Zusammenfassung
Der Kreislauf ermöglicht den Transport von Blut durch den Körper. Er lässt sich einerseits funktionell in ein Hochdrucksystem (v.a. Arterien) und ein Niederdrucksystem (v.a. Venen) gliedern, andererseits anatomisch in einen großen Körperkreislauf und einen kleinen Lungenkreislauf unterteilen. Das Hochdrucksystem erzeugt unter anderem durch die Windkesselfunktion der herznahen Gefäße den systolischen und diastolischen Blutdruck. Sowohl die Blutströmung als auch die Ausbreitung der vom Herzen erzeugten Druckwelle lassen sich mittