Zusammenfassung
Aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehrende bzw. erstmalig einreisende Personen können Krankheiten aufweisen, die für Deutschland ungewöhnlich sind. Essenziell ist daher die Durchführung einer detaillierten Reiseanamnese und die Feststellung der Herkunft. Nur so können auch seltene, für Deutschland ungewöhnliche Erkrankungen in der Differenzialdiagnostik berücksichtigt werden. Für die Diagnosefindung ist zudem ein fundiertes Wissen über die infrage kommenden Erkrankungen und eine spezielle Diagnostik erforderlich, was eine Absprache mit spezialisierten Zentren und eine Verlegung der Patient:innen erforderlich machen kann. Für eine adäquate Behandlung und Versorgung von Geflüchteten sind zusätzliche Punkte (Fluchtweg, Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte etc.) zu beachten.
Grundsätzliches Vorgehen
Reiserückkehrer:innen
Da viele Infektionskrankheiten mit unspezifischen Beschwerden einhergehen, ist eine gründliche Anamnese von großer Bedeutung. Dabei kann insb. die Reiseanamnese wertvolle Hinweise für eine zielführende Diagnostik geben.
- Reiseanamnese
- Exakte Reiseroute
- Genaues Ankunfts- und Abreisedatum
- Reiseart
- Abenteuer- oder Pauschalreise
- Aufenthalt in ländlichen Regionen oder Städten
- Hotel- oder Campingurlaub
- Spezifische Expositionen
- Tierkontakte
- Insektenstiche
- Verhalten bei Trinkwasser- und Nahrungsaufnahme
- Baden in Süßwasser
- Sexualanamnese
- Impfanamnese
- Eventuelle Einnahme einer Malariaprophylaxe
Geflüchtete und Vertriebene
Personen, die als Geflüchtete nach Deutschland kommen, haben oftmals einen langen und beschwerlichen Weg auf ihrer Flucht hinter sich gebracht und kommen aus instabilen Regionen, in denen keine adäquate medizinische Grundversorgung besteht. In diesem Rahmen können zusätzlich zu den Erkrankungen der einheimischen Bevölkerung in Deutschland auch seltene Infektionskrankheiten auftreten, die mit Herkunftsland, Fluchtweg und überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften assoziiert sind. Für eine adäquate medizinische Versorgung müssen neben einer Reiseanamnese daher bei Geflüchteten noch weitere Punkte berücksichtigt werden:
- Herkunftsland und Fluchtroute
- Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften
- Inkubationszeiten der in Betracht kommenden Erkrankungen
- Impfstatus
- Fehlende Impfungen verabreichen und Grundimmunisierung nachholen
- Siehe auch: Impfungen allgemein und unter Tipps & Links
- Psychische Belastung
Du findest den aktuellen AMBOSS-Impfkalender und viele weitere hilfreiche Dokumente für den Umgang mit ausländischen Patient:innen (bspw. verschiedensprachige Anamnesebögen) unter „Tipps & Links“ (ganz unten in diesem Kapitel)!
Ansprechpartner:innen und Informationsquellen
Da für eine Diagnosestellung seltener importierter Erkrankungen teilweise Spezialwissen und -diagnostik erforderlich sind, sollte im Zweifelsfall Rücksprache mit Spezialist:innen gehalten und Betroffene ggf. überwiesen oder verlegt werden. Informative Websites:
- Robert Koch-Institut
- WHO (Weltgesundheitsorganisation)
- Auswärtiges Amt - Reisen und Gesundheit
- Nahegelegene infektiologische Kliniken und Tropeninstitute
- Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Nationales Referenzzentrum für tropische Infektionserreger)
- Siehe auch: Tipps & Links
Mögliche Erkrankungen
Häufige Erkrankungen
Die häufigsten Erkrankungen bei Patient:innen aus dem Ausland, Reiserückkehrer:innen und Geflüchteten sind Durchfall-, Haut- und Atemwegserkrankungen.
Grundsätzlich sollte bei diesen Personen nicht nur an seltene nicht-heimische Differenzialdiagnosen, sondern auch an hierzulande häufige Erkrankungen gedacht werden!
Durchfallerkrankungen
Auswahl häufiger Ursachen (umfassende Liste siehe: Ätiologie von Durchfallerkrankungen):
Erkrankung | Erreger | Charakteristika | Vorkommen |
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Amöbiasis |
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Campylobacter-Enteritis |
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Salmonellose |
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Shigellose |
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Wurmerkrankungen |
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Meldepflicht |
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- Sehr häufige Ursachen persistierender Darmbeschwerden :
- Postinfektiöse Lactoseintoleranz
- Postinfektiöses Reizdarmsyndrom
Hautläsionen
Beim Vorliegen einer Hautläsion sollte immer die komplette Haut untersucht werden (siehe auch: Dermatologische Anamnese). Auswahl häufiger Ursachen:
- Sonnenbrand (Dermatitis solaris)
- Insektenstiche und Zeckenstiche
- Pigmentstörungen
- Hautinfektionen
- Bakteriell
- Erysipel, Phlegmone, Abszesse
- Siehe auch: Weichteilinfektionen
- Mykotisch (z.B. Pityriasis versicolor, Tinea corporis)
- Parasitär
- Bakteriell
- Zur Therapie siehe auch: Wundbehandlung
Atemwegserkrankungen
Meist handelt es sich um Erkrankungen, die auch hierzulande vorkommen.
- Rhinitis acuta (Common Cold)
- Akute Bronchitis
- Pneumonie
- → Leitsymptom Husten
Spezifische Risikoexposition
Risikoexposition | Region | Erkrankung |
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Riskantes Sexualverhalten | Weltweit | Sexuell übertragbare Krankheiten (z.B. Hepatitis B und C, HIV, Syphilis, Chlamydieninfektion) |
Baden in Süßwassergewässern | Tropen, Subtropen | |
Barfußgehen | Tropen, Subtropen | |
Kontakt zu Hunden | Insb. Mittelmeerregion, Türkei | Echinokokkose durch Hundebandwurm |
Stiche von Raubwanzen (Schlafen in einfachen Behausungen) | Mittel- und Südamerika | Chagas-Krankheit |
Stiche der Tsetse-Fliege | Tropisches Afrika |
Bei Geflüchteten zusätzlich zu beachten
- Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften
- Exposition zu Kleiderläusen
- Fleckfieber
- Läuserückfallfieber
- Siehe auch: Weitere Lauserkrankungen
- Keratoconjunctivitis epidemica
- Exposition zu Flöhen
- Skabies
- Fehlender Impfschutz insb. für
- Exposition zu Kleiderläusen
- Importierte Infektionskrankheiten
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Tuberkulose
- Reaktivierung einer latenten Tuberkulose
- Tuberkulöse Meningitis (v.a. bei Kindern)
- Parasitosen
- Viruserkrankungen
- Hepatitis B und C, HIV
-
Tuberkulose
- Psychische Erkrankungen
- Chronische Erkrankungen
- Sehstörungen, eingeschränkter Visus
- Zahnstatus
- Eisenmangelanämie
- Diabetes mellitus
- Ggf. Screening auf häufige Erkrankungen
Bei Geflüchteten besteht aufgrund von limitierten Sprachkenntnissen, eingeschränktem Zugang zu medizinischen Einrichtungen und niedrigem finanziellen Status ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung von schweren Krankheitsverläufen mit Komplikationen!
Differenzialdiagnosen von Fieber bei Patient:innen aus dem Ausland
Eine Vielzahl von Erkrankungen geht unspezifisch mit Fieber einher. Eine unbehandelte Malaria tropica kann jedoch schon nach wenigen Tagen unbehandelt zum Tod führen.
Personen, die mit Fieber aus Malariaendemiegebieten einreisen, müssen notfallmäßig abgeklärt werden, um eine Malaria tropica auszuschließen!
Übersicht wichtiger Differenzialdiagnosen bei Fieber nach Aufenthalt im Ausland | ||||||||
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Erkrankung | Erreger | Inkubationszeit | Weitere Symptome neben Fieber | Diagnostik | Ausbreitungsrisiko in Deutschland | Vorkommen | Meldepflicht | Prävention |
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Dengue-Fieber |
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Gelbfieber |
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Typhus |
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Amöbenruhr |
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Amöbenleberabszess |
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Hepatitis E |
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Tuberkulose |
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Viszerale Leishmaniose |
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HIV-Infektion |
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Influenza |
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Diphtherie |
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FSME |
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Weitere, seltenere Differenzialdiagnosen
- Virale hämorrhagische Fieber
- Zikavirus-Infektion
- Rickettsiose (u.a. Rickettsia prowazekii)
- Leptospirose
- Brucellose
- Lymphatische Filariose
- Pest
- Tetanus
Weitere Informationen zur Meldepflicht siehe: Infektionsschutzgesetz
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 235-2022-2/3: Ласкаво просим – Empfehlung zur Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine
- Studientelegramm 66-2019-1/3: Lost in Translation?
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AMBOSS-Podcast zum Thema
Medizin für Obdachlose: Hinschauen, handeln, helfen (Dezember 2024)
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