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Erkrankungen durch Staphylokokken
Abstract
Staphylokokken gehören zu den klinisch bedeutendsten Erregern und können nahezu in allen Organsystemen Infektionen auslösen. Besonders häufig kommt es zu Manifestationen der Haut und/oder der inneren Organe (bspw. Endokarditis und Osteomyelitis). Als Toxinbildner kann Staphylococcus aureus weiterhin zu selbstlimitierenden Lebensmittelvergiftungen bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern (Staphylococcal Scalded Skin Syndrome, Toxic Shock Syndrome) führen.
Zur Vermeidung nosokomialer Infektionen von Wunden und Fremdmaterial (wie Katheter, Shunts) durch Staphylokokken sind hygienische Maßnahmen extrem wichtig. Insbesondere der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) stellt für immungeschwächte oder multimorbide Patienten eine große Bedrohung und für die Hygiene eine Herausforderung dar.
Bei der Therapie von Staphylokokken-Infektionen kommen penicillinasefeste Penicilline (z.B. Flucloxacillin) zum Einsatz; im Falle einer MRSA-Infektion muss auf Reserveantibiotika wie Vancomycin und Linezolid zurückgegriffen werden.
Klassifikation
Staphylokokken sind unbewegliche grampositive Kokken (Haufenkokken), die sich bevorzugt im Trockenen vermehren (Trockenkeim). Sie können über Wochen auch außerhalb ihres optimalen Nährbodens überleben (Übertragung über die Raumluft, hohe Widerstandsfähigkeit=Tenazität) und sich daher begünstigt in Krankenhäusern vermehren. Man unterscheidet Staphylokokken unter anderem nach dem Vorhandensein der Koagulase.
Koagulasepositive Staphylokokken (insb. Staphylococcus aureus)
- Vorkommen: Keim der transienten Hautflora, häufige Besiedlung des Nasen-Rachen-Raums
- Nachweismethoden
- Mikrobiologisch (Kultur): Nachweis einer Koagulase und des Clumping-Faktors A sprechen für koagulasepositive Staphylokokken
- Laborchemisch: Nachweis von durchgemachten Staphylokokkeninfekten (Antistaphylolysin-Titer)
Methicillin-sensibler Staphylococcus aureus (MSSA)
- Resistenzlage: 80% der Staph.-aureus-Stämme sind resistent gegen alle Penicilline mit Ausnahme von Isoxazol-Penicillinen (bspw. Oxacillin, Flucloxacillin)
- Resistenzmechanismus: Bildung einer Penicillinase (Unterform der β-Lactamasen) → Spaltung des β-Lactam-Rings von Penicillinen → Wirkungsinhibition
- Zusätzliche Gabe von ß-Lactamase-Inhibitoren (bspw. Sulbactam, Clavulansäure oder Tazobactam) → Wiederherstellen der Wirksamkeit
- Therapie
- "Staphylokokkenpenicilline" : Oxacillin oder Flucloxacillin
- oder Cephalosporine der 1. Generation, bspw. Cefaclor
- oder Amoxicillin/Clavulansäure oder Ampicillin/Sulbactam oder Piperacillin/Tazobactam
- Bei generalisierter Infektion: plus Aminoglykosid, bspw. Gentamicin, oder plus Rifampicin
- Bei Penicillinallergie: Clindamycin
- Haut- und Weichteilinfektionen: Clindamycin oder Tigecyclin oder Daptomycin
- "Staphylokokkenpenicilline" : Oxacillin oder Flucloxacillin
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA)
- Resistenzlage: 30% aller Staph.-aureus-Stämme sind resistent gegen alle ß-Lactam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme), ggf. auch gegen andere Antibiotika
- Resistenzmechanismus
- Methicillin-Resistenzdeterminante (mec): mec-A-Gen und Regulatoren mecI und mecR1 → Bildung eines zusätzlichen penicillinbindenden Proteins (PBP2a) mit nur schwacher Bindung an ß-Lactam-Antibiotika → Wirkungsinhibition
- Therapie
- Glycopeptide, bspw. Vancomycin oder Teicoplanin oder Oxazolidinone, bspw. Linezolid
- Ggf. plus Rifampicin oder Clindamycin oder Gentamicin oder Fosfomycin (nach Resistogramm)
- Siehe auch: Therapie einer MRSA-Infektion
