Abstract
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist ein maligner Tumor, der von den Leberzellen (Hepatozyten) ausgeht. Der Tumor kann in der Leber solitär oder multilokulär disseminiert auftreten. I.d.R. entwickelt sich ein HCC auf dem Boden einer Leberzirrhose oder auch einer fortgeschrittenen Leberfibrose. Weitere Risikofaktoren sind die chronisch verlaufende Hepatitis und die nicht-alkoholische Steatohepatitis. Dieses Risikokollektiv benötigt ein halbjährliches sonografisches HCC-Screening. Der Tumormarker AFP kann das Screening ergänzen und dient als Verlaufsparameter.
Klinisch manifest wird die Erkrankung meist erst in Spätstadien mit unspezifischen Beschwerden wie rechtsseitigem Oberbauchschmerz, Aszites oder durch eine hepatische Dekompensation. Die Therapieoptionen sind von der Tumorausbreitung und der Leberfunktion abhängig. Therapeutisch kommen im Anfangsstadium bei geeigneten Patient:innen in kurativer Absicht eine Leberteilresektion, eine Radiofrequenzablation oder die Lebertransplantation infrage. Darüber hinaus können als (palliative) Maßnahmen lokale Tumorablationen oder eine systemische Chemotherapie durchgeführt werden.
Epidemiologie
- Weltweit fünfthäufigste maligne Tumorerkrankung
- In Asien und Afrika höhere Inzidenz als in Europa
- Häufigkeitsgipfel in Europa: 50.–60. Lebensjahr
- Häufigkeitsgipfel in Afrika und Asien: 30.–40. Lebensjahr
- Geschlecht: ♂ > ♀ (3:1)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
In ca. 90% der Fälle liegt eine chronische Hepatopathie vor. Es gibt aber auch seltenere Ätiologien [1][2].
- Hauptrisikofaktor: Leberzirrhose (siehe auch: Ätiologie der Leberzirrhose )
- Verursacht 80% der hepatozellulären Karzinome
- Jede Form der Leberzirrhose (unabhängig von ihrer Ätiologie) geht mit einem erhöhten HCC-Risiko einher
- Jährlich erkranken ca. 4% der Personen mit fortgeschrittener Leberzirrhose an einem HCC
- Weitere Risikofaktoren
- Chronische Hepatitis-B-Infektion
- Nicht-alkoholische Fettleberhepatitis (NASH)
- Fortgeschrittene Leberfibrose (bspw. infolge einer Hepatitis-C-Infektion)
- Seltenere Ätiologien
- Langfristige Exposition gegenüber Tetrachlormethan
- Langjähriger Androgen-Abusus
- Aflatoxine
Klassifikation
Die TNM-Klassifikation des hepatozellulären Karzinoms und die Stadieneinteilung nach UICC dienen beim HCC als deskriptive Klassifikation für die pathologische Befunderstellung. Da die Prognose beim HCC allerdings maßgeblich von der Leberfunktion und dem Allgemeinzustand beeinflusst wird, wird für das HCC-Staging die Barcelona-Klassifikation (BCLC, „Barcelona Clinic Liver Cancer“) genutzt. Diese bezieht die Leberfunktion und den ECOG-Status mit ein und dient gleichzeitig zur Orientierung für die Therapieentscheidung.
