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EKG

Letzte Aktualisierung: 27.1.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Die Elektrokardiografie (EKG) ist ein bedeutendes Standarddiagnostikum in der Erkennung kardialer Erkrankungen. Durch Anlage externer Elektroden wird die kardiale Erregungsausbreitung abgeleitet und in Form einer charakteristischen Linie festgehalten. Zu den Beurteilungskriterien gehören Lagetyp, Frequenz und Regelmäßigkeit des Ausschlags sowie Abstände und Amplituden der einzelnen Komplexe (z.B. P-Welle, PQ-Strecke, QRS-Komplex, ST-Strecke). In diesem Kapitel erfolgt ein Überblick über die wichtigsten Beurteilungskriterien, während spezielle Befunde im Rahmen der jeweiligen Erkrankungen abgehandelt werden.

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Grundlagentoggle arrow icon

Im EKG wird elektrische Spannung zwischen Kardiomyozyten über einen Zeitraum aufgezeichnet. Während der Erregungsausbreitung und -rückbildung im Myokard sind die Ionen in verschiedenen Bereichen des Herzens unterschiedlich verteilt. So entstehen Potenzialdifferenzen, die sich als elektrische Spannung messen lassen und eine Beurteilung der Herzerregung ermöglichen.

x-Achse: Zeit

  • Schreibgeschwindigkeit (Papiervorschub): Legt fest, wie viele mm auf der x-Achse einer Sekunde entsprechen
    • Standard in Deutschland für 12-Kanal-EKGs: 50 mm/s
    • Alternativ (insb. zur Überwachung und Rhythmusanalyse) und in vielen anderen Ländern: 25 mm/s
    • Praxistipp: Anhand der Kästchen des Millimeterpapiers lassen sich die Zeiten unter Beachtung der Schreibgeschwindigkeit auszählen
      • Bei 25 mm/s
        • Ein kleines Kästchen = 1 mm40 ms
        • Ein großes Kästchen = 5 kleine Kästchen = 5 mm200 ms
        • 10 große Kästchen = 50 kleine Kästchen = 50 mm2 s
      • Bei 50 mm/s
        • Kleines Kästchen = 1 mm20 ms
        • Großes Kästchen = 5 kleine Kästchen = 5 mm100 ms
        • 10 große Kästchen = 50 kleine Kästchen = 50 mm1 s

Bei der Zeitmessung im EKG muss unbedingt die Schreibgeschwindigkeit beachtet werden!

Wenn nicht explizit angegeben, kann man die Schreibgeschwindigkeit bspw. anhand der QRS-Komplexe erkennen: Sie sind normalerweise ca. 100 ms lang, passen also bei einer Schreibgeschwindigkeit von 50 mm/s ungefähr in ein großes Kästchen (5 mm).

y-Achse: Spannung

  • Standard-Kalibrierung: 10 mm1 mV
  • Eichzacke: Ausschlag, der durch eine Spannung von 1 mV entsteht

Ableitung

  • Messung der Spannung zwischen 2 oder mehr Elektroden
    • Differente Elektroden: Spannungsmessende Elektroden
    • Indifferente Elektroden: Als Referenz dienende Zusammenschaltung mehrerer differenter Elektroden
  • Entspricht der Spannung in einer bestimmten Richtung
  • Durch Wahl verschiedener Elektroden entstehen unterschiedliche Ableitungen
    • Bipolare Ableitung: Ableitung zwischen zwei gleichberechtigten differenten Elektroden
    • Unipolare Ableitung: Ableitung zwischen einer differenten und einer indifferenten Elektrode
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Ableitungentoggle arrow icon

Damit EKGs vergleichbar sind, haben sich aus der Vielzahl an theoretisch möglichen Ableitungen standardisierte Kombinationen ergeben. Am bedeutendsten ist das sog. 12-Kanal-EKG.

AMBOSS-Video-Tutorial zum Schreiben eines 12-Kanal-EKG:

12-Kanal-EKG

  • Definition: Standardisierte Kombination von 12 Ableitungen, die sich für die meisten klinischen Fragestellungen eignet
  • Elektroden: 9 Messelektroden plus eine Erdungselektrode = 10 Elektroden insg.
  • Anlage
    • Extremitätenelektroden
      • Rot: Rechter Arm
      • Gelb: Linker Arm
      • Grün: Linkes Bein
      • Schwarz: Rechtes Bein (Erdungselektrode)
    • Brustwandelektroden

In der Praxis ist mit „EKG“ meist ein 12-Kanal-EKG gemeint.

Zur Aufzeichnung eines 12-Kanal-EKG werden inkl. der Erdung 10 Elektroden benötigt.

Verdeckt das Brustgewebe die anatomischen Landmarken zur korrekten Elektrodenplatzierung, sollten diese dennoch möglichst nah an den Standardpositionen angebracht werden. Insb. bei großen Mammae empfiehlt sich ggf. die Anlage der Elektroden V4–V6 unterhalb der Brust. [1][2]

Ableitungen des 12-Kanal-EKG

  • Extremitätenableitungen: 6 Ableitungen in der Frontalebene
    • Einthoven-Ableitungen: 3 bipolare Extremitätenableitungen
      • Ableitung I: Rechter Arm zu linkem Arm
      • Ableitung II: Rechter Arm zu linkem Bein
      • Ableitung III: Linker Arm zu linkem Bein
    • Goldberger-Ableitungen: 3 unipolare Extremitätenableitungen
      • aVL: Rechter Arm und linkes Bein zu linkem Arm
      • aVR: Linker Arm und linkes Bein zu rechtem Arm
        • -aVR: An der x-Achse gespiegelte Ableitung aVR
      • aVF: Linker Arm und rechter Arm zu linkem Bein
    • Cabrera-Kreis: Zusammenfassende Darstellung der verschiedenen Extremitätenableitungen
  • Brustwandableitungen
    • Wilson-Ableitungen: 6 unipolare Ableitungen in der Horizontalebene (V1–V6)
  • Benachbarte Ableitungen: Anatomisch direkt nebeneinander liegende Ableitungen
    • Extremitäten: Winkel von 30°, am einfachsten über den Cabrera-Kreis beurteilbar
    • Brustwand: Entsprechend der Nummerierung

Übersicht: EKG-Formen

EKG-Geräte mit weniger als 12 Kanälen (Anzahl simultan registrierter Ableitungen) ermöglichen keine vollständige Erfassung der Brustwandableitungen und sind daher zur differenzierten Diagnostik nicht geeignet. Sie können jedoch zur Überwachung des Herzrhythmus eingesetzt werden und hilfreich zur Diagnose von Herzrhythmusstörungen sein.

Eigenschaften verschiedener EKG-Formen
Form EKG-Elektroden Anzahl simultan registrierter Ableitungen (Kanäle) Anwendungsgebiete
Anzahl Messelektroden Position
1-Kanal-EKG

1

Extremitäten (variabel)

1: Einthoven-Ableitung
  • Event-Rekorder (extern oder implantierbar)
  • Smartwatches
3-Kanal-EKG

3, zusätzlich ggf. eine Elektrode zur Messung der Atemfrequenz

Extremitäten (variabel)

3: Einthoven-Ableitungen

4-Kanal-EKG 4, zusätzlich ggf. eine Elektrode zur Messung der Atemfrequenz Extremitäten und Brustwand (variabel)

4: Einthoven-Ableitungen plus eine Wilson-Ableitung (je nach Position der Brustwandelektrode)

  • Überwachungsmonitore
6-Kanal-EKG

3

Extremitäten (variabel)

6: Einthoven- und Goldberger-Ableitungen

7-Kanal-EKG 4 Extremitäten und Brustwand (variabel) 7: Einthoven- und Goldberger-Ableitungen plus eine Wilson-Ableitung (je nach Position der Brustwandelektrode
12-Kanal-EKG

10

Extremitäten und Brustwand (siehe: Ableitungen des 12-Kanal-EKG)

12: Einthoven-, Goldberger- und Wilson-Ableitungen

  • Differenzierte Diagnostik

Zur differenzierten Diagnostik ist ein 12-Kanal-EKG notwendig. Alle anderen Formen dienen primär der Rhythmusüberwachung!

Spezielle Ableitungen

Zur verbesserten Ableitungsqualität bei Lungenemphysem und damit einhergehendem „Fassthorax“ können die Brustwandelektroden versuchsweise einen ICR tiefer angelegt werden!

