Zusammenfassung
Unter dem Begriff des viralen hämorrhagischen Fiebers lässt sich eine heterogene Gruppe von viralen Infektionen zusammenfassen, die durch mehrere unterschiedliche RNA-Viren (zu den Filo- und Flaviviridae bzw. Bunyavirales gehörig) verursacht werden. Wichtige Vertreter viraler hämorrhagischer Fieber sind Denguefieber, Gelbfieber, Lassafieber und das Ebolafieber, das in der jüngsten Vergangenheit zu schweren Epidemien in Westafrika führte.
Die Erreger des viralen hämorrhagischen Fiebers kommen in verschiedenen Reservoirtieren vor. Vordergründiger Transmissionsweg ist zumeist eine Übertragung durch Vektoren (Stechmücken oder Zecken) und/oder infizierte Tiere (bspw. Nagetiere). Bei einigen Erkrankungen (z.B. Ebolafieber und Lassafieber) ist auch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich. In Europa ist das virale hämorrhagische Fieber insb. als reiseassoziierte Erkrankung von Bedeutung, doch einige Vertreter dieser Gruppe kommen auch im europäischen Raum selbst vor.
Symptomatische Erkrankungen gehen häufig mit unspezifischen grippeähnlichen Symptomen einher; schwere Verläufe führen zu einer generalisierten Blutungsneigung bis hin zu Schocksymptomatik und Multiorganversagen. Im Mittelpunkt der Therapie steht eine symptomatische Behandlung; in Einzelfällen kommt Ribavirin zum Einsatz. Bei Ebolafieber werden Antikörper-Präparate eingesetzt. Neben allgemeinen Maßnahmen zur Expositionsprophylaxe stehen zur Prävention einiger viraler hämorrhagischer Fieber auch Impfstoffe zur Verfügung, die teils ausschließlich in Endemiegebieten angewendet werden (z.B. Denguefieber-Impfung), teils auch als Reiseimpfung empfohlen werden (z.B. Gelbfieber-Impfung).
Definition
Ätiologie
- Erreger: RNA-Viren (Filoviridae, Flaviviridae und Bunyavirales )
- Infektionsweg: Variiert je nach Virus
- Vektorielle Übertragung durch Stechmücken oder Zecken
- Transmission von Reservoirtieren ausgehend durch
- Direkten Kontakt zu infizierten Tieren
- Direkten Kontakt mit kontaminierten Materialien
- Verzehr kontaminierter Lebensmittel
- Inhalation erregerhaltiger Aerosole
- Mensch-zu-Mensch-Übertragung durch
- Direkten Kontakt zu Körperflüssigkeiten
- Tröpfcheninfektion (selten)
- Siehe auch: Klassifikation der viralen hämorrhagischen Fieber
Klassifikation
Übersicht der viralen hämorrhagischen Fieber [2] | ||||||||
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Erkrankung und Erreger [3] | Verbreitung und Prognose | Transmission | Verlauf (Inkubationszeit und Symptomatik) | Diagnostik, Therapie und Prävention | ||||
Chikungunyafieber [4][5] (Chikungunyavirus)
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Denguefieber [6] [7] |
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Ebolafieber [10]
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Gelbfieber [14] [7] |
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Hantafieber [1][15]
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Krim-Kongo-hämorrhagisches-Fieber [17][18] (Krim-Kongo-hämorrhagisches-Fieber-Virus) [7] |
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Kyasanur-Wald-Fieber [19] (Kyasanur-Forest-Disease-Virus) [7] |
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- Variante: Alkhurma-hämorrhagisches-Fieber [19] (Alkhurma-hämorrhagisches-Fieber-Virus)
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Lassafieber [21]
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Marburgfieber [10][11][22]
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Omsk-hämorrhagisches-Fieber [23] (Omsk-hämorrhagisches-Fieber-Virus) [7] |
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Rift-Valley-Fieber [7] |
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Severe Fever with Thrombocytopenia Syndrome [26][27] (Severe-Fever-with-Thrombocytopenia-Syndrome-Virus)
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Südamerikanische hämorrhagische Fieber [28] (Verschiedene Arenaviridae)
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*1 Die spezifische Labordiagnostik erfolgt in Deutschland in Speziallaboren (Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg, Institut für Virologie der Universität Marburg) |
Virale hämorrhagische Fieber äußern sich initial häufig mit unspezifischen (insb. grippeähnlichen und/oder gastrointestinalen) Symptomen!