TNM-Klassifikation und UICC-Stadium des hepatozellulären Karzinoms (2010)
TNM | Befund | UICC-Stadium | Erläuterung |
---|---|---|---|
T1 | Solitärer Primärtumor ohne Gefäßinvasion | I | T1N0M0 |
T2 | Solitärer Primärtumor mit Gefäßinvasion oder multiple Primärtumoren (alle <5 cm) | II | T2N0M0 |
T3a | Multiple Primärtumoren >5 cm ohne Gefäßinvasion | IIIA | T3aN0M0 |
T3b | Solitärer Tumor oder multiple Tumoren >5 cm mit Gefäßinvasion | IIIB | T3bN0M0 |
T4 | Tumor mit Penetration in extrahepatisches Gewebe bzw. Perforation des viszeralen Peritoneums | IIIC | T4N0M0 |
N0 | Kein Befall lokoregionärer Lymphknoten | – | – |
N1 | Befall lokoregionärer Lymphknoten | IVA | Jedes N1 ist IVA |
M0 | Keine Fernmetastasen | – | – |
M1 | Fernmetastasierung jeglicher Art | IVB | Jedes M1 ist IVB |
Barcelona-Klassifikation (BCLC)
Stadium | Allgemeinzustand (ECOG) | Primärtumor | CHILD-Score bei Leberzirrhose |
---|---|---|---|
0 | 0 | Singulärer Tumor <2 cm bzw. Carcinoma in situ | Keine Leberzirrhose bzw. maximal CHILD A |
A | 0 | Frühestmögliches Stadium (singulärer kleiner Tumor) | Keine Symptomatik bei Leberzirrhose |
A1 | 0 | Solitärer Primärtumor <5 cm (Milan-Kriterien erfüllt) | Keine klinisch signifikante portale Hypertension (HVPG <10 mmHg), Bilirubin normal |
A2 | 0 | Solitärer Primärtumor <5 cm (Milan-Kriterien erfüllt) | Portale Hypertension, Bilirubin normal |
A3 | 0 | Solitärer Primärtumor <5 cm (Milan-Kriterien erfüllt) | Portale Hypertension, Bilirubin erhöht |
A4 | 0 | ≤3 Primärtumoren <3 cm (Milan-Kriterien erfüllt) | CHILD A oder B |
B | 0 | Multilokulärer Befall, Herde >3 cm | CHILD A oder B |
C | 1–2 | Zusätzlich Gefäßinvasion oder Metastasen | CHILD A oder B |
D | 3–4 | Alle höhergradigen Befunde | CHILD C |
- Milan-Kriterien: Zur Abschätzung der Erfolgsaussichten einer Lebertransplantation beim HCC
- Ein HCC-Herd <5 cm Durchmesser oder bis zu 3 HCC-Herde mit jeweils <3 cm Durchmesser
- Keine extrahepatischen Metastasen
- Keine Infiltration von Blutgefäßen (Pfortader, Lebervenenhauptäste)
Symptome/Klinik
- In frühen Stadien: Keine spezifischen Beschwerden
- In fortgeschrittenen Stadien: Unspezifische Beschwerden wie Oberbauchbeschwerden (z.B. Druckgefühl im Oberbauch durch Leberkapseldehnung), Gewichtsverlust, Inappetenz, Ikterus
- Evtl. Dekompensation bei zuvor bestehender Leberzirrhose als einziges fassbares Symptom (siehe: Dekompensierte Leberzirrhose )
Diagnostik
Labor
- Alle Laborparameter wie bei Hepatitis und Leberzirrhose erforderlich (Bspw. Leberfunktionsparameter )
- Bestimmung des α1-Fetoproteins (AFP) im Blut
- Verlaufsparameter
- Tumormarker im Rahmen des HCC-Screenings
Bei Leberzirrhose sowie chronischer Hepatitis B und C wird das AFP auch zur Früherkennung im Rahmen des HCC-Screenings genutzt!
Bildgebung
Bei vorliegenden Risikofaktoren reicht die Bildgebung zur Diagnose eines HCC aus. Ausschlaggebend ist das Kontrastmittelverhalten in Sonografie, MRT oder CT.
- Allgemeine Charakteristika aller Kontrastmittelverfahren
- Irreguläre, chaotisch anmutende Vaskularisation des Tumors
- Früharterielle Anreicherung des Kontrastmittels im Tumor
- Rasche portalvenöse Auswaschung des Kontrastmittels
Sonografie
Das Sonografiegerät und die Untersuchenden müssen gewissen Anforderungen entsprechen
- B-Bild-Sonografie
- Echogenität: Variables Erscheinungsbild
- Teils homogene, teils inhomogene Echogenität
- Hyper-, hypo- oder auch isoechogen im Vergleich zum gesunden Lebergewebe
- Lokalisation: Uni- oder multifokal
- Ggf. Malignitätszeichen: Echoarmer Randsaum der Läsion (Halo)
- Echogenität: Variables Erscheinungsbild
- Doppler-Sonografie
- Ggf. intratumorale arterielle Gefäße
- Ggf. Gefäßinvasion durch das HCC (z.B. Pfortaderthrombose): Tumorthromben zeigen gegenüber Gerinnungsthromben eine starke Perfusion
- Ggf. bogenartiger Verlauf portaler Venen oder Lebervenen
- Sonografie mit Kontrastmittel (CEUS )
- Früharterielle Phase: Hyperenhancement, intratumorales Gefäßsignal mit chaotisch anmutender Perfusion
- Portalvenöse Phase bzw. Spätphase: Hypo- bis Isoenhancement, schnelles Auswaschen des Kontrastmittels und Perfusionsdefekt
Bei suspekten, HCC-verdächtigen Läsionen in der B-Bild-Sonografie sollte zur genaueren Klassifikation eine Kontrastbildgebung durchgeführt werden! Besonders geeignet ist hier die Kontrastmittelsonografie oder eine Kontrastmittel-MRT.
Eine Pfortaderthrombose ist bei Leberzirrhose immer verdächtig auf das Vorliegen eines HCC! Dies gilt insb. dann, wenn der Thrombus eine Arterialisation aufweist. Hier sollte immer eine Kontrastmittelbildgebung zur genaueren Evaluation erfolgen!
Weitere Bildgebung zum Staging
- CT (oder MRT) mit Kontrastmittel mit der Frage nach
- Intrahepatischen Sekundärbefunden
- Tumorausbreitung (in Form inhomogener Kontrastmitteldarstellung erkennbar) und Lokalisation von Leberherden
- Lymphknotenmetastasen
- Nebennierenmetastasen (selten per continuitatem)
- CT-Thorax
- Nachweis von Lungenmetastasen (selten)
- Skelettszintigrafie
- Nachweis von Knochenmetastasen (selten)
Leberpunktion
Die bioptische Sicherung ist zur Diagnose eines HCC nicht immer erforderlich und sollte auch nur durchgeführt werden, wenn eine therapeutische Konsequenz folgt. Bei Vorbefund einer Leberzirrhose und bestätigtem HCC in der Bildgebung sollte auf eine Biopsie verzichtet werden.
- Indikationen
- Kein Vorbefund einer Leberzirrhose und HCC-verdächtiger Leberherd in der Bildgebung
- Bei Vorbefund einer Leberzirrhose und
- Unklaren Befunden in zwei bildgebenden Verfahren mit Kontrastmittel
- Nicht auszuräumende Differenzialdiagnose eines CCA bzw. einer Lebermetastasierung durch einen anderen Primärtumor
- Durchführung: I.d.R. sonografisch gesteuert mit Entnahme von Gewebszylindern mittels einer Punktionskanüle
- Bei HCC-verdächtigen Läsionen <1 cm ist ein bioptischer Zugang technisch nicht möglich
- Komplikation: Stichkanalmetastasen
Diagnostischer Ablauf bei HCC
Diagnosesicherung
- B-Bild-Sonografie: Bei auffälligem Befund Sonografie mit Kontrastmittel anschließen
- Sonografie mit Kontrastmittel
- Vorbefund einer Leberzirrhose und HCC-verdächtiger Herd ≥1 cm: Diagnose gesichert
- Vorbefund einer Leberzirrhose und HCC-verdächtiger Herd <1 cm: Verlaufskontrolle
- B-Bild-Sonografie alle 3 Monate wiederholen
- Bei Größenzunahme: Kontrastmittelbildgebung
- Bei Größenstabilität über 12 Monate: Halbjährliches Kontrollintervall
- Vorbefund einer Leberzirrhose und untypisches Kontrastmittelverhalten: Zweite alternative Bildgebung mit Kontrastmittel (bspw. mittels MRT )
- Bei typischem KM-Verhalten in der zweiten Bildgebung: Diagnose gesichert
- Bei weiterhin untypischem KM-Verhalten: Leberpunktion zur bioptischen Sicherung
- Kein Vorbefund einer Leberzirrhose und HCC-verdächtiger Leberherd in der Bildgebung: Leberpunktion zur bioptischen Sicherung
Nach Diagnosestellung
- Staging
- Einordnung gemäß Barcelona-Klassifikation zur Prognoseabschätzung und Therapieplanung
- Berechnung des MELD-Scores, wenn Lebertransplantation angestrebt
- Ggf. Rücksprache mit einem Leberzentrum/Transplantationszentrum
- ALBI-Grade (Albumin-Bilirubin-Grade) bei HCC [3]
- Indikation: Insb. etabliert bei
- Parameter: Albumin (Lebersynthese) und Bilirubin (Exkretion) mit unterschiedlicher Gewichtung
- Formel: ALBI = (log10 Bilirubin in μmol/L × 0,66) + (Albumin in g/L × (-0,085))
- Interpretation
- ALBI-Grad 1: ALBI-Score ≤(-2,60)
- ALBI-Grad 2: ALBI-Score >(-2,60)-(-1,39)
- ALBI-Grad 3: ALBI-Score >(-1,39)
Für die Diagnose des HCC sind bei Leberzirrhose kontrastmittelgestützte bildgebende Verfahren (KM-Sonografie, -MRT oder -CT) i.d.R. ausreichend! AFP kann im Screening ergänzend bestimmt werden. Bei Diagnose des HCC und vor geplanter Lebertransplantation sollte AFP immer bestimmt werden und dient dann im Verlauf als Tumormarker.
