Abstract
Mittelgesichtsfrakturen werden nach Le Fort eingeteilt, frontobasale Gesichtsfrakturen nach Escher. Die häufigsten Gesichtsfrakturen sind jedoch Nasenbeinfrakturen sowie die einfache Fraktur von Jochbein (Os zygomaticum) und/oder Jochbogen (Arcus zygomaticus). Letztere können durch Kieferklemme und Monokelhämatom symptomatisch werden. Bei frontobasalen Frakturen und Felsenbeinquerfrakturen ist ein Liquorfluss aus der Nase möglich (Rhinoliquorrhö). Der Austritt von Liquorflüssigkeit lässt sich über das Vorhandensein von β2-Transferrin und/oder β-trace-Protein testen (wird auf einem Schwämmchen gesammelt), da diese Proteine weitestgehend spezifisch für den Liquor cerebrospinalis sind.
Mittelgesichtsfrakturen
- Definition: Mittelgesichtsfrakturen werden nach Le Fort eingeteilt
- Leitsymptom aller Le-Fort-Frakturen: Okklusionsstörung
Mittelgesichtsfrakturen | ||
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Frakturtyp | Bezeichnung | Beteiligte Strukturen |
Le Fort I | Horizontaler Oberkieferbruch | Basale Absprengung der Maxilla |
Le Fort II | Pyramidenförmiger Oberkieferbruch | Absprengung der Maxilla inkl. knöcherner Nase |
Le Fort III | Transversaler Oberkieferbruch | Hohe Absprengung des gesamten Mittelgesichts inkl. knöcherner Nase; die Fraktur führt durch das Os ethmoidale |
- Therapie: Operative Versorgung
- Fixation mittels Platten- bzw. Miniplattenosteosynthese
- Reposition der Frakturfragmente unter Einstellung der Okklusion
Frontobasale Frakturen (Rhinobasisfrakturen)
- Definition: Frakturen der vorderen Schädelbasis durch Gewalteinwirkungen von vorne werden nach Escher eingeteilt
- Klinik
- Leitsymptom: Monokel- oder Brillenhämatom mit subkonjunktivaler Einblutung (Hyposphagma)
- Bei zusätzlicher Durazerreißung: Rhinoliquorrhö mit Gefahr einer aufsteigenden Entzündung im Sinne einer Meningitis
- Diagnostik
- β2-Transferrin mittels Immunelektrophorese
- β-trace-Protein findet sich im Liquor in einer vielfach höheren Konzentration als im Serum
Frontobasale Frakturen (Rhinobasisfrakturen) | |||
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Frakturtyp nach Escher | Bezeichnung | Gewalteinwirkung | Beteiligte Strukturen |
Escher Typ I | Hohe frontobasale Fraktur (ca. 65%) | Auf das Os frontale | Trümmerfraktur mit Beteiligung des Os frontale und Sinus frontalis |
Escher Typ II | Mittlere frontobasale Fraktur (ca. 15%) | Auf die Stirnnasenwurzel | Lamina cribrosa, Os ethmoidale und Os sphenoidale |
Escher Typ III | Tiefe frontobasale Fraktur (ca. 10%) | Auf das Mittelgesicht mit Impression von Nasenwurzel und Os ethmoidale | Abriss des Mittelgesichts von der Schädelbasis häufig mit Oberkieferfrakturmuster von Le Fort III |
Escher Typ IV | Laterale frontobasale Fraktur (ca. 10%) | Von seitlich vorne | Fraktur von Orbitadach und Hinterwand des Sinus frontalis |
- Therapie: Jede nachgewiesene frontobasale Fraktur muss sowohl konservativ als auch operativ versorgt werden!
- Konservativ
- Bereits bei Verdacht auf Rhinoliquorrhö: Frühzeitige antibiotische Prophylaxe mit liquorgängigem Antibiotikum (z.B. Ceftriaxon)
- Ggf. abschwellende Nasentropfen
- Operativ
- Enttrümmerung der Fraktur
- Abdichtung des Liquorlecks im Falle einer Durazerreißung
- Drainage der Nasennebenhöhlen
- Osteosynthese der Frakturfragmente
- Konservativ
Häufigste Ursache für eine Rhinoliquorrhö ist eine Fraktur der äußerst dünnen Lamina cribrosa (Teil des Os ethmoidale) oberhalb der Nasenhöhle!
