Abstract
Bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) handelt es sich um eine Gruppe seltener chronisch-entzündlicher Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Im Gegensatz zur Neuromyelitis optica (NMO, Dévic-Syndrom), die als Entität schon lange beschrieben war und die namensgebenden akuten Optikusneuritiden und transversen Myelitiden als charakteristische Merkmale aufweist, umfasst der Formenkreis der NMOSD auch andere klinische Manifestationen wie etwa Hirnstammsymptome. Entsprechend ist die NMO in den NMOSD aufgegangen und wird nicht mehr als eigenständige Entität gesehen. Der Verlauf der NMOSD ist i.d.R. schubförmig. Antikörper gegen das Wasser-Kanalprotein Aquaporin-4 (Anti-AQP4-AK) können in 70% der Fälle im Serum nachgewiesen werden. In der MRT zeigen sich häufig langstreckige entzündliche Veränderungen des N. opticus und des Rückenmarks sowie Veränderungen in betroffenen Hirnarealen. Schübe müssen mit hochdosierten Glucocorticoiden oder Plasmaseparation behandelt werden, um eine residuelle Behinderung abzuwenden. Im Intervall ist eine immunsuppressive Therapie indiziert, wobei für die schubförmige AQP4-AK-positive NMOSD Eculizumab zur Verfügung steht. Als Off-Label-Therapie werden auch Substanzen wie Rituximab und Azathioprin eingesetzt. Wichtigste Differenzialdiagnose der NMOSD ist die Multiple Sklerose.
Entstehung und Definition des Krankheitsspektrums
- Beschreibung der Neuromyelitis optica (NMO, Dévic-Syndrom) (spätes 19. Jahrhundert) als chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung mit
- Rückenmarkssymptomen (bis zum Querschnittsyndrom)
- Progredienter ein- oder beidseitiger Sehstörung (bis zur Erblindung)
- Entdeckung von Aquaporin-4-Antikörpern als pathophysiologischer Mechanismus hinter der NMO (Beginn des 21. Jahrhunderts) [1]
- Zusammenfassung der NMO und weiterer durch Aquaporin-4-Antikörper verursachter chronisch-entzündlicher Krankheitsbilder: Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD)
- Festlegung von Diagnosekriterien für NMOSD
- Anhand des Antikörperbefundes und
- Auswahl klinischer Kardinalsymptome bei NMOSD
Epidemiologie
- Seltene Erkrankung
- Inzidenz: 0,053 bis 0,4 Fälle/100.000 Einwohner:innen pro Jahr [2]
- Prävalenz: 0,3 bis 4,4 Fälle/100.000 Einwohner:innen [2]
- Manifestationsalter: Altersgipfel im 4. Lebensjahrzehnt
- 4% im Kindesalter
- Geschlecht: ♀ >> ♂ (9:1)
- Auftreten: I.d.R. sporadisch, selten (3%) familiär gehäuft [3]
- Assoziation mit Autoimmunerkrankungen: ⅓ der Erkrankten, darunter [4]
- SREAT bei Autoimmunthyreoiditis (20%)
- Sjögren-Syndrom (14%)
- Myasthenia gravis (2%)
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Pathophysiologie
- Wesentliches Merkmal: Aquaporin-4-Antikörper-vermittelte Zerstörung von Astrozyten (Astrozytopathie, somit primär demyelinisierende ZNS-Erkrankung)
- Aquaporin-4 (AQP4): Kanalprotein für Wasser [5]
- Im ZNS: In Fortsätzen der Astrozyten, die am Aufbau der Blut-Hirn-Schranke beteiligt sind
- Gliazellen der Retina und wahrscheinlich auch der Sehnerven [6]
- Graue Substanz des Rückenmarks
- Umschriebene Regionen der grauen Substanz des Gehirns, insb. in
- In Epithelien zahlreicher anderer Organe (u.a. Niere, Magen)
- Im ZNS: In Fortsätzen der Astrozyten, die am Aufbau der Blut-Hirn-Schranke beteiligt sind
- Mechanismen
- T-Lymphozyten erkennen Aquaporin-4-Peptide und aktivieren als T-Helferzellen (TH17) zusammen mit AQP4 B-Lymphozyten
- B-Lymphozyten differenzieren zu Plasmazellen → Produzieren IgG1-Autoantikörper gegen Aquaporin-4
-
Antikörper migrieren ins ZNS und binden an Aquaporin-4 auf der Oberfläche von Astrozyten
- Antikörper-vermittelte Komplementaktivierung → Zelllyse
- Antikörper-vermittelte zelluläre Zytotoxizität → Zelllyse
- Sekundäre Entzündungsreaktion → Einwanderung von Granulozyten und Makrophagen ins ZNS → Demyelinisierung und axonale Schädigung
- Aquaporin-4 (AQP4): Kanalprotein für Wasser [5]
Ätiologie
- Unbekannt
Klassifikation
- Nach Aquaporin-4-Status
Symptome/Klinik
Verlauf
- I.d.R. schubförmig (90%)
- Selten monophasisch (10%)
- Keine chronisch-progredienten Verläufe wie bei der MS
Symptome nach Manifestationsort
Entsprechend der Pathophysiologie der NMOSD ergeben sich die Symptome infolge einer demyelinisierenden Entzündung an ZNS-Lokalisationen, an denen Aquaporin-4 exprimiert wird.
