeschehens

Weitere pflegerische Maßnahmen

  • Vorbereitung für die Endoskopie
    • Bei unterer GI-Blutung: Kreislaufstabile Patient:innen mit unterer GI-Blutung regulär vorbereiten, aber Vitalparameter engmaschig überwachen
      • Kreislaufinstabile Patient:innen i.d.R. nur mit Einläufen vorbereiten und in der Endoskopie spülen
    • Bei oberer GI-Blutung: Ggf. prokinetisch zur Magenentleerung mit Erythromycin vorbehandeln, je nach ärztlicher Anordnung
      • Kreislaufinstabile Patient:innen werden i.d.R. intubiert und beatmet unter intensivmedizinischen Bedingungen endoskopiert
    • Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Endoskopien
  • Mobilisation: Ggf. Bettruhe nach ärztlicher Anordnung, bedarfsgerechte Unterstützung
  • Positionierung: Bauchdeckenentlastend bei Schmerzen
  • Körperpflege: Bedarfsgerechte Unterstützung, insb. bei Bettruhe
  • Prophylaxen: Bedarfsgerecht, insb.
  • Ernährung: Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz
  • Psychische Begleitung: Patient:innen in Stresssituation beruhigen
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Komplikationentoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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Prognosetoggle arrow icon

Zur Prognosebestimmung kann der AIMS65-Score herangezogen werden

AIMS65-Score [3][4]
Parameter Ja Nein
Albumin <3 g/dL 1 0
INR >1.5 1 0
Beeinträchtigter mentaler Zustand 1 0
RRsys ≤ 90mmHg 1 0
Alter ≥ 65 Jahre 1 0

Krankenhausmortalität

  • 0 Punkte: 0,3%
  • 1 Punkt: 1,2%
  • 2 Punkte: 5,3%
  • 3 Punkte: 10,3%
  • 4 Punkte: 16,5%
  • 5 Punkte: 24,5%
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Studientelegramme zum Thematoggle arrow icon

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Patienteninformationentoggle arrow icon

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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