- Klinik
Audiometrische Verfahren in der HNO
Abstract
In der audiometrischen Diagnostik der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde können durch verschiedene Testverfahren Ort und Ausmaß einer Schwerhörigkeit bestimmt werden. Schwerhörigkeit kann durch Störungen im äußeren Gehörgang, Mittel- oder Innenohr sowie zentral im Bereich der Hörbahn entstehen. Je nach Ursprungsort der Störung wird die Schwerhörigkeit in Schallempfindungsstörungen (Störung im Innenohr oder Bereich des Hörnerven) und Schallleitungsstörungen (Störung im Mittelohr oder äußeren Gehörgang) eingeteilt. Das Ausmaß einer Hörstörung kann hierbei von einer leichten Hörminderung bis zur Gehörlosigkeit reichen.
Unterschieden werden in der Audiometrie subjektive Testverfahren (die auf eine aktive Mitarbeit des Patienten angewiesen sind) von objektiven Testverfahren. Die einfachsten subjektiven Verfahren sind die Stimmgabelprüfungen nach Rinne und Weber, die eine orientierende Unterscheidung zwischen Schallempfindungs- und Schallleitungsstörung zulassen. Die am häufigsten durchgeführte apparative Untersuchung ist die Tonschwellenaudiometrie (im Volksmund "Hörtest" genannt), ein subjektives Verfahren zur Messung der frequenzabhängigen Hörempfindlichkeit. Ein objektives Verfahren ist beispielsweise die Messung von otoakustischen Emissionen, die als Screeningtest auf Hörschäden bei Neugeborenen Verwendung findet.
Im Folgenden erfolgt eine differenzierte Darstellung der einzelnen subjektiven und objektiven audiometrischen Verfahren.
Grundlagen
Schwerhörigkeit
- Schwerhörigkeit wird unterteilt in:
- Schallempfindungsstörung: Ursächlich für die Schwerhörigkeit ist eine Störung des Innenohrs durch Verlust der Haarzellfunktion (kochleär) oder eine Störung des Hörnervs (retrokochleär).
- Kochleäre Schallempfindungsstörung: Innenohrschwerhörigkeit durch Haarzellschaden
- Retrokochleäre Schallempfindungsstörung: Funktionsstörung im Bereich des Hörnervs (N. cochlearis)
- Schallleitungsstörung: Die Ursache für die Schwerhörigkeit liegt in einer der schallleitenden Strukturen des Ohres, meist Mittelohr oder äußerer Gehörgang.
- Schallempfindungsstörung: Ursächlich für die Schwerhörigkeit ist eine Störung des Innenohrs durch Verlust der Haarzellfunktion (kochleär) oder eine Störung des Hörnervs (retrokochleär).
Recruitment
Das Recruitment (Lautheitsempfindung) ist ein Phänomen des Innenohrs bzw. der äußeren Haarzellen, das beim Gesunden dazu führt, dass leise Töne lauter und laute Töne leiser wahrgenommen werden. Die Bestimmung des Recruitments dient zur Unterscheidung zwischen kochleären und retrokochleären Schallempfindungsstörungen.
- Prinzip
- Sind die äußeren Haarzellen intakt, werden beim Hörgesunden laute Töne (hohe Schalldruckpegel) gedämpft und leise Töne (geringe Schalldruckpegel) verstärkt. Sind die äußeren Haarzellen zerstört, fallen die Schalldämpfung zum Schutz des Innenohrs (Unbehaglichkeitsschwelle sinkt ) und die Schallverstärkung zum besseren Verständnis (Hörschwelle steigt an) weg. Die Spanne zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle sinkt, so dass leise Töne schwerer gehört werden und laute Töne schneller als laut empfunden werden. Diesen Mechanismus bezeichnet man als Recruitment.
