Abstract
Eine Unterfunktion der Nebennierenrinde kann primär (durch Schädigung in der NNR selbst) oder sekundär (durch Schädigung von Hypothalamus oder Hypophyse) bedingt sein. Mit Abstand die häufigste Ursache einer primären Störung ist dabei die Autoimmunadrenalitis. Klinisch zeigen sich bei der Erkrankung typischerweise ein niedriger Blutdruck, Antriebslosigkeit sowie evtl. Gewichtsverlust und Dehydratation.
Die Diagnose wird vor allem aufgrund der Laborkonstellation und nach Durchführung verschiedener Stimulationstests (z.B. ACTH-Gabe) gestellt. Therapeutisch steht die Substitution der Glucocorticoide zur Verfügung. Hierbei muss auf eine ausreichende Adaptation an belastende Situationen (Operationen, Traumen, Stress) geachtet werden, da bei akutem Hormonmangel die lebensbedrohliche Addison-Krise mit ZNS- und Schocksymptomatik bis hin zum Kreislaufversagen droht.
Epidemiologie
- Häufigkeitsgipfel der primären NNR-Insuffizienz: 30.–50. Lebensjahr
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Primäre NNR-Insuffizienz (= Morbus Addison)
- Definition: Störung in der Nebennierenrinde, kompensatorische Erhöhung des adrenocorticotropen Hormons (ACTH)
- Ursachen
- Autoimmunadrenalitis (ca. 80–90%!)
- Blutung
- Primäre NNR-Karzinome oder Metastasen
- Operative Entfernung der NNR
-
Infektiöse Erkrankungen
- Tuberkulose oder Zytomegalie-Virus-Infektion (insb. bei AIDS-Patienten)
- Meningokokkensepsis → Hämorrhagische Nekrose (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom)
- Medikamentöse Hemmung der Cortisolsynthese (Etomidat, Ketoconazol)
Bei Nebenniereninsuffizienz und febrilen Infekten, Brechdurchfall oder anderen Belastungssituationen kann der Glucocorticoidbedarf trotz bestehender Therapie erhöht sein!
Sekundäre NNR-Insuffizienz
- Definition: Störung im Hormonkreislauf "oberhalb" der NNR, die durch erniedrigten ACTH-Spiegel zur NNR-Insuffizienz führt
- Ursachen
- Insuffizienz des Hypophysenvorderlappens oder des Hypothalamus
- Behandlung mit Corticosteroiden über einen längeren Zeitraum
Bei abruptem Absetzen von Glucocorticoiden droht eine Addison-Krise!
Pathophysiologie
Die Nebennierenrinde besteht von außen nach innen (zum Mark hin) betrachtet aus der Zona glomerulosa (oder arcuata), der Zona fasciculata sowie der Zona reticularis . Die Nebennierenrinde produziert in erster Linie Glucocorticoide (Cortisol), Mineralocorticoide (Aldosteron) sowie Androgene.
Die Ausschüttung von Glucocorticoiden und Androgenen wird durch das hypophysär exprimierte ACTH gesteuert, die Ausschüttung von Mineralocorticoiden hauptsächlich durch Angiotensin II (RAAS). Demnach wird bei einem Mangel an ACTH (sekundäre NNR-Insuffizienz) anders als bei einem Versagen der Nebennierenrinde selbst (primäre NNR-Insuffizienz) der Aldosteronhaushalt kaum beeinträchtigt.
Pathophysiologie der Nebennierenrindeninsuffizienz | |||
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Hormone der Nebennierenrinde | Mögliche Folgen bei Mangel | Wesentlicher Stimulus der Ausschüttung | Ort der Synthese |
| |||
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Androgene |
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|
„Salt, sugar, sex, the deeper you go, the better it gets.“
- „Salzig“ außen
- „Zucker“ in der Mitte
- „Sex“ innen
„GFR, von außen nach innen“
- G: Zona glomerulosa
- F: Zona fasciculata
- R: Zona reticularis
Symptome/Klinik
- Leitsymptome einer manifesten NNR-Insuffizienz
- Arterielle Hypotonie
- Gewichtsverlust und Dehydratation
- Adynamie
- Pigmentierung der Haut und Schleimhäute (bei primärer NNR-Insuffizienz) bzw. blasse Haut (bei sekundärer NNR-Insuffizienz)
- Weitere Symptomatik
- Salzhunger , Abgeschlagenheit, Müdigkeit, abdominelle Symptomatik
- Bei Frauen: Verlust der Sekundärbehaarung durch Androgenmangel
- Bei akutem Mangel an Glucocorticoiden: Evtl. Addison-Krise (siehe: Komplikationen)
Verlaufs- und Sonderformen
