Zusammenfassung
Die Anämie ist gekennzeichnet durch eine Erniedrigung des Hämoglobinwertes im Blut und hat weltweit eine hohe Prävalenz. Sie ist i.d.R. das Symptom einer zugrundeliegenden, abzuklärenden Erkrankung. Die Ursachen sind vielfältig, Eisenmangel ist global der mit Abstand häufigste Auslöser, gefolgt von der Anemia of chronic Disease (ACD). Oftmals ist eine Anämie jedoch multifaktoriell bedingt, sodass die Diagnostik herausfordernd sein kann.
Die Symptome einer chronischen Anämie sind eher unspezifisch (bspw. blasse Haut, Müdigkeit) und entwickeln sich aufgrund von Adaptationsvorgängen zumeist schleichend. Daher ist die Diagnose häufig ein Zufallsbefund. Bei einer akuten Blutungsanämie hingegen können je nach Schweregrad Kreislaufstörungen bis hin zum Schockgeschehen auftreten.
Die Basisdiagnostik chronischer Anämien besteht zunächst aus einer fokussierten Anamnese und körperlichen Untersuchung sowie der Beurteilung des Differenzialblutbildes mit Einteilung in eine mikro-, normo- oder makrozytäre Anämie. Die weiterführende Diagnostik ist abhängig von der Verdachtsdiagnose und kann eine hämatologische Abklärung (ggf. mit Knochenmarkpunktion) erforderlich machen. Die Therapie einer Anämie richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache, bei entsprechender Konstellation besteht ggf. auch die Indikation zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten.
Ziel dieses Kapitels ist es, eine Übersicht und Handlungspfade aufzuzeigen, die im klinischen Alltag helfen, mit dieser diagnostischen Herausforderung umzugehen und eine möglichst konkrete Verdachtsdiagnose zu stellen. Einzelheiten zu den jeweiligen Anämieformen finden sich in den entsprechenden Kapiteln.
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Definition
Definition nach WHO
Definition der Anämie anhand des Hb-Wertes (nach WHO , in g/dL bzw. mmol/L) | |||||
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Personengruppe | Schwere Anämie | Moderate Anämie | Milde Anämie | Unterer Hb-Referenzwert | |
Kinder | 6 Monate bis <5 Jahre (Für Neugeborene und Säuglinge siehe: Normwerte eines Neugeborenen ) | <7,0 (<4,35) | 7,0–9,9 (4,35– 6,15) | 10,0–10,9 (6,21– 6,77) | 11,0 (6,83) |
5–11 Jahre | <8,0 (<4,97) | 8,0–10,9 (4,97– 6,77) | 11,0–11,4 (6,83– 7,08) | 11,5 (7,14) | |
12–14 Jahre | <8,0 (<4,97) | 8,0–10,9 (4,97– 6,77) | 11,0–11,9 (6,83– 7,39) | 12,0 (7,45) | |
Jugendliche ab 15 Jahren und Erwachsene [2][3][4] | ♀ | <8,0 (<4,97) | 8,0–10,9 (4,97– 6,77) | 11,0–11,9 (6,83– 7,39) | 12,0 (7,45) |
♀ in der Schwangerschaft | <7,0 (<4,35) | 7,0–9,9 (4,35– 6,15) | 10,0–10,9 (6,21– 6,77) | 11,0 (6,83) [5] | |
♂ | <8,0 (<4,97) | 8,0–10,9 (4,97– 6,77) | 11,0–12,9 (6,83– 8,01) | 13,0 (8,07) |
Epidemiologie
- Prävalenz
- Europa: Ca. 10% [5][7]
- Weltweit: Ca. 24%
- Große Unterschiede der Prävalenz: Abhängig von Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status, Region
- Größte betroffene Gruppen: Kinder <5 Jahre, Frauen im gebärfähigen Alter [8]
- Geschlechterverhältnis
- Bis ca. 65 Jahre: ♀ > ♂
- 65–80 Jahre: Angleichung der Prävalenzen
- Ab ca. 80 Jahren: ♂ > ♀
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Bildungsstörung
- Störung der Hb-Synthese
- Störung der DNA-Synthese: Megaloblastäre Anämie
