Zusammenfassung
Gastrointestinale Blutungen sind zu ca. 90% im Ösophagus, Magen oder Duodenum lokalisiert („obere GI-Blutung“), können aber auch dem Jejunum und Ileum oder dem Kolon entstammen. Die Ursachen sind dabei vielfältig: Neben der häufigsten Genese – dem Ulcus ventriculi oder duodeni – kommen unter anderem auch Angiodysplasien, entzündliche Erkrankungen oder Karzinome als Blutungsquelle infrage. Je nach Höhe der Läsion und Verweildauer des Blutes im Darmtrakt können Bluterbrechen (Hämatemesis), Teerstühle (Meläna) oder frische Blutauflagerungen auf dem Stuhl auffallen.
Eine stationäre Überwachung ist essenziell, um bei eintretender Schocksymptomatik infolge einer Blutungsanämie und begleitender Hypovolämie frühzeitig mit kreislaufstabilisierenden Maßnahmen reagieren zu können. Diagnostik und Therapie gehen anschließend Hand in Hand, da während einer Endoskopie nicht nur die Blutungsquelle lokalisiert werden kann, sondern auch in vielen Fällen in gleicher Sitzung eine Blutstillung durch Unterspritzen, Sklerosieren oder Ligieren möglich ist.
Ätiologie
Obere GI-Blutung (häufig: 90%!)
Ursache proximal des Treitz-Bandes (Übergang Duodenum–Jejunum)
- Ulcus ventriculi oder Ulcus duodeni (in 50% aller Fälle, häufigste Ursache)
- Ösophagusvarizenblutung: Anamnestische Hinweise auf Leberzirrhose oder langjährigen Alkoholkonsum; klinisch ggf. Zeichen der portalen Hypertension wegweisend
- Mallory-Weiss-Syndrom: Anamnestische Hinweise auf fulminantes Erbrechen in der Akutsituation und hohen Alkoholkonsum wegweisend
- Tumorblutungen (Ösophaguskarzinom, Magenkarzinom)
- Erosive Gastritis bzw. erosive Duodenitis
- Schwere Refluxösophagitis
- Sonderform: Soorösophagitis
- Hiatushernie
- Angiodysplasie
- In etwa 5-10% der Fälle findet sich trotz eindeutiger klinischer Zeichen einer oberen gastrointestinalen Blutung keine Blutungsquelle (z.B. bei einem Ulcus Dieulafoy)
Untere GI-Blutung
Ursache distal des Treitz-Bandes (zumeist Kolon)
- Vaskuläre Ursachen
- Hämorrhoiden
- Angiodysplasien
- Rektale Varizen (bei portaler Hypertension)
- Ischämien (z.B. ischämische Kolitis, Mesenterialinfarkt )
- Tumoren (benigne und maligne)
- Kolorektales Karzinom, Analkarzinom
- Kolonpolypen (Dünndarmpolypen sind selten)
- Karzinoide des Dünndarms
- Entzündliche Ursachen
- CED (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn)
- Infektiöse Kolitis, insb. Clostridioides-difficile-Infektion
- Bakterielle Enteritiden und Kolitiden (u.a. Salmonellose, Shigellose, Campylobacter)
- Virale Kolitis bei Immunsuppression (CMV-Kolitis, Herpes-Kolitis)
- Infektiöse Proktitis bei venerologischen Erkrankungen (z.B. Syphilis)
- Medikamentös-toxisch (insb. NSAR-Kolitis)
- Strahlenkolitis
- Weitere Ursachen
- Divertikulose
-
Meckel-Divertikel (selten)
- Definition: Überrest des embryonalen Ductus omphaloentericus (Dottergang) im Ileum
- Pathologie: In ca. ⅓ der Meckel-Divertikel ektope Magenschleimhautanteile → Peptische Ulzera mit Entzündungen und Blutung
- Symptome/Klinik
- Oft asymptomatisch (Zufallsbefund bei Laparoskopie/Laparotomie)
- Schmerzlose blutige Stühle oder schwarzer Stuhl (Teerstuhl) durch Magensäureproduktion
- Bei Entzündung (Meckel-Divertikulitis): Symptome wie bei Appendizitis
- Diagnostik: Bspw. mittels Na-99mTc-Pertechnetat-Szintigrafie
- Analfissur
- Endometriose mit extragenitaler Manifestation
Klassifikation
Klassifikation nach Modus des Blutungsnachweises
- Okkulte Blutung: Klinische Blutungszeichen fehlen, eine Blutungsanämie bzw. eine chronische Eisenmangelanämie deuten jedoch auf eine stattgehabte Blutung hin
- Overte Blutung: Offensichtliche gastrointestinale Blutung mit klinischen Blutungszeichen
Klassifikation der Blutungsaktivität bei gastroduodenalen Ulzera nach Forrest [1]
- Die Forrest-Klassifikation beschreibt den klinischen Befund in der Endoskopie und erlaubt zudem eine Einschätzung des Risikos einer Rezidivblutung (ohne Durchführung einer Intervention).
Forrest-Klassifikation | |||
---|---|---|---|
Stadium | Beschreibung | Risiko Rezidivblutung | |
Forrest I | Aktive Blutung | ||
Ia | Spritzende arterielle Blutung | ca. 85–100% | |
Ib | Sickerblutung | ca. 25–55% | |
Forrest II | Inaktive Blutung | ||
IIa | Läsion mit sichtbarem Gefäßstumpf | ca. 20–50% | |
IIb | Koagelbedeckte Läsion | ca. 20–40% | |
IIc | Hämatinbelegte Läsion | ca. 5–10% | |
Forrest III | Läsion ohne Blutungszeichen | ca. 5% |
Symptomatik
Allgemeinsymptome
- Bei Blutungsanämie infolge eines chronischen Blutverlustes
- Blässe der Haut und Schleimhäute
- Schwäche und Abgeschlagenheit
- Bei akuten Blutungen stehen die Symptome einer Kreislaufinsuffizienz bzw. eines hypovolämischen Schocks im Vordergrund
DGVS-GI-Blutung Empfehlung 1: Zu einer ersten Risikoeinschätzung bei vermuteter gastrointestinaler Blutung sollten eine (Fremd‑)Anamnese, der körperliche Untersuchungsbefund und die Erhebung der Vitalparameter herangezogen werden!
Spezifische Symptome einer gastrointestinalen Blutung
Obere GI-Blutung
- Hämatemesis (Bluterbrechen) evtl. kaffeesatzartig
- Meläna (Teerstuhl)
- Hinweis auf Blutung des oberen GI-Traktes
- Beschaffenheit: Meist pechschwarz, glänzend, breiig, charakteristisch übelriechend
- Andere Ursachen für Schwarzfärbung des Stuhls
- Nahrungsmittel: Heidelbeeren (Blaubeeren), rote Bete, Spinat, dunkle Schokolade bzw. dunkle Kekse
- Medikamente: Eisen- und Kohletabletten
- Hämatochezie (rote Darmblutung)
Untere GI-Blutung
- Hämatochezie
- Meläna
- Bei Rektumblutung
- Frisches Blut, das streifenförmig auf dem Stuhl aufliegt
- Bei Kolonblutung
- Dunkelrote, geleeartige Blutbeimischung
- Erhöhte Stuhlfrequenz und Hypermotilität des Darmes
Eine Meläna ist bei oberer und unterer GI-Blutung möglich! Zudem sollten auch Blutungen aus dem Nasen-Rachen-Raum (nächtliches Nasenbluten, Tumoren) mitbedacht werden!
Diagnostik
Anamnese
- Blutungszeichen
- Hämatemesis, Meläna, Hämatochezie
- Frühere gastrointestinale Blutungsereignisse?
- Schmerzen: Typischerweise im Ober- oder Unterbauch, bei der Defäkation
- Medikamentenanamnese (z.B. NSAR, Antikoagulantien, Chemotherapeutika, Antibiotika)
- Voroperationen oder -erkrankungen
- Leberzirrhose
- Alkohol- und Nikotinabusus
- Magenteilresektion in der Anamnese
- Niereninsuffizienz
- Vorliegen einer Mukositis der Mundhöhle nach kürzlich erfolgter Chemotherapie
- Immunsuppression, insb. HIV-Infektion
- Vorhofflimmern, kardiovaskuläre Erkrankungen
Körperliche Untersuchung
- Symptome der Blutungsanämie
- Überwachung der Vitalparameter
- Anale Inspektion und digital-rektale Untersuchung: Liefert sehr schnell Hinweise auf die mögliche Blutungsquelle
Klinische Chemie
- Blut
- Hb↓, Hkt↓ (nicht bei hochakuter Blutung)
- Bei Verdacht auf kreislaufrelevanten Blutverlust: Sofortige Abnahme von Kreuzblut (mit Anforderung von Erythrozytenkonzentraten)
- Stuhltest auf okkultes Blut: Immunologischer Blut-im-Stuhl-Test (iFOBT)
- Laktatbestimmung: Eine Erhöhung spricht für das Vorliegen einer schweren Anämie bzw. einer Schocksituation
Apparative Diagnostik
- (Notfall‑)Endoskopie zur Lokalisation der Blutungsquelle
- Ösophagogastroduodenoskopie
- Koloskopie
- Eine Stabilisierung der Kreislaufsituation ist in der Notfallsituation Voraussetzung für die endoskopische Abklärung und Intervention!
- Patienten mit einer Vigilanzminderung sollten unter großzügiger Indikationsstellung elektiv intubiert werden, da das Risiko für eine Aspiration erheblich ist
- Bei nicht nüchternen Patienten kann eine Magenentleerung durch Gabe von Erythromycin gefördert werden (Off-Label Use, bewährte gängige Praxis)
- Ggf. in gleicher Sitzung endoskopische Blutstillung (siehe: Gastrointestinale Blutung - Therapie)
- Bei Verdacht auf Dünndarmblutung bzw. nicht lokalisierbarer Blutungsquelle
- Kapselendoskopie
- Bei Verdacht auf stenosierenden Darmprozess kontraindiziert!
- „Push-and-pull-Endoskopie“ (Doppelballonendoskopie)
- Ggf. angiografische Verfahren
- Ggf. gastrointestinale Blutungsszintigrafie
- Kapselendoskopie
- Rationale Diagnostik
- Ggf. kann die Wiederholung von Gastroskopie und Koloskopie die Lokalisation einer Blutungsquelle ermöglichen
- Kapselendoskopie bei nicht akut lebensbedrohlichen Blutungen: Angenehme und einfache Möglichkeit der Dünndarmdiagnostik.
- Angiografische und szintigrafische Methoden bei wiederholter vital bedrohlicher Blutung
- Blutungen durch Fisteln zwischen Gefäßimplantaten und intestinalen Strukturen sowie extraintestinale Blutungsquellen sind zwar selten, sollten aber in Betracht gezogen werden.
Da die Blutungsquelle in ca. 90% der Fälle im oberen Gastrointestinaltrakt lokalisiert ist (meist durch GI-Ulkusleiden verursacht), ist die Durchführung einer Gastroskopie die wichtigste Maßnahme zur Lokalisation und Therapie einer GI-Blutung!
GI-Blutung - Risikostratifikation und Entwicklung einer Behandlungsstrategie [2]
- Fragen bei Erstkontakt
- Liegt eine lebensbedrohliche Situation vor?
- Muss eine (intensiv‑)stationäre Aufnahme erfolgen?
- Muss eine Notfallendoskopie erfolgen?
- Wie hoch ist das Risiko eines Blutungsrezidivs?
- Stationäre Aufnahme und rasche Abklärung vordringlich bei
- Alter über 60 Jahre
- Kreislaufsymptomatik (Tachykardie und/oder Hypotonie)
- Vorliegen kardialer, renaler, hepatischer und/oder maligner Komorbidität
- Endoskopischem Nachweis einer Tumorblutung oder einer aktiven Blutung
- Starken Blutungszeichen
- Akute Blutungsanämie (Abfall des Hämoglobins ohne Veränderung des MCV)
- Ambulante Abklärung oberer GI-Blutungen möglich bei Erfüllung der Low-risk-Kriterien nach dem Glasgow-Blatchford Bleeding Score
- Herzfrequenz < 100/min
- Systolischer Blutdruck ≥ 110 mmHg
- Serum-Harnstoff ≤ 6,5 mmol/L
- Hämoglobinkonzentration ≥ 13 g/dL beim Mann bzw. > 12 g/dL bei der Frau
- Kein Teerstuhl oder andere Blutungszeichen
- Fehlen einer Synkope
- Fehlen von Komorbiditäten (Herz/Leber)
Glasgow-Blatchford-Scores (Rechner)
Die modifizierte Version des Glasgow-Blatchford-Scores enthält weniger Kriterien, wodurch der Score einfacher anwendbar sein soll.
Therapie
Symptomatische Therapie der gastrointestinalen Blutung
- Für das Notfallmanagement bei Schocksymptomatik siehe: Hämorrhagischer Schock - AMBOSS-SOP
- Stationäre Überwachung
-
Kontrolle und Stabilisierung der Vitalparameter (z.B. Flüssigkeitssubstitution , evtl. Bluttransfusion)
- Kristalloide Infusionslösungen bevorzugen, Dextrane oder HAES meiden; nur bei Ösophagusvarizenblutung wird Albumin substituiert
- Transfusionsziele und -grundsätze bei oberer GI-Blutung
- 1 Erythrozytenkonzentrat (EK) erhöht den Hb um etwa 1 g/dL
- Bei eingeschränkter Vigilanz und Schock Schutzintubation, in leichteren Fällen individuelle Entscheidung über ein Monitoring nach Risikofaktoren (im Zweifel großzügige Indikation zur Intubation)
- ZVD von ca. 10 mmHg anstreben
- Systolischen Blutdruck >100 mmHg anstreben
- 1 Plasmakonzentrat pro 2 Erythrozytenkonzentrate
- Zielwert: Hb um 8 g/dL
- Leitlinien-Empfehlung: DGVS-GI-Blutung Empfehlung 17a, DGVS-GI-Blutung: Therapeutische Optionen bei Gerinnungsstörungen und gastrointestinalen Blutungen
Kausale Therapie der gastrointestinalen Blutung
- Bei relevanter Blutung: Notfallendoskopie (zunächst Gastro-, dann Koloskopie)
- Intravenöse PPI-Gabe (DGVS-GI-Blutung Empfehlung 18)
- Unterspritzung, Sklerosierung, Ligatur oder Koagulation einer identifizierten Blutungsquelle möglich
- Blutender Polyp (z.B. im Kolon) → Abtragung
- Siehe auch: Ösophagusvarizenblutung
- Bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung (selten): Chirurgisches Vorgehen
- Alternativ kann bei ausreichender Erfahrung vor Ort eine angiografische Lokalisation und Embolisation bzw. Vasopressin-Therapie erwogen werden
- Endoskopische Blutstillung
- Injektionsverfahren: Blutende Läsionen werden mit verdünnter Adrenalinlösung unterspritzt
- Thermische Koagulationsmethoden
- Argon-Plasma-Koagulation (APC): Elektrische Energie wird über einen Argon-Gasstrahl (leitfähig) auf das Gewebe übertragen. Die Eindringtiefe ist begrenzt, Perforationen sind selten
- Elektrische Koagulation: Mit mono- oder bipolaren endoskopischen Sonden kann bspw. ein blutender Gefäßstumpf thermisch koaguliert werden
- Clips: Ein über den Arbeitskanal des Endoskops eingeführter Metallclip wird über einen Applikator vor einer lokalisierten blutenden Läsion aufgespannt und unter genauer Platzierung ausgelöst
- Over-the-scope-Clip
- Kommen bei größeren Blutungsquellen mit ggf. kleiner Perforation zum Einsatz
- Clip wird nicht durch den Instrumentenkanal eingeführt, sondern auf die Spitze des Endoskops gesetzt
- Over-the-scope-Clip
- Gewebekleber: Verschiedene Formen der Gewebekleber auf physikalischer Basis (bzw. Fibrin) können in Pulverform auf blutende Läsionen aufgebracht werden und bewirken eine Blutstillung
- Kombination mehrerer Verfahren: Gängig ist die Kombination eines Injektionsverfahrens mit einem mechanischen, thermischen oder klebenden Verfahren
- Kontrollendoskopie: Bei schlechten Sichtverhältnissen und fraglicher Stabilität einer Blutstillung in der Notfallendoskopie sollte nach 24 h eine Kontrollendoskopie erfolgen
Bei Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung sollten zügig zwei suffiziente periphere Venenverweilkatheter angelegt sowie eine möglicherweise im Verlauf notwendig werdende Bluttransfusion vorbereitet werden (Abnahme von Kreuzblut, Bestimmung der Blutgruppe)!