Projektionen der Extremitätenableitungen [4]

Projektionen der Extremitätenableitungen
Ableitungen Bezeichnung Projektion
I, aVL Hohe laterale Ableitungen

Hohe Lateralwand (Seitenwand) des linken Ventrikels

II, III, aVF

Inferiore (diaphragmale) Ableitungen

Inferiore Hinterwand des linken Ventrikels

Projektionen der Brustwandableitungen [4]

Projektionen der Brustwandableitungen
Ableitung Bezeichnung Projektion
Standardableitungen
V1 Septale Ableitungen

Interventrikuläres Septum und Vorderwand des linken Ventrikels, ggf. rechter Ventrikel

V2
V3 Anteriore Ableitungen

Vorderwand und Apex des linken Ventrikels

V4
V5

Tiefe laterale Ableitungen

Tiefe Lateralwand (Seitenwand) des linken Ventrikels
V6
Spezielle Ableitungen
V7 Linksdorsale (posteriore) Ableitungen Posteriore Hinterwand des linken Ventrikels
V8
V9
V3RV6R Rechtsventrikuläre Ableitungen Rechter Ventrikel

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Befundungtoggle arrow icon

  • EKG ggf. wiederholt ableiten (insb. bei Auftreten und Veränderung von Symptomen)
  • Mit Vorbefunden vergleichen (wenn möglich)
  • Feste Reihenfolge einhalten, bspw.
  • Siehe auch: Praxistipp EKG-Befundung

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Rhythmusanalyse und Frequenzbestimmungtoggle arrow icon

Rhythmusanalyse

  1. Regelmäßige P-Wellen vorhanden?
  2. Folgt auf jede P-Welle ein QRS-Komplex?
  3. Normale PQ-Zeit?

Ein Sinusrhythmus liegt vor, wenn regelmäßige P-Wellen vorhanden sind, auf die immer ein QRS-Komplex folgt.

Übersicht wichtiger Herzrhythmusstörungen
Rhythmusstörung EKG-Zeichen

AV-Block II°

AV-Block III°
Vorhofflimmern
Kammerflimmern
Asystolie
  • Nulllinie: Leicht undulierende Kurve bis Linie ohne Ausschläge, keine ausgeprägten Zacken, keine erkennbare Struktur

Herzfrequenz

Die automatische Frequenzberechnung durch das EKG-Gerät ist gerade bei pathologischen EKGs unzuverlässig, sodass im Zweifel eine manuelle Bestimmung erfolgen sollte!

Bestimmung der Herzfrequenz im EKG (Rechner)

Bestimmung der Zykluslänge im EKG (Rechner)

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Lagetyptoggle arrow icon

Grundlagen

Ein QRS-Vektor von 0° bedeutet, dass die elektrische Herzachse horizontal nach links zeigt, und entspricht einem Linkstyp!

Die sagittalen Lagetypen (SISIISIII-Typ und SIQIII-Typ) können Folge einer Rechtsherzbelastung wie bspw. bei einer Lungenembolie sein!

Lagetypbestimmung

Bestimmung mittels Cabrera-Kreis

  • Prinzipien
    • Ableitung mit größtem positiven Ausschlag → Herzachse zeigt ungefähr in die Richtung dieser Ableitung
    • Positiver Anteil des QRS-Komplexes ist in einer Ableitung größer als der negative Anteil („überwiegend positive Ableitung“) → Herzachse liegt auf der Hälfte des Cabrera-Kreises, in die diese Ableitung zeigt
    • Positiver Anteil des QRS-Komplexes ist in einer Ableitung kleiner als der negative Anteil („überwiegend negative Ableitung“) → Herzachse liegt auf der Hälfte des Cabrera-Kreises, in die die betrachtete Ableitung nicht zeigt
    • Ableitung mit etwa gleich großen positiven und negativen Anteilen des QRS-Komplexes → Herzachse liegt ca. im rechten Winkel zu dieser Ableitung
  • Mögliches Vorgehen
    1. Ableitung mit größtem positiven Ausschlag in der Frontalebene suchen Elektrische Herzachse entspricht ungefähr der Richtung dieser Ableitung
    2. Betrachten der anderen Ableitungen → Auf welcher Seite der in Schritt 1 gefundenen Ableitung liegt der Hauptvektor?

Vereinfachte Lagetypbestimmung

In der Praxis haben sich vereinfachte Methoden bewährt, die ohne den Cabrera-Kreis und ohne Messung auskommen. Die hier vorgestellte Methode basiert ausschließlich auf den Ableitungen I, II und III.

  1. Einteilung der Ableitungen I, II und III in überwiegend positiv („+“) und überwiegend negativ („-“)
  2. Zuordnung gemäß folgender Tabelle
Vereinfachte Lagetypbestimmung über die Einthoven-Ableitungen
Lagetyp Ableitung
I II III
Überdrehter Linkstyp (ÜLT) + - -
Linkstyp (LT) + + -
Indifferenztyp* (IT) +* + +
Steiltyp* (ST) + + +*
Rechtstyp (RT) - + +
Überdrehter Rechtstyp (ÜRT) - - /+ +

*Wenn alle Ableitungen positiv sind, gilt: I>III = Indifferenztyp, III>I = Steiltyp

Klinische Bedeutung

  • Im Laufe des Lebens physiologische Änderung des Lagetyps von rechts nach links (bis etwa +90°)
  • Verschiebung der Herzachse nach links oder rechts → Hypertrophie des entsprechenden Herzanteils möglich
  • Rechtsverschiebung oder sagittale Herzachse → Rechtsherzbelastungszeichen, bspw. bei Lungenembolie
  • Störungen der ventrikulären Erregungsausbreitung → Häufig Veränderungen der elektrischen Herzachse

Sensitivität und Spezifität von Lagetypveränderungen sind sehr gering, bei der Interpretation müssen andere Befunde einbezogen werden!

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Überblick der EKG-Bestandteiletoggle arrow icon

P-Welle

  • Definition: P-Welle entspricht der Erregungsausbreitung in den Vorhöfen
    • Ausgangspunkt der Erregung: Sinusknoten
    • Ausbreitung: Vom rechten über den linken Vorhof
    • Vektor: Richtung Herzspitze
    • Endpunkt: Vorhöfe vollständig erregt → EKG-Linie geht zurück zur isoelektrischen Linie
  • Dauer: ≤110 ms
  • Amplitude: <0,25 mV

Das Erkennen der P-Welle ist insb. für die Rhythmusanalyse essenziell!

PQ-Zeit und PQ-Strecke

  • PQ-Zeit
    • Definition: Zeit zwischen Anfang der P-Welle und Beginn des QRS-Komplexes (intraatriale Erregungsausbreitung und atrioventrikuläre Überleitung)
    • Dauer: ≤200 ms
  • PQ-Strecke
    • Definition: Zeit zwischen Ende der P-Welle und Beginn des QRS-Komplexes (isoelektrische Linie)
    • Dauer: ≤100 ms

Verlängerungen und Schwankungen der PQ-Zeit sind Hinweise auf einen AV-Block I° oder II°!

QRS-Komplex

  • Definition: QRS-Komplex entspricht der Erregungsausbreitung in den Herzkammern
    • Innenschicht der Herzkammern wird vor der Außenschicht erregt
    • Am Ende des QRS-Komplexes sind beide Kammern vollständig erregt
  • Morphologie und Bedeutung
    • Q-Zacke: Initialer negativer Ausschlag des QRS-Komplexes
    • R-Zacke: Jeder positive Ausschlag des QRS-Komplexes
    • S-Zacke: Jeder negative Ausschlag nach dem ersten positiven Ausschlag
    • R-Progression: Physiologische Zunahme der R-Zacken-Amplitude von V1/V2 bis V5/V6
    • R/S-Umschlag: Brustwandableitungen, bei denen die größte Zacke von S auf R wechselt
      • Normalerweise bei V2/V3 oder V3/V4
  • Dauer: ≤100 ms
  • Nomenklatur: Für die genaue Beschreibung der QRS-Komplexe in einzelnen Ableitungen haben sich bestimmte Schreibweisen etabliert
    • Definition Zacke: Der initiale Ausschlag und jede Richtungsänderung mit Überschreitung der isoelektrischen Linie
      • Jede Zacke wird mit einem Buchstaben bezeichnet, Richtungsänderungen ohne Überschreitung der Nulllinie („Knotungen“) jedoch nicht
    • Relative Höhe der Zacke: Ausschläge des QRS-Komplexes werden entweder groß- oder klein geschrieben, je nachdem ob sie im Vergleich zu den anderen Ausschlägen des selben Komplexes groß oder klein sind
    • Zusätzliche Ausschläge: Gibt es mehr als einen positiven oder mehr als zwei negative Ausschläge, so werden die zusätzlichen Zacken mit einem Strich (') bzw. mehreren Strichen gekennzeichnet