Die Therapie viraler hämorrhagischer Fieber erfolgt überwiegend symptomatisch; in Einzelfällen wird jedoch Ribavirin eingesetzt. Bei Ebolafieber kommen auch Antikörper-Präparate zum Einsatz!
Symptomatik
- Beginn: Akut (z.B. Ebolafieber) oder schleichend (z.B. Lassafieber)
- Allgemeinsymptome
- Hohes Fieber
- Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen
- Lymphadenopathie
- Erschöpfung
- Muskelschmerzen
- Exanthem
- Konjunktivitis
- Schwere Krankheitsverläufe
- Zeichen hämorrhagischer Diathese (Petechien, Haut- und Schleimhautblutungen, blutige Diarrhö, Hämaturie etc.)
- Leber- und Nierenfunktionsstörungen
- Schock
- Kreislaufversagen
- Multiorganversagen
Stadien des Ebolafiebers [10]
- Grippeähnliche Allgemeinsymptome (1.–4. Tag)
- Gastrointestinale Symptomatik
- Rekonvaleszenz oder schwerer Krankheitsverlauf (ca. ≥8. Tag)
Verlaufs- und Sonderformen
Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS)
- Kurzbeschreibung: Weltweit vorkommendes Krankheitsbild der akuten tubulo-interstitiellen Nephritis aufgrund einer Infektion mit Subtypen des Hantavirus
- Symptomatik
- Stadienhafter Verlauf
- 1. Phase (Tag 1–4): Hohes Fieber, Kopfschmerzen, Bauch-/Flanken-/Rückenschmerzen
- 2. Phase (Tag 5–8): Hypotonie, interstitielle Nephritis
- 3. Phase (Tag 9–12): Akute tubulo-interstitielle Nephritis mit Oligurie bis hin zu Nierenversagen
- Seltener zusätzliche extrarenale Symptome: Hepatitis, Myokarditis, Thyreoiditis sowie neurologische oder pulmonale Symptome
- In Deutschland überwiegend milde Verlaufsformen des HFRS (sog. „Nephropathia epidemica“)
- Stadienhafter Verlauf
- Diagnostik
- Blutuntersuchung
- Typischerweise Thrombozytopenie (2. Phase)
- Anstieg harnpflichtiger Substanzen
- Antikörpernachweis
- Urinanalyse: Proteinurie und Mikrohämaturie
- Blutuntersuchung
- Therapie: Symptomatisch, ggf. Ribavirin
- Letalität: Bis zu 15%
- Siehe auch: Hantafieber
Hantavirus-Lungensyndrom (HPS), Hantavirus-induziertes kardiopulmonales Syndrom (HCPS)
- Kurzbeschreibung: Kardiopulmonale Dekompensation mit Lungeninfiltration (pulmonales Ödem)
- Bei schweren Verläufen: Entwicklung eines rapid progredienten Atemnotsyndroms (ARDS)
- Hantavirus-Subtypen: Sin Nombre, New York, Black Creek Canal, Bayou, Andes
- Letalität: 25–40%
- Siehe auch: Hantafieber
Diagnostik
Die Diagnosestellung des viralen hämorrhagischen Fiebers im Anfangsstadium ist aufgrund der relativ unspezifischen klinischen Symptomatik schwierig.