Differenzialtherapie nach Blutungsquelle bei GI-Blutung
- Ulkusblutung
- Unterspritzung, Clipapplikation, Helicobacter-Diagnostik
- Postinterventionell PPI hochdosiert
- Bei aktiver Blutung und Intervention Kontrolle nach 24 h, zeitgleicher Beginn von HP-Eradikation und oraler Nahrungsaufnahme im Verlauf
- Wenn NSAR in der Anamnese und Ulkus im oberen oder unteren Gastrointestinaltrakt: Absetzen der NSAR vorrangig
- Ösophagusvarizenblutung bzw. Fundusvarizenblutung: Varizenligatur bzw. Histoacryl-Injektion und intensivmedizinische Therapie (s. Ösophagusvarizenblutung)
- Divertikelblutung
- Ggf. Clip oder Koagulation auf Gefäßstumpf, Unterspritzung
- Stuhlregulierende Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe
- Tumorblutungen
- Clipapplikation, ggf. Argon-Plasma-Koagulation oder Gewebekleber
- Biopsie im Verlauf → Hohes Risiko einer Rezidivblutung
- Angiektasien
- Argon-Plasma-Koagulation
- Im Verlauf Second look: Bei Blutungszeichen ggf. erneute Koagulation von initial nicht sichtbaren Befunden
- Ischämische Befunde
- Folge von Schock, Gefäßverschlüssen oder Arteriosklerose
- Ätiologie ist zu klären, ggf. ist eine Antikoagulation notwendig
- Ist unter einer indizierten Antikoagulation keine endoskopische Blutungskontrolle möglich, sind chirurgische Optionen zu prüfen
- Blutender Polyp
- Polypektomie und Bergung, Blutungsprophylaxe mit Clips
- Histologische Untersuchung des Polypen
Bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung sollen Protonenpumpenhemmer als intravenöse Bolusgabe verabreicht werden (bspw. Pantoprazol 80 mg i.v.)!
AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Blutung
Bei einer gastrointestinalen Blutung (GI-Blutung) ist schnelles Handeln essenziell, da je nach Blutungspforte und -stärke Lebensgefahr bestehen kann. Die engmaschige Überwachung, die Einschätzung der Situation sowie das schnelle Einleiten einer geeigneten Therapie stehen dabei im Vordergrund.
Erstmaßnahmen bei gastrointestinaler Blutung
- Hilfe holen: Ärztliches Personal informieren, Patient:innen nicht alleine lassen!
- Bei oberer GI-Blutung und Hämatemesis: Patient:innen beim Erbrechen assistieren, genügend Behältnisse zum Auffangen zur Verfügung stellen, Aspiration möglichst verhindern
- Bei unterer GI-Blutung und Hämatochezie: Blutabgang auffangen, ggf. kreislaufstabilen Patient:innen auf die Toilette begleiten oder im Bett belassen und dort bei der Ausscheidung unterstützen
- Bei allen Blutungen: Vor dem Verwerfen oder vor der Toilettenspülung die blutige Ausscheidung inspizieren und sich ein Bild von Menge, Blutfärbung (hell-/dunkelrot?), Geruch und Beimengungen (Schleim, Kot, Nahrungsreste) machen
- Vitalparameter kontrollieren und stabilisieren: Blutdruck, Puls und (insb. bei oberer GI-Blutung) Sauerstoffsättigung engmaschig kontrollieren und dokumentieren
- Periphere Venenverweilkanülen vorbereiten und ggf. legen (lassen): Blut entnehmen (ggf. inkl. geeigneter Monovetten für Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe, um bei Bedarf Erythrozytenkonzentrate anfordern zu können)
- Mind. 2 möglichst großlumige periphere Venenverweilkanülen
- Notfall-Labordiagnostik: Die wichtigsten Werte
- Hb↓, Hkt↓ (bei hochakuter Blutung nicht aussagekräftig)
- Lactat
- Gerinnungsparameter
- Maßnahmen zur Stabilisierung: Bis zur Entscheidung über Art und Ausmaß einer endoskopischen Intervention nach ärztlicher Anordnung ggf.
- Volumengabe per Infusion, ggf. Druckbeutel anfordern
-
Schocklage, jedoch keine Kopftieflage bei oberer GI-Blutung
- Bei Hämatemesis: Kopfteil hochstellen, um eine Aspiration des Erbrochenen zu verhindern
- Intubationsbereitschaft: Bei oberen GI-Blutungen und erhöhtem Aspirationsrisiko (z.B. bei eingeschränkter Vigilanz) ggf. Schutzintubation notwendig
- Bei Hämatemesis: Kopfteil hochstellen, um eine Aspiration des Erbrochenen zu verhindern
- Engmaschige Blutdruck- und Herzfrequenzkontrollen, ggf. mit Blutdruckmessgerät
- Gezieltes Blutdruckmanagement nach ärztlicher Anordnung: Ausreichenden Perfusionsdruck aufrechterhalten, ohne den Blutverlust unnötig zu verstärken
- Sauerstoffgabe, wenn spO2 eingeschränkt bzw. bei Tachypnoe
- Ggf. auf Intensivstation verlegen: Immer in ärztlicher Begleitung und mit Notfallausrüstung
- Periphere Venenverweilkanülen vorbereiten und ggf. legen (lassen): Blut entnehmen (ggf. inkl. geeigneter Monovetten für Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe, um bei Bedarf Erythrozytenkonzentrate anfordern zu können)
- Siehe auch: Hypovolämischer Schock - AMBOSS-SOP, Hämorrhagischer Schock - AMBOSS-SOP
Bei einer akuten gastrointestinalen Blutung besteht bis zum Beweis des Gegenteils Lebensgefahr! Sofort das ärztliche Personal informieren und die Patient:innen nicht alleine lassen!
Bei V.a. eine gastrointestinale Blutung sollten zügig zwei suffiziente periphere Venenverweilkatheter angelegt sowie eine möglicherweise im Verlauf notwendig werdende Bluttransfusion vorbereitet werden!
Beobachten/Überwachen
- Wichtigste Maßnahme bei Patient:innen, die kreislaufstabil sind und bspw. bis zu einer Endoskopie auf Normalstation verbleiben können
- Basismonitoring: Insb. Schocksymptomatik, siehe auch: Hämorrhagischer Schock und Hypovolämischer Schock
- Herzfrequenz: Tachykardie
- Blutdruck: Hypotonie
- Atmung: Tachypnoe → Ggf. Sauerstoffgabe nach ärztlicher Anordnung
- Temperatur: Fieber
- Bewusstsein: Vigilanzminderung, Verwirrung
- Haut: Blässe , Kaltschweißigkeit
- Schmerzen: Lokalisation und Stärke engmaschig erfassen und dokumentieren
- Flüssigkeitshaushalt: Flüssigkeitsbilanz, nach ärztlicher Anordnung ausgiebige Flüssigkeitssubstitution
- Ausscheidung
- Übelkeit/Erbrechen: Hämatemesis (Bluterbrechen), evtl. kaffeesatzartig
- Magensonde: Bei oberer GI-Blutung ggf. nach ärztlicher Anordnung GI-Sonde mit Ablaufbeutel legen
- Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Hämatemesis und AMBOSS-Pflegewissen: Erbrechen
- Urin: Insb. Oligurie/Anurie, ggf. nach ärztlicher Anordnung Blasenkatheter legen, auf Veränderungen achten
- Stuhlgang: Insb. Teerstuhl , Absetzen von Frischblut (Hämatochezie) und erhöhte Stuhlfrequenz
- Blutung: Aussehen und Herkunft sichtbarer Blutungen umgehend dem ärztlichen Personal melden und dokumentieren
- Übelkeit/Erbrechen: Hämatemesis (Bluterbrechen), evtl. kaffeesatzartig
Medikamentöse Therapie
- Nach ärztlicher Anordnung
- Infusionstherapie
- Sauerstoffgabe
- Ggf. Transfusion durch ärztliches Personal
- I.v. PPI-Gabe bei oberer GI-Blutung
- Ggf. weitere medikamentöse Maßnahmen je nach Lokalisation und Ursache des Blutungsgeschehens
