Zusammenfassung
Unter dem Begriff „Vitamine“ wird eine Reihe sehr unterschiedlicher organischer Verbindungen zusammengefasst, die in kleinen Mengen für den Stoffwechsel benötigt werden. Gemeinsam ist den Vitaminen, dass sie nicht zur Energiegewinnung abgebaut werden, sondern sehr spezifische Funktionen erfüllen: Die meisten Vitamine dienen als Cofaktoren verschiedenster Reaktionen (bspw. Biotin bei Carboxylierungen und Pyridoxalphosphat bei Transaminierungen); andere wirken als Antioxidantien und schützen so die Zellen und ihre Membranen vor freien Radikalen (bspw. Ascorbinsäure und Tocopherol).
Vitamine sind essenzielle Nahrungsbestandteile, müssen also mit der Nahrung zugeführt werden. Eine Ausnahme ist das Vitamin D, das auch vom Organismus selbst synthetisiert werden kann. Bei "normaler" Mischkost wird der Bedarf an den einzelnen Vitaminen recht zuverlässig gedeckt; zu Mangelerscheinungen kommt es also hauptsächlich durch Mangelernährung, spezielle Ernährungsformen (bspw. Vitamin B12-Mangel bei veganer Ernährung) oder durch Störungen der Resorption. Man unterteilt die Vitamine in fettlösliche und wasserlösliche Vitamine. Fettlösliche Vitamine können im Körper gespeichert werden, wasserlösliche nicht (Ausnahme: Vitamin B12).
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Grundlagen
Vitamine (von lat. vita = „Leben“ und der chemischen Stoffgruppe „Amine“ ) sind Substanzen, die im Stoffwechsel hauptsächlich katalytische und regulatorische Funktionen ausüben und für die Aufrechterhaltung vieler Körperprozesse unerlässlich sind. Sie müssen in kleinen Mengen von außen zugeführt werden. Vitamine sind nämlich essenzielle Nahrungsbestandteile, die (bis auf eine Ausnahme) nicht in relevanten Mengen vom menschlichen Organismus selbst hergestellt werden können. Nicht immer handelt es sich bei den einzelnen Vitaminen um nur eine Verbindung, häufig liegen mehrere Verbindungen (Vitamere) vor, die zu einer Vitaminklasse zusammengefasst werden.
- Einteilung: Nach ihrer Löslichkeit
- Quellen
- Nahrung
- Körpereigene Produktion: Vitamin D (Cholecalciferol) kann als einziges Vitamin in relevanten Mengen vom Körper synthetisiert werden
- Darmflora: Einige Vitamine können in geringen Mengen von der Darmflora synthetisiert werden
- Vitaminbedarf: Hoch individuell; unterliegt verschiedenen Einflussgrößen sowie individuellen Schwankungen
- Erhöhter Vitaminbedarf besteht z.B. in folgenden Fällen:
- Hohe körperliche Belastung
- Wachstumsphase
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Erhöhter Vitaminbedarf besteht z.B. in folgenden Fällen:
- Funktionen: Wirken u.a. als
- Cofaktoren (z.B. B-Vitamine, Vitamin A, Vitamin K)
- Hormone (z.B. Vitamin D)
- Antioxidanzien (z.B. Vitamin C)
- Signaltransduktion (z.B. Vitamin A)
- Einfluss auf die Genexpression (z.B. Vitamin A, Vitamin E)
Hypo-/Avitaminose
- Definition
- Hypovitaminose: Unterversorgung des Organismus (Vitaminmangel)
- Avitaminose: Vollständiges Fehlen eines Vitamins im Organismus
- Mögliche Ursachen
- Mangelernährung
- Unzureichende Vitaminzufuhr (z.B. durch spezielle Diäten)
- Resorptionsstörung im Darm
- Gendefekte
- Pathogenese: Aufbrauchen der Vitaminspeicher → Gestörter Intermediärstoffwechsel → Klinische Symptomatik → Organveränderungen
- Symptome: Meist unspezifisch wie z.B. Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen
- Therapie: Vitaminsubstitution
- Definition: Überversorgung des Organismus (Vitaminüberschuss)
- Ursachen: Betrifft fast nur fettlösliche Vitamine, da diese im Körper gespeichert werden → erschwerte Elimination
- Symptome: Abhängig vom überdosierten Vitamin
Übersicht
Fettlösliche Vitamine
Bezeichnung | Aktive Form | Funktion | Mangelerscheinung |
---|---|---|---|
Vitamin A (Retinoide) |
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Vitamin D (Calciferol) |
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Vitamin E (Tocopherol) |
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Vitamin K (Phyllochinon) |
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Wasserlösliche Vitamine
Bezeichnung | Aktive Form | Funktion | Mangelerscheinungen |
---|---|---|---|
Vitamin B1 (Thiamin) |
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Vitamin B2 (Riboflavin) |
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Niacin (früher: Vitamin B3) |
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Pantothensäure (Vitamin B5) |
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Vitamin B6 (Pyridoxin) |
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Biotin (Vitamin B7; Vitamin H) |
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Folsäure (Vitamin B9) |
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Vitamin C (Ascorbinsäure) |
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Fettlösliche Vitamine
Fettlösliche Vitamine sind apolare Moleküle, die aus der Nahrung gemeinsam mit den Lipiden resorbiert werden. Sie können im Körper an unterschiedlichen Stellen gespeichert und bei Bedarf freigesetzt werden.
- Zu den fettlöslichen Vitaminen zählen
- Resorption und Transport: Gemeinsam mit den Nahrungslipiden
- Gallensäuren umschließen die fettlöslichen Vitamine in wässriger Umgebung und bilden sog. Mizellen
- Aufnahme im Darm (v.a. im Duodenum) und Verpacken zu Chylomikronen
- Abgabe in die Lymphe und Transport über Ductus thoracicus in die Blutbahn
- Transport zur Leber
- Von der Leber Transport zur Zielzelle mithilfe spezieller Transportproteine
Fettlösliche Vitamine: EDeKA
Im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen werden fettlösliche Vitamine im Körper gespeichert!
Vitamin A (Retinoide)
Leitsubstanz des Vitamin A ist das Retinol; jedoch werden auch Substanzen mit derselben biologischen Wirkung wie z.B. Retinal und Retinoat zum Vitamin A gezählt. Diese Verbindungen werden unter dem Begriff „Retinoide“ zusammengefasst.
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Retinoide
- Chemische Leitstruktur: Isopren
- Inaktive Vorstufen (Provitamine): Carotinoide wie z.B. Betacarotin (= ein Tetraterpen)
- Aktive Formen
Physiologie
- Natürliche Quellen
- Pflanzliche Quellen: Als inaktive Vorstufe (v.a. Betacarotin) in gelben und grünen Gemüsesorten (z.B. Möhren, Spinat, Fenchel, Grünkohl)
- Tierische Quellen: Als Speicherformen (Retinylester) z.B. in Leber, Fisch, Eiern
- Aktivierung: Betacarotin wird durch oxidative Spaltung in zwei Moleküle Retinal umgewandelt; Retinal kann reversibel zu Retinol reduziert und irreversibel zu Retinoat oxidiert werden
- Transport: Neben dem für fettlösliche Vitamine üblichen Mechanismus (s.o.) als Retinol über Transportproteine
- Speicherung: In den Ito-Zellen der Leber
- Ausscheidung: Über Galle und Urin
Funktion
- Sehvorgang: Bestandteil des Rhodopsins als 11-cis-Retinal
- Genregulation: Regulation verschiedener Gene für Zellwachstum und -differenzierung, Reproduktion und Embryogenese
-
Wirkmechanismus: Retinsäure fungiert als Ligand für intrazelluläre Kernrezeptoren (ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren), u.a Steigerung der Genexpression von:
- Keratinen
- Lamininen
-
Wirkmechanismus: Retinsäure fungiert als Ligand für intrazelluläre Kernrezeptoren (ligandenaktivierte Transkriptionsfaktoren), u.a Steigerung der Genexpression von:
- Aufbau und Erhalt verschiedener Gewebestrukturen, z.B.
- Haut und Schleimhaut
- Schleimbildende Zellen
- Knochen und Bindegewebe
Während Retinal vor allem für den Sehvorgang wichtig ist, spielen Retinoat und Retinol eher eine Rolle bei der Genregulation sowie der Aufrechterhaltung von Geweben!
Retinoide bei Hauterkrankungen
Retinoide regulieren die normale Entwicklung von Hautzellen und tragen so zu einer gesunden Haut bei. Aus diesem Grund werden sie auch als Therapeutika bei Hauterkrankungen wie bspw. der Acne vulgaris oder der Rosazea (Kupferflechte) eingesetzt.
Teratogenes Potenzial
Vitamin-A-Derivate sind teratogen und führen zu Missbildungen des Skeletts, der Ohren und des ZNS. Entsprechende Wirkstoffe sind deswegen bei Kinderwunsch und Schwangerschaft absolut kontraindiziert.
- Ursachen: Mangelernährung oder Unfähigkeit des Körpers, das Provitamin Betacarotin zu spalten
- Symptomatik
- Leitsymptom: Nachtblindheit
- Bei ausgeprägtem, chronischem Mangel fehlt die protektive Wirkung von Vitamin A auf das Gewebe
- Trockene Augen und Schleimhäute
- Wachstumsstörung (bei Jugendlichen)
Vitamin D (Calciferol)
Neben Vitamin D3, das der Körper sowohl selber herstellen, als auch über tierische Lebensmittel aufnehmen kann, gibt es das Vitamin D2, das vorwiegend in Pflanzen und in einigen Vitaminpräparaten vorkommt . Vitamin D kann sowohl vom Körper selbst hergestellt, als auch aus der Nahrung verwertet werden. In beiden Fällen ist jedoch eine Aktivierung notwendig, da nur die aktivierte Form die natürlichen Funktionen erfüllen kann.
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Steroide
- Chemische Leitstrukturen
- Ergocalciferol (Vitamin D2)
- Cholecalciferol (Vitamin D3)
- Inaktive Vorstufen (Provitamine)
- Ergosterol (Provitamin D2)
- 7-Dehydrocholesterin (Provitamin D3)
- Aktive Formen
- 1,25-Dihydroxyergocalciferol (aktiviertes Vitamin D2)
- 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol, aktiviertes Vitamin D3)
Physiologie
Vitamin D3 kann völlig eigenständig vom menschlichen Organismus synthetisiert oder v.a. als Cholecalciferol mit der Nahrung aufgenommen werden. Bei der körpereigenen Synthese muss Cholecalciferol zunächst in mehreren Schritten in Haut und Leber gebildet werden. Das synthetisierte bzw. mit der Nahrung aufgenommene Cholecalciferol wird dann über mehrere Schritte unter Beteiligung von Leber und Niere zum funktionsfähigen Calcitriol aktiviert.
- Natürliche Quellen: Als inaktive Vorstufe z.B. in fettigem Fisch, Eiern, Pflanzen
- Synthese und Aktivierung von Vitamin D
- Leber: Cholesterin → 7-Dehydrocholesterin (Provitamin D3)
- Haut
- Speicherung von 7-Dehydrocholesterin
- Spaltung von 7-Dehydrocholesterin durch UV-Strahlen (zwischen den C-Atomen 9 und 10) → Cholecalciferol
- Leber: Hydroxylierung von Cholecalciferol zu 25-Hydroxycholecalciferol (=Calcidiol)
- Nieren: Hydroxylierung der Position 1 durch die 1α-Hydroxylase in den Zellen des proximalen Tubulus: 25-Hydroxycholecalciferol → 1,25-Dihydroxycholecalciferol (= Calcitriol)
- Die 1α-Hydroxylase wird u.a. durch Parathormon aktiviert und durch FGF-23 (=Fibroblast Growth Factor 23), Calcium und Phosphat gehemmt
- Transportprotein zu den Zielzellen: Vitamin-D-bindendes Protein (DBP)
- Speicherung: Vorwiegend im Fettgewebe als 25-Hydroxycholecalciferol
- Ausscheidung: Über die Galle
Vitamin D ist das einzige Vitamin, das der Organismus komplett selbst produzieren kann!
Vitamin-D-Substitution
In der Wachstumsphase besteht ein erhöhter Bedarf an Vitamin D. Besonders in der dunklen Jahreszeit kann es vorkommen, dass die Vitamin-D-Vorstufen nicht ausreichend vom Sonnenlicht zu Cholecalciferol umgewandelt werden. Der gesteigerte Bedarf kann in diesem Falle nicht immer durch ausgewogene Ernährung gedeckt werden. Bei Säuglingen und Kleinkindern wird deshalb empfohlen, in den ersten zwei Lebensjahren – zumindest im Winter – Vitamin D zu substituieren.
Funktion
- Beeinflussung des Calcium- und Phosphatstoffwechsels
-
Fördert die Calcium- und Phosphatresorption im Darm und in der Niere: Calcium- und Phosphatspiegel↑
- Darm: Förderung der Calciumresorption durch vermehrte Bildung des Calciumtransportproteins Calbindin
- Bei Hypokalzämie: Mobilisierung von Calcium und Phosphat aus den Knochen
-
Fördert die Calcium- und Phosphatresorption im Darm und in der Niere: Calcium- und Phosphatspiegel↑
- Förderung der Mineralisierung sowie des Knochenauf- und -umbaus
- V.a. indirekt: Durch Aufrechterhaltung des Calcium- und Phosphatspiegels
- Direkt: Durch Stimulation von Osteoblasten und Förderung der Osteoklastendifferenzierung
- Beeinflussung der Genexpression: Über einen ligandenabhängigen Transkriptionsfaktor wird die Differenzierung von hämatopoetischen Zellen moduliert
- Modulation des Immunsystems
- Ursachen: Da von der Vitaminaufnahme bzw. Synthese bis zur Aktivierung mehrere Schritte durchlaufen werden müssen, kann ein Vitamin-D-Mangel sehr vielfältige Gründe haben
- Geringe UV-Strahlung im Winter
- Mangelernährung
- Resorptionsstörungen (z.B. bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen)
- Hydroxylierungsstörungen infolge einer Leber- oder Niereninsuffizienz
- Symptome
- Bei Kindern: Rachitis (durch mangelnde Knochenmineralisierung kommt es hauptsächlich zu Wachstumsstörungen und Skelettdeformierungen)
- Bei Erwachsenen: Osteomalazie (schmerzhafte Knochenerweichung, ggf. mit Deformationen und pathologischen Frakturen)
Vitamin E (Tocopherol)
Leitsubstanzen des Vitamin E sind die Tocopherole, wobei beim Menschen durch eine Selektion in der Leber das α-Tocopherol dominiert.
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Tocopherole
- Chemische Leitstruktur: Chromanring mit isoprenoider Seitenkette
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Tocopherol
Physiologie
- Natürliche Quellen: Als Tocopherole und Tocotrienole in pflanzlichen Ölen und Getreiden
- Selektion von α-Tocopherol in der Leber: α-Tocopherol-Transferprotein (α-TTP)
- Transport zu den Zielzellen: In Form von VLDL
- Speicherung: Im Fettgewebe
- Ausscheidung: Über die Galle
Funktion
- Lipophiles Antioxidans: Schützt als Radikalfänger empfindliche Substanzen (z.B. mehrfach ungesättigte Fettsäuren der Zellmembranen) vor Oxidation
- Weitere Funktionen
- Hemmung der Plättchenaggregation, Zellproliferation und Monozytenadhäsion
- Hemmung einiger Proteine (z.B. Proteinkinase C, Phospholipase A2)
- Hemmung der Transkription einiger Gene (z.B. α-TTP, α-Tropomyosin)
Vitamin-E-Mangel
Ein Vitamin-E-Mangel ist sehr selten und kommt vor allem bei Gendefekten (α-TTP-Genort) oder bei Resorptionsstörungen vor. Ein ausgeprägter Vitamin-E-Mangel führt zu Störungen der neuromuskulären Übertragung, die sich in Form einer spinocerebellären Ataxie oder als Myopathien äußern können.
Vitamin K (Phyllochinon)
Vitamin K ist ein fettlösliches Vitamin, das insb. für die Blutgerinnung von entscheidender Bedeutung ist. Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine) spielen im klinischen Alltag eine wichtige Rolle bei der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen.
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Naphthochinone
- Chemische Leitstruktur: Menadion (=2-Methyl-1,4-Naphthochinon), ggf. mit isoprenoider Seitenkette
- Vitamin K1 (Phyllochinon): Phytylseitenkette
- Vitamin K2 (Menachinon): 4–13 Isopreneinheiten
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Vitamin-K-Hydrochinon
Physiologie
- Quellen
- Als Phyllochinon in grünem Gemüse
- Kann in geringen Mengen von der Darmflora synthetisiert werden
- Transportprotein zu den Zielzellen: Kein spezifisches Protein, Transport über Lipoproteine
- Speicherung: In der Leber
- Ausscheidung: Über Galle und Urin
Vitamin-K-Mangel-Blutung und Vitamin-K-Prophylaxe
Beim Neugeborenen kann es aus mehreren Gründen zu einem Vitamin-K-Mangel kommen: Zum einen ist die unreife Leber noch nicht in der Lage, Vitamin K in seine aktive Form zu überführen; zum anderen wird Vitamin K kaum über die Plazenta übertragen. Auch die Besiedelung des Darms mit Vitamin-K-produzierenden Bakterien fehlt noch. Um einer Gerinnungsstörung mit Blutungen (Vitamin-K-Mangel-Blutung) vorzubeugen, erhalten alle Neugeborenen eine Vitamin-K-Prophylaxe (eine Gabe direkt nach der Geburt, eine zur U2 und eine zur U3).
