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Vorzeitige Plazentalösung

Letzte Aktualisierung: 5.6.2023

Abstracttoggle arrow icon

Eine vorzeitige Plazentalösung kommt bei etwa 1% aller Schwangerschaften vor und stellt primär eine vitale Bedrohung für das Leben des Ungeborenen dar, bei starker Blutung auch für das der Mutter. Meist ist die Ursache der Plazentalösung unklar, wobei Gefäßveränderungen und Traumata als prädisponierende Faktoren angenommen werden. In 20–30% der Fälle bleibt die vorzeitige Lösung asymptomatisch und ist nur sonografisch zu diagnostizieren. Symptomatisch wird die Erkrankung mit Schmerzen im Unterbauch, einem brettharten Uterus und Symptomen des Volumenmangels bei starker Blutung nach innen oder außen. Im CTG bestätigen sich die Zeichen einer akuten Plazentainsuffizienz durch eine fetale Hypoxie. Die Sonografie führt i.d.R. zur richtigen Verdachtsdiagnose und zur Einleitung adäquater therapeutischer Maßnahmen. Diese unterscheiden sich abhängig von Symptomatik, Kreislaufstabilität bei Mutter und Kind sowie Gestationsalter. Es muss immer auch an das Auftreten von Blutungskomplikationen wie z.B. eine Verbrauchskoagulopathie gedacht und dieser entgegengewirkt werden.

Definitiontoggle arrow icon

Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Ätiologietoggle arrow icon

Prädisponierende Faktoren [1][2][3]

Pathophysiologietoggle arrow icon

Die genaue Pathophysiologie ist bisher nicht abschließend geklärt.

  • Primärer Pathomechanismus: Ruptur vorgeschädigter maternaler Gefäße in der Dezidua → Zunehmende Blutansammlung zwischen Plazenta und Uterushaftfläche → Fortschreiten der Ablösung bis zur vollständigen Plazentalösung
    • Minderversorgung des Fötus durch Kompression des intervillösen Raums (Hämatom) und Minderperfusion der Plazenta durch abgerissene maternale Gefäße
    • Zusätzliche Thrombosierung mit weiterer Versorgungseinschränkung möglich
    • Ggf. als Extremvariante Couvelaire-Syndrom (Apoplexia uteri): Einblutung in die Uteruswand und Thrombosierung uteriner Gefäße, die zu einer Minderversorgung und einem Verlust der uterinen Kontraktionsfähigkeit führen (Uterusatonie) → Atone Nachblutung
  • Circulus vitiosus: Retroplazentare Hämatombildung → Massiver inapparenter Blutverlust; dies führt zu:
    1. Volumenmangelschock
    2. Disseminierter intravasaler Gerinnung: Freisetzung von Gewebsthromboplastin aus der Plazenta durch vorzeitige Lösung → Massive Gerinnung unter Gerinnungsfaktoren- und Thrombozytenverbrauch (Gerinnungsfaktoren, Thrombozyten und Fibrinogen↓) → Aktivierung des fibrinolytischen Systems mit Spaltung der Gerinnsel (D-Dimere↑) → Erhöhte Blutungsneigung durch Entgleisung des Gerinnungssystems und antikoagulatorisch wirkende Fibrinspaltprodukte (D-Dimere)

Ausschließlich die Geburt des Kindes oder Entbindung der Mutter mit Entfernung der Plazenta kann diesen Teufelskreis unterbrechen!

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Typische Klinik [1][2]

In Abhängigkeit vom Ausmaß der Ablösung sowie von der Größe und Lokalisation des Hämatoms kommt es zu einer unterschiedlich starken Ausprägung der Symptomatik.

Die sichtbare Blutungsmenge wird i.d.R. unterschätzt! Bei stärkerer oder ggf. nicht einschätzbarer Blutung sollte immer an eine DIC gedacht und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden (großlumige Zugänge, Volumensubstitution, Erythrozytenkonzentrate, Fresh Frozen Plasma und ggf. Thrombozytenkonzentrate bereitstellen)!

Einteilung: Schweregrad nach Page [2][3]

  • Grad 0: Klinisch stumm, nur geringe Ablösung
  • Grad I: Klinisch geringgradige Blutung (nach innen oder außen), kein bis geringgradiger Druckschmerz, keine bis geringgradige Erhöhung des Uterustonus, i.d.R. unauffälliger fetaler Zustand
  • Grad II: Starke Ablösung, mittelgradige Blutung (nach innen oder außen) mit Schmerzen, erhöhtem Uterustonus und pathologischem CTG bis hin zum IUFT
  • Grad III: Starke Blutung (hämorrhagischer Schock der Mutter), druckschmerzhafter und brettharter Uterus, abdominale Abwehrspannung, Gerinnungsstörungen, IUFT

Diagnostiktoggle arrow icon

Die Diagnose der vorzeitigen Plazentalösung ist v.a. klinisch aufgrund der Symptomatik, des CTG und den Ultraschallbefunden sowie Laborveränderungen zu stellen.

Für das allgemeine praxisorientierte Vorgehen bei Blutungen in der Spätschwangerschaft siehe auch: Klinisches Management präpartaler Blutungen!

Wichtige diagnostische Schritte bei V.a. vorzeitige Plazentalösung sind:

Eine rasche Diagnose und eine daran unmittelbar anschließende Therapie sind bei schwerem Verlauf entscheidend für das Überleben der Mutter und insb. des Kindes!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Das klinische Vorgehen ist abhängig von der Befundschwere, dem Zustand der Schwangeren und des Kindes sowie dem Gestationsalter. Prinzipiell unterscheidet man zwischen einem abwartenden und einem aktiven Vorgehen.

Vorgehensweise anhand des Schweregrades nach Page [2][3]

Zum praktischen Vorgehen und Komplikationsmanagement siehe auch:

Bis (max.) Grad I: Abwartendes Vorgehen

Ab Grad II: Aktives Vorgehen

Komplikationentoggle arrow icon

Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Prognosetoggle arrow icon

Präventiontoggle arrow icon

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Kainer et al.: Facharztwissen Geburtsmedizin. Elsevier GmbH 2021, ISBN: 978-3-437-23753-9.
  2. Uhl: Gynäkologie und Geburtshilfe compact. Georg Thieme Verlag 2023, ISBN: 978-3-132-44180-4.
  3. von Kaisenberg et al.: Die Geburtshilfe. Springer 2020, ISBN: 978-3-662-44369-9.
  4. Goerke et al.: Klinikleitfaden Gynäkologie, Geburtshilfe. 7. Auflage Urban & Fischer 2010, ISBN: 3-437-22213-9.
  5. Haag et al.: Gynäkologie und Urologie (2012/13). 6. Auflage Medizinische Verlags- und Informationsdienste 2012, ISBN: 3-929-85175-x.
  6. Peiffer et al.:Conservative Management of Placenta Accreta/Increta after Vaginal BirthIn: Geburtshilfe Frauenheilkunde. 2012, doi: 10.1055/s-0032-1327827 . | Open in Read by QxMD.
  7. Ulrich et al.: Ultraschalldiagnostik in Geburtshilfe und Gynäkologie. Springer 2013, ISBN: 978-3-642-29632-1.
  8. Feige et al.: Kreißsaal-Kompendium: Das Praxisbuch für die Geburtshilfe. Thieme 2012, ISBN: 978-3-131-63761-1.

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