- N. opticus: Optikusneuritis (Neuritis nervi optici, NNO), bilaterales Auftreten hochgradig verdächtig auf NMOSD
- Retrobulbärer Druckschmerz, Schmerzen bei Augenbewegung
- Visusminderung bis zur Erblindung
- Zentralskotom
- Farbsinnstörung
- Rückenmark: Transverse Myelitis
- Häufig hochgradige sensomotorische Defizite mit residueller spastischer Para- oder Tetraparese
- Blasen- und Mastdarmstörung
- Ggf. respiratorische Insuffizienz durch Lähmung der Atemmuskulatur
- Area postrema (Area-postrema-Syndrom)
- Anhaltende Übelkeit/Erbrechen
- Schluckauf
- Ggf. Hirnnervenausfälle, lebensbedrohliche vegetative Störungen
- Hirnstammsyndrom (akutes Hirnstammsyndrom)
- Keine Einbeziehung der Area postrema
- Hirnnervenausfälle
- Ggf. respiratorische Insuffizienz durch Störung des Atemzentrums
- Zwischenhirn (Zwischenhirnsyndrom)
- Narkolepsie
- Thermodysregulation
- Hypophyseninsuffizienz
- Großhirnhemisphären (Zerebrales Syndrom), u.a.
- Paresen
- Sprachstörungen
- Kopfschmerzen
- Epileptische Anfälle
Diagnostik
Diagnostische Prinzipien
- Anamnese und Untersuchungsbefund → Verdacht auf chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen mittels Bildgebung, Liquor- sowie weiterer Labordiagnostik, siehe insb.
- Diagnostisches Vorgehen bei Multipler Sklerose
- Differenzialdiagnosen der NMOSD
- Anwendung der Diagnosekriterien der NMOSD
Bildgebung
- Indikation
- Jede Erstmanifestation mit V.a. NMOSD (sowohl kraniales als auch spinales MRT)
- Verlaufsuntersuchungen insb. bei atypischer Klinik
- Sequenzen
- T1 (mit und ohne Gadolinium-Applikation), T2 nativ, jeweils axial und sagittal
- Ggf. Dünnschichtaufnahmen bei Beteiligung des N. opticus oder Hirnstamms
- Befunde
- Spinales MRT
- Akut
- Langstreckige T2-hyperintense Myelonläsion, ≥3 Wirbelkörpersegmente (LETM = „longitudinally extensive transverse myelitis lesion“)
- T1-Wichtung: KM-Aufnahme der Läsion
- Ödematös aufgetriebene Läsion
- Gelegentlich Ausdehnung bis in den Hirnstamm
- Chronisch
- Atrophie ≥3 Wirbelkörpersegmente
- Akut
- MRT der Nn. optici
- T2-hyperintense Läsion des N. opticus, uni- oder bilateral
- Läsionen häufig langstreckig (mehr als Hälfte des N. opticus)
- Läsionen schließen gelegentlich Chiasma opticum ein
- T1-Wichtung: KM-Aufnahme der Läsion
- cMRT: Häufig unauffällig, insb. initial
- Mögliche Lokalisationen T2-hyperintenser Läsionen
- Dorsale Medulla oblongata (Area postrema)
- Periependymal im Hirnstamm (häufig mit KM-Aufnahme in T1-Wichtung)
- Thalamus
- Hypothalamus
- Balken (häufig über mehr als die Hälfte des Balkens, Läsionen diffus oder ödematös)
- Subkortikal oder im tiefen Marklager (häufig ausgedehnte, konfluierende Läsionen, sowohl uni- als auch bilateral)
- Mögliche Lokalisationen T2-hyperintenser Läsionen
- Spinales MRT
Liquordiagnostik
- Stellenwert: Wichtig insb. zur Differenzialdiagnostik
- Zytologie: Leichte lymphogranulozytäre Pleozytose (häufig), im Schub bis über >50 Zellen/μL
- Oligoklonale Banden: Positiv in 10–20% der Fälle, dann häufig passagerer Befund
- MRZ-Reaktion: I.d.R. negativ
Antikörper-Diagnostik im Serum
- AQP4-Antikörper: Antikörper gegen Aquaporin-4 (AQP4)
- Indikation: Verdacht auf NMOSD
- Befund
- Positiv in 70% der Fälle [3]
- Häufig: Serokonversion im Verlauf
- Möglich: Seronegativität nach Therapie oder geringer Krankheitsaktivität
- Hinweise
- Antikörper-Diagnostik jeweils mittels zellbasiertem Testverfahren (Goldstandard)
- Bei negativer Testung und fortbestehendem NMOSD-Verdacht: Wiederholung im Verlauf
Weitere Diagnostik [7][8]
- Indikation: Im Wesentlichen aus differenzialdiagnostischen Erwägungen (siehe auch: Differenzialdiagnosen der NMOSD)
- Obligate Untersuchungen
- Basislabordiagnostik (großes Blutbild, CRP, Elektrolyte, Leberparameter, Nierenretentionsparameter, Blutzucker)
- Anti-MOG-Antikörper (bei DD MOG-IgG-assoziierte Erkrankung)
- Antinukleäre Antikörper (ANA)
- Anti-CCP-AK (bei DD rheumatologischer Erkrankung)
- Vitamin-B12-Spiegel
- Fakultative, im individuellen Fall sinnvolle Untersuchungen
- Lipidstatus
- HbA1c
- HIV-Serologie
- HTLV-1-Serologie (bei DD tropische spastische Paraparese)
- Borrelien-Serologie
- Treponema-Pallidum-Hämagglutinations-Assay (TPHA)
- Anti-Phospholipid-Antikörper
- Lupus-Antikoagulans
- β2-Mikroglobulin
- Überlangkettige Fettsäuren
- Holotranscobalamin, Methylmalonsäure (bei DD Vitamin-B12-Mangel)
- Paraneoplastische Antikörper (bei DD paraneoplastisches Syndrom/Myelitis)
- Anti-NMDA-Rezeptor-Antikörper
- Kupfer, Zink
- Manuelles Blutbild und Charakterisierung der Lymphozyten-Subpopulationen, ggf. erweiterte Tumorsuche (bei DD Lymphom)
- Röntgenthorax (bihiläre Lymphadenopathie?), FDG-PET-Untersuchung (hypermetabole Lymphknoten?), Angiotensin-konvertierendes Enzym (ACE), IL-2-Rezeptor (bei DD Neurosarkoidose)
- Eiweiß-Elektrophorese
- Immunfixation im Serum
Diagnosekriterien der NMOSD [9]
Diagnosekriterien der NMOSD mit AQP4-Antikörpern
- Sämtliche Kriterien sind obligat
- Mind. ein Kardinalsymptom (siehe: Kardinalsymptome bei NMO-Spektrum-Erkrankungen) im Rahmen eines akuten Schubs
- Nachweis von AQP4-Antikörpern
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen
Diagnosekriterien der NMOSD ohne AQP4-Antikörper (bzw. unbekanntem AQP4-Antikörper-Status)
Sämtliche Kriterien sind obligat
- Fehlen von AQP4-Antikörpern oder unbekannter Status
- Ausschluss von Differenzialdiagnosen
- Mind. zwei betroffene Regionen (siehe: Kardinalsymptome bei NMO-Spektrum-Erkrankungen) im Rahmen eines oder mehrerer akuter Schübe, die alle folgenden Subkriterien erfüllen
- Mind. ein Kardinalsymptom ist
- Optikusneuritis oder
- Langstreckige Myelitis (≥3 Wirbelkörpersegmente) oder
- Area-postrema-Syndrom
- Nachweis örtlicher Dissemination (≥2 Kardinalsymptome)
-
MRT-Kriterien des jeweils vorliegenden Kardinalsymptoms erfüllt
- Bei Optikusneuritis
- Kraniales MRT mit Normalbefund oder unspezifischen Marklagerläsionen oder
- MRT der Nn. optici mit T2-hyperintensen Läsionen oder KM-Anreicherung, jeweils über die Hälfte des N. opticus hinausgehend oder das Chiasma opticum einbeziehend
- Bei Myelitis
- Nachweis einer intramedullären Läsion über mind. drei Wirbelkörpersegmente oder
- Nachweis einer Rückenmarksatrophie über mind. drei Wirbelkörpersegmente bei akuter Myelitis in der Vorgeschichte