- Hinweise auf virales hämorrhagisches Fieber
- Anamnese: Positive Reiseanamnese und Risikokontakt (Vektor-/Reservoirtier oder Kontakt zu erkrankter Person)
- Klinik: Fieber, Hämorrhagie, Ödeme und/oder neurologische Symptome
- Laborwerte: Leukopenie, Thrombozytopenie und/oder Thrombozytenfunktionsstörung, Hämokonzentration, Transaminasen↑
- Diagnostischer Nachweis
- Direkter Erregernachweis
- Serologie: Spezifischer Antikörpernachweis (IgM, IgG)
- Für spezifische Informationen zur Diagnostik siehe: Übersicht der viralen hämorrhagischen Fieber
Bei unklarer Fiebererkrankung in Zusammenhang mit einer positiven Reiseanamnese sollten zunächst die vordergründigen Differenzialdiagnosen (insb. Malaria und Sepsis) abgeklärt werden! Bei weiterhin unklarer Diagnose sollte zügig eine Diagnostik viraler hämorrhagischer Fieber angeschlossen werden!
Differenzialdiagnosen
- Malaria
- Meningokokkensepsis bzw. andere Sepsisformen
- Leptospirose
- Typhus
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Kausale Therapieansätze [1]
- Ribavirin
- Indikationen: Lassafieber, südamerikanische hämorrhagische Fieber; Studien bei Hantavirus und Krim-Kongo-Virus
- Möglichst frühzeitiger Beginn
- Antikörper-Präparate bei Ebolafieber [29][30][31]
- Mehrere Antikörper-Präparate werden derzeit untersucht
- Vorteil: Verbesserung der Prognose
- Dosierung (in Studien): ZMapp , MAb114 , REGN-EB3
- Ribavirin
- Symptomatische Therapie [1]
- Flüssigkeitssubstitution
- Ausgleich von Glucose- und Elektrolytstörungen
- Ggf. Sedativa und Analgetika
- Ggf. Antiemetika
- Behandlung von Blutungen: Thrombozytenkonzentrate, Vitamin K, Fresh Frozen Plasma
- Intensivmedizinische Behandlung bei Organversagen
In Verdachtsfällen viraler hämorrhagischer Fieber sollte wegen des Risikos einer (zusätzlich!) erhöhten Blutungsneigung kein ASS oder NSAID eingesetzt werden!
Prävention
Expositionsprophylaxe
- Schutz vor Mücken- und Zeckenstichen: Lange Kleidung, Moskitonetze, Repellentien
- Vektorkontrolle (Mückenbrutplätze vermeiden ; Einsatz von Insektiziden/Larviziden)
- Tierkontakte bei Reisen in Endemiegebiete vermeiden
Impfung
- Zulassung in Deutschland
- Zulassung in der EU, aber keine Impfempfehlung in Deutschland
- Zulassung außerhalb Deutschlands und Impfstoff-Forschung
- Hantafieber [32]
- Zwei Hantavirus-Totimpfstoffe (Ganzpartikelimpfstoffe) in China und Südkorea zugelassen
- Mehrere Hantavirus-DNA-Impfstoffe in klinischer Prüfung
- Krim-Kongo-Fieber [33]
- Totimpfstoff (Ganzpartikelimpfstoff) in Bulgarien angewendet
- Mehrere Impfstoffe in klinischer Prüfung
- Südamerikanisches hämorrhagisches Fieber: Lebendimpfstoff gegen Argentinisches hämorrhagisches Fieber in Argentinien zugelassen [34]
- Kyasanur-Forest-Disease-Virus: Totimpfstoff (Ganzpartikelimpfstoff) in Indien zugelassen [19]
- Lassafieber: DNA-Impfstoff in klinischer Prüfung [35][36]
- Rift-Valley-Fieber: Mehrere Impfstoffe in klinischer Prüfung [37]
- Chikungunyafieber: Mehrere Impfstoffe in klinischer Prüfung [4][38]
- Marburgfieber: Mehrere Impfstoffe in klinischer Prüfung [11]
- Hantafieber [32]
Ebola-Impfung [39][40][41][42][43]
- Keine Standardimpfung in Deutschland
- Zulassung in der EU, aktuell jedoch keine Vermarktung in Deutschland
- Indikation: Expositionsrisiko für Ebolavirus-Infektion (Zaire-Ebolavirus)
- Impfstoffe: Vektorimpfstoffe
- Replizierender Vektorimpfstoff Ervebo®
- Nicht-replizierende Vektorimpfstoffe Zabdeno® und Mvabea®
- Siehe auch: Ebola-Impfstoffe
- Grundimmunisierung
- Auffrischungsimpfung: Keine generelle Empfehlung
- Zabdeno®/Mvabea®: Bei hohem Expositionsrisiko ggf. Auffrischungsimpfung mit Zabdeno®≥4 Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung
Vorgehen bei Verdachtsfällen
- Sofortiges Zusammenwirken mit Gesundheitsbehörden und regionalen Kompetenzzentren für hochkontagiöse Erkrankungen
- Strenge Isolierung in Spezialeinrichtungen (siehe: Tipps & Links)
- Einhaltung krankenhaushygienischer Richtlinien im Umgang mit hochkontagiösen Erregern
- Klinische Überwachung von Kontaktpersonen der erkrankten Person
Meldepflicht
Gemäß dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht eine bundesweite Meldepflicht für jedes virusbedingte hämorrhagische Fieber.