Verbreiterungen und Deformierungen des QRS-Komplexes sind typische Zeichen einer intraventrikulären Erregungsausbreitungsstörung. Siehe hierzu auch: Schenkelblock.

ST-Strecke

  • Definition: Strecke zwischen dem Ende der S-Zacke bis zum Beginn der T-Welle, entspricht der vollständigen Erregung der Ventrikel
  • Verlauf: Isoelektrische Linie vom Ende der S-Zacke bis zum Beginn der T-Welle

Veränderungen der ST-Strecke wie ST-Hebungen und ST-Senkungen sind wichtig für die Ischämiediagnostik! Siehe hierzu auch: EKG bei Myokardinfarkt.

T-Welle

Mit dem Begriff „Erregungsrückbildungsstörungen“ werden pathologische Veränderungen sowohl der ST-Strecke als auch der T-Welle bezeichnet! Beiden ist gemeinsam, dass sie durch eine Ischämie verursacht sein können.

Diskordant negative T-Wellen sind ein unspezifischer, potenziell pathologischer Befund, der bspw. bei akuten Ischämien auftreten kann!

Kaliumstörungen können über Veränderungen der T-Welle auffallen: Hypokaliämie führt typischerweise zu einer Abflachung, während Hyperkaliämie hohe und spitze T-Wellen verursacht!

QT-Zeit

Verlängerungen der QT-Zeit (Long-QT-Syndrom) können zu lebensbedrohlichen Torsade-de-Pointes-Tachykardien führen!

Bei QT-Zeit-Verlängerung und positiver Familienanamnese für plötzlichen Herztod oder Long-QT-Syndrom (LQTS) muss an ein angeborenes LQTS gedacht werden!

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P-Welle und PQ-Strecketoggle arrow icon

Definitionen

  • P-Welle: Erste Welle eines Erregungszyklus
    • Korrelat: Erregungsausbreitung im Vorhofmyokard
  • PQ-Strecke: Distanz zwischen Ende der P-Welle und Beginn des QRS-Komplexes
    • Korrelat: Überleitungszeit durch AV-Knoten zwischen Vorhofdepolarisation und Kammererregung durch AV-Knoten
  • PQ-Intervall: Distanz zwischen Beginn der P-Welle und Beginn des QRS-Komplexes
    • Korrelat: Erregungsausbreitung im Vorhofmyokard mit nachfolgender Überleitungszeit im AV-Knoten
  • PQ-Zeit: Dauer des PQ-Intervalls

Die PQ-Zeit entspricht der Dauer des PQ-Intervalls und ist die Summe der Dauer von P-Welle und PQ-Strecke!

Elektrophysiologischer Hintergrund

Entstehung der normalen P-Welle [5]

  • Beginn: Spontandepolarisation des Sinusknoten im rechten Vorhof, die angrenzendes Vorhofmyokard erregt
  • Potenzialdifferenz: Zwischen erregtem und noch nicht erregtem Vorhofmyokard
    • Summenvektor der Potenzialdifferenzen im EKG als Ausschlag sichtbar
    • Summenvektor der Potenzialdifferenz: Vom Sinusknoten entsprechend der Ausbreitung Richtung AV-Knoten
  • Ende: Vollständige Depolarisation aller Vorhofkardiomyozyten
  • Dauer: Abhängig von Leitungsgeschwindigkeit im Vorhof und Vorhofgröße