- Positives Recruitment : Vorhanden bei kochleären Schallempfindungsstörungen (z.B. Lärmtrauma)
- Negatives Recruitment : Vorhanden bei retrokochleären Schallempfindungsstörungen
Übersicht: Audiometrische Verfahren
Hörtest | Schallempfindungsstörung | Schallleitungsstörung | |
---|---|---|---|
kochleär | retrokochleär | ||
Subjektive Verfahren. | |||
Positiv | Positiv | Negativ | |
Weber-Versuch | Im gesunden Ohr gehört | Im gesunden Ohr gehört | Im kranken Ohr gehört |
Sprachaudiometrie | Oft Diskriminationsverlust | Oft Diskriminationsverlust | Kein Diskriminationsverlust |
Fowler Test | Positiv | Kann negativ sein | ∅ |
SISI-Test | 60-100% | Kann 0-15% sein | ∅ |
Tonschwellenaudiometrie | Hörverlust oft im hohen Tonbereich | Hörverlust oft im hohen Tonbereich | Differenz zwischen Luft- und Knochenleitung |
Threshold Tone Decay Test (Carhart-Test) | Schwellenschwund von 15-25dB | Schwellenschwund >30dB | ∅ |
Objektive Verfahren | |||
Hirnstammaudiometrie = brainstem evoked response audiometry (BERA) | Latenz normal | Verlängerung der Latenz | ∅ |
Otoakustische Emissionen | Fehlen | Vorhanden | Nicht nachweisbar |
Stapediusreflexmessung | Metz-Recruitment vorhanden | Fehlt oft | Reflex nicht nachweisbar |
Tympanometrie | Keine Änderung des Kurvenverlaufs | Keine Änderung des Kurvenverlaufs | Änderung des Kurvenverlaufs |
Basisdiagnostik bei Schwerhörigkeit
- Otoskopie und Ohrmikroskopie
- Das otoskopisch einsehbare Trommelfell wird in Quadranten eingeteilt
- Vorne oben (I)
- Vorne unten (II) → Lokalisation des physiologischen dreieckigen Lichtreflexes
- Hinten unten (III)
- Hinten oben (IV)
- Strukturen, die außerdem in der Otoskopie dargestellt werden sollten:
- Pars tensa: Straffer, großer Teil des Trommelfells
- Pars flaccida (Shrapnell-Membran): Schlaffer, kleiner Teil des Trommelfells
- Hammerfortsatz und Hammergriff inklusive Umbo
- Das otoskopisch einsehbare Trommelfell wird in Quadranten eingeteilt
- Stimmgabelprüfungen
- Tonschwellenaudiometrie
- Sprachaudiometrie
- Impedanzaudiometrie (Stapediusreflexmessung, Tympanometrie)
Subjektive audiometrische Verfahren: Stimmgabelprüfungen
Rinne- und Weber-Versuch
Rinne-Versuch
- Kurzbeschreibung: Test der Schallleitung beider Ohren durch jeweiligen Vergleich der Hörschwelle für Luft- und Knochenleitung
- Durchführung: Eine schwingende Stimmgabel wird an einem Ohr auf den Processus mastoideus gesetzt. Ist der Ton soweit abgeklungen, dass der Patient ihn nicht mehr hört, wird die Stimmgabel ohne neuen Anschlag vor das gleichseitige Ohr gehalten
- Interpretation: Bei normalem Hörvermögen würde der Patient die Stimmgabel wieder hören, sobald sie ihm vor das Ohr gehalten wird, da Luft besser leitet als Knochen → Der Rinne-Versuch wäre dann positiv
- Negativer Rinne-Versuch: Luftleitung nicht besser als Knochenleitung → Hinweis auf eine Schallleitungsstörung des getesteten Ohrs
- Positiver Rinne-Versuch: Luftleitung besser als Knochenleitung → Physiologisch und bei Schallempfindungsstörung des getesteten Ohrs
Weber-Versuch
- Kurzbeschreibung: Test der Kopfknochenleitung. Mit dem Weber-Versuch wird eine einseitige Schwerhörigkeit daraufhin untersucht, ob es sich um eine Schallleitungs- oder um eine Schallempfindungsstörung handelt.
- Durchführung: Die angeschlagene Stimmgabel wird auf die Schädelmittel aufgesetzt. Daraufhin wird der Patient gefragt, in welchem Ohr er den Ton besser hört .