- Störung auf Knochenmark- oder Stammzellebene
- Insuffizienz des Knochenmarks: Erworbene aplastische Anämien
- Genetisches Knochenmarkversagen: Angeborene aplastische Anämien
- Verdrängung des Knochenmarks
- Myelofibrose
- Leukämie
- Hodgkin-Lymphom
- NHL
- Metastasen
- Speichererkrankungen
- Ineffektive Hämatopoese: Myelodysplastische Syndrome
- Verminderte Stimulation durch geringere EPO-Bildung
- Renale Anämie
- Anämie bei endokrinen oder chronischen Erkrankungen
- Gestörte Erythropoese: Pure Red Cell Aplasia
- Multifaktoriell
- Chronische Erkrankungen
- Infiltration des Knochenmarks
- Therapieassoziiert
Überlebenszeit↓ bzw. Abbau↑ von Erythrozyten
- Erythrozytendefekte: Korpuskuläre hämolytische Anämien
- Membrandefekte: Hereditäre Sphärozytose, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
- Enzymdefekte: Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Pyruvatkinasemangel
- Hämoglobindefekte
- Qualitativ: Bspw. Sichelzellanämie, Hämoglobin-E-Krankheit
- Quantitativ: Bspw. α-Thalassämie, β-Thalassämie
- Qualitativ und quantitativ: Hämoglobin-S-β-Thalassämie
- Extraerythrozytäre Ursachen: Extrakorpuskuläre hämolytische Anämien
- Immunologisch
- Alloimmunhämolytische Anämien: Morbus haemolyticus neonatorum, Hämolytische Transfusionsreaktion
- Autoimmunhämolytische Anämien: Durch medikamenteninduzierte Antikörper , Kälteantikörper , Wärmeantikörper
- Nicht-immunologisch
- Mikroangiopathische hämolytische Anämie: Hämolytisch-urämisches Syndrom, thrombotisch-thrombozytopenische Purpura , disseminierte intravasale Koagulopathie
- Infektionen
- Mechanische oder chemische Schäden, Toxine, Drogen
- Stoffwechselstörungen
- Seltenere Ursachen: Bspw. Evans-Syndrom
- Immunologisch
Verlust
- Blutungen
- Akute Blutungsanämie
- Chronische Blutungsanämie
Verteilungsstörung
- „Pooling“ der Blutzellen bei Splenomegalie: Hypersplenie-Syndrom
Relative Anämie
- Plasmavolumen↑
- Schwangerschaft
- Sportleranämie (Runner's Anemia)
- Hyperproteinämie
- Intravenöse Flüssigkeit↑
Pathophysiologie
- Einteilung nach Anämieform
- Hypochrome mikrozytäre Anämie (MCV und MCH↓)
- Kann nicht genügend Hämoglobin hergestellt werden , werden die ausreichend vorhandenen Erythrozyten weniger beladen
- Normochrome normozytäre Anämie (MCV und MCH↔︎)
- Wenn ausreichend Substrate zur Bildung von Hämoglobin und Zellen vorliegen, die Synthese jedoch nicht initiiert oder durchgeführt wird , zeigen sich meist zu wenig „normale“ Erythrozyten
- Hyperchrome makrozytäre Anämie (MCV und MCH↑)
- Können nicht genügend Zellen gebildet werden , werden die wenigen Erythrozyten stärker beladen
- Hypochrome mikrozytäre Anämie (MCV und MCH↓)
- Verlauf bei Blutungen
- Unauffälliges Blutbild bei hochakutem Blutverlust: Hb-, Hämatokrit- und Erythrozytenwerte noch normal, da die Konzentration im „verbleibenden“ Blut zunächst gleich bleibt – eine Anämie kann laborchemisch noch nicht festgestellt werden
- Normochrome normozytäre Anämie: Durch Einstrom von Gewebsflüssigkeit entwickelt sich anschließend auch laborchemisch eine Anämie (Verdünnung ohne Veränderung der Erythrozytenzusammensetzung)
- Hypochrome mikrozytäre Anämie: Im Verlauf (bei chronischer Blutung) kommt es meist zu einem relevanten Eisenverlust, sodass nicht genügend Hämoglobin hergestellt werden kann (s.o.)
Symptomatik
Allgemein
- Symptome oftmals unspezifisch
- Ausmaß abhängig vom Schweregrad der Anämie, bspw.
- Bei milder Anämie und chronischem Verlauf: Möglicherweise nur geringe Symptomatik bis asymptomatisch
- Bei schwerer Anämie und akutem Verlauf, bspw. im Rahmen akuter Blutungen : Ausgeprägte Symptomatik mit Kreislaufstörungen (bspw. Schwindel), evtl. Schockzeichen (siehe: Hämorrhagischer Schock) bis hin zum Tod
Mögliche Symptome einer Anämie
- Allgemeinsymptome
- Müdigkeit, Schlafstörungen
- Konzentrationsprobleme, Schwindel, Kopfschmerzen
- Kälteintoleranz
- Körperliche Schwäche
- Ohrensausen [11]
- Depression
- Haut
- Fahl-blasses Kolorit
- Ikterus
- Kardiopulmonal (seltener)
- (Belastungs‑)Dyspnoe
- Hypotonie
- Tachykardie, Palpitationen
- Orthostase, Synkopen
- Pektanginöse Beschwerden
- Herzinsuffizienz
Die möglichen Symptome einer Anämie sind relativ unspezifisch und können auch auf andere (ggf. parallel bestehende) Erkrankungen hindeuten (bspw. Herzinsuffizienz oder Depression anderer Ursache, Asthma oder COPD)!
Verlaufs- und Sonderformen
Aplastische Anämie
Für detailliertere Informationen siehe Kapitel: Aplastische Anämie
- Definition: Meist Panzytopenie (Erythro-, Thrombo- und Leukozytopenie) oder Bizytopenie unterschiedlicher Ausprägung aufgrund einer Knochenmarkinsuffizienz
- Ätiologie
- Idiopathisch (in >80%)
- Medikamentös/toxisch
- Parainfektiös
- Selten angeboren (z.B. Fanconi-Anämie, Dyskeratosis congenita)
- Differenzialdiagnosen (mit möglicher Panzytopenie)
- Auf Ebene des Knochenmarks: Maligne Erkrankungen des Blutes, myelodysplastisches Syndrom, megaloblastäre Anämie
- Periphere Zellzerstörung (häufig nicht alle Zellreihen betroffen): Hypersplenie-Syndrom, Autoimmunerkrankung mit Antikörperbildung, Agranulozytose
Eine Knochenmarkinsuffizienz infolge ionisierender Strahlung oder obligat myelotoxischer Substanzen stellt definitionsgemäß keine aplastische Anämie dar!
Diagnostik
Stufendiagnostik
- Ziel: Initial Abklärung der (epidemiologisch) wahrscheinlichsten Ursachen
- Bei Erwachsenen
- Frauen: Eisenmangelanämie
- Erwachsene >65 Jahre: ACD [12], renale Anämie bei CKD, Anämie durch Mangelernährung
- Bei Kindern und Jugendlichen : Eisenmangelanämie, Thalassämie
- Bei Erwachsenen
- Bei konkreter Verdachtsdiagnose: Ggf. direkt parallel zur Basisdiagnostik weiterführende, spezifische Diagnostik einleiten
- Beachte
- Häufig multifaktorielle Genese
- Die durch eine Ursache eigentlich hervorgerufene veränderte Erythrozytenmorphologie wird möglicherweise durch eine weitere Anämieursache verdeckt
- Mischformen möglich
- Häufig multifaktorielle Genese
Die Diagnostik kann aufgrund von Mischformen oder einer multifaktoriellen Genese erschwert sein!
Basisdiagnostik
Fokussierte Anamnese [13]
- Symptome bei Anämie
- Ggf. zusätzliche Symptome der wahrscheinlichsten zugrundeliegenden Ursache
- Vorerkrankungen
- Medikamenteneinnahme
- Familienanamnese
- Ernährungsgewohnheiten
Fokussierte körperliche Untersuchung
- Inspektion der Haut und Schleimhäute
- Blutdruckmessung
-
Auskultation
- Funktionelles Systolikum [4]
- Nonnensausen
- Weitere Untersuchung je nach Symptomatik
Blutbild (idealerweise Differenzialblutbild inkl. Retikulozyten/RPI )
- Maßgebliche diagnostische Parameter
- Hb↓
-
Erythrozytenindizes: Insb. MCH und MCV
- MCH und MCV↓: Hypochrome mikrozytäre Anämie
- MCH und MCV↔︎: Normochrome normozytäre Anämie
- MCH und MCV↑: Hyperchrome makrozytäre Anämie
- Red Flags [12]
- Bspw.
- Blasten
- Bizytopenie oder Panzytopenie
- Leukozytose >25.000/μL (>25x109/L)
- Thrombozytose >500.000/μL (>500x109/L)
- Bspw.
Weiterführende Diagnostik
Die Diagnostik sollte je nach anamnestischer und/oder epidemiologischer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bestimmten Anämieform angepasst werden!
- Individuell angepasst und abhängig von Anämieform
- Spezifische Labordiagnostik
- Weitere diagnostische Maßnahmen, bspw.
- Endoskopie
- Gynäkologische/urologische Diagnostik
- Hämatologische/hämatoonkologische Diagnostik
- Bei Red Flags, klinischem V.a. eine hämato(onko)logische Erkrankung oder unklarer Ursache
- Bspw. weiterführende Labordiagnostik und ggf. Knochenmarkpunktion (siehe: Indikationen zur Knochenmarkpunktion)
- Siehe: Diagnostik der hypochromen mikrozytären Anämie
- Siehe: Diagnostik der normochromen normozytären Anämie
- Siehe: Diagnostik der hyperchromen makrozytären Anämie
- Ergänzend: Manuelles Differenzialblutbild mittels Blutausstrich aus venösem Blut mit EDTA-Zusatz
- Bei unklarer/nicht aussagekräftiger Routine-Labordiagnostik
- Bei bestimmten Verdachtsdiagnosen
Diagnostik der hypochromen mikrozytären Anämien
Allgemeines
- Häufigkeit
-
Eisenmangelanämie
- Häufigste Ursache einer Anämie (weltweit)
- Häufigste hypochrome mikrozytäre Anämie
-
Anemia of chronic Disease (ACD)
- Zweithäufigste Ursache einer Anämie
- Häufigste Anämie bei älteren und hospitalisierten Menschen
-
Thalassämie
- Ca. 300.000 Träger:innen einer Thalassämie-Genvariante (in Deutschland)
- Auftreten insb. bei Menschen mit Abstammung aus Ländern mit hoher Prävalenz
-
Eisenmangelanämie
Stufendiagnostik [14]
Diagnostik je nach anamnestischer/epidemiologischer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bestimmten Anämieform!
- Eisenmangelanämie : Ferritin, CRP [14]
- ACD
- Thalassämie : Transferrinsättigung, Hämolysezeichen, Blutausstrich, Hämoglobin-/DNA-Analyse, ggf. RDW [15]
- Ggf. Diagnostik weiterer, seltenerer Ursachen (Auflistung unter Tabelle)
Übersicht: Hypochrome mikrozytäre Anämien | |||
---|---|---|---|
Laborparameter | Häufigste Anämieformen | ||
Eisenmangelanämie | ACD | Thalassämie | |
Ferritin |
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CRP |
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Retikulozyten (bzw. Retikulozyten-Hb) ) |
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sTfR |
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Transferrinsättigung (bzw. Transferrin) |
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ZPP |
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|
Weitere differenzialdiagnostisch hilfreiche Parameter |
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|
|
|
Seltenere Differenzialdiagnosen [4][14]
- Andere Hämoglobinopathien
- Bleivergiftung [13][16]
- Sideroblastische Anämien
- Hereditäre Störungen des Eisenstoffwechsels [16]
- Pyropoikilozytose [16]
- Hypovitaminosen
- Aluminiumvergiftung
- Kupfermangel
Diagnostik der normochromen normozytären Anämien
Allgemeines [12]
- Anämie mit den meisten Differenzialdiagnosen
- Oft bei hospitalisierten Patient:innen
- Ursache
- In ca. 30% der Fälle multifaktoriell bedingt
- Bei Vorliegen mehrerer ursächlicher Faktoren: Typische Anämieform ggf. überdeckt
- Akute Form: Bei subakutem Blutverlust
- Chronische Form: Bei Systemerkrankungen (bspw. ACD, renale Anämie, Anämie bei hämatologischen Tumorerkrankungen)
- Diagnostisches Vorgehen
- Diagnostisch schwierig, oftmals kein eindeutiger ursächlicher Nachweis
- Stufendiagnostik sinnvoll (Ausschlussdiagnostik!)
- Primäres Ziel: Identifizierung der Hauptursache und (leicht) behandelbarer Faktoren
Stufendiagnostik [12]
Diagnostik je nach anamnestischer/epidemiologischer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bestimmten Anämieform!
- Bestimmung der Retikulozyten
- Retikulozyten↑/(RPI >2–3) (hyperregeneratorische Anämie) → Bestimmung der Hämolysezeichen
- Hämolysezeichen positiv: Hämolytische Anämie → Hämatologische Abklärung
- Keine Hämolysezeichen
- Am ehesten (sub‑)akute Blutungsanämie → Blutungsquelle identifizieren
- Im Rahmen therapeutischer Maßnahmen
- Retikulozyten↓/(RPI <2) (hyporegeneratorische Anämie) → Abklärung von Systemerkrankungen
- Weiterführende Diagnostik: Befundabhängig
- Labordiagnostik abhängig von Verdachtsdiagnose, initial bspw.
- Leberwerte , Nierenwerte , Schilddrüsenparameter
- Laborparameter des Eisenstoffwechsels, laborchemische Entzündungszeichen
- Fokussierte Anamnese und Untersuchung
- Retikulozyten↑/(RPI >2–3) (hyperregeneratorische Anämie) → Bestimmung der Hämolysezeichen
Übersicht: Normochrome normozytäre Anämien | |||
---|---|---|---|
Häufigste Anämieformen | (Differenzial‑)diagnostische Parameter | Anmerkungen | |
Hyperregeneratorisch | Blutungsanämie durch (sub)akute Blutung |
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|
Hämolytische Anämie |
|
| |
Anämie im Rahmen therapeutischer Maßnahmen |
|
| |
Hyporegeneratorisch | ACD |
|
|
Renale Anämie |
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| |
Aplastische Anämie |
|
| |
Anämie bei Myelosuppression |
|
|
Diagnostik der hyperchromen makrozytären Anämien
Allgemeines [5][12]
- Ursachen
- Megaloblastäre Anämie
- Häufigste Ursachen: Vitamin-B12-Mangel und/oder Folsäuremangel
- Medikamentös-toxisch , bspw. bestimmte
- Zytostatika, Immunsuppressiva
- Virostatika
- Anfallssuppressiva
- Insektizide
- Arsen
- Seltene vererbte DNA-Synthese-Störungen
- Weitere
- Auf Knochenmarkebene
- Myelodysplastische Syndrome
- Seltener, bspw.
- Aplastische Anämie
- AML
- Kongenitale Knochenmarkversagenssyndrome
- Alkohol-toxisch
- Retikulozytosebedingt bei hyperregeneratorischen Anämien (bspw. bei Hämolyse)
- Auf Knochenmarkebene
- Megaloblastäre Anämie
- Hämatologische Abklärung, bspw. bei
- Unklarer Ursache
- Alter >50 Jahre und Vitamin-B12-/Folsäuremangel ausgeschlossen
Stufendiagnostik
Diagnostik je nach anamnestischer/epidemiologischer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer bestimmten Anämieform!
- Diagnostik eines Vitamin-B12-/Folsäuremangels [19]
- Vitamin-B12-Spiegel, Holo-Transcobalamin, Methylmalonsäure (MMA), ggf. Homocystein
- Folsäure oder Erythrozyten-Folsäure [5][12]
- Hämolysezeichen
- Ferritin
- Diagnostik weiterer Ursachen
- Retikulozyten↓/normal (RPI ≤2)
- Bei Bizytopenie/Panzytopenie : Hämatologische Abklärung
- Bei positiver Alkohol- und Medikamentenanamnese: Weitere Abklärung je nach Verdachtsdiagnose
- Retikulozyten↑ (RPI >2–3) (siehe auch: Diagnostik der normochromen normozytären Anämie)
- Hämolysezeichen positiv: Verdacht auf hämolytische Anämie → Hämatologische Abklärung
- Keine Hämolysezeichen: Verdacht auf Blutungsanämie → Blutungsquelle identifizieren
- Retikulozyten↓/normal (RPI ≤2)
Übersicht: Hyperchrome makrozytäre Anämien | ||||
---|---|---|---|---|
Häufigste Anämieformen | Wegweisende Parameter | Weitere (differenzial‑)diagnostische Parameter | Anmerkungen | |
Megaloblastäre Anämie durch Vitamin-B12-/Folsäuremangel |
|
|
| |
Medikamentös-toxisch |
| |||
Myelodysplastische Syndrome (MDS) |
|
|
| |
Alkohol-toxisch (chronisch) |
|
|
Therapie
Kausale Therapie der häufigsten Ursachen
Hypochrom mikrozytäre Anämien
- Siehe: Therapie der Eisenmangelanämie
- Siehe: Therapie der ACD
- Siehe: Therapie der Thalassämien
Normochrom normozytäre Anämien
- Akute Blutungsanämie: Therapie abhängig von der Ursache, bspw.
- Siehe: Hämolytische Anämie
- Siehe: Therapie der ACD
- Renale Anämie: Siehe Therapie der chronischen Nierenerkrankung
- Siehe: Therapie bei aplastischer Anämie
- Anämie bei Myelosuppression
- Therapie der Grunderkrankung, ggf. symptomatisch
- Siehe: Therapie der Chemotherapie-induzierten Anämie
Hyperchrom makrozytäre Anämien
- Siehe: Therapie des Vitamin-B12-Mangels
- Siehe: Therapie des Folsäuremangels
- Bei medikamentenassoziierter Anämie
- Therapie abhängig von Grunderkrankung, ggf. symptomatisch
- Ggf. Indikationsprüfung für das auslösende Medikament
- Siehe: Therapie bei myelodysplastischen Syndromen
- Siehe: Therapie bei Alkoholabhängigkeit
Symptomatische Therapie
- Ggf. Transfusion von Erythrozytenkonzentraten
- Indikation: Abhängig von Hb-Wert und diversen weiteren Faktoren (z.B. Ursache, Dauer, Alter, Vorerkrankungen)
- Siehe: Indikationsstellung zur EK-Transfusion
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- Studientelegramm 214-2022-3/3: ROCKIES-Studie: Stolperstein für HIF-Stabilisatoren
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- Studientelegramm 140-2020-1/3: PRO2TECT: Sicherheitsbedenken bei HIF-Stabilisatoren
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Meditricks
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Anämien-Grundlagen: Pathologie und Diagnostik
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Alimentäre Anämien
- D50.-: Eisenmangelanämie (siehe Kapitel: Eisenmangel)
- D51.-: Vitamin-B12-Mangelanämie (siehe Kapitel: Vitamin-B12-Mangel)
- D52.-: Folsäure-Mangelanämie (siehe Kapitel: Vitamin-B12-Mangel)
- D53.-: Sonstige alimentäre Anämien
- Inklusive: Megaloblastäre Anämie, resistent gegenüber Vitamin-B12- oder Folsäuretherapie
- D53.0: Eiweißmangelanämie
- Aminosäuremangelanämie
- Anämie bei Orotazidurie
- Exklusive: Lesch-Nyhan-Syndrom (E79.1)
- D53.1: Sonstige megaloblastäre Anämien, anderenorts nicht klassifiziert
- Megaloblastäre Anämie o.n.A.