Pathologie
Histologische Charakteristika
- Unscharf oder scharf begrenzter Tumor mit Kapselbildung
- Unterschiedlich konfiguriertes Gewebe mit Trabekelbildung
-
Entartete Hepatozyten mit Malignitätszeichen
- Unregelmäßige Kernmembran
- Auffällige Zellkern/Zytoplasma-Relation
- Chromatinveränderungen
- Nekroseareale
Formen des hepatozellulären Karzinoms
- Fibrolamelläre Form
- Seltene Sonderform des HCC, tritt typischerweise bei jüngeren Personen ohne vorbestehende Leberzirrhose auf
- Pseudoglanduläre Form
- Pleomorphe Form
- Solide Form
- Szirrhöse Form
- Trabekuläre Form
- Diffuse Form
- Klarzellige Form
Zum Vergleich: Normalbefunde
Differenzialdiagnosen
- Lebermetastasen : Häufiges Metastasierungsmuster bei einer Vielzahl von Malignomen
- Nomenklatur
- Synchrone Lebermetastasen: Diagnose und Auftreten der Lebermetastasen zeitgleich mit Erstdiagnose eines Malignoms
- Metachrone Lebermetastasen: Diagnose und Auftreten der Lebermetastasen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, bspw. als Rezidivmanifestation eines Malignoms
- Epidemiologie
- Häufigste maligne Raumforderung der Leber
- Primärtumoren liegen dabei v.a. im Gastrointestinaltrakt (Kolon, Magen, Pankreas), in der Lunge oder Mamma
- Diagnostik: Abdomen-Sonografie
- Initial (z.B. bei Oberbauchbeschwerden): Abdomen-Sonografie
- Echoarme oder echoreiche, relativ scharf begrenzte Läsionen
- Anhand der Echogenität können Rückschlüsse auf den Primärtumor getroffen werden
- Echoarm (65% der Fälle): Mammakarzinom, Bronchialkarzinom, Lymphome, Pankreaskarzinom
- Echoreich: Gastrointestinale Tumoren, neuroendokrine Tumoren, Nierenzellkarzinom
- Häufig perifokaler echoarmer Randsaum aufgrund des verdrängenden Charakters der Metastasen, wodurch eine sog. „Bull's eye“-Darstellung entsteht (echoreiche, solide Metastase mit echoarmem Randsaum )
- Bei Staging: Kontrastmittel-CT oder MRT
- Initial (z.B. bei Oberbauchbeschwerden): Abdomen-Sonografie
- Nomenklatur
- Intrahepatisches Cholangiokarzinom (iCCA)
- Lymphom in der Leber
- Regeneratknoten bei Leberzirrhose
-
Benigne Lebertumoren
- Leberzyste
- Leberhämangiome
- Fokale noduläre Hyperplasie (FNH)
- Leberadenome mit/ohne Dysplasien
- Arteriovenöse Malformationen
- Leberlipom
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Übersicht der Therapieoptionen [2][5][6][7]
Das jeweilige Therapieverfahren richtet sich in erster Linie nach den BCLC-Stadien der Barcelona-Klassifikation. Aufgrund der Tumorbiologie und der individuellen Schwere der Lebererkrankung kann eine multimodale Therapie infrage kommen. Die Entscheidung zum individuellen Therapieverfahren muss immer interdisziplinär im Tumorboard besprochen werden.
- Kurative Therapieverfahren bei frühen Stadien ohne Gefäßinvasion und ohne Metastasen (Stadien A und B nach BCLC)
- Chirurgische Resektion (Stadium 0 und A )
- Lebertransplantation
- Ablative Verfahren (in palliativer, teilweise in kurativer Absicht): Führen zu Verkleinerung und Vernarbung des Tumors
- Radiofrequenzablation (RFA): Über einen Ablationskatheter werden Elektroden in das Tumorgewebe eingebracht, um über gepulste Abgabe von Hochfrequenzstrom eine Hitzenekrose zu erzeugen (Standardmethode in Deutschland)
- Transarterielle Chemoembolisation (TACE): Lokale Applikation von Chemotherapeutikum und okkludierender Substanz
- Perkutane Ethanolinjektion (PEI)
- Selektive interne Radiotherapie (SIRT)
- Palliative Therapieverfahren bei fortgeschrittenen Stadien mit Gefäßinvasion oder Metastasen (Stadien C und D nach BCLC)
- I.d.R. palliative systemische Therapie (bspw. mit Sorafenib) bzw. palliative, rein symptomorientierte Behandlung
Die Auswahl der geeigneten Therapie sollte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz erfolgen. Die Behandlung sollte an einem Krankenhaus mit ausreichender Erfahrung bzw. an einem Leberzentrum durchgeführt werden.
Stadiengerechte Therapie des hepatozellulären Karzinoms
Stadium 0 und A nach BCLC [5][6][7][8]
Auswahl des Therapieverfahrens
- Bei Leberzirrhose: Indikation zur Lebertransplantation, wenn HCC innerhalb der “Milan-Kriterien”
- Keine Leberzirrhose
- Ein HCC im Stadium 0 oder A soll reseziert werden, in speziellen Fällen kann aber auch eine Radiofrequenzablation (RFA) indiziert sein
- Beim ALBI-Grad 1 ist die chirurgische Resektion der RFA hinsichtlich des Outcomes überlegen
Lebertransplantation
Vor einer Lebertransplantation erfolgen oft lokale Ablationsverfahren zur Überbrückung der Wartezeit auf ein geeignetes Spenderorgan. Damit wird das Tumorwachstum unter Kontrolle gehalten und ein (organüberschreitender) Progress verhindert.
- Indikationen
- Bei Leberzirrhose und HCC innerhalb der “Milan-Kriterien”
- Bei Leberzirrhose und HCC außerhalb der „Milan-Kriterien“ kann eine Lebertransplantation erwogen werden
- Kontraindikationen
- Vorliegen einer Metastasierung oder Gefäßinvasion
- Limitierende Begleiterkrankungen
- Hohes Lebensalter
- Florider Alkoholabusus
- Wartezeit: 6–18 Monate
- Bridging-Therapie: Ggf. zur Überbrückung bis zur Lebertransplantation
- Lebertransplantationslistung: Abhängig von MELD-Score (labMELD) bzw. sog. Standard Exceptions (SE) [9]
- Initialer sog. matchMeld bei SE-Listung: 22 Punkte
- Höherstufung alle 3 Monate gemäß der Zunahme der Versterbewahrscheinlichkeit von 10%
- Rezertifizierung der Milan-Kriterien alle 3 Monate mittels Bildgebung
- Ein Downstaging für die Listung ist nicht zulässig
- Bridging-Verfahren sind erlaubt, um den Tumor innerhalb der Milan-Kriterien zu halten
- Bei Elimination eines HCC durch lokale Verfahren und HCC-Rezidiv nach Ablauf von 24 Monaten ist eine SE-Listung möglich
- Prinzipiell Lebertransplantationslistung außerhalb der Milan-Kriterien möglich (dann aber keine Vergabe von SE-Kriterien)
- Prognose [7]
- 5-Jahres-Überlebensrate nach Transplantation: Ca. 70%
- Tumorrekurrenz nach Transplantation: Ca. 10%
- Risikofaktoren für eine Tumorrekurrenz nach Transplantation [10]
- Mikrovaskuläre Infiltration (am Explanat nachgewiesen)
- Hohe Tumoranzahl und schlechte Tumordifferenzierung (am Explantat nachgewiesen)
- Tumorgröße außerhalb der Milan-Kriterien (am Explantat nachgewiesen)
- Hohe AFP-Spiegel vor Lebertransplantation
- Tumorprogress unter lokoregionärer Therapie im Rahmen des Bridgings vor Lebertransplantation [11]
Die Lebertransplantation ist die einzige kurative Therapie, die gleichzeitig sowohl die Leberzirrhose als auch das HCC beseitigt!