- Bei Area-postrema-Syndrom: Nachweis von Läsion in dorsaler Medulla oblongata (Area postrema)
- Bei Hirnstammsyndrom: Nachweis von periependymalen Hirnstammläsionen
- Bei Optikusneuritis
- Mind. ein Kardinalsymptom ist
Kardinalsymptome bei NMO-Spektrum-Erkrankungen
- Für die Anwendung in den Diagnosekriterien der NMOSD mit AQP4-Antikörpern bzw. Diagnosekriterien der NMOSD ohne AQP4-Antikörper werden sechs Kardinalsymptome (entsprechend den sechs möglicherweise beteiligten ZNS-Arealen) definiert:
- Optikusneuritis
- Akute Myelitis
- Area-postrema-Syndrom (episodenhafter Schluckauf oder Übelkeit und Erbrechen)
- Akutes Hirnstammsyndrom
- Symptomatische Narkolepsie oder akutes Zwischenhirnsyndrom (mit diencephalen NMOSD-typischen MRT-Läsionen)
- Symptomatisches zerebrales Syndrom (mit zerebralen NMOSD-typischen MRT-Läsionen)
Differenzialdiagnosen
- Die wichtigste Differenzialdiagnose der NMOSD ist die Multiple Sklerose
Multiple Sklerose
- Wesentlich häufiger als die NMOSD
- Die sorgfältige differenzialdiagnostische Abgrenzung ist nicht zuletzt im Hinblick auf unterschiedliche Therapieansätze im Intervall wichtig!
- Veraltet: Die Neuromyelitis optica wurde lange als Subtyp der Multiplen Sklerose klassifiziert, kann aber spätestens seit 2004 (Entdeckung der Aquaporin-4-Antikörper) als eigenständige Entität abgegrenzt werden.
Gegenüberstellung von Multipler Sklerose und NMOSD
Gegenüberstellung von Multipler Sklerose und NMOSD | |||
---|---|---|---|
Multiple Sklerose | NMOSD | ||
Verlauf |
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| |
Optikusneuritis | Seite |
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Ausprägung |
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MRT |
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VEP |
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Myelitis | Ausprägung |
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MRT |
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cMRT | Zerebrale Läsionen |
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Läsionsorte | |||
Liquor | Oligoklonale Banden |
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MRZ-Reaktion |
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| |
Zytologie |
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Anti-AQP4-Antikörper im Serum |
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Weitere Differenzialdiagnosen
- MOG-IgG-Antikörper-assoziierte Erkrankungen: Gruppe seltener demyelinisierender entzündlicher Enzephalomyelitiden mit IgG-Antikörpern gegen Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) ; müssen differenzialdiagnostisch bei der Multiplen Sklerose und den NMOSD berücksichtigt werden, insb. bei AQP4-AK-seronegativer NMOSD [7]
- Die MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen wurden früher als Unterform der NMOSD behandelt, werden mittlerweile aber als eine eigenständige Krankheitsentität angesehen
- Optikusneuritiden anderer Ätiologie
- Transverse Myelitis anderer Ätiologie
- Neurosarkoidose
- Systemischer Lupus erythematodes
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Die Behandlung der NMOSD umfasst zwei Therapiesäulen:
- Schubtherapie
- Intervalltherapie
Schubtherapie [8]
- Die Schubtherapie sollte frühstmöglich erfolgen
Glucocorticoid-Hochdosistherapie
- Ziel: Immunsuppression
- Indikation: Schub im Rahmen einer NMOSD, Therapie der 1. Wahl
- Methylprednisolon 1.000 mg/d i.v. für 5 Tage
- Bei therapierefraktärer Schubsymptomatik als Eskalationstherapie auch mit höherer Glucocorticoid-Dosis
- Allgemeine Therapiehinweise zur Glucocorticoid-Hochdosistherapie
- Protonenpumpenhemmer zur Magenulcus-Prophylaxe, etwa Omeprazol
- Medikamentöse Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin (bei Thromboserisiko)
Plasmaseparation
- Ziel: Entfernung von Antikörpern aus der Zirkulation
- Indikation
- Primäre Therapie, wenn
- Gutes Ansprechen auf Plasmaseparation bei vorherigem Schub
- Schlechtes Ansprechen auf Glucocorticoide bei vorherigem Schub
- Eskalationstherapie (schnellstmöglich) bei unzureichender Remission unter Glucocorticoid-Therapie
- Primäre Therapie, wenn
- Verfahren
- Plasmapherese (5–7 Zyklen, mit eintägiger Pause zwischen den Zyklen)
- Immunadsorption (5–7 Zyklen)
- Hinweise
- Beide Verfahren vergleichbar wirksam
- Wirksamkeit unabhängig vom Antikörper-Status
- Ggf. Wiederholung bei unzureichender Remission
Intervalltherapie [8]
- Indikation: Schnellstmöglich nach Diagnosesicherung
- Hinweise
- Mehrzahl der Wirkstoffe als Off-Label Use → Beachtung der entsprechenden Aufklärungs- und Dokumentationspflichten! [10]
- Vor immunsuppressiver Therapie [7]
- Überprüfung des Impfstatus gemäß STIKO-Empfehlungen und bedarfsgerechte Impfungen, insb.
- Pneumokokkenimpfung
- VZV-Impfung bei VZV-negativen Patient:innen
- Diagnostik auf Infektionserkrankungen (etwa Hepatitis, Tuberkulose, HIV)
- Überprüfung des Impfstatus gemäß STIKO-Empfehlungen und bedarfsgerechte Impfungen, insb.
- Bei Beginn oder Wechsel einer Immuntherapie zusätzlich überlappende Gabe oraler Steroide über 2–3 Monate
- Die Therapien sehen jeweils Vor-, Begleit- und teilweise auch Nachuntersuchungen vor, gelegentlich auch Besonderheiten bei der Umstellung von anderen Therapien
- Wirkstoffe
- Therapien der 1. Wahl
- Eculizumab (bei AQP4-AK-Seropositivität ab dem zweiten Schub)
- Rituximab (Off-Label Use)
- Azathioprin (Off-Label Use)
- Mycophenolatmofetil (MMF) (Off-Label Use)
- Therapien der 2. Wahl
- Neu zugelassene Wirkstoffe (Stellenwert gegenüber bisherigen Standardtherapeutika noch unklar)
- Therapien der 1. Wahl
Therapien der 1. Wahl
Eculizumab [7]
- Wirkmechanismus: Humanisierter monoklonaler IgG-Antikörper → Bindung an das Protein C5 des Komplementsystems → Blockade des sog. Membranangriffskomplexes → Komplementinhibition
- Dosierung
- Induktionstherapie
- Erhaltungstherapie
- Zu Therapiebeginn überlappende Gabe oraler Glucocorticoide zur Unterdrückung von Schüben
- 1. Monat
- 2.–3. Monat
- Anschließend Prednisolon ausschleichen
- Therapiekontrolle
- Initial alle 2–4 Wochen und dann bei guter Verträglichkeit vierteljährlich: Blutbild (inkl. Differenzialblutbild), Leberparameter und Kreatinin
- Schübe unter Eculizumab-Therapie
- Schubbehandlung mit Glucocorticoid-Hochdosistherapie oder Plasmaseparation (s.o.)