- Interpretation: Gibt der Patient bei einer Lateralisation im Weber-Versuch keine hörgeminderte Seite an, kann in Kombination mit dem Rinne-Versuch eine Schallleitungs- von einer Schallempfindungsstörung differenziert werden.
- Keine Lateralisation → Physiologisch und bei seitengleicher Schwerhörigkeit (gleicher Genese)
- Lateralisation in das normal hörende (oder Rinne positiv getestete) Ohr → Hinweis auf eine Schallempfindungsstörung der Gegenseite
- Lateralisation in das hörgeschädigte (oder Rinne negativ getestete) Ohr → Hinweis auf eine Schallleitungsstörung dieser Seite
Übersicht über mögliche Befunde
Rinne links | Rinne rechts | Weber | Möglicher Befund |
---|---|---|---|
Positiv | Positiv | Median | Normales Gehör |
Beidseits symmetrische Schallempfindungsstörung | |||
Positiv | Positiv | Lateralisiert nach links | Schallempfindungsstörung rechts |
Positiv | Positiv | Lateralisiert nach rechts | Schallempfindungsstörung links |
Negativ | Positiv | Lateralisiert nach links | Schallleitungsstörung links |
Positiv | Negativ | Lateralisiert nach rechts | Schallleitungsstörung rechts |
Negativ | Positiv | Lateralisiert nach rechts | Kombinierte Schwerhörigkeit links |
Taubheit links | |||
Negativ | Negativ | Median | Beidseits symmetrische Schallleitungsstörung |
Weber- und Rinne-Test sind orientierende Hörprüfungen zur Unterscheidung zwischen Schallleitungs- und Schallempfindungsstörung!
Gellé-Versuch
- Kurzbeschreibung: Test zur Feststellung der Beweglichkeit der Gehörknöchelchen, z.B. in der Otosklerose-Diagnostik
- Durchführung: Die angeschlagene Stimmgabel wird auf den Schädel gesetzt, anschließend wird der Gehörgang mit einem Gummiballon abgedichtet, der einen Überdruck im äußeren Gehörgang erzeugt.
- Interpretation
- Gellé positiv: Durch den Überdruck werden sowohl Knochen- als auch Luftleitung gestört. Der Ton der Stimmgabel wirkt für den Patienten deutlich abgeschwächt → Entweder das Mittelohr ist gesund oder ein etwaiger Prozess im Mittelohr schränkt die Beweglichkeit der Gehörknöchelchen nicht ein
- Gellé negativ: Trotz Überdruck hört der Patient die Stimmgabel unverändert laut → Durch Stapesfixation ist die Luftleitung verschlechtert, die Knochenleitung jedoch mit unveränderter Hörschwelle → Hinweis für Otosklerose
Weitere subjektive audiometrische Verfahren
Übersicht
Subjektive audiometrische Verfahren benötigen die aktive Mithilfe des Patienten. Folgende Untersuchungen werden zu den subjektiven audiometrischen Verfahren gezählt:
- Stimmgabelprüfungen
- Hörweitenprüfung mit Flüstersprache
- Sprachaudiometrie
- Überschwellige Audiometrie
- Fowler Test
- SISI-Test
- Test zur Hörschwellenbestimmung
Im Folgenden werden die einzelnen Verfahren differenziert dargestellt.
Hörweitenprüfung mit Flüstersprache (und Umgangssprache)
- Kurzbeschreibung: Seitengetrennter, orientierender Test für das Ausmaß einer Hörstörung
- Durchführung
- Abdichtung des dem Untersucher abgewandten Ohrs des Patienten (z.B. Verschluss des Gehörgangs mit einem Zeigefinger)
- Untersucher spricht viersilbige Wörter mit Reserveluft (meist Zahlen) aus verschiedenen Entfernungen
- Ergebnis/Interpretation
- ≥6m: Normalhörigkeit (physiologische Hörweite 6-8 Meter)
- 4-6m: geringgradige Schwerhörigkeit
- 1-4m: mittelgradige Schwerhörigkeit
- 25cm-1m: hochgradige Schwerhörigkeit
- ≤25cm: an Taubheit grenzend
- Keine Hörwahrnehmung: Taubheit
Sprachaudiometrie
- Kurzbeschreibung: Test zur Messung des Sprachverständnisses. Dieser kann im Rahmen einer Routinediagnostik, zur Begutachtung eines Hörschadens oder für die Anpassung von Hörhilfen genutzt werden
- Durchführung: Dem Patienten werden in zunehmender Lautstärke über Kopfhörer Silben, Wörter oder ganze Sätze vorgespielt, die er anschließend wiedergeben soll. Die Angabe der richtigen Antworten erfolgt in Prozent.