Weitere pflegerische Maßnahmen
- Vorbereitung für die Endoskopie
- Bei unterer GI-Blutung: Kreislaufstabile Patient:innen mit unterer GI-Blutung regulär vorbereiten, aber Vitalparameter engmaschig überwachen
- Kreislaufinstabile Patient:innen i.d.R. nur mit Einläufen vorbereiten und in der Endoskopie spülen
- Bei oberer GI-Blutung: Ggf. prokinetisch zur Magenentleerung mit Erythromycin vorbehandeln, je nach ärztlicher Anordnung
- Kreislaufinstabile Patient:innen werden i.d.R. intubiert und beatmet unter intensivmedizinischen Bedingungen endoskopiert
- Siehe auch: AMBOSS-Pflegewissen: Gastrointestinale Endoskopien
- Bei unterer GI-Blutung: Kreislaufstabile Patient:innen mit unterer GI-Blutung regulär vorbereiten, aber Vitalparameter engmaschig überwachen
- Mobilisation: Ggf. Bettruhe nach ärztlicher Anordnung, bedarfsgerechte Unterstützung
- Positionierung: Bauchdeckenentlastend bei Schmerzen
- Körperpflege: Bedarfsgerechte Unterstützung, insb. bei Bettruhe
- Prophylaxen: Bedarfsgerecht, insb.
- Bei Bettruhe: Pneumonieprophylaxe , Dekubitusprophylaxe, Thromboseprophylaxe, Obstipationsprophylaxe
- Bei Nahrungskarenz: Parotitisprophylaxe, Soorprophylaxe
- Ernährung: Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz
- Psychische Begleitung: Patient:innen in Stresssituation beruhigen
Komplikationen
- Hämorrhagischer Schock
- Anämie
- Bei Leberzirrhose Gefahr der hepatischen Enzephalopathie
- Aspirationspneumonie (hohe Letalität)
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Zur Prognosebestimmung kann der AIMS65-Score herangezogen werden
AIMS65-Score [3][4] | ||
---|---|---|
Parameter | Ja | Nein |
Albumin <3 g/dL | 1 | 0 |
INR >1.5 | 1 | 0 |
Beeinträchtigter mentaler Zustand | 1 | 0 |
RRsys ≤ 90mmHg | 1 | 0 |
Alter ≥ 65 Jahre | 1 | 0 |
Krankenhausmortalität |
|
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 119-2020-3/3: Optimaler Endoskopie-Zeitpunkt bei oberer GI-Blutung
- DGIM-Studientelegramm 1-2020-4/5: Akute untere GI-Blutung: Frühe gegenüber elektiver Koloskopie im klinischen Outcome nicht überlegen
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 85-2023-2/3: Aspirin and ASCVD: Is enteric coating beneficial?
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Patienteninformationen
- Darmspiegelung in leichter Sprache
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- K92.-: Sonstige Krankheiten des Verdauungssystems
- Exklusive: Gastrointestinale Blutung beim Neugeborenen (P54.0-P54.3)
- K92.0: Hämatemesis
- K92.1: Meläna
- Exklusive: Okkultes Blut im Stuhl (R19.5)
- K92.2: Gastrointestinale Blutung, nicht näher bezeichnet
- K92.8: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Verdauungssystems
- K92.9: Krankheit des Verdauungssystems, nicht näher bezeichnet
- K22.-: Sonstige Krankheiten des Ösophagus
- K22.88: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Ösophagus
- Ösophagusblutung o.n.A.
- K22.88: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Ösophagus
- K31.-: Sonstige Krankheiten des Magens und des Duodenums
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.