- Für weiterführende Informationen: siehe Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA)
Virulenzfaktor: Panton-Valentin-Leukozidin (PVL)
- Definition: Virulenzfaktor, der von Staphylococcus-aureus-Stämmen gebildet werden kann und betreffenden Stämmen eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Granulozyten und Makrophagen verleiht
- Genetik: Das Genom des Virulenzfaktors ist auf einem Prophagengenom codiert und durch einen Gentransfer übertragbar
- Pathophysiologie: Sekretion des Toxins führt zu einer Porenbildung bei Leukozyten und damit zum Untergang dieser Zellen
- Klinisches Vorkommen: Infektionen durch PVL-Erreger rezidivieren häufig und weisen ggf. schwerere Verläufe auf
- Bei Infektionen durch MSSA: Charakteristisch sind rezidivierende Haut- und Weichteilinfektionen; auffällig kann eine verhältnismäßig gering ausgeprägte Eiterbildung sein
- Bei Infektionen durch MRSA: Insb. bei cMRSA, also nicht-nosokomialen Infektionen mit entsprechenden MRSA-Stämmen, ist das Panton-Valentin-Leukozidin häufig nachweisbar
- Nachweis: I.d.R. über eine Anforderung des Genomnachweises per PCR
- Klinische Konsequenz: Die antibiotische Therapie muss der Resistenzsituation angepasst werden (MSSA vs. MRSA), energisch (intravenös!) und ausreichend lange (≥10 Tage) erfolgen, um eine Eradikation des Erregers zu erzielen und Rezidive zu verhüten
- Weitere Virulenzfaktoren: Eine Reihe weiterer Virulenzfaktoren mit anderen Mechanismen sind typisiert und mittels PCR nachweisbar, insb. bei nosokomialen Infektionen
Bei gehäuften Wundinfektionen bzw. rezidivierenden Hautinfektionen ansonsten gesunder Patienten ist ggf. das Vorliegen eines PVL zu prüfen!
Koagulasenegative Staphylokokken (KNS; insb. Staphylococcus epidermidis)
- Vorkommen: Typischer Keim der residenten Haut- und Schleimhautflora
- Besonderheit
- Keine Bildung von Koagulase und anderen Virulenzfaktoren
- Resistenzplasmide mit Genen für Antibiotikaresistenzfaktoren, die auf andere Staphylokokken übertragen werden können
- Typische Infektion: Endoplastitis, insb. bei immungeschwächten Menschen
- Antibiotikaresistenzen: 80% aller Staph.-epidermidis-Stämme sind Penicillin- und Oxacillin-resistent
- Therapie
- 1. Wahl: Glykopeptide, bspw. Vancomycin oder zyklische Lipopeptide, bspw. Daptomycin
- Alternativ: Rifampicin oder Linezolid (nach Resistogramm)oder Ceftarolin
- Siehe auch: Sepsis - Initialtherapie bei Kathetersepsis
Verlaufs- und Sonderformen
Meist durch Staphylococcus aureus bedingt
- Invasive Infektionen
- Hautinfektionen wie z.B. die Impetigo contagiosa und Wundinfektionen
- Abszess, Empyem (insb. Pleuraempyem, Gelenkempyem)
- Endokarditis, Sepsis, Pneumonie, Meningitis, Osteomyelitis
- Toxin-vermittelte Erkrankungen
- Staphylococcus-aureus-Intoxikation (Lebensmittelvergiftung durch Enterotoxine des Staph. aureus mit hoher Hitzestabilität)
- Staphylococcal Toxic Shock Syndrome (durch Exotoxine des Staph. aureus ausgelöste systemische Entzündungsreaktion)
- Staphylococcal Scalded Skin Syndrome (SSSS; durch Staph. aureus)
Bei einer S.-aureus-Blutstrominfektion soll eine konsequente Therapie sowie Fokussuche und Fokussanierung erfolgen (DGIM - Klug entscheiden in der Infektiologie)
Meist durch koagulasenegative Staphylokokken bedingt
- Staphylococcus epidermidis
- Fremdkörperinfektionen (Infektionen durch Katheter, Shunts, Gelenkersatz)
- Erreger
- >50% Staphylokokken (insb. koagulasenegative)
- ca. 25% gram-negative Keime, z.B. Pseudomonas aeruginosa
- Seltener Candida albicans
- Häufig Mischinfektionen
- Therapie: Siehe Koagulasenegative Staphylokokken
- Bspw. Rifampicin plus Levofloxacin i.v.