- Interpretation
- Patienten mit Schallleitungsstörung erreichen bei Verstärkung der Lautstärke irgendwann ein Sprachverständnis von 100%, bei Vorliegen einer Schallempfindungsstörung ist dies nicht zu erwarten. Der Wortverständnisverlust wird als Diskriminationsverlust bezeichnet.
- Die Diskrepanz zwischen Original und Wiedergabe lässt Rückschlüsse auf das Gehörte zu
Überschwellige Audiometrie
- Beschreibung: Testverfahren der überschwelligen Audiometrie dienen der Differenzierung von kochleären und retrokochleären Hörstörungen, indem das Recruitment (Lautheitsempfinden) bestimmt wird. Hierbei werden akustische Wahrnehmungen im überschwelligen Intensitätsbereich geprüft. Zu den Testverfahren zählen der FOWLER- und der SISI-Test.
- Verfahren
- Fowler-Test (Test hat heutzutage eher historischen Wert)
- Kurzbeschreibung: Vergleich des Lautheitsausgleichs (Recruitment) beider Ohren
- Voraussetzung: Einseitige Schwerhörigkeit
- Durchführung: Es werden beide Ohren mit Tönen unterschiedlicher Lautstärke beschallt, bis der Patient auf beiden Ohren den gleichen Lautheitseindruck hat. Dieser Vorgang wird mit zunehmend höheren Lautstärkepegeln wiederholt.
- Interpretation
- Bei Patienten mit Schallleitungsstörung oder retrokochleärer Schallempfindungsstörung bleibt das Verhältnis des Lautheitsempfindens von gesundem und krankem Ohr bei jedem Lautstärkepegel gleich → Negatives Recruitment
- Bei Patienten mit kochleärer Schallempfindungsstörung ändert sich die Lautheitsempfindung mit steigendem Lautstärkepegel → Positives Recruitment
- SISI-Test
- Kurzbeschreibung: Testet die Fähigkeit, kleinste Lautstärkeerhöhungen feststellen zu können
- Durchführung: Ein Dauerton von 20dB über der individuellen Hörschwelle wird alle 5 Sekunden für einen Impuls von 0,2s um 1dB erhöht. Der Patient soll versuchen, möglichst viele Impulse zu erkennen.
- Interpretation
- Patienten mit einer kochleären Schallempfindungsstörung von über 40dB können die Impulse sicher erkennen (60-100% Test positiv: Wird als positives Recruitment gewertet)
- Patienten mit retrokochleärer Schallempfindungsstörung erkennen die Impulse nur selten (0-15% Test negativ: Wird als negatives Recruitment gewertet)
- Normalhörende erkennen diese kleinen Intensitätsänderungen von 1dB nicht
- Fowler-Test (Test hat heutzutage eher historischen Wert)
Subjektive Tests zur Hörschwellenbestimmung
Tonschwellenaudiometrie
- Kurzbeschreibung: Subjektiver Test zur Ermittlung der frequenzabhängigen Hörschwelle durch Messung der Luft- und Knochenleitung. Hierdurch können Aussagen über das Ausmaß der Hörstörung sowie über die Ursache (Schallempfindungs- oder Schallleitungsstörung) gemacht werden.
- Durchführung: Dem Patienten werden über einen Kopfhörer (Luftleitung) und einen Knochenleitungshörer (Knochenleitung) Töne verschiedener Frequenzen vorgespielt, wobei die Lautstärke für jede einzelne Frequenz in 5 dB-Schritten erhöht wird und der Patient ein verabredetes Signal (z.B. Finger heben oder Knopf drücken) gibt, sobald er den Ton hört. Die Hörschwellen der einzelnen Frequenzen werden auf einem Audiogrammformular markiert (hohe bis tiefe Töne).