Entstehung der PQ-Strecke

  • Beginn: Vollständige Depolarisation aller Vorhofkardiomyozyten
  • Potenzialdifferenz: Keine; Vorhofmyokard vollständig depolarisiert, Ventrikelmyokard noch nicht depolarisiert
    • Kein Ausschlag im EKG
    • Isoelektrische Linie
  • Ende: Überleitung der Erregung auf das ventrikuläre Septum

Physiologische Polarität, Morphologie und Dauer

Sinusale P-Welle [4]

  • Definition: P-Welle, die dem Sinusknoten entstammt
  • Kennzeichen: Normale Achsen, Morphologie und Zeiten

Achsen [4]

Morphologie [4]

  • Allgemein
    • Glatte Welle, keine Zacken
    • Monophasisch bis auf V1
    • Deutlich kleinere Amplitude als QRS-Komplex
  • In Ableitung II
    • Monophasisch positiv
    • Leichte Doppelgipfligkeit möglich (Abstand der Gipfel <40 ms)

Messwerte

  • Dauer: 90–110 ms
  • Amplitude: <0,25 mV in allen Ableitungen

Die normale, d.h. sinusale, P-Welle ist in der Ableitung I immer positiv und in der Ableitung aVR immer negativ!

PQ-Strecke

  • Morphologie: Isoelektrische Linie
  • Amplitude: 0 mV
  • Dauer: <100 ms

Die Relevanz der PQ-Strecke liegt v.a. in der Festlegung der isoelektrischen Linie als Referenzwert! Zur Einschätzung der atrioventrikulären Überleitung wird die PQ-Zeit benutzt.

Differenzialdiagnostik bei Veränderungen der P-Welle

Achsenabweichung [4]

Eine veränderte Achse des P-Vektors deutet auf eine Erregungsbildung außerhalb des Sinusknotens hin!

Veränderungen der Morphologie und Größe [4][7][8]

Verbreiterung (verlängerte Dauer)

  • Definition: P-Wellen-Dauer >110 ms
    • P-mitrale : Spezialfall einer P-Verlängerung mit zusätzlicher Doppelgipfligkeit
      • Merkmale
        • Dauer: >110 ms
        • Doppelgipfligkeit insb. in I, II und V6
        • Verstärkte terminale Negativität in V1, terminale Negativität in V2
  • Ursachen: Vergrößerung des linken Vorhofs oder Störung der intraatrialen Erregungsleitung , bspw. durch

Erhöhung (erhöhte Voltage)

Kombination von Verbreiterung und Erhöhung [4]

Knotungen [4][9]

  • Definition: Kleiner zusätzlicher Ausschlag in die entgegengesetzte Richtung
  • Ursachen
    • Störungen der intraatrialen Erregungsausbreitung, bspw. durch
      • Vorhofinfarkte [9]
      • Degeneration des atrialen Leitungssystems [4]

Keine typische P-Welle abgrenzbar

Differenzialdiagnostik bei Veränderungen der PQ-Strecke und der PQ-Zeit [4]

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QRS-Komplextoggle arrow icon

Definition [4]

  • QRS-Komplex: Abschnitt des elektrokardiografisch dargestellten Herzzyklus zwischen dem Ende der PQ-Strecke und dem Beginn der (normalerweise) isoelektrischen ST-Strecke
    • Bildet die Ausbreitung der elektrischen Erregung des Ventrikelmyokards ab

Elektrophysiologischer Hintergrund [4]

  • Beginn: Depolarisation von Kardiomyozyten im mittleren Teil des interventrikulären Septums
  • Ende: Depolarisation von Kardiomyozyten in den hochlateralen Ventrikelwänden und im oberen Teil des interventrikulären Septums
  • Detaillierter Ablauf der Erregungsausbreitung
    • Vektor 1 (septaler Vektor ): Entspricht der Q-Zacke in I, II, aVL, V5, V6, Dauer ca. 15 ms, Richtung i.d.R. nach rechts, vorne und leicht unten
    • Vektor 2 (Kombination der links- und rechtsventrikulären Vektoren ): Entspricht der R-Zacke in I, Dauer ca. 60 ms, Richtung i.d.R. nach links, unten und leicht hinten
    • Vektor 3 (basaler linksventrikulärer Vektor ): Entspricht der S-Zacke in I, Dauer ca. 15 ms, Richtung i.d.R. nach rechts, oben und hinten