- Erreger
-
Sepsis
- Siehe auch: Sepsis - Initialtherapie bei Kathetersepsis
- Fremdkörperinfektionen (Infektionen durch Katheter, Shunts, Gelenkersatz)
- Staphylococcus saprophyticus: Harnwegsinfektionen
- Staphylococcus lugdunensis: Endokarditis
Meldepflicht
- Arztmeldepflicht
- Nach §6 IfSG
- Der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder einer akuten infektiösen Gastroenteritis ist namentlich zu melden, wenn
- eine Person gewisse Tätigkeiten ausübt (Lebensmittel-, Gaststätten-, Küchenbereich, Einrichtungen mit/zur Gemeinschaftsverpflegung) oder
- ≥2 gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist
-
MRSA-Infektionen sind zu melden, sofern
- es sich um eine Sepsis oder Meningitis handelt oder
- ≥2 gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist
- Der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder einer akuten infektiösen Gastroenteritis ist namentlich zu melden, wenn
- Nach §6 IfSG
- Labormeldepflicht
- Nach §7 IfSG
- Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von MRSA aus Blut oder Liquor
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen )
- Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von community acquired MRSA, PVL-bildend
- Nach §7 IfSG
- Meldepflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen nach §33 und §34 IfSG
- Namentliche Meldepflicht von allen Infektionen, bei denen die Gefahr der Verbreitung besteht (§34 (6) IfSG)
- Namentliche Meldepflicht bei Auftreten von ≥2 gleichartigen, schwerwiegenden Erkrankungen, wenn als deren Ursache Krankheitserreger wahrscheinlich sind (§34 (6) IfSG)
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
- T82.-: Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen
- A48.-: Sonstige bakterielle Krankheiten, anderenorts nicht klassifiziert
- B95.-!: Streptokokken und Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
- B95.6!: Staphylococcus aureus als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
- B95.7!: Sonstige Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
- B95.8!: Nicht näher bezeichnete Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind
- U80.-!: Erreger mit bestimmten Antibiotikaresistenzen, die besondere therapeutische oder hygienische Maßnahmen erfordern
- U80.0-!: Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Oxacillin, Glykopeptid-Antibiotika, Chinolone, Streptogramine oder Oxazolidinone
- Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Methicillin
- U80.00!: Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Oxacillin oder Methicillin [MRSA]
- Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Oxacillin oder Methicillin und ggf. gegen Glykopeptid-Antibiotika, Chinolone, Streptogramine oder Oxazolidinone
- U80.01!: Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Glykopeptid-Antibiotika, Chinolone, Streptogramine oder Oxazolidinone und ohne Resistenz gegen Oxacillin oder Methicillin
- U80.0-!: Staphylococcus aureus mit Resistenz gegen Oxacillin, Glykopeptid-Antibiotika, Chinolone, Streptogramine oder Oxazolidinone
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.