- Interpretation: Die Verbindung der einzelnen Hörschwellenpunkte ergibt eine Hörschwellenkurve für Luft- und Knochenleitung. So lässt sich der Hörverlust für die einzelnen Frequenzen ablesen
- Bei einer Schallleitungsstörung (Mittelohrschädigung) ist die Hörschwelle für die Luftleitung erhöht, aber die Hörschwelle für die Knochenleitung normal (Ausnahme: Carhart-Senke bei Otosklerose)
- Bei einer Schallempfindungsstörung (kochleäre oder retrokochleäre Schädigung) ist die Hörschwelle für Luft- und Knochenleitung gleichermaßen erhöht
Threshold Tone Decay Test (Carhart-Test)
- Kurzbeschreibung: Sogenannter Hörschwellenschwundtest zur Untersuchung einer Hörermüdung bei Verdacht auf eine neuronale Schädigung (bei negativem Fowler- oder negativem SISI-Test)
- Durchführung: Ein Dauerton mit einem Schallpegel von 5dB über der vorher ermittelten Hörschwelle wird dem erkrankten Ohr angeboten. Wenn der Ton durch den Patienten nicht mehr gehört werden kann (→ Hörermüdung), wird der Schallpegel um weitere 5dB erhöht und somit für den Patienten wieder hörbar. Dieses Prozedere wird wiederholt, bis ein Schwellenschwund von 30 dB erreicht ist oder der Dauerton 1 Minute lang gehört wurde.
- Interpretation:
- Normalhörende: Schwellenschwund bis 10dB (physiologische Adaptation)
- Kochleäre Schädigung: Schwellenschwund von 15-25dB (pathologische Adaptation) → Positives Recruitment
- Neuronale Schädigung (retrokochleäre Störung): Schwellenschwund > 30dB
Békésy-Audiometrie
- Kurzbeschreibung: Test zur Differenzierung einer Hörminderung im kochleären oder retrokochleären Bereich. Der Patient zeichnet seine Hörschwelle für leise und laute Impuls- und anschließend Dauertöne mittels Audiometer selbstständig auf. Hierbei wird der Unterschied (die Separation) einer Impuls- und einer Dauertonschwelle anhand von zwei verschiedenen Schwellenkurven dargestellt.
- Durchführung: Der Patient bekommt einen Dauerton über einen automatischen Tonaudiometer zugespielt. Der Patient drückt einen Knopf, sobald er den Ton hört. Solange der Knopf gedrückt bleibt, wird der Ton kontinuierlich leiser. Hört der Patient den Ton nicht mehr, lässt er den Knopf wieder los und der Ton wird automatisch wieder kontinuierlich lauter. Auf diese Weise kann der Patient den Ton leicht über und unter der Tonhörschwelle fluktuieren lassen. Die Amplitude wird aufgezeichnet (Zick-Zack-Kurve). Anschließend wird das Prozedere mit einem Impulston (= unterbrochener Ton) wiederholt. Es ergeben sich zwei Schwellenkurven: Die eine für Impuls- und die andere für Dauertöne
- Interpretation
- Es wird nur die Luftleitung genutzt, so dass lediglich Aussagen hinsichtlich kochleärer und retrokochleärer Schallempfindungsstörungen gemacht werden können.
- Normalhörende
- Zacken von etwa 10-15dB, annähernde Überlagerung der Kurven für Dauerton und Impulston.
- Für Hören des Dauertons sind um wenige dB größere Lautstärken nötig, als für das Hören des Impulstons (durch physiologische Adaptation)
- Kochleäre Schädigung
- Zacken werden zunehmend kleiner < 5dB-1dB (Hinweis auf gestörte Lautheitsempfindung → Recruitment)
- Separation der Dauertonkurve von der Impulstonkurve bis höchstens 30dB (danach gleichbleibender Abstand)
- Retrokochleäre Schädigung
- Keine Amplitudenverkleinerung
- Zunehmend starke Separation (Abweichung) der Dauertonkurve von der Impulstonkurve um 50dB und mehr (bis zur Audiometergrenze)
- Normalhörende
- Es wird nur die Luftleitung genutzt, so dass lediglich Aussagen hinsichtlich kochleärer und retrokochleärer Schallempfindungsstörungen gemacht werden können.
Ein geschädigter Hörnerv kann die Erregung bei lange anhaltenden Dauertönen nicht aufrechterhalten, so dass sich mit fortlaufender Zeit eine Zunahme der Hörschwelle zeigt!
Objektive audiometrische Verfahren
Übersicht
Objektive audiometrische Verfahren überprüfen das Gehör anhand von 'objektiven' Parametern. Hierzu werden physiologische und unwillkürliche Reaktionen gemessen, die nicht dem Willen des Patienten unterliegen und keiner Mithilfe des Patienten bedürfen. Zu den objektiven audiometrischen Verfahren zählen:
- Elektrische Reaktionsaudiometrie (Electric Response Audiometry, ERA)
- Messung otoakustischer Emissionen
- Impedanzaudiometrie
Die einzelnen Verfahren werden im Folgenden differenziert dargestellt.
Elektrische Reaktionsaudiometrie (Electric Response Audiometry, ERA)
- Beschreibung: Die elektrische Reaktionsaudiometrie ist ein Oberbegriff für Verfahren zur Messung akustisch evozierter Potentiale , die im EEG registriert werden können. Durch einen Laufzeitvergleich mit Normtabellen können topographische Angaben über den Läsionsort der Hörstörung gemacht werden (Topodiagnostik). Zu den Standardverfahren der elektrischen Reaktionsaudiometrie gehören die Hirnstammaudiometrie (BERA) und die Hirnrindenaudiometrie (CERA).
- Indikation
- Verdacht auf retrokochleäre Störungen
- Objektive Hörschwellenbestimmung bei Kindern oder nicht kooperativen Patienten (auch zum Neugeborenen-Screening geeignet)
- Durchführung: Über einen Kopfhörer werden dem Patienten akustische Reize vermittelt. Über eine Ableitelektrode an Mastoid und Vertex (Scheitel) werden nun - je nach Verfahren - frühe, mittlere und späte Potenziale generiert.
- Standardverfahren
- Die Einteilung der Verfahren ist abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens der akustisch evozierten Potentiale nach dem Schallreiz
- Hirnstammaudiometrie = Brainstem Evoked Response Audiometry (BERA)
- Ableitung der frühen akustisch evozierten Potentiale (FAEP): 1,5-10ms nach dem Schallreiz
- Akustische Potentiale der Hirnstammaudiometrie stellen sich in Form von 5 Wellen dar. Die Wellen 1 und 2 werden dem proximalen Teil des N. cochlearis zugeordnet. Die übrigen Wellen 3 bis 5 spiegeln den Verlauf der Hörbahn im Hirnstamm wider.
- Hirnrindenaudiometrie = Cortical Evoked Response Audiometry (CERA)
- Ableitung der späten und sehr späten akustisch evozierten Potentiale: 100-300ms bzw. 300-1000ms nach dem Schallreiz
- Hirnstammaudiometrie = Brainstem Evoked Response Audiometry (BERA)
- Die Einteilung der Verfahren ist abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens der akustisch evozierten Potentiale nach dem Schallreiz
Otoakustische Emissionen (OAE)
- Kurzbeschreibung: Otoakustische Emissionen sind physiologische Schallaussendungen der Kochlea, die spontan oder bei akustischer Reizung entstehen und im Gehörgang nachgemessen werden können. Anhand ihrer Messung kann daher eine Funktionsprüfung der Kochlea erfolgen. Man unterscheidet:
- Spontane OAE (SOAE): Physiologische, akustische Schallaussendungen, die von den äußeren Haarzellen des Ohres ausgesendet werden und retrograd über Gehörknöchelchen und Trommelfell in den Gehörgang gelangen
- Transitorisch evozierte OAE (TEOAE): Otoakustische Emissionen, die durch einen kurzen Reiz (Klick) ausgelöst werden
- Indikation: Methode der Wahl beim Neugeborenen-Hörscreening (TEOAE)
- Durchführung: Messung der otoakustischen Emissionen im äußeren Gehörgang durch Aufnahme mit sehr empfindlichen Mikrophonen.
- Interpretation
- Sind otoakustische Emissionen messbar, ist die Funktion der äußeren Haarzellen normal
- Otoakustische Emissionen fehlen meist bei Hörminderungen von >30dB
Impedanzaudiometrie
- Kurzbeschreibung: Funktionsdiagnostik des Schallleitungsapparats durch Messung des akustischen Widerstands des Trommelfells. Zur Impedanzaudiometrie werden die Stapediusreflexmessung und die Tympanometrie gezählt.
- Erklärungshilfe: Bei intaktem Mittelohr wird die größte Schallenergie über das Trommelfell von den Gehörknöchelchen aufgenommen und an das Innenohr weitergeleitet. Ein kleinerer Teil der Schallenergie wird von Mittelohr und Trommelfell reflektiert. Dieser reflektierte Teil ergibt sich aus der Kontraktion der Mittelohrmuskeln oder durch Änderung des Luftdrucks im äußeren Gehörgang (Impedanz).
- Voraussetzung: Intaktes Trommelfell und luftdichter Verschluss des Gehörgangs durch die jeweilige Gehörgangssonde
Stapediusreflexmessung
- Kurzbeschreibung: Messung des Stapediusreflexes zur Beurteilung der Beweglichkeit der Gehörknöchelchen. Bei der Messung des Stapediusreflexes wird untersucht, ob und wann bei welchem Lautstärkepegel der Reflex ausgelöst wird.
- Prinzip: Durch eine Kontraktion des M. stapedius (N. facialis innerviert), die die Schwingungsfähigkeit des Steigbügels herabsetzt, schützt sich das Innenohr vor lauten Geräuschen (Stapediusreflex). Bei erhaltenem Reflex ist eine plötzliche Erhöhung des Widerstands (Impedanz) am Trommelfell zu erwarten. Diese Impedanzerhöhung führt dazu, dass das Trommelfell mehr Schall reflektiert und eine Abschwächung der Schallintensität, die an das Innenohr weitergeleitet wird, erfolgt.
- Durchführung: Ein Ohr wird über Kopfhörer mit anfangs 70dB beschallt. Der Schall wird in 5dB-Einheiten erhöht. Mit einer Gehörgangssonde wird mit einem Messmikrofon im kontralateralen Ohr die Impedanzänderung bestimmt.
- Interpretation: Ein fehlender Stapediusreflex ist typisch für eine Otosklerose
Tympanometrie
- Kurzbeschreibung: Bei der Tympanometrie wird vom Trommelfell reflektierter Schall bei unterschiedlichen Druckverhältnissen im äußeren Gehörgang gemessen. Dadurch ergeben sich Rückschlüsse auf die Beweglichkeit des Trommelfells und auf die Belüftungssituation im Mittelohr, die z.B. Hinweise auf eine Tubenfunktionsstörung oder einen Paukenerguss sein können.
- Durchführung: Über eine Sonde wird der Gehörgangseingang luftdicht abgeschlossen. Diese kann den Druck im äußeren Gehörgang manipulieren und verschiedene Schallfrequenzen abgeben. Der vom Trommelfell reflektierte Schall gibt Auskunft über die Nachgiebigkeit bzw. Steifigkeit des Trommelfells (Compliance) und wird in Abhängigkeit vom erzeugten Über- und Unterdruck (zwischen +300 und -300Pa) gemessen. Das Ergebnis wird in Form eines Tympanogramms festgehalten.
- Interpretation
- Unauffällige Mittelohrfunktion: Maximum der Compliance liegt bei etwa 0Pa
- Tubenfunktionsstörung: Verschiebung der normalen Compliance in den Unterdruckbereich
- Sero- oder Mukotympanon (Paukenerguss): Flache Tympanometriekurve ohne erkennbares Maximum