- Klinik
- Arzt
Paronychie und Panaritium
Abstract
Die Paronychie ist eine Entzündung des Nagelwalls, die sich zu einem Panaritium mit eitriger Entzündung des den Nagel umgebenden Gewebes entwickeln kann. Ein Panaritium kann sich allerdings auch ohne vorhergehende Paronychie infolge von Bagatellverletzungen bilden, die durch Keimeinwanderung und -besiedlung zu einer eitrigen Entzündung führen.
Klinisch zeigen sich eine schmerzhafte Schwellung und eine Rötung des betroffenen Areals, ggf. mit Eitersekretion. Kommt es zur Ausdehnung in tiefere Strukturen und Sehnenscheiden, kann dies zu einer schnellen Fortleitung der Entzündung mit Ausbildung einer sog. V-, Hohlhand- oder Unterarmphlegmone kommen. Bei fortgeschrittenen Befunden ist auch eine systemische Infektion bis hin zur Sepsis möglich.
Therapeutisch kann bei sehr kleinen, nicht-abszedierenden Befunden ein konservativer Therapieversuch durchgeführt werden. Meist ist jedoch ein chirurgisches Vorgehen zur Abszessentlastung und Spülung indiziert, das zusätzlich immer von einer Antibiotikatherapie flankiert wird.
Definition
- Paronychie (Nagelwallentzündung): Entzündung des Nagelwalls, evtl. mit nachfolgender eitriger Einschmelzung (= Panaritium parunguale)
- Panaritium: Lokalisierte, eitrig-einschmelzende Entzündung im Bereich der Finger oder (seltener) Zehen .
Ätiologie
- Erreger [1]
- Staphylococcus aureus und/oder Streptokokken
- Seltener: Enterobakterien, Anaerobier und Schimmelpilze
- Bei nägelkauenden Kindern: Meist Mischinfektion (inkl. Keime aus Mund- und Rachenraum)
- Bei anhaltendem Kontakt zu Wasser (bspw. berufsbedingt): Pilze
- Bei Ärzten oder Pflegepersonal: Mycobacterium tuberculosis oder atypische Mykobakterien
- Infektionsweg: I.d.R. direkte lokale Infektion
- Eintrittspforten für Nagelentzündungen
- Bei der Paronychie
- Maniküre oder Pediküre
- Nägelkauen und/oder Fingerlutschen
- Unguis incarnatus = eingewachsener Nagel
- Risikofaktoren: Tragen enger Schuhe, falsche Nagelpflege oder mangelnde Hand- bzw. Fußhygiene, anatomische Besonderheiten
- Therapie der Wahl: Emmert-Plastik in Lokalanästhesie nach Oberst
- Beim Panaritium
- Bisswunden
- Stichverletzungen
- Offene Phalangenfraktur
- Bei der Paronychie
Klassifikation
- Oberflächliche Panaritien [2]
- Panaritium cutaneum
- Panaritium subcutaneum
- Panaritium parunguale (= Paronychie)
- Panaritium subunguale
- Tiefe Panaritien (Komplikationen der oberflächlichen Panaritien)
- Panaritium periostale
- Panaritium ossale
- Panaritium articulare
- Panaritium tendinosum
- Kragenknopfpanaritium: Gleichzeitig oberflächliche und tiefe Eiteransammlungen (oberflächliches und tiefes Panaritium), die über eine Fistel kommunizieren
Symptome/Klinik
- Auftreten [2]
- Meist akut
- Bei Nagelaffektion chronischer oder rezidivierender Verlauf
- Initialsymptomatik: Pulsierender Schmerz, Rötung, Überwärmung, Schwellung, Schonhaltung
- Eiter, Lymphangitis und Lymphadenitis möglich
- Beim Panaritium tendinosum (Sehnenscheidenpanaritium): Schonhaltung des Fingers in Beugestellung, Druckschmerz der Sehnenscheide
- Bei fortgeschrittenen Infektionen: Systemische Beteiligung möglich mit Fieber, Schüttelfrost, Entzündungsparameter↑, septisches Bild
Diagnostik
- Anamnese mit passenden Risikofaktoren und/oder Berufsausübung [1][2]
- Klinik
- Ggf. Labor mit erhöhten Entzündungsparametern bei systemischer Infektion
- Ggf. Abstrich bei rezidivierenden oder persistierenden Symptomen
- Ggf. Bildgebung, bspw. Röntgen Vorfuß in zwei Ebenen oder MRT zum Ausschluss ossärer Beteiligung
Therapie
Konservative Therapie [1][2]
- Indikation: Nur bei sehr kleinen Befunden ohne Anhaltspunkte für Abszedierung und ohne Allgemeinsymptome
- Allgemeine Maßnahmen
- Ruhigstellung
- Hochlagerung
- Kühlung
- Vermeidung von Risikofaktoren
- Medikamentöse Therapie bei Nagelentzündungen
- Topische Antiseptika (bspw. Polyhexanid, Polyvidon, Octenidin oder Chlorhexidin)
- Ggf. systemische Antibiotikatherapie
- Clindamycin i.v.
- Clindamycin p.o.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Clindamycin (pädiatrisch)
- oder Flucloxacillin i.v.
- Flucloxacillin p.o.
- oder Cefuroxim i.v.
- Cefuroxim p.o.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Cefuroxim (pädiatrisch)
- oder Cefazolin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Cefazolin (pädiatrisch)
- Clindamycin i.v.
- Bei Pilzinfektion: Systemische und/oder lokale Antimykotikatherapie, bspw. Fluconazol oder Itraconazol → siehe: Therapie der Tinea
Chirurgische Sanierung [1][2]
- Indikation: Frühe Indikation, bei Abszedierung immer
- Maßnahmen: Inzision, Spülung, Drainage, ggf. Entfernung der Nekrosen, Abstrich entnehmen
- Bei Panaritium subunguale: (Partielle) Nagelentfernung
- Bei Panaritium tendinosum: Eröffnung und Spülung der Sehnenscheide
- Immer Inspektion des Wundgrundes, um Kragenknopfpanaritium nicht zu übersehen!
- Zusätzlich immer systemische Antibiotika- bzw. Antimykotikatherapie (s.o.)
- Ruhigstellung
Überprüfung des Tetanusschutzes! Insbesondere bei vorangegangenen Verletzungen als Ursache des Panaritiums
Komplikationen
- Hohlhandphlegmone: Ausweitung über Sehnenscheiden und Befall von Handgelenk und Unterarm möglich
- V-Phlegmone: Eine Entzündung der Sehnenscheiden des Daumens und des Kleinfingers, da diese beiden Sehnenscheiden verbunden sind
- Phlegmone des Unterarms
- Ischämische Sehnennekrose
- Gelenkempyem
- Osteomyelitis
- Lymphangitis/Lymphadenitis
- Sepsis
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.