Physiologische Dauer und Morphologie [4][10]

  • Dauer: ≤100 ms
  • Q-Zacke
    • Ableitungen: Physiologischerweise in den Ableitungen I, II, aVL, V5, V6 als sog. septale Q-Zacke
    • Dauer: <25 ms
    • Amplitude: Deutlich kleiner als die R-Zacke
  • R-Zacke
    • Ableitungen: Physiologischerweise in allen Ableitungen zu sehen
    • Dauer: R-Zacken-Spitzenzeit (das Zeitintervall vom Beginn des QRS-Komplexes bis zur maximalen Amplitude der R-Zacke)
      • V1 und V2: <35 ms
      • V5 und V6: <45 ms
    • Amplitude: ≤2 mV in I, II und III
    • Pseudo-Deltawelle
      • Definition: Auftreten einer positiven Deltawelle in Ableitung III und aVF sowie V2 und/oder V3 bei normaler PQ-Dauer
      • Bedeutung: Normvariante aufgrund individueller elektrophysiologischer Gegebenheiten, die zu kleineren Veränderungen des Vektors führen
  • S-Zacke
    • Ableitungen: Physiologischerweise in allen Ableitungen zu sehen (außer Ableitung III und V6, dort evtl. sehr klein oder fehlend)
    • Dauer: Terminal Activation Duration (TAD; das Zeitintervall zwischen dem negativsten Punkt der S-Zacke und dem Ende des QRS-Komplexes)
      • In V1 und V2: <55 ms
    • Amplitude: Physiologischerweise stetige Abnahme der S-Amplitude von V1 und V2 bis V5 und V6

Morphologische Variabilität

Mit zunehmendem Alter und Gewicht verschiebt sich die Herzachse von rechts nach links, sodass die alleinige Betrachtung des Lagetyps keine sichere Beurteilung über pathologische Veränderungen erlaubt!

Insb. Sagittal- und (überdrehter) Rechtstyp sollten bei Erwachsenen an eine Rechtsherzbelastung denken lassen!

Differenzialdiagnostik bei Veränderungen des QRS-Komplexes [4][10][11]

Veränderungen des gesamten QRS-Komplexes

Es gibt einige typische Konfigurationen des QRS-Komplexes, die auf spezielle Krankheitsbilder hinweisen können. Die Spezifität ist allerdings gering, da alle auch als Normvarianten auftreten.

Einige Konfigurationen wie bspw. der SISIISIII- und SIQIII-Typ werden manchmal auch als spezielle Lagetypen interpretiert!

Veränderungen der Dauer

Veränderungen der Amplitude

Veränderungen der Q-Zacke

Veränderungen der R- und/oder S-Zacke

Veränderte Morphologie

Veränderungen der Dauer

Veränderungen der Amplituden

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ST-Strecketoggle arrow icon

Definition

Elektrophysiologischer Hintergrund

  • Entspricht der Plateauphase des Myokardzellen-Aktionspotenzials
    • Beginn: Bei vollständiger Depolarisation der ganzen Kammer
    • Potenzialdifferenz: Keine
    • Ende: Beginn der Kammerrepolarisation (T-Welle)

Physiologische Dauer und Morphologie

Bestimmung pathologischer Veränderungen

  1. Messung von ST-Hebungen und -Senkungen: Am J-Punkt; hierbei gilt die PQ-Strecke vor dem QRS-Komplex als isoelektrisches Nullniveau
  2. Lokalisation von Veränderungen: Diffus ubiquitär oder einem bestimmten Versorgungsgebiet zugeordnet
  3. Spiegelbildliche Darstellung: Von ST-Hebungen bzw. ST-Senkungen in den jeweils gegenüberliegenden Extremitätenableitungen

Differenzialdiagnostik bei Veränderungen der ST-Strecke

ST-Hebungen

  • Signifikant ab einer Höhe von >0,1 mV am J-Punkt

Pathologische Ursachen

Frühe Repolarisation [15][16][17][18]

Die wichtigste Ursache einer ST-Streckenhebung aus einem absteigenden R ist der Myokardinfarkt. In selteneren Fällen kann die ST-Streckenhebung bei Myokardinfarkt aber auch aus der S-Zacke abgehen!

ST-Senkungen

  • Signifikant ab einer Senkung von >0,1 mV am J-Punkt

Formen der ST-Senkung

Weitere Pathologien der ST-Strecke

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T- und U-Welletoggle arrow icon

Definition

Elektrophysiologischer Hintergrund

Physiologische Dauer, Morphologie und Polarität

T-Welle

  • Dauer: Keine Normwerte [4]
  • Morphologie: Asymmetrisch [4]
    • Langsamer Aufstieg
    • Schneller Abfall
  • Amplitude
    • Größte Amplitude: Meistens am R/S-Übergang in V3/V4 [19]
    • In Relation zur R-Zacke

Polarität: Überwiegend positiv

U-Welle

  • Definition: Fakultativer Ausschlag nach der T-Welle [21]
  • Dauer: Keine Normwerte
  • Morphologie
    • Asymmetrisch
      • Schneller Aufstieg
      • Langsamer Abfall
    • Flach , am ausgeprägtesten in den Brustwandableitungen
  • Amplitude: U-Amplitude max. 50% der T-Amplitude [19]
  • Polarität: Positiv, entsprechend der T-Welle

Differenzialdiagnostik bei Veränderungen der T- bzw. U-Welle

T-Welle [4]

Jede nicht-konkordante T-Negativierung außerhalb von V1 und aVR ist suspekt (insb. wenn nicht vorbekannt) und bedarf differenzialdiagnostischer Überlegungen, ggf. Diagnostik!

U-Welle [4]

TU-Welle (TU-Verschmelzung, TU-Fusion) [4]

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QT-Zeittoggle arrow icon

Definition

  • Die QT-Zeit repräsentiert die gesamte intraventrikuläre Erregungsdauer; gemessen wird vom Anfang der Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle

Bestimmung

  • Die QT-Zeit ist abhängig von der Herzfrequenz, sodass eine Frequenzkorrektur erforderlich ist → Frequenzkorrigierte QT-Zeit = QTc
    • Normwert ca. 350–440 ms
    • Bazett-Formel zur Berechnung: QTc = Absolute QT-Zeit / Wurzel (RR-Abstand in s)

Differenzialdiagnostik bei Veränderungen der QT-Zeit

Jede QT-Zeit >440 ms sollte aus Sicherheitsgründen dokumentiert werden. Ggf. muss dieser Umstand bei der Verordnung berücksichtigt werden!

QTc-Zeit (Rechner)

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Praxistipp EKG-Befundungtoggle arrow icon

Aufgrund seiner Komplexität empfiehlt sich bei der EKG-Befundung ein strukturiertes Vorgehen. Folgende Schritte und dazugehörige Fragen können dabei helfen, alle gängigen Pathologien zu erfassen.

  1. Rhythmus (i.d.R. bestmögliche Beurteilung der P-Welle in Ableitung II)
  2. Herzfrequenz (in jeder Ableitung beurteilbar)
    • Annäherungsweise kann bei EKGs mit einer Schreibgeschwindigkeit von 50 mm/s die Frequenz abgeschätzt werden, indem die Anzahl der QRS-Komplexe mit 10 multipliziert wird, die sich innerhalb einer Ableitung auf dem DIN-A4-Blatt befindet.
  3. Lagetypbestimmung nach vereinfachter Methode (Ableitungen I–III wegweisend, siehe: vereinfachte Lagetypbestimmung)
    • Passt der Lagetyp zur Person?
    • Ist das EKG richtig abgeleitet?
  4. Zeiten (i.d.R. bestmögliche Beurteilung der P-Welle in Ableitung II)
    1. PQ-Zeit ≤200 ms und konstant? → AV-Block ausgeschlossen
    2. QRS-Komplex ≤100 ms? → Schenkelblock ausgeschlossen
    3. Frequenzkorrigierte QT-Zeit <440 ms? → Long QT-Syndrom unwahrscheinlich
  5. Morphologie (jede der 12 Ableitungen einzeln betrachten )

EKG-Normalbefund und Notation: Sinusrhythmus mit einer Frequenz von X/min, Linkstyp, PQ-Zeit nicht verlängert, QRS nicht verbreitert, keine signifikanten ST-Streckenveränderungen, keine Erregungsrückbildungsstörungen.