Abstract
Aufgrund unterschiedlicher Krankheitsbilder der Schilddrüse (z.B. Malignome, Hyperthyreose oder mechanische Komplikationen durch große Struma) kann eine komplette oder teilweise Resektion der Schilddrüse indiziert sein. Präoperativ sollte insbesondere zur Vermeidung einer thyreotoxischen Krise eine euthyreote Stoffwechsellage eingestellt werden. Neben einer Hypothyreose und allgemeinen Operationskomplikationen wie Blutungen und Infektionen kann es zu Verletzungen des N. recurrens sowie zur Ausbildung eines postoperativen Hypoparathyreoidismus (durch Entfernung der Nebenschilddrüsen) kommen. Letzterer wird durch eine Substitution von Calcium und Calcitriol therapiert. Bei Verdacht auf eine Nachblutung muss aufgrund des Risikos einer trachealen Kompression eine umgehende operative Revision erfolgen.
Indikation
- Schilddrüsenkarzinom: Operationsprinzip ist die Thyreoidektomie mit zentraler Lymphknotendissektion
- Bei malignitätsverdächtigen, einseitigen Knoten: Hemithyreoidektomie
- Struma: Bei mechanischen Komplikationen bzw. unzureichendem Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie
- Befundorientiertes Vorgehen: Teilresektion bis Totalresektion möglich
- Hyperthyreose: Als Ultima ratio bei anderweitig nicht beherrschbarer Hyperthyreose bzw. mechanischen Komplikationen und/oder Malignitätsverdacht
- Ablatives Vorgehen: Thyreoidektomie oder fast-totale Resektion (< 2 ml Restschilddrüse)
Vorbereitung
- Bei Hyperthyreose: Herbeiführen einer Euthyreose durch thyreostatische Therapie
- Indikation prüfen: Je nach Indikation sollten erforderliche Voruntersuchungen erfolgt sein, bspw.
- Schilddrüsenszintigrafie bei Struma
- Staging-Diagnostik bei Schilddrüsenkarzinom
- Präoperative Status-Diagnostik
- Calcium-Stoffwechsel: Bestimmung des Serumcalciums
- Präoperative Laryngoskopie: Beurteilung der Funktion des N. laryngeus recurrens (u.a. aus forensischen Gründen)
- Für allgemeine Hinweise zum präoperativen Management siehe
Ablauf/Durchführung
Allgemeines Vorgehen
- Kocher-Kragenschnitt → Sorgfältige Präparation und Blutstillung → Ligatur und Absetzen der zuführenden Gefäße (obere und untere Polgefäße) → Resektion der Schilddrüse (Schilddrüsenanteile) von oben nach unten
- Schonung des N. recurrens: Frühes Aufsuchen → Intraoperatives Neuromonitoring [1]
- Zusätzlich Stimulation des N. vagus zur Vermeidung falsch-positiver Neuromonitoring-Befunde (Aufsuchen des N. vagus zwischen A. carotis communis und V. jugularis)
- Schonung der Nebenschilddrüsen
- Gemeinsame Blutversorgung von Schilddrüse und Nebenschilddrüsen durch die A. thyroidea inferior bzw. superior
- Auch bei totaler Thyreoidektomie durchblutungsschonender in-situ-Erhalt bzw. Autotransplantation mindestens einer der 4 Nebenschilddrüsen
Minimal-invasive Schilddrüsenchirurgie
- Standard ist die offene Schilddrüsenchirurgie, in letzten Jahren werden zunehmend auch Techniken der minimalinvasiven Schilddrüsenchirurgie eingeführt
- Zugänge über kleine Schnitte an Hals, Brustkorb oder Axilla
- Kosmetische Vorteile
- Vorteile bezüglich Sicherheit und Komplikationsrate bisher nicht bewiesen
Varianten
- Thyreoidektomie
- Entfernung des kompletten Schilddrüsengewebes
- Bei Malignomen
- Standardmäßige Entfernung des zentralen Kompartiments (Nodi lymphoidei cervicales centrales)
- Bei LK-Metastasen auch laterales Kompartiment (Nodi lymphoidei cervicales laterales)