- Arztmeldepflicht nach § 6 IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Verdachts-, Krankheits- oder Todesfällen
- Labormeldepflicht nach § 7 IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei direktem oder indirektem Erregernachweis, soweit diese auf eine akute Infektion hinweisen
- Meldepflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 und § 34 (6) IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Verdachts- und Krankheitsfällen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Chikungunya
Hantavirus
Gelbfieber
Dengue-Fieber
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A96.-: Hämorrhagisches Fieber durch Arenaviren
- A96.0: Hämorrhagisches Fieber durch Junin-Viren
- Argentinisches hämorrhagisches Fieber
- A96.1: Hämorrhagisches Fieber durch Machupo-Viren
- Bolivianisches hämorrhagisches Fieber
- A96.2: Lassa-Fieber
- Hämorrhagisches Fieber durch Lassa-Viren
- A96.8: Sonstiges hämorrhagisches Fieber durch Arenaviren
- A96.9: Hämorrhagisches Fieber durch Arenaviren, nicht näher bezeichnet
- A96.0: Hämorrhagisches Fieber durch Junin-Viren
- A97.-: Dengue
- A97.0: Dengue ohne Warnzeichen
- Hämorrhagisches Dengue-Fieber, Grad 1 und Grad 2
- Hämorrhagisches Dengue-Fieber ohne Warnzeichen
- A97.1: Dengue mit Warnzeichen
- Hämorrhagisches Dengue-Fieber mit Warnzeichen
- A97.2: Schweres Dengue
- Schweres Dengue-Fieber
- Schweres hämorrhagisches Dengue-Fieber
- A97.9: Dengue, nicht näher bezeichnet
- Dengue-Fieber [DF] o.n.A.
- A97.0: Dengue ohne Warnzeichen
- A98.-: Sonstige hämorrhagische Viruskrankheiten, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive: Hämorrhagisches Chikungunya-Fieber (A92.0), Hämorrhagisches Dengue-Fieber (A97.‑)
- A98.0: Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber
- Zentralasiatisches hämorrhagisches Fieber
- A98.1: Hämorrhagisches Omsk-Fieber
- A98.2: Kyasanur-Wald-Krankheit
- A98.3: Marburg-Viruskrankheit
- A98.4: Ebola-Viruskrankheit
- A98.5: Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom
- Epidemische Nephropathie
- Hämorrhagisches Fieber:
- epidemisch
- koreanisch
- russisch
- Hantavirus-Krankheit mit renaler Beteiligung
- Infektion durch Hantan-Viren
- Exklusive: Hantavirus-(Herz‑) Lungensyndrom (B33.4†J17.1*)
- A98.8: Sonstige näher bezeichnete hämorrhagische Viruskrankheiten
- A99: Nicht näher bezeichnete hämorrhagische Viruskrankheit
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.