Chirurgische Resektion
- Voraussetzungen
- Keine oder nur minimale Leberzirrhose
- Bilirubin <2 mg/dL
- Thrombozyten >100/nL
- Keine Splenomegalie
- Keine portale Hypertension >10 mmHg (HVPG)
- Hauptkriterien einer Nicht-Resektabilität
- Alle drei Lebervenen vom Tumor befallen
- Die Leber hat nach Resektion keine ausreichende Funktion
- Nicht-resektable extrahepatische Tumormanifestation
- Prognose
- Überlebensraten nach 1, 3, 5 und 10 Jahren: 90%, 76%, 70% und 35% [12]
- Krankheitsfreies Überleben nach 1, 3, 5 und 10 Jahren : 74%, 50%, 36% und 22% [12]
- Postoperative Mortalität: <3% [8]
Radiofrequenzablation (RFA)
- Indikationen: Irresektabilität eines HCC in einer nicht-zirrhotischen Leber
- Prognose
- Tumorrekurrenz: Bis zu 70% binnen 5 Jahren
- 5-Jahres-Überlebensrate: Ähnlich wie bei Resektion [13]
Perkutane Ethanol-Injektion (PEI)
- Definition: Ultraschall- oder CT-gestützte Injektion von 95%igem Alkohol in das Tumorgewebe mittels einer feinen Nadel
- Indikationen
Stadium B nach BCLC [5][6][7][8]
Eine Resektabilität sollte immer geprüft werden. Die Radiofrequenzablation (RFA), die transarterielle Chemoembolisation (TACE) sowie die selektive interne Radiotherapie (SIRT) stellen alternative ablative Verfahren dar. Laut aktuell gültiger Leitlinie der DGVS von 2013 ist die RFA die ablative Maßnahme der ersten Wahl.
Chirurgische Resektion oder RFA
- Voraussetzungen
- Keine oder nur minimale Leberzirrhose
- Bilirubin <2 mg/dL
- Thrombozyten >100/nL
- Keine Splenomegalie
- Keine portale Hypertension >10 mmHg (HVPG)
- Indikationen
Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
- Indikation: Erstlinientherapie im BCLC-Stadium B
- Als Hilfestellung zur Therapieentscheidung kann außerdem der HAP-Score bestimmt werden [14]
- Vorgehen
- Punktion der Leistenarterie, Einbringung eines dünnen Katheters, Vorschub in die Leberarterie
- Angiografische Sondierung der blutversorgenden Tumorgefäße
- Lokale Injektion eines Gemisches aus Chemotherapeutikum (meist Epirubicin), Embolisat und Lipiodol
- Kontrolle: Nach 4–6 Wochen mittels CT-Abdomen
- Wiederholung: Bei noch nicht vollständiger Embolisation oder neuem vitalem Tumor
- Kontraindikation: Nicht für kapselnahe Leberherde geeignet
- Prognose
HAP-Score | |
---|---|
Prognosefaktor | Punkte |
Albumin <36 g/dL | 1 |
AFP >400 ng/mL | 1 |
Bilirubin >17 μmol/L | 1 |
Durchmesser des größten Tumors >7 cm | 1 |
Interpretation
|
Selektive interne Radiotherapie (SIRT)
- Indikationen: Kann als Alternative zur TACE und als Bridging vor Lebertransplantation erwogen werden
- Vorgehen
- Nur an spezialisierten Zentren
- Punktion der Leistenarterie, Einbringung eines dünnen Katheters, Vorschub in die Leberarterie
- Angiografische lokale Applikation kleinster Kügelchen, die mit dem Betastrahler Yttrium-90 versehen sind [15]
- Verträglichkeit: Gute, zum Teil bessere Verträglichkeit gegenüber TACE [8]
- Prognose: Basierend auf retrospektiven Studien zeigt die SIRT im Vergleich zur TACE [8]
- Weniger Nebenwirkungen (bessere Verträglichkeit, demnach bessere Lebensqualität)
- Bessere Tumorkontrolle, aber kein verlängertes Überleben
Stadium C nach BCLC bzw. Stadium B nach Progress unter Therapie [5][6][7][8]
Palliative systemische Therapie
- Indikationen: Irresektabilität, Transplantation nicht möglich und Krankheitsprogress unter ablativen Verfahren
- Wirkstoffe
- Multikinase-Inhibitoren
- Monoklonale Antikörper
Erstlinientherapie
- Sorafenib (Multikinase-Inhibitor)
- Indikationen
- Erstlinientherapie im BCLC-Stadium C mit erhaltener Leberfunktion (bis CHILD A)
- Ggf. im BCLC-Stadium B mit erhaltener Leberfunktion und Tumorprogress unter lokalablativen Therapieverfahren.
- Prognose: Sorafenib vs. Placebo ergab in einer Studie einen Überlebensvorteil von 10,7 vs. 7,9 Monaten
- Nebenwirkungen : Insb. Diarrhö, Hand-Mund-Fuß-Syndrom, Hypertension, Fatigue
- Kontraindikation: U.a.
- Höhergradig eingeschränkte Leberfunktion (ab CHILD B)
- Klinisch manifeste vaskuläre Erkrankung
- Indikationen
- Lenvatinib (Multikinase-Inhibitor)
- Atezolizumab plus Bevacizumab (Kombination monoklonaler Antikörper) [16]
Zweitlinientherapie
Die folgenden Substanzen können als Zweitlinientherapie nach Versagen von Sorafenib zum Einsatz kommen. Voraussetzungen sind eine erhaltene Leberfunktion (CHILD A) und ein guter Allgemeinzustand (ECOG 0–1).
- Regorafenib (Multikinase-Inhibitor)
- Cabozantinib (Multikinase-Inhibitor)
- Ramucirumab (humaner monoklonaler IgG1-Antikörper, VEGFR2-Antagonist)
- Indikation: Zweitlinientherapie nach Sorafenib und AFP-Spiegel ≥400 ng/mL
- Nebenwirkungen: U.a. Fatigue, Ödeme, Proteinurie
Stadium D nach BCLC [5][6][7][8]
Palliative symptomorientierte Therapie
- Indikation: Transplantation aufgrund von Tumordissemination oder Allgemeinzustand und Systemtherapie aufgrund von CHILD C nicht möglich
- Best supportive Care
- Versorgung durch palliativen Pflegedienst bzw. Verlegung in ein Hospiz
- Psychoonkologische bzw. seelsorgerische Betreuungsangebote
- Ggf. Behandlung einer hepatischen Enzephalopathie und anderer Dekompensationszustände einer Leberzirrhose
- Ggf. symptomatische Behandlung eines Pruritus
- Schmerztherapie, ggf. Therapieversuch mit Glucocorticoiden bei Leberkapselspannungsschmerz (z.B. Dexamethason )
Prognose
- Medianes Überleben nach BCLC-Stadien (Barcelona-Klassifikation) [2]
- Stadium 0 bzw. A: >5 Jahre
- Stadium B: >2,5 Jahre
- Stadium C: ≥10 Monate
- Stadium D: 3 Monate
Die Prognose des HCC ist maßgeblich vom Zeitpunkt der Diagnosestellung abhängig! Das Vorliegen einer meist fortgeschrittenen Leberzirrhose ist prognostisch ungünstig!
Prävention und Früherkennung
- Prävention: Insb. bei Vorliegen einer chronischen Lebererkrankung
- Kausale Behandlung (wenn möglich)
- Bei NAFLD: Gewichtsreduktion und optimale Blutzuckereinstellung anstreben
- Bei Diabetes mellitus Typ 2: Metformintherapie anstreben, wenn aus diabetologischer Sicht sinnvoll
- Absolute Alkoholkarenz
- Impfung gegen Hepatitis B (sofern keine chronische Hepatitis B besteht)
- Kausale Behandlung (wenn möglich)
- Früherkennung: HCC-Screening
- Indikationen
- Leberzirrhose
- Chronische virale Hepatitiden
- NAFLD, NASH
- Fortgeschrittene Leberfibrose
- Untersuchungen
- Lebersonografie alle 6 Monate
- Ggf. zusätzliche AFP-Bestimmung
- Indikationen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- C22.-: Bösartige Neubildung der Leber und der intrahepatischen Gallengänge
- Exklusive: Gallenwege o.n.A. (C24.9) und sekundäre bösartige Neubildung der Leber (C78.7)
- C22.0: Hepatozelluläres Karzinom (Leberzellkarzinom, Carcinoma hepatocellulare)
- C22.1: Intrahepatisches Gallengangskarzinom (Cholangiokarzinom)
- C22.2: Hepatoblastom
- C22.3: Angiosarkom der Leber (Kupffer-Zell-Sarkom)
- C22.4: Sonstige Sarkome der Leber
- C22.7: Sonstige näher bezeichnete Karzinome der Leber
- C22.9: Leber, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.