Zusammenfassung
Als Tubenfunktionsstörung oder Tubenkatarrh bezeichnet man eine akute oder chronische Belüftungsstörung des Mittelohres, die durch eine Störung der Öffnung der Tuba eustachii bedingt ist. Ursache hierfür ist meist eine Verlegung des Tubenostiums im Nasenrachen, bspw. durch vergrößerte Adenoide. Hierdurch kann es zur Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr kommen. Es bildet sich ein Erguss unterschiedlicher Viskosität hinter dem Trommelfell (Seromukotympanon oder Mukotympanon). Während der akute Paukenerguss i.d.R. durch einen Infekt des Nasenrachenraumes entsteht und konservativ meist gut zu behandeln ist, sollte bei einem persistierenden Paukenerguss beim Erwachsenen (insb. bei einseitigem Befund) immer eine Nasenracheninspektion zum Ausschluss eines Tumors erfolgen. Therapeutisch können nach erfolgloser konservativer Therapie eine Parazentese und ggf. die Einlage eines Paukenröhrchens erfolgen. Gleichzeitig sollte die Tubenbelüftung verbessert werden. Eine Sonderform ist das Syndrom der offenen Tube.
Definition
- Tubenfunktionsstörungen: Belüftungsstörungen des Mittelohres, die durch einen behinderten Öffnungsmechanismus der Tuba eustachii bzw. deren Verlegung im Nasenrachen bedingt sind
- Akute Tubenfunktionsstörung: Dauer <3 Monate
- Chronische Tubenfunktionsstörung: Dauer >3 Monate
- Paukenerguss: Flüssigkeitsansammlung hinter dem Trommelfell, Folge sowohl der akuten als auch der chronischen Form der Tubenbelüftungsstörung
- Differenzierung anhand der Viskosität
- Serotympanon: Seröser Erguss
- Mukotympanon: Muköser Erguss
- Häufig finden sich Mischformen, die als mukoserös oder seromukös bezeichnet werden, bspw. Seromukotympanon
- Differenzierung anhand der Viskosität
- Sonderform: Klaffende Tuba auditiva (offene Ohrtrompete)
Akute Tubenfunktionsstörung
Eine akute Tubenfunktionsstörung tritt meist im Rahmen einer Erkältung oder einer Allergie auf. Als Folge kann es zu einer Sekretansammlung in der Paukenhöhle kommen (Paukenerguss). Die akute Tubenfunktionsstörung bildet sich meist innerhalb einiger Wochen zurück.
Ätiologie
- Als Folge entzündlicher Erkrankungen (infektiös oder allergisch bedingt) des Nasenrachenraumes und/oder der Nasennebenhöhlen
- Rhinitis
- Pharyngitis
- Sinusitis
- Unzureichender Druckausgleich, bspw. bei Flugzeuglandung
- Bei Kindern
- Physiologische Tubeninsuffizienz meist bis zum 7. Lebensjahr, bedingt durch
- Geringe Achsknickung der Schädelbasis
- Weichen Tubenknorpel
- Kurze Tube
- Temporäre Hyperplasie der Rachenmandel im Rahmen eines Infektes
- Physiologische Tubeninsuffizienz meist bis zum 7. Lebensjahr, bedingt durch
Pathophysiologie
- Fehlender Druckausgleich → Unterdruck im Mittelohr → Retraktion des Trommelfells → Schleimhautmetaplasie und Schleimhautschwellung im Mittelohr → Erguss im Mittelohr
Klinik
- Druckgefühl, zu Beginn oft stechende Ohrenschmerzen
- Rauschen oder gluckerndes Ohrgeräusch, gelegentlich auch knackendes Ohrgeräusch beim Schlucken
- Schwerhörigkeit
Diagnostik
- Otoskopie
- Retrahiertes Trommelfell, meist matt und mit Gefäßinjektion am Hammergriff
- Gelegentlich ist der Paukenerguss durch Spiegelbildung oder eingeschlossene Luftblasen hinter dem Trommelfell zu erkennen
- Weber-Versuch: Lateralisation in das betroffene Ohr
- Rinne-Versuch: Auf dem betroffenen Ohr negativ, auf dem anderen Ohr positiv
- Tonschwellenaudiogramm: Geringe bis mittelgradige Schallleitungsschwerhörigkeit
- Tympanogramm
- Unterdruck im Mittelohr: Maximum der Kurve ist in den negativen Bereich verschoben
- Paukenerguss: Je nach Ausprägung abgeflachte oder komplett flache Kurve
Therapie
- Konservativ: Kurzzeitig abschwellende Nasentropfen (bspw. Xylometazolin) und passives Valsalva-Manöver
- Bei akuter Schleimhautschwellung, z.B. infektbedingt: Kurzzeitige Anwendung abschwellender Nasentropfen, z.B. Xylometazolinhydrochlorid (Kinder >6 J., Jugendliche und Erwachsene , Kinder 2–6 J. , Kinder <2 J. )
- Bei V.a. allergische Genese: Mometason-17-(2-furoat) (z.B. Nasonex®) (Kinder 3–12 J. , Kinder >12 J. und Erwachsene )
- Zusätzlich fördert Kaugummikauen die Durchgängigkeit der Tuben
- Operativ: Nur bei starker Beeinträchtigung des Hörvermögens auf Wunsch des Patienten oder bei V.a. Labyrinthitis
- Öffnung des Trommelfells (Parazentese) und Absaugen des Ergusses
Eine Überdosierung von Xylometazolin kann bei Neugeborenen und Säuglingen schwere Nebenwirkungen (insb. Atemstillstand) verursachen!
Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollten xylometazolinhaltige Nasentropfen bei Kindern <2 Jahren mithilfe eines Dosiertropfers verabreicht werden!
Sonderformen
- Hämatotympanon nach Trauma
- Barotrauma
Chronische Tubenfunktionsstörung
Bestehen die Beschwerden bei einer Belüftungsstörung des Mittelohres länger als 3 Monate, spricht man von einer chronischen Tubenfunktionsstörung. Diese geht meist mit einem Paukenerguss einher.
Epidemiologie
- Insb. Kleinkinder
- Gehäuft bei Kindern mit Gaumenspalte
Ätiologie
- Bei Kindern
- Meist bedingt durch adenoide Vegetationen
- Physiologische Tubeninsuffizienz meist bis zum 7. Lebensjahr bedingt durch
- Geringe Achsknickung der Schädelbasis
- Weichen Tubenknorpel
- Kurze Tube
- Risikofaktor: Passivrauchen durch Zigarettenkonsum in der Familie
- Bei Erwachsenen
- Raumforderung im Nasenrachen, bspw. Nasopharynx-Karzinom
- Chronische Rhinitis, Sinusitis oder Pharyngitis (infektiös oder allergisch bedingt)
- Gastropharyngealer Reflux (sehr selten)
Klinik
- Keine Schmerzen, gelegentlich leichtes Druckgefühl im Ohr
- Schwerhörigkeit
- Evtl. tieffrequenter Tinnitus
- Gelegentlich Sprachentwicklungsverzögerung bei Kindern
Diagnostik
- Otoskopie
- Transparenzminderung des Trommelfells, weiß oder gelblich schimmerndes Trommelfell
- Feine radiäre Gefäßinjektion des Trommelfells
- Meist retrahiertes, bei Vorliegen eines Paukenergusses leicht vorgewölbtes Trommelfell
- Weber-Versuch: Lateralisation in das betroffene Ohr
- Rinne-Versuch: Auf dem betroffenen Ohr negativ, auf dem anderen Ohr positiv
- Tonschwellenaudiogramm: Geringe bis mittelgradige Schallleitungsschwerhörigkeit
- Tympanogramm: Je nach Ausprägung des Ergusses abgeflachte oder komplett flache Kurve
- Endoskopie des Nasopharynx: Bei Malignomverdacht, insb. V.a. Nasopharynx-Karzinom
- Panendoskopie und Biopsie-Entnahme
Zum Vergeich: Normalbefund
Therapie
- Konservativ: Kurzzeitig abschwellende Nasentropfen (bspw. Xylometazolin) und passives Valsalva-Manöver
- Bei akuter Schleimhautschwellung, z.B. infektbedingt: Kurzzeitige Anwendung abschwellender Nasentropfen, z.B. Xylometazolinhydrochlorid (Kinder >6 J., Jugendliche und Erwachsene , Kinder 2–6 J. , Kinder <2 J.
- Bei V.a. allergische Genese: Mometason-17-(2-furoat) (z.B. Nasonex®) , Kinder 3–12 J. , Kinder >12 J. und Erwachsene
- Zusätzlich fördert Kaugummikauen die Durchgängigkeit der Tuben
- Operativ
- Öffnung des Trommelfells (Parazentese), anschließend Paukendrainage durch Einsetzen eines Paukenröhrchens
- Für Details zur operativen Durchführung siehe auch: Parazentese und Paukendrainage
- Beseitigung der Ursache durch eine Adenotomie: Operative Entfernung einer hyperplastischen Rachenmandel
- Öffnung des Trommelfells (Parazentese), anschließend Paukendrainage durch Einsetzen eines Paukenröhrchens
Eine Überdosierung von Xylometazolin kann bei Neugeborenen und Säuglingen schwere Nebenwirkungen (insb. Atemstillstand) verursachen!
Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollten xylometazolinhaltige Nasentropfen bei Kindern <2 Jahren mithilfe eines Dosiertropfers verabreicht werden!
Komplikationen
- Bei unbehandeltem Paukenerguss
- Rezidivierende Otitis media oder chronische Otitis media
- Sprachentwicklungsverzögerung bei Kindern
Bei Kindern kann durch das Seromukotympanon die Sprachentwicklung gestört sein, daher ist eine frühe Therapie wichtig!
Bei Erwachsenen mit Seromukotympanon muss ein Malignom als Ursache ausgeschlossen werden!
Parazentese und Paukendrainage
Allgemeines [1][2][3]
Verfahren
- Parazentese (HNO): Inzision des Trommelfells
- Paukendrainage: Einlage eines Drainage-Röhrchens in das Trommelfell nach Parazentese zur Gewährleistung einer längerfristigen Mittelohrbelüftung
- Gold- oder Titanröhrchen: Hantel- bzw. Kragenknopf-artiges Röhrchen mit einem Durchmesser von 1–1,5 mm
- Durchschnittliche Extrusionszeit : <12 Monate
- T-Tube („Dauerröhrchen“): T-förmiges Röhrchen mit seitlichen Haltelaschen, meist aus Kunststoff (Silikon)
- Durchschnittliche Verweilzeit in situ: 24–36 Monate
- Gold- oder Titanröhrchen: Hantel- bzw. Kragenknopf-artiges Röhrchen mit einem Durchmesser von 1–1,5 mm
Indikationen
- Parazentese
- Persistierendes Serotympanon/Paukenerguss >3–6 Monate
- Ggf. bei Otitis media acuta
- Paukendrainage
- Gold-/Titanröhrchen bei
- Chronischer Tubenventilationsstörung
- Adhäsivprozessen des Trommelfells
- Mukotympanon
-
Otitis media acuta bei
- Komplikationen wie z.B. Labyrinthitis, Mastoiditis, Fazialisparese oder Meningitis
- Wiederholtem Auftreten
- Therapieoption bei Morbus Menière
- T-Tube bei
- Rascher Abstoßung von Kurzzeitpaukenröhrchen
- Tumoren des Nasopharynx oder des Mittelohres
- Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder anderen kraniofazialen Dysplasien
- Trisomie 21
- Zystischer Fibrose
- Gold-/Titanröhrchen bei
Kontraindikationen
- Hochstand des Bulbus venae jugularis
- Anomalie der A. carotis
- Glomustumor
Durchführung
- Ambulanter Eingriff
- In Lokalanästhesie oder Vollnarkose möglich
- Lokalanästhesie: Mittels transmeatal eingeführtem Lidocain-getränkten Watteplättchen, die auf das Trommelfell gelegt werden, sowie ggf. 4-Quadranten-Infiltrationsanästhesie am Gehörgang
Operatives Vorgehen
- Lagerung
- In Lokalanästhesie: Sitzend mit rekliniertem Oberkörper
- In Vollnarkose: Rückenlage, Kopf in Ringschale zur Seite gedreht
- Parazentese
- Transmeataler Zugang
- Verwendung des größtmöglichen Ohrtrichters sowie eines Mikroskops
-
Inzision mit dem Sichelmesser
- Von zentral nach peripher
- Möglichst im vorderen, unteren Quadranten
- Absaugung von Sekret
- Bei mukösem Sekret oder oberflächlicher Sickerblutung: Transtympanale Spülung der Paukenhöhle mit Xylometazolin 0,1%
- Absaugung bei ausgeprägtem Mukotympanon oft nur partiell möglich
- Alternative Inzision mittels Laser oder Kauterisation [4]
- Paukendrainage
- Ggf. Parazenteseöffnung etwas erweitern
- Fassen des Paukenröhrchens mit dem Ohrzängelchen bei leichter Kippung nach vorne
- Einsetzen des inneren Flanschs zur Hälfte unter den vorderen Schnittrand
- Herausziehen des Ohrzängelchens
- Eindrücken des restlichen inneren Flanschs mittels gebogener Nadel unter den hinteren Schnittrand
- Beim T-Tube: Einbringung mittels Applikator oder durch Fassen der Laschen mit dem Ohrzängelchen
- Durchstecken der geradegestellten Laschen durch die Parazentese
- T-förmige Entfaltung der Laschen beim Ausstoßen aus dem Applikator bzw. Lösen des Ohrzängelchens
- Ziel: Beide Laschen müssen unter das Trommelfell geschoben sein