Rituximab [7]
- Wirkmechanismus: Monoklonaler Anti-CD20-Antikörper → Bindet an CD20 auf B-Zellen → B-Zell-Depletion
- Dosierung
- Induktionstherapie
- Erhaltungstherapie
- Zu Therapiebeginn überlappende Gabe von oralen Glucocorticoiden zur Unterdrückung von Schüben
- 1. Monat
- 2.–3. Monat
- Anschließend Prednisolon ausschleichen
- Prämedikation
- Analgetikum/Antipyretikum: Paracetamol und
- Antihistaminikum: Dimetinden und
- Prednisolon
- Therapiekontrolle
- Initial alle 2–4 Wochen und dann bei guter Verträglichkeit vierteljährlich: Blutbild (inkl. Differenzialblutbild), Leberparameter
- Vierteljährlich: CD19+- und/oder CD20+-B-Zellen
- Halbjährlich: Immunglobulin-Konzentration im Serum (IgA, IgG und IgM)
- Jährlich: Hepatitis-Serologie (Hepatitis B und C), HIV- und VZV-Serologie, Kontrolle Impfstatus
- Schübe unter Rituximab-Therapie
- Schubbehandlung mit Glucocorticoid-Hochdosistherapie oder Plasmaseparation (s.o.)
- Ggf. Umstellung auf Eculizumab oder Tocilizumab (IL-6-Inhibitor)
- Ggf. Kombinationstherapien, etwa
Azathioprin [7]
- Wirkmechanismus: Purinanalogon
- Störung der Zellteilung → Immunsuppression
- Dosierung
- Eindosierung
- Schema 1
- Schema 2
- Erhaltungstherapie
- Zu Therapiebeginn überlappende Gabe von oralen Glucocorticoiden (da Wirkeintritt von Azathioprin erst nach Monaten)
- 1. Monat
- 2.–4. Monat
- Nach Wirkeintritt von Azathioprin: Prednisolon ausschleichen
- Eindosierung
- Therapiekontrolle
-
Großes Blutbild wöchentlich in den ersten beiden Therapiemonaten, monatlich im folgenden halben Jahr und dann vierteljährlich
- Zielgrößen
- Leukozyten 3.000–5.000/μL (bei alleiniger Azathioprin-Therapie) bzw. 6.000–8.000/μL (bei überlappender Glucocorticoid-Therapie)
- Lymphozyten 600–1.000/μL
- Zielgrößen
- Monatlich Leberparameter , Kreatinin
-
Großes Blutbild wöchentlich in den ersten beiden Therapiemonaten, monatlich im folgenden halben Jahr und dann vierteljährlich
- Therapiehinweise
- Dosisreduktion bei Gabe mit Allopurinol oder Febuxostat
- Wichtige UAW: Knochenmarksuppression mit Leukozytopenie, Anämie und Thrombozytopenie (Blutungen) bis hin zur Panzytopenie
- Schübe unter Azathioprin-Therapie
- Behandlung mit Glucocorticoid-Hochdosistherapie oder Plasmaseparation (s.o.)
Bei Multipler Sklerose angewandte verlaufsmodifizierende Therapien sind bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen nicht wirksam (Glatirameracetat) bzw. können die Erkrankung sogar verschlechtern (etwa Interferon-β, Natalizumab, Alemtuzumab und Fingolimod)!
Prognose
- Häufig inkomplette Remission nach Schüben [15]
- Optikusneuritis: I.d.R. inkomplette Remission
- Myelitis: 75% inkomplette Remission nach erstem Schub
- Schnellere Behinderungsakkumulation als bei MS
- NMOSD-assoziierte Mortalität: Insb. aufgrund respiratorischer Insuffizienz
- Schwangerschaft: Erhöhte Rate an Fehlgeburten und Präeklampsie [16]
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- G36.-: Sonstige akute disseminierte Demyelinisation
- Exklusive: Postinfektiöse Enzephalitis und Enzephalomyelitis o.n.A. (G04.8)
- G36.0: Neuromyelitis optica [Devic-Krankheit]
- Demyelinisation bei Neuritis nervi optici
- Exklusive: Neuritis nervi optici o.n.A. (H46)
- G36.1: Akute und subakute hämorrhagische Leukoenzephalitis [Hurst]
- G36.8: Sonstige näher bezeichnete akute disseminierte Demyelinisation
- G36.9: Akute disseminierte Demyelinisation, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.