Polyendokrines Autoimmunsyndrom (PAS, polyglanduläre Insuffizienz)
- Definition: Beim polyendokrinen Autoimmunsyndrom handelt es sich um eine Insuffizienz verschiedener endokriner Organe aufgrund autoimmunologischer Prozesse
- Epidemiologie: Betrifft etwa die Hälfte aller autoimmun verursachten NNR-Insuffizienzen
- Formen
- PAS Typ 1 (juvenile Form, auch APECED-Syndrom )
- Autosomal-rezessiver Erbgang
- Manifestation im Kindesalter
- Folgen: Hypoparathyreoidismus, Morbus Addison, mukokutane Candidiasis, gonadale Insuffizienz
- PAS Typ 2 (adulte Form, auch Schmidt-Syndrom)
- HLA-B8/DR3-Assoziation
- Manifestation im 3. Lebensjahrzehnt
- Folgen: Morbus Addison, Hashimoto-Thyreoiditis , Diabetes mellitus Typ 1, Alopezie und perniziöse Anämie
- PAS Typ 1 (juvenile Form, auch APECED-Syndrom )
- Diagnostik: Antikörperbestimmung je nach Erkrankung (z.B. Thyreoperoxidase-Antikörper, Parietalzellantikörper, Glutamatdecarboxylase-Antikörper)
- Therapie: Hormonsubstitution
Diagnostik
- Nachweis der NNR-Insuffizienz
- Natrium↓, Kalium↑
- Evtl. Hyperkalzämie
- Evtl. Azotämie
- ACTH-Kurztest für Cortisol
- Messung des Serumcortisols vor und nach ACTH-Gabe
- Primäre NNR-Insuffizienz: Niedriger Basalwert, kaum messbarer Anstieg nach ACTH-Gabe
- Sekundäre NNR-Insuffizienz: Niedriger Basalwert, abgeschwächter Anstieg nach ACTH-Gabe
- Plasma-ACTH
- Primäre NNR-Insuffizienz: ↑
- Sekundäre NNR-Insuffizienz: ↓ (kein Anstieg nach CRH-Gabe)
- Evtl. Bestimmung von Plasma-Renin-Konzentration und Aldosteron-Ausscheidung im Urin
- Bestimmung der Ursache
Primäre NNR-Insuffizienz | Sekundäre NNR-Insuffizienz | |
---|---|---|
Cortisol | ↓ | ↓ |
Cortisol nach ACTH-Kurztest | Keine Erhöhung | Neu bestehende Insuffizienz → Erhöhung Länger bestehende Insuffizienz → Keine Erhöhung |
Plasma-ACTH | ↑ (kompensatorisch) | ↓ |
Aldosteron | ↓ | normal |
Renin | ↑ (kompensatorisch) | normal |
Elektrolyte | Kalium normal | |
Androgene (bei ♀) | ↓ | ↓ |
Therapie
-
Substitution der Glucocorticoide (Hydrocortison)
- Anpassung der Glucocorticoid-Dosis bei Belastungen (Infekte, Operation usw.)
- Bei Morbus Addison evtl. zusätzliche Mineralocorticoid-Substitution (Fludrocortison)
- Bei Frauen evtl. DHEA-Gabe (Dehydroepiandrosteron) bei Libidoverlust
Eine Hydrocortisontherapie bei substitutionspflichtigen Patienten soll in relevanten Stresssituationen nicht ohne Dosisanpassung bleiben. (DGIM - Klug entscheiden in der Endokrinologie)
Komplikationen
Addison-Krise
- Ursachen
- Gesteigerter Bedarf an Glucocorticoiden (Infektion, Trauma, Stress)
- Abruptes Absetzen einer Glucocorticoidtherapie
- Stresszustände bei bisher noch unerkannter NNR-Insuffizienz
- Klinik: Symptome des Hypocortisolismus (siehe: Symptome) sowie die folgenden
- Vigilanzstörung, Fieber
- Erbrechen, Diarrhö, Exsikkose
- Starker Blutdruckabfall, Schock
- Hypoglykämie
- Pseudoperitonitis
- Therapie
- Hochdosierte Hydrocortison-Gabe
- Flüssigkeitssubstitution, evtl. mit Glucose
- Elektrolytausgleich
- Intensivmedizinische Überwachung
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2022
- E27.-: Sonstige Krankheiten der Nebenniere
- E27.1: Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz
- Addison-Krankheit Autoimmunadrenalitis
- Exklusive: Amyloidose (E85.‑), Tuberkulöse Addison-Krankheit (A18.7), Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (A39.1)
- E27.2: Addison-Krise
- Akute Nebennierenrindeninsuffizienz Nebennierenrinden-Krise
- E27.3: Arzneimittelinduzierte Nebennierenrindeninsuffizienz
- E27.4: Sonstige und nicht näher bezeichnete Nebennierenrindeninsuffizienz
- Hypoaldosteronismus
-
Nebennieren:
- Blutung
- Infarzierung
- Nebennierenrindeninsuffizienz o.n.A.
- Exklusive: Adrenoleukodystrophie [Addison-Schilder-Syndrom] (E71.3), Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (A39.1)
- E27.1: Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2022, DIMDI.