- Autotransplantation mindestens einer Nebenschilddrüse
- Hemithyreoidektomie: Komplette Entfernung eines Schilddrüsenlappens (inklusive Isthmus) unter Belassen der Gegenseite
- Partielle / Subtotale / Fast-totale (near-total) Schilddrüsenresektion
- Partielle Schilddrüsenresektion: >4 mL Restgewebe
- Subtotale Schilddrüsenresektion: 2–4 mL Restgewebe
- Fast-totale Schilddrüsenresektion: <2 mL Restgewebe
- Partielle / subtotale / fast-totale Schilddrüsenresektion unter Belassung von gesundem Schilddrüsengewebe mit entsprechender Gefäßversorgung
- Operation nach Riedel-Hartley–Dunhill: Hemithyreoidektomie mit kontralateral subtotaler Schilddrüsenresektion
- Isthmusresektion: Resektion des prätrachealen Schilddrüsengewebes
- Knotenexstirpation
- Indikation (Ausnahmefälle): Solitäre, sicher benigne Knoten, z.B. autonomes Adenom, Zyste
- Knappe Lappenteilresektion oder Segmentresektion mit Randsaum normalen Gewebes
Komplikationen
Allgemeine Komplikationen
- Nachblutung (Cave: Kompression der Trachea)
- Infektion
- Verletzung umliegender Strukturen
- Narbenbildung bzw. Keloidbildung
- Sehr selten thyreotoxische Krise (insb. wenn nicht in euthyreoter Stoffwechsellage operiert wird)
- Bei Reoperationen: Deutlich erhöhtes Risiko für Komplikationen (u.a. Verletzungen des N. recurrens oder Hypoparathyreoidismus)
- Siehe auch: Allgemeine postoperative Komplikationen
Spezielle Komplikationen
Parese des N. recurrens
- Einseitig: Heiserkeit durch eingeschränkte Beweglichkeit der Stimmlippe (Paramedianstellung)
- Beidseitig: Atemnot möglich, ggf. Intubation oder Tracheotomie notwendig
- Postoperatives Management: Zum Ausschluss postoperative laryngoskopische Kontrolle der Kehlkopffunktion
Substitutionspflichtige Hypothyreose
- Häufigkeit: Bei subtotaler Resektion in etwa 80%, bei fast-totaler Resektion in nahezu 100% der Fälle
- Postoperatives Management: L-Thyroxin-Substitution
Parathyreoprive Tetanie [1][2]
- Definition: Symptomatische Erniedrigung des ionisierten Calciums infolge einer gestörten PTH-Sekretion nach Schädigung bzw. (teilweiser) Entfernung der Nebenschilddrüsen
- Häufig vorübergehend, Stabilisierung der Calciumwerte innerhalb weniger Wochen
- Postoperativ wiederholt Serumcalciumbestimmungen notwendig!
- Seltenere Verlaufsform: Postoperativer Hypoparathyreoidismus
- Therapie: Ab Calciumwerten <2,0 mmol/L kombiniert mit Parathormonwerten <10 pg/mL oder symptomatischer Hypokalzämie [3][4]
- Kombination aus Calciumsubstitution oral und Calcitriol
- Im Notfall (tetanischer Anfall) Calciumsubstitution i.v.
- Ziel: Symptomfreiheit, Vermeidung einer klinisch relevanten Hyperkalzurie durch Einstellung des Serumcalciums im unteren Referenzbereich
- Cave: Keine Beeinflussung der (PTH-abhängigen) renalen Calciumrückresorption durch die Substitutionstherapie → Gefahr der Hyperkalzurie und konsekutive Nephrokalzinose
- Ggf. Einsatz von Phosphatbindern (bei therapieresistenter Hyperphosphatämie) und Thiaziden (bei therapieresistenter Hyperkalzurie)
- Lebenslange Laborkontrollen unter Therapie (Calcium, Phosphat, Kreatinin, Urincalciumausscheidung), Nierensonografien (Ausschluss Nephrokalzinose), augenärztliche Untersuchungen (Ausschluss Katarakt), Notfallausweis aushändigen!
- Siehe auch: Elektrolytstörungen Calcium
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.