Nachsorge
- Kontrollen
- Postoperative mikroskopische Kontrolle am Folgetag
- HNO-ärztliche Kontrolle alle 6 Monate
- Wasserschutz [5]
- Dauer: Idealerweise bis zum vollständigen Verschluss des Trommelfells
- Bei Parazentese: Meist für 2–3 Tage
- Bei Paukendrainage
- Gold- bzw. Titan-Paukenröhrchen: Bis zur Spontanabstoßung (meist nach 3–12 Monaten)
- T-Tubes: Bis zur Entfernung
- Vorgehen bei einliegenden Paukenröhrchen
- Tauchverbot (durch den erhöhten Druck kann leichter Wasser durch die Drainage eindringen)
- Baden oder Duschen (mit Seife und Shampoo): Tragen von Ohrstöpseln bzw. individuell angepassten Otoplastiken insb. beim Haarewaschen
- Beim Schwimmen: Wasserkarenz bzw. Tragen von Ohrstöpseln bei einliegendem Paukenröhrchen nicht zwingend erforderlich
- Dauer: Idealerweise bis zum vollständigen Verschluss des Trommelfells
- Entfernung
- Bei fehlender Extrusion der Paukendrainage: Entfernung im Behandlungsstuhl meist ohne Lokalanästhesie möglich
- T-Tube/Dauerröhrchen müssen obligat HNO-ärztlich nach gewisser Zeit entfernt werden [6]
Wasser mit Detergenzien (v.a. Seife und Shampoo) kann aufgrund der reduzierten Oberflächenspannung des Wassers das Lumen der Drainage leichter passieren!
OP-Risiken und Komplikationen
- Bei Insertion
- Verletzung der Gehörknöchelchen oder eines hochstehenden Bulbus venae jugularis
- Dislokation der Paukendrainage in die Paukenhöhle
- Migration des Paukenröhrchens in die Paukenhöhle
- Infektion der liegenden Paukendrainage mit Otorrhö
- Persistierende Trommelfellperforation und Cholesteatomentwicklung
- Paukenröhrchen-Obstruktion
- Innenohrschaden, Tinnitus
Klaffende Tuba auditiva (offene Ohrtrompete)
- Definition: Offene Ohrtrompete
- Ätiologie: Vorausgegangene starke Gewichtsabnahme → Abnahme des die Tube umgebenden Fettgewebes
- Klinik
- Oft symptomlos
- Autophonie: Ungewöhnlich lautes Hören und Dröhnen der eigenen Stimme über die Eustachi-Röhre
- Hören des eigenen Atemgeräusches
- Verschwinden der Symptome im Liegen oder bei Bauchpresse
- Diagnostik
- Otoskopie: Atemsynchrone Bewegung des Trommelfells
- Therapie
- Aufklärung über die Harmlosigkeit der Erkrankung
- Operativ: Augmentation mit Hyaluronsäure oder Fett oder Einlage eines Paukenröhrchens
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- H65.-: Nichteitrige Otitis media
- Inklusive: Mit Myringitis
- H65.0: Akute seröse Otitis media
- Akute und subakute sezernierende Otitis media
- H65.1: Sonstige akute nichteitrige Otitis media
- Otitis media, akut und subakut: allergisch (mukös) (blutig) (serös), blutig, mukös, nichteitrig o.n.A., seromukös
- Exklusive: Barotrauma des Ohres (T70.0), Otitis media (akut) o.n.A. (H66.9)
- H65.2: Chronische seröse Otitis media
- H65.3: Chronische muköse Otitis media
- Leimohr [Glue ear], Otitis media, chronisch: schleimig, sezernierend, transsudativ
- Exklusive: Adhäsivprozess nach Otitis media (H74.1)
- H65.4: Sonstige chronische nichteitrige Otitis media
- Otitis media, chronisch: allergisch, exsudativ, mit Erguss (nichteitrig), nichteitrig o.n.A., seromukös
- H65.9: Nichteitrige Otitis media, nicht näher bezeichnet
- Otitis media: allergisch, exsudativ, katarrhalisch, mit Erguss (nichteitrig), mukös, serös, seromukös, sezernierend, transsudativ
- H69.-: Sonstige Krankheiten der Tuba auditiva
- H69.0: Erweiterte Tuba auditiva
- Klaffende Tube
- H69.8: Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Tuba auditiva
- H69.9: Krankheit der Tuba auditiva, nicht näher bezeichnet
- H69.0: Erweiterte Tuba auditiva
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.