- Exklusive: Di-Guglielmo-Krankheit (C94.0‑)
- D53.2: Skorbutanämie
- Exklusive: Skorbut (E54)
- D53.8: Sonstige näher bezeichnete alimentäre Anämien
- Anämie in Verbindung mit Mangel an:
- Kupfer
- Molybdän
- Zink
- Exklusive: Alimentäre Mangelzustände ohne Angabe einer Anämie, z.B.
- Anämie in Verbindung mit Mangel an:
- D53.9: Alimentäre Anämie, nicht näher bezeichnet
- Einfache chronische Anämie
- Exklusive: Anämie o.n.A. (D64.9)
Hämolytische Anämien
- D55.-: Anämie durch Enzymdefekte (siehe auch Kapitel: Hämolytische Anämie)
- D56.-: Thalassämie (siehe Kapitel: Thalassämie)
- D57.-: Sichelzellkrankheiten (siehe Kapitel: Sichelzellkrankheit)
- D58.-: Sonstige hereditäre hämolytische Anämien (siehe auch Kapitel: Hämolytische Anämie)
- D59.-: Erworbene hämolytische Anämien (siehe auch Kapitel: Hämolytische Anämie)
Aplastische und sonstige Anämien (siehe auch Kapitel: Aplastische Anämie)
- D60.-: Erworbene isolierte aplastische Anämie [Erythroblastopenie] [pure red cell aplasia]
- D61.-: Sonstige aplastische Anämien
- D62: Akute Blutungsanämie
- Inklusive: Anämie nach intra- und postoperativer Blutung
- Exklusive: Angeborene Anämie durch fetalen Blutverlust (P61.3)
- D63.-:* Anämie bei chronischen, anderenorts klassifizierten Krankheiten
- D63.0*: Anämie bei Neubildungen (C00-D48†)
- D63.8*: Anämie bei sonstigen chronischen, anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Anämie bei chronischer Nierenkrankheit größer oder gleich Stadium 3 (N18.3–N18.5†)
- D64.-: Sonstige Anämien
- Exklusive: Refraktäre Anämie: mit Blastenüberschuss [RAEB] (D46.2); mit Blastenüberschuss in Transformation (C92.0‑); mit Ringsideroblasten (D46.1); ohne Ringsideroblasten (D46.0); o.n.A. (D46.4)
- D64.0: Hereditäre sideroachrestische [sideroblastische] Anämie
- X-chromosomal-gebundene hypochrome sideroachrestische Anämie
- D64.1: Sekundäre sideroachrestische [sideroblastische] Anämie (krankheitsbedingt)
- D64.2: Sekundäre sideroachrestische [sideroblastische] Anämie durch Arzneimittel oder Toxine
- D64.3: Sonstige sideroachrestische [sideroblastische] Anämien
-
Sideroachrestische Anämie:
- Pyridoxinsensibel, anderenorts nicht klassifiziert
- O.n.A.
-
Sideroachrestische Anämie:
- D64.4: Kongenitale dyserythropoetische Anämie
- Dyshäm(at)opoetische Anämie (angeboren)
- Exklusive: Blackfan-Diamond-Anämie (D61.0); Di-Guglielmo-Krankheit (C94.0‑)
- D64.8: Sonstige näher bezeichnete Anämien
- Infantile Pseudoleukämie
- Leukoerythroblastische Anämie
- D64.9: Anämie, nicht näher bezeichnet
P61.- Sonstige hämatologische Krankheiten in der Perinatalperiode
- P61.2: Anämie bei Prämaturität
- P61.3: Angeborene Anämie durch fetalen Blutverlust
- P61.4: Sonstige angeborene Anämien, anderenorts nicht klassifiziert
- Angeborene Anämie o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.
SOP (Standard Operating Procedure)
In den Ergänzungen dieser Sektion können individuelle SOPs eingefügt werden. Diese Sektion ist über die AMBOSS-Suchfunktion mittels dem Begriff „SOP Anämie“ unmittelbar auffind- und ansteuerbar.