Laterale Mittelgesichtsfrakturen (Jochbein- und Jochbogen-Fraktur)
- Definitionen[1]
- Jochbogenfraktur: Isolierte Fraktur des Arcus zygomaticus
- Jochbeinfraktur: Kombinierte Fraktur, häufig mit Beteiligung des Jochbogens, Orbitabodens sowie der Wand der Kieferhöhle (Tripodfraktur)
- Ätiologie: Trauma bei Sport oder Autounfällen
- Symptome
- Kieferklemme (beeinträchtigte Mundöffnung) oder Kiefersperre (beeinträchtigter Mundschluss)
- Sensibilitätsausfall im Bereich des N. infraorbitalis
- Augenbeteiligung
- Therapie
- Konservativ
- Indikation: Kann erwogen werden, wenn keine Dislokation sowie keine Funktionsbeeinträchtigung von Nachbarstrukturen besteht
- Maßnahmen: Kontrollierte Verlaufsbeobachtung, physikalische Maßnahmen (Kühlung, abschwellende Nasentropfen) sowie funktionelle Entlastung (z.B. weiche Kost)
- Operative Versorgung
- Indikation: Bei dislozierten bzw. nicht-reponierbaren Frakturen, motorischen Funktionseinschränkungen der Augenmuskulatur und/oder Sensibilitätsstörungen des zweiten Trigeminusastes
- Maßnahmen: Frakturreposition und osteosynthetische Fixation
- Konservativ
Nasenbeinfraktur
- Ätiologie: Meist stumpfe Gewalteinwirkung
- Klinik
- Häufig Nasenbluten (Epistaxis)
- Behinderung der Nasenatmung
- Schwellung der Nase
- Diagnostik
- Klinische Untersuchung
- Schiefstand der Nase
- Impression der gegenüberliegenden Wand
- Krepitationen beweisend, aber selten
- Bildgebung
- Konventionelles Röntgen (ggf. CT): Seitliche Darstellung des Nasenbeins sowie Darstellung der Nasennebenhöhlen
- Fotografische Dokumentation[1]
- Klinische Untersuchung
- Therapie
- Komplikation: Septumhämatom
- Ätiologie: Ohne Zerreißung der Nasenschleimhaut bildet sich ein Hämatom zwischen Knorpel und Knorpelhaut (Perichondrium) bzw. zwischen Knochen und Knochenhaut
- Klinik: Völlige Verlegung des Nasenlumens mit (doppelseitiger) Behinderung der Nasenatmung kurz nach dem Trauma
- Rhinoskopie: Prallelastische, ballonartige Vorwölbung der Schleimhaut
- Therapie: Immer umgehende chirurgische Inzision, anschließende Kompression durch eine Nasentamponade
- Komplikationen: Bei zu später Therapie Nasenseptumabszess → Nasenseptumnekrose → Sattelnase
Felsenbeinfraktur
Normalbefund
- Dreieckiges, glatt begrenztes Felsenbein – seitensymmetrisch
- Gut pneumatisiertes Mastoid
- Freie Sinus
Felsenbeinfraktur
- Ätiologie: Meist Berstungsfraktur im Rahmen eines Polytraumas oder Schädelhirntraumas
- Einteilung: Einteilung nach Bruchlinienverlauf durch das Felsenbein
- Längsfraktur
- Querfraktur
- Diagnostik: CT
- Therapie
- Bettruhe und steriles Abdecken des Ohres
- Sofortige Antibiotikabehandlung zur Meningitis-Prophylaxe
- Bei anhaltendem Liquorfluss ist ggf. eine sofortige operative Intervention notwendig
- Tympanoplastik zu einem späteren Zeitpunkt
Felsenbeinfrakturen | ||
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Aspekt | Längsfraktur (ca. 90%) | Querfraktur (ca. 10%) |
Gewalteinwirkung |
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Lokalisation |
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Schwerhörigkeit |
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Klinik |
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Otoskopie | Trommelfellriss |
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Der Austritt von Liquorflüssigkeit lässt sich über das Vorhandensein von β2-Transferrin testen!
Orbitafraktur
Siehe: Orbitafraktur
Unterkieferfraktur
Siehe: Unterkieferfraktur
3D-Anatomie
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3D-Modell
Exkurse
Modellansicht
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- S02.-: Fraktur des Schädels und der Gesichtsschädelknochen
- S02.0: Schädeldachfraktur
- S02.2: Nasenbeinfraktur
- S02.4: Fraktur des Jochbeins und des Oberkiefers
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.