Zusammenfassung
Eine Schädigung des Tubulussystems der Nieren kann akut zu einem Nierenversagen führen. Bedeutsam ist hier neben einer medikamentösen/toxischen auch eine infektiöse Genese. Eine Hantavirus-Infektion mit dem Virustyp Puumala ist beispielsweise in Deutschland keine Seltenheit und äußert sich typischerweise durch grippale Beschwerden, einen Anstieg der Retentionsparameter und eine Thrombozytopenie. Analgetika können sowohl zu einem akuten oder auch chronischen Verlauf einer tubulo-interstitiellen Nephritis führen.
Letztere verursacht das Krankheitsbild der Analgetika-Nephropathie, die charakteristischerweise mit dem Auftreten von Papillennekrosen einhergeht. Weitere Medikamente und Toxine (Blei, Cadmium u.a.) können ebenso wie immunologische (Multiples Myelom, Lupus erythematodes) oder metabolische Vorgänge (Hyperurikämie, Hyperkalzämie) durch eine dauerhafte Schädigung in einer chronischen Niereninsuffizienz münden.
Definition
Akute und/oder chronische Entzündung der Tubuli und des Interstitiums der Nieren
Ätiologie
Akute tubulo-interstitielle Nephritis
- Medikamentös: Antibiotika, NSAR, Diuretika, Allopurinol, Omeprazol
-
Infektiös
- Vor allem Hantavirus
- Parainfektiös bei bakteriellen Erkrankungen (Streptokokken, Staphylokokken, Legionellen u.a.)
Hantavirus-Infektion
- Infektionsweg: Einatmen erregerhaltiger Aerosole von Ausscheidungen oder Bisse infizierter Nagetiere (vor allem Ratten und Mäuse)
Verlaufsform | Virustypen | Vorkommen |
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Namentliche Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung, Nachweis und Tod |
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Chronische tubulo-interstitielle Nephritis
- Medikamentös/toxisch
- Stoffwechselerkrankungen: Hyperurikämie (Gichtnephropathie), Hyperkalzämie, Hyperoxalurie
- Immunologisch: Myelomniere (Cast-Nephropathie), Sjögren-Syndrom, Lupusnephritis
- Polyzystische Nierenerkrankungen
- Strahlennephritis
Pathophysiologie
- Analgetika-Nephropathie
- Ausgelöst vor allem durch Kombinationspräparate von Phenacetin , ASS , Paracetamol und Koffein
- Es kommt insbesondere zur Ischämie der Papillenspitzen und dadurch zur Papillennekrose mit Hämaturie
-
Myelomniere (Cast-Nephropathie)
- Beim multiplen Myelom kann es zur übermäßigen Produktion von Leichtketten kommen, die frei in den Primärharn filtriert werden. Normalerweise werden diese von den Tubuli rückresorbiert oder mit dem Urin ausgeschieden. Es kann aber auch zum Ausfall der Leichtketten innerhalb der Tubuli mit den Folgen einer Obstruktion kommen. Gleichzeitig üben die Leichtketten einen toxischen Effekt aus. Begünstigt wird dieser Pathomechanismus durch einen Flüssigkeitsmangel
- Das vermehrte Vorkommen von Leichtketten kann auch zu Ablagerungen in den Glomeruli führen (→ Leichtkettenerkrankung)
Symptomatik
- Allgemein
- Symptome des Nierenversagens, falls vorhanden
- Spezifische Symptome
- Akute Nephritis medikamentöser Genese: Allergische Reaktion in ca. 1/3 der Fälle (grippeähnliche Symptome, Hautexanthem, Eosinophilie)
- Hantavirus-Infektion: Hohes Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen, Flankenschmerzen
- Analgetika-Nephropathie: Hämaturie, evtl. mit Koliken durch Papillennekrosen
Diagnostik
- Blut
- Anstieg der Retentionsparameter
- Hantavirus-Infektion: Typischerweise Thrombozytopenie, Antikörpernachweis
- Urin
- Tubuläre Proteinurie (meist <2 g/Tag)
- Tlw. Glucosurie ohne Hyperglykämie!
- Hämaturie → Im Gegensatz zur Glomerulonephritis zeigen sich keine Erythrozytenzylinder und Akanthozyten
- Nierenbiopsie (oft unspezifische Histologie, die keine ursächliche Zuordnung erlaubt)
- Sonografie
Therapie
- Allgemein
- Überwachung der Nierenfunktion
- Ggf. Einsatz von Glucocorticoiden
- Ggf. (vorübergehend) Dialyse
- Speziell
- Toxisch/Medikamentös: Absetzen bzw. Meiden der Noxe
- Hantavirus-Infektion: Symptomatisch, ggf. Ribavirin
- Myelomniere: Forcierte Diurese, ggf. Plasmapherese/Dialyse
Prognose
- Die akute tubulo-interstitielle Nephritis hat meist eine gute Prognose
- Die chronische tubulo-interstitielle Nephritis endet meist in einer terminalen Niereninsuffizienz, das Risiko für Urothelkarzinome ist erhöht!
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Hantavirus
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- N10: Akute tubulointerstitielle Nephritis
- Inklusive: Akut:
- infektiöse interstitielle Nephritis
- Pyelitis
- Pyelonephritis
- Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95–B98) zu benutzen.
- Inklusive: Akut:
- N11.-: Chronische tubulointerstitielle Nephritis
- Inklusive: Chronisch:
- infektiöse interstitielle Nephritis
- Pyelitis
- Pyelonephritis
- Soll der Infektionserreger angegeben werden, ist eine zusätzliche Schlüsselnummer (B95–B98) zu benutzen.
- Inklusive: Chronisch:
- N11.0: Nichtobstruktive, mit Reflux verbundene chronische Pyelonephritis
- Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit Reflux (vesikoureteral)
- Exklusive: Vesikoureteraler Reflux o.n.A. (N13.7)
- N11.1: Chronische obstruktive Pyelonephritis
-
Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit (jeweils pelviureteral, pyeloureteral bzw. Ureter):
- Abknickung
- Anomalie
- Obstruktion
- Striktur
- Exklusive: Obstruktive Uropathie (N13.‑)
-
Pyelonephritis (chronisch) in Verbindung mit (jeweils pelviureteral, pyeloureteral bzw. Ureter):
- N11.8: Sonstige chronische tubulointerstitielle Nephritis
- Nichtobstruktive chronische Pyelonephritis o.n.A.
- N11.9: Chronische tubulointerstitielle Nephritis, nicht näher bezeichnet
- Chronisch:
- interstitielle Nephritis o.n.A.
- Pyelitis o.n.A.
- Pyelonephritis o.n.A.
- Chronisch:
- N12: Tubulointerstitielle Nephritis, nicht als akut oder chronisch bezeichnet
- Inklusive: Interstitielle Nephritis o.n.A., Pyelitis o.n.A., Pyelonephritis o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.