Funktion
-
Cofaktor für die posttranslationale Modifikation (=Carboxylierung von Glutamylresten) in Vitamin-K-abhängigen Proteinen
- Beispiel für Vitamin-K-abhängige Proteine
- Proteine des Gerinnungssystems: Prothrombin (Faktor II), Faktoren VII, IX, X, Protein C, Protein S
- Proteine der Knochenmatrix: Bspw. Osteocalcin
- Mechanismus: Vitamin K dient als Cofaktor einer Carboxylase, die Glutamylreste von Proteinen in γ-Carboxy-Glutamylreste umwandelt
- Aktivierung des Vitamin K zu Vitamin-K-Hydrochinon
- Carboxylierung des Glutamylrests eines Vitamin-K-abhängigen Proteins über die γ-Glutamyl-Carboxylase
- Hierbei wird Vitamin-K-Hydrochinon zu Vitamin-K-Epoxid oxidiert
- Regeneration von Vitamin K: Vitamin-K-Epoxid wird zu Vitamin K bzw. Vitamin-K-Hydrochinon über die Vitamin-K-Epoxid-Reduktase
- Ziel der Carboxylierung von Gerinnungsfaktoren: Über die negativ geladenen Carboxylgruppen können die Gerinnungsfaktoren an Calcium binden, wobei ein Chelat-Komplex entsteht, der die Bindung von Gerinnungsfaktoren an Zellmembranen vermittelt und sie so überhaupt erst aktivierbar macht
- Beispiel für Vitamin-K-abhängige Proteine
Gerinnungsfaktoren, deren Synthese auf Vitamin K angewiesen ist: 1972 (Neun-Zehn-Sieben-Zwei) – das Jahr der Olympischen Spiele in München!
Das „K“ in Vitamin K steht für „Koagulation“!
Vitamin-K-Mangel bei Antibiotikatherapie
Zusätzlich zum Vitamin K aus der Nahrung benötigt der Organismus auch das von den Darmbakterien synthetisierte Vitamin K2. Bei einer langwierigen Antibiotikatherapie kann es zur Schädigung der Darmbakterienflora und damit einhergehend zu einer mangelnden Versorgung mit Vitamin K kommen.
Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine)
Bei der Prophylaxe von thromboembolischen Ereignissen (etwa des ischämischen Schlaganfalls oder der Lungenembolie) werden Medikamente eingesetzt, die Vitamin K antagonisieren, indem sie die Vitamin-K-Epoxid-Reduktase bzw. die Vitamin-K-Reduktase hemmen und damit die Synthese der Gerinnungsfaktoren beeinträchtigen (Vitamin-K-Antagonisten bzw. Cumarinderivate) . Eine Überdosierung dieser Vitamin-K-Antagonisten kann zu Gerinnungsstörungen führen, die sich allerdings erst 3–4 Tage nach der ersten Gabe bemerkbar machen, wenn die zuvor synthetisierten Gerinnungsfaktoren aufgebraucht sind.
Wasserlösliche Vitamine
Wasserlösliche Vitamine sind polare Moleküle, die i.d.R. nicht im Körper gespeichert (Ausnahme: Vitamin B12!) und leicht ausgeschieden werden. Vorwiegend dienen sie dem Körper als Cofaktoren bei verschiedenen chemischen Reaktionen.
- Zu den wasserlöslichen Vitaminen zählen
- B-Vitamine
- Vitamin B1 (Thiamin)
- Vitamin B2 (Riboflavin)
- Niacin (früher: Vitamin B3)
- Pantothensäure (Vitamin B5)
- Vitamin B6 (Pyridoxin)
- Biotin (Vitamin B7, Vitamin H)
- Folsäure (Vitamin B9, Folat)
- Vitamin B12 (Cobalamin)
- Vitamin C (Ascorbinsäure)
- B-Vitamine
- Resorption und Transport
- Aufnahme im Darm: Über Transporter Aufnahme in Enterozyten
- Transport im Blut: Über verschiedene Transportproteine
Vitamin B1 (Thiamin)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Thiamin
- Chemische Leitstruktur: Pyrimidinring (6-Ring) verknüpft mit einem Thiazolring (5-Ring)
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Thiaminpyrophosphat (=TPP; Thiamindiphosphat)
Physiologie
- Natürliche Quellen: Vorwiegend als Thiaminpyrophosphat in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Schweinefleisch
- Resorption: Über Thiamintransporter-2 (THTR2)
- In der Nahrung liegt hauptsächlich Thiaminpyrophosphat (aktive Form des Thiamins) vor, das nicht resorbiert werden kann → "Deaktivierung" vor Aufnahme durch Abspaltung des Pyrophosphats (PPi) mittels Pyrophosphatasen
- Aktivierung: Intrazelluläre Phosphorylierung von Thiamin zu Thiaminpyrophosphat
- Transport im Blut: Vorwiegend in den Blutzellen, nur etwa 10% frei bzw. an Albumin gebunden
Funktion
-
Cofaktor für Enzyme des Kohlenhydrat- und Aminosäurestoffwechsels, u.a. für oxidative Decarboxylierungen
- Pyruvatdehydrogenase: Pyruvat → Acetyl-CoA
- α-Ketoglutarat-Dehydrogenase: α-Ketoglutarat → Succinyl-CoA (Citratzyklus)
- Transketolase: Ribose-5-phosphat + Xylulose-5-phosphat → GAP + Sedoheptulose-7-phosphat (Pentosephosphatweg u.a. in Erythrozyten)
- Abbau von Valin, Leucin und Isoleucin
Vitamin-B1-Mangel
Thiamin ist Cofaktor verschiedener Enzyme des Kohlenhydratstoffwechsels; bei Thiaminmangel ist dieser entsprechend beeinträchtigt. Da das Gehirn in besonderem Maße auf Glucose angewiesen ist, kommt es zu einer Störung der zerebralen Energieversorgung und zu neurologischen Ausfällen. Diese Erkrankung wird als Wernicke-Enzephalopathie bezeichnet. Hierzulande sind davon insb. alkoholabhängige Menschen betroffen, aber auch eine Mangelernährung anderer Ursache, Krebserkrankungen oder operative Eingriffe in den Verdauungstrakt können kausal sein. Die Patient:innen sind verwirrt; häufig ist die Koordination der Augenbewegung und des Gehens gestört (Ataxie). Erfolgt keine Therapie mit Thiamin, ist der Übergang in ein sog. Wernicke-Korsakow-Syndrom möglich. Bei diesem Defektsyndrom besteht v.a. eine ausgeprägte Störung der Merkfähigkeit. Insbesondere aus Asien ist darüber hinaus die sog. Beriberi-Krankheit bekannt, die auf einen Thiaminmangel durch Ernährung mit geschältem Reis zurückgeht. Die Symptome sind eher unspezifisch wie Appetitmangel, Abgeschlagenheit oder neurologische Auffälligkeiten.
Vitamin B2 (Riboflavin)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Flavine
- Chemische Leitstruktur: Isoalloxazin mit Ribitolrest
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Riboflavinphosphat ; davon gibt es zwei Redoxpaare:
Physiologie
- Natürliche Quellen: In vielen tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln v.a. als Flavoproteine
- Resorption
- Aufnahme mit der Nahrung als Flavoproteine → Im oberen GI-Trakt Spaltung zu Riboflavin (nur so resorbierbar)
- Periphere Aufnahme in die Zellen nur als Riboflavin möglich → Intrazellulär wieder Phosphorylierung zu aktiver Form
- Transport im Blut: Über Albumin und Immunglobuline v.a. als FAD
Riboflavin liegt im Organismus in Form der Cofaktoren FMN und FAD vor!
Funktion
-
Cofaktor von Redoxproteinen
- Reaktionsmechanismus: Übertragung von jeweils zwei Elektronen und zwei Protonen
- Vorkommen (u.a.)
- Oxidative Desaminierungen (z.B. Aminosäureoxidasen, die Aminosäuren zu α-Ketosäuren desaminieren)
- Dehydrierungen von CH2-CH2-Gruppen zu CH=CH-Gruppen (z.B. Acyl-CoA-Dehydrogenase bei der β-Oxidation von Fettsäuren)
- Oxidation von Aldehyden zu Säuren (z.B. Xanthinoxidase des Purinstoffwechsels)
- Transhydrogenierungen (z.B. Dehydrogenasen der Atmungskette und des Citratzyklus)
Vitamin-B2-Mangel
Bis zu 20% der älteren Menschen in Europa leiden Studien zufolge unter einem Riboflavinmangel. Aufgrund der vielfältigen Beteiligung von Flavoproteinen an verschiedenen Stoffwechselwegen sind die Symptome eher unspezifisch. Insbesondere Entzündungen der Haut und Schleimhäute (z.B. Glossitis, Stomatitis angularis) sind typisch. Bei schwerem Mangel können auch weitere Symptome wie Anämie, Neurodegeneration sowie eine Beeinträchtigung des Visus und gastrointestinale Symptome vorkommen.
Niacin (früher: Vitamin B3)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Niacin
- Chemische Leitstruktur: Pyridin
- Nicotinsäure: Carboxylgruppe
- Nicotin(säure)amid: Säureamidgruppe
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Formen: Pyridinnukleotid
Physiologie
- Natürliche Quellen
- Hauptsächlich in tierischen Nahrungsmitteln als Nicotinsäureamid
- In geringeren Mengen auch in pflanzlichen Nahrungsmitteln (insb. gerösteten Kaffeebohnen) als Nicotinsäure
- Resorption: Aktive Resorption im Darm (u.a. mittels sekundär-aktivem Na+-Symporter)
- Synthese: Niacin kann aus Tryptophan vom Organismus selbst synthetisiert werden
- Transport im Blut: Als Nicotinsäure
Funktion
- Cofaktor von Redoxenzymen
- Reaktionsmechanismus: Übertragung zweier Elektronen und eines Protons
- Vorkommen: Reduktionsäquivalent bei zahlreichen Redoxreaktionen des Stoffwechsels (Cofaktor von über 200 Dehydrogenasen)
- NAD+: Vor allem mitochondriale Dehydrogenasen
- NADP+: Vor allem zytosolische Dehydrogenasen
- Pharmakologische Wirkung: Nicotinsäure kommt bisweilen auch zum Einsatz als Mittel der Reserve bei Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie (siehe: Lipidsenker 2. Wahl)
Pellagra
Nicotinsäuremangel kommt hauptsächlich bei Bevölkerungsgruppen mit einseitiger, maisreicher Ernährung vor, da Mais – v.a. unbehandelt – sehr niacinarm ist. Besteht zusätzlich auch eine eiweißarme Ernährung, kann sich die Erkrankung noch ausgeprägter zeigen, da hierdurch zusätzlich die körpereigene Synthese von Niacin aus Tryptophan gestört ist . Ein ausgeprägter Nicotinsäuremangel führt zum Krankheitsbild „Pellagra“, welches durch Dermatitis, Diarrhö und Demenz („die drei Ds“) gekennzeichnet ist.
Pantothensäure (Vitamin B5)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Carbonsäure
- Chemische Leitstruktur: β-Alanin + Pantoinsäure
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Coenzym A (CoA = Pantothensäure + ADP + Cystein) und Phosphopantethein
Physiologie
- Natürliche Quellen
- Als Coenzym A: Ubiquitär in der Natur
- Als Pantothensäure: v.a. in Leber, Fisch, Fleisch
- Resorption: Im Darm werden Coenzym A und Phosphopantethein aus der Nahrung zu Pantothensäure aufgespalten und so resorbiert
- Transport im Blut: Proteingebunden
Funktion
- Als Coenzym A: Aktivierung von Carbonsäuren, z.B. als
-
Acetyl-CoA : Im Energie-, Kohlenhydrat-, Aminosäure- und Fettstoffwechsel sowie bei der Biosynthese von Häm, Acetylcholin und Steroiden
- Bspw. Acetylierung der Histonproteine
- Acyl-CoA : Bei der β-Oxidation von Fettsäuren sowie für die Phospholipidsynthese
-
Acetyl-CoA : Im Energie-, Kohlenhydrat-, Aminosäure- und Fettstoffwechsel sowie bei der Biosynthese von Häm, Acetylcholin und Steroiden
- Als Phosphopantethein: Cofaktor der Fettsäuresynthase
Vitamin B6 (Pyridoxin)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Pyridoxin
- Chemische Leitstruktur: Pyridin
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Pyridoxalphosphat (PALP)
Physiologie
- Natürliche Quellen
- Pflanzliche Nahrungsmittel: Als Pyridoxin und Pyridoxamin in Mais und Hefe
- Tierische Nahrungsmittel: Als Pyridoxal und Pyridoxalphosphat in Leber und Geflügel
- Resorption: Ggf. Spaltung durch intestinale Phosphorylasen und anschließende Aufnahme im Darm (Rephosphorylierung in den Mukosazellen)
- Transport im Blut: Teils frei, teils albumingebunden
Funktion
Als PALP ist Pyridoxin ein wichtiger Cofaktor für Transaminierungen, Decarboxylierungen und Eliminierungen, der v.a. im Aminosäurestoffwechsel eingesetzt wird.
- Wirkweise als Cofaktor im Aminosäurestoffwechsel
- Bildung einer Schiff-Base zwischen der Aldehydgruppe von PALP und der Aminogruppe der Aminosäure
- Elektronenverschiebung führt zur Labilisierung einer der drei Bindungen am Cα-Atom
- Ablauf der durch den Cofaktor ermöglichten Reaktion (Transaminierung, Decarboxylierung, Eliminierung)
PALP ist der wichtigste Cofaktor vieler Enzyme im Aminosäurestoffwechsel!
Biotin (Vitamin B7; Vitamin H)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Imidazol
- Chemische Leitstruktur: Thiophenring fusioniert mit Harnstoff zu Imidazol
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Biotin
- Bindet als prosthetische Gruppe i.d.R. an die ε-Aminogruppe der Seitenkette von Lysinresten (bspw. bei der Pyruvat-Carboxylase, die Acetyl-CoA-Carboxylase und die Propionyl-CoA-Carboxylase)
- Quellen
- In freier Form in pflanzlichen Nahrungsmitteln (z.B. Hülsenfrüchte, Nüsse)
- Proteingebunden in tierischen Produkten (z.B. Innereien, Hühnerei, Lachs)
- Kann in geringen Mengen von der Darmflora synthetisiert werden
- Resorption: Spaltung des proteingebundenen Biotins in freies Biotin über das Pankreasenzym Biotinidase und anschließend aktive Resorption im Darm
- Transport im Blut: Vor allem frei
Biotinidasemangel
Das Pankreasenzym Biotinidase setzt das Biotin aus Nahrungsproteinen frei und macht es damit für den Körper verwertbar. Auch für das Recycling des Biotins innerhalb des Körpers wird die Biotinidase benötigt. Ist das Enzym defekt, wie es bei der extrem seltenen Stoffwechselstörung "Biotinidasemangel" der Fall ist, so kommt es bereits in den ersten Wochen nach der Geburt zu Hauterscheinungen, Fehlfunktionen des Immunsystems, Stoffwechselentgleisungen bis hin zu Hirnschäden, Koma und Tod. Die Erkrankung sollte möglichst früh erkannt werden und ist deshalb Bestandteil des Neugeborenenscreenings. Die Therapie besteht in einer lebenslangen Substitution von Biotin.
Funktion
-
Cofaktor einiger Carboxylasen , Transcarboxylasen und Decarboxylasen, z.B.:
- Acetyl-CoA-Carboxylase: Übertragung des Carboxylrests auf Acetyl-CoA bei der Fettsäuresynthese
- Pyruvat-Carboxylase: Übertragung des Carboxylrests auf Pyruvat bei der Gluconeogenese
- Propionyl-CoA-Carboxylase: Übertragung des Carboxylrests auf Propionyl-CoA beim Fettsäureabbau
Biotin ist Cofaktor bei allen Carboxylierungen, die nicht Vitamin-K-abhängig sind!
Biotinmangel
Bei Zerstörung der Darmflora wie z.B. bei längerer Antibiotikatherapie kann es aufgrund der fehlenden Biotin-produzierenden Bakterien zu einem Biotinmangel kommen. Dieser äußert sich in depressiver Verstimmung, Dermatitis und Muskelschmerzen. Auch der Verzehr großer Mengen rohen Hühnereiweißes kann zu Biotinmangel führen: Es enthält das Glykoprotein Avidin, welches im Darmlumen Biotin bindet und dadurch die Resorption behindert. Durch Kochen kann das hitzeempfindliche Avidin denaturiert und somit unwirksam gemacht werden.
Folsäure (Vitamin B9; Folat)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Pteridin
- Chemische Leitstruktur: Pterin + p-Aminobenzoesäure + Glutamat
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Tetrahydrofolsäure (THF)
Sulfonamide
Sulfonamide (z.B. Sulfamethoxazol) sind Strukturanaloga der p-Aminobenzoesäure, einem Bestandteil der Folsäure, und wirken durch Hemmung der bakteriellen Folsäuresynthese bakteriostatisch. Sie kommen als Antibiotika wegen häufig auftretender Resistenzen nur in Kombination (z.B. mit Dihydrofolatreduktase-Hemmern) zum Einsatz.
Physiologie
- Quellen
- Als Folsäure in grünem Gemüse wie Spinat, Spargel, Bohnen, Avocados
- Kann in geringen Mengen von der Darmflora synthetisiert werden
- Resorption: Im Darm mittels spezifischer Transporter
- Aktivierung: Durch Reduktion in zwei Schritten unter NADPH+H+-Verbrauch
- Folsäure-Reduktase (=Folat-Reduktase): Reduziert Folat zu Dihydrofolat
- Dihydrofolsäure-Reduktase (=Dihydrofolat-Reduktase): Reduziert Dihydrofolat zu Tetrahydrofolat
- Transport im Blut: Über folsäurebindende Transportproteine
FOLsäure von lat. FOLium = „Blatt“: Vorkommen u.a. in grünem Blattgemüse
Funktion
-
Cofaktor für C1-Gruppen-Übertragungen in verschiedenen Synthese- und Stoffwechselwegen
-
Übertragene Gruppen
- Methylgruppen (-CH3)
- Formylgruppen (-CHO)
- Hydroxymethylgruppen (-CH2OH)
-
Übertragene Gruppen
Eine C1-Gruppe, die nicht von Folsäure übertragen wird, ist die Carboxylgruppe (COOH)!
Folsäuremangel
Folsäuremangel ist der am weitesten verbreitete Vitaminmangel in der westlichen Welt. Die Folsäure fungiert als wichtiger Cofaktor im Purin- und Pyrimidinstoffwechsel und spielt deshalb eine große Rolle bei der Zellteilung. Von einem Folsäuremangel sind daher zuallererst die Gewebe betroffen, die eine hohe Mitoserate haben wie bspw. die blutbildenden Zellen des Knochenmarks. Diese können sich, wenn es an Folsäure fehlt, nicht mehr so stark vermehren wie nötig, weshalb weniger Erythrozyten gebildet werden. Die gebildeten Erythrozyten sind zudem stark vergrößert, da die Hämoglobinsynthese nicht gestört ist und das synthetisierte Hämoglobin auf viel weniger Erythrozyten verteilt wird. Das entstehende Krankheitsbild wird als "megaloblastäre Anämie" bezeichnet. Insbesondere in der Schwangerschaft wird aufgrund des Wachstums des Embryos viel Folsäure benötigt. Vor allem im Anfangsstadium der Schwangerschaft kann ein Folsäuremangel zu schweren Fehlbildungen des Kindes im Sinne einer Spina bifida bis hin zum Anenzephalus führen. Werdenden Müttern wird daher während der Schwangerschaft empfohlen, Folsäure zu substituieren.
Vitamin B12 (Cobalamin)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Cobalamine
- Chemische Leitstruktur: Cobaltkomplexe mit Corrin-Liganden
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Methylcobalamin und Adenosylcobalamin, z.B. in Form von 5'-Desoxyadenosylcobalamin als Cofaktor für Isomerisierungsreaktionen
Physiologie
- Quellen
- Proteingebunden fast ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln, insb. in Eiern, Milchprodukten, Innereien
- Kann in geringen Mengen von der Darmflora synthetisiert werden
- Resorption
- Im Magen: Herauslösen des Cobalamins aus Proteinbindung mittels Pepsin und Bindung an das Glykoprotein Haptocorrin zum Schutz vor saurem Magen-pH
- Im Duodenum: Lösung des Cobalamins von Haptocorrin durch Trypsin und Bindung an den Intrinsic-Faktor
- Im terminalen Ileum: Aufnahme des Vitamin B12 mittels Intrinsic-Faktor-abhängiger rezeptorvermittelter Endozytose über Cubilinrezeptor und Bindung an Transcobalamin im Enterozyten
- Aktivierung: In der Leber
- Transport im Blut: An Transcobalamine gebunden (Holo-Transcobalamin)
- Speicherung: Zu 60% in der Leber, zu 30% im Muskelgewebe
Vitamin B12 ist das einzige wasserlösliche Vitamin, das zu einem großen Teil im Körper gespeichert wird!
Vegane Ernährung
Bei Menschen, die sich rein pflanzlich (vegan) ernähren, sollte regelmäßig der Vitamin-B12-Spiegel kontrolliert werden, da sich dieses Vitamin nahezu ausschließlich in tierischen Produkten findet!
Funktion
-
Cofaktor bei Remethylierungen (Methylcobalamin) und Alkylumlagerungen (Adenosylcobalamin):
- Methioninsynthase: Katalysiert die Methylierung von Homocystein zu Methionin und benötigt als Cofaktor Methylcobalamin.
- Die Methylgruppe stammt aus N5-Methyl-Tetrahydrofolat.
- Methylmalonyl-CoA-Mutase: L-Methylmalonyl-CoA → Succinyl-CoA
- Fehlt Vitamin B12 aufgrund eines Mangels als Cofaktor, wird akkumuliertes L-Methylmalonyl-CoA zu Methylmalonsäure (Methylmalonat) abgebaut
- Methioninsynthase: Katalysiert die Methylierung von Homocystein zu Methionin und benötigt als Cofaktor Methylcobalamin.
Bei der Remethylierung von Homocystein arbeitet Cobalamin eng mit der Folsäure zusammen, ein Mangel an einem der beiden Vitamine fällt daher durch erhöhte Homocysteinspiegel auf!
Vitamin-B12-Mangel
Ein Vitamin-B12-Mangel kann sich u.a. bei unzureichender Zufuhr (Mangelernährung, streng veganer Kost), Mangel an Intrinsic-Faktor (z.B. bei chronisch-atrophischer Gastritis) oder intestinalen Erkrankungen mit reduzierter Vitamin-B12-Aufnahme (z.B. bei Entzündung des Ileums) entwickeln. Bei Menschen, die sich mit "normaler" Mischkost ernähren, liegen in der Leber jedoch Speicher vor, die etwa die 1000-fache Menge des Tagesbedarfs an Vitamin B12 beinhalten. Daher macht sich ein Mangel erst nach mehreren Jahren bemerkbar. Typisches Symptom ist die perniziöse Anämie (Reifungsstörung der Blutbildung) mit erhöhtem MCV und MCH sowie funikulärer Myelose (Zerfall der Markscheiden von Hinter- und Seitensträngen des Rückenmarks). Durch den Ausfall der Methioninsynthase kann Tetrahydrofolat nur unzureichend regeneriert werden. Es kommt zu einer Anreicherung von N5-Methyl-Tetrahydrofolat und einem Mangel an Tetrahydrofolat, wodurch die DNA-Synthese gestört wird und eine makrozytäre, hyperchrome Anämie entsteht. Die Bestimmung des Vitamin-B12-Spiegels ist zum Nachweis eines Mangels weniger geeignet, da der Serumspiegel trotz Mangel noch normwertig sein kann. Besser eignet sich die Bestimmung von erniedrigtem Holo-Transcobalamin- bzw. erhöhtem Methylmalonsäurespiegel im Blut.
Vitamin C (Ascorbat)
Chemische Grundlagen
- Stoffklasse: Lacton
- Chemische Leitstruktur: Vinyloge Carbonsäure
- Inaktive Vorstufe (Provitamin): ∅
- Aktive Form: Ascorbat (Ascorbinsäure )
Physiologie
- Natürliche Quellen: Vor allem in Obst und Gemüse als Ascorbat und Dehydroascorbinsäure
- Resorption
- Passive Resorption über die Mundschleimhaut
- Aktive Resorption über den Darm (insb. im Jejunum)
- Begünstigung der Eisenaufnahme im Darm durch Vitamin C
- Als Metallchelator: Bessere Eisenlöslichkeit durch Bildung eines Chelatkomplexes
- Als Redoxpartner: Reduktion von schlecht löslichem Fe3+ zu gut löslichem Fe2+
- Transport im Blut: Vor allem als frei vorliegendes Ascorbat, nur in sehr geringem Maße als Dehydroascorbat
- Speicherung: Kein spezieller Vitamin-C-Speicher, jedoch besonders hohe Konzentration in den Organen, in denen es als Cofaktor benötigt wird (z.B. Nebenniere)
Funktion
- Hydrophiles Antioxidans: Ascorbat und Dehydroascorbinsäure dienen zusammen als Redoxsystem
- Schützt als Radikalfänger empfindliche Substanzen (z.B. Lipide im Blutplasma) vor Oxidation
- Cofaktor wichtiger enzymatischer Reaktionen, z.B.:
- Kollagensynthese: Hydroxylierung von Prolin und Lysin
- Noradrenalinsynthese: Hydroxylierung von Dopamin
- Carnitinsynthese
- Peptidhormonbildung aus Prohormonen (z.B. Vasopressin, Calcitonin, Oxytocin)
Skorbut
Da Ascorbinsäure in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten ist, ist ein manifester Mangel selten. Die Symptome eines solchen Mangels entstehen vor allem aufgrund der unzureichenden Hydroxylierung bei der Kollagensynthese. Es kommt bspw. zu Zahnausfall, einer herabgesetzten Festigkeit von Bindegewebe und Knochen, Zahnfleischbluten und punktförmigen Hautblutungen (Petechien). Das resultierende Krankheitsbild wird als "Skorbut" bezeichnet. Es trat früher häufig bei Seefahrern auf, die über lange Zeit eine extrem einseitige und vitaminarme Ernährung zu sich nahmen.
Wiederholungsfragen zum Kapitel Vitamine
Fettlösliche Vitamine
Beschreibe die chemische Struktur von Betacarotin!
Wie wird der Transport des fettlöslichen Retinols im Blutplasma von der Leber zu den Zielzellen bewerkstelligt?
Beschreibe den Wirkmechanismus und die Wirkung der Retinsäure!
Wie unterscheiden sich Retinal und Retinsäure chemisch voneinander?
Beschreibe die körpereigene Synthese und Aktivierung von Vitamin D inklusive der Bildungsorte der Vorstufen!
Welche Funktionen erfüllt Vitamin D im Organismus?
Was ist Calbindin und wie wird seine Bildung induziert?
Welche Funktion erfüllt Vitamin K im Organismus?
Wasserlösliche Vitamine
Wie heißt die aktive Form von Vitamin B1 und an welchen Reaktionen ist diese als Cofaktor beteiligt?
Welche Erkrankungen werden durch einen Vitamin-B1-Mangel verursacht?
Was ist die aktive Form der Pantothensäure (Vitamin B5)?
Wie nennt man die aktive Form des Pyridoxins (Vitamin B6) und wofür ist diese wichtig?
Was ist der erste Schritt bei einer Transaminierung?
Was ist die aktive Form des Vitamin B7 und wozu dient sie im Körper?
Obwohl Biotin in Hühnereiern enthalten ist, kann ein übermäßiger Verzehr von rohem Hühnereiweiß zu Biotinmangel führen – warum?
Zu welcher Stoffklasse gehört Folsäure (Vitamin B9)?
Welche Antibiotika hemmen die Biosynthese von Folsäure?
Welche Funktion übernimmt Tetrahydrofolat im Organismus?
Beschreibe die Resorption des Vitamin B12!
Welche essenzielle Aminosäure wird mithilfe von Vitamin B12 regeneriert?
Welche Rolle spielt Vitamin B12 bei der β-Oxidation ungeradzahliger Fettsäuren?
Welchen Vitaminmangel entwickeln Vegetarier bzw. Veganer am ehesten und wie bzw. wann äußert sich dieser wahrscheinlich?
Wie wird Vitamin C im Darm resorbiert?
Welche Funktion erfüllt Vitamin C im Organismus?
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Vitamin B7 (Biotin)
Vitamin K
Vitamin B12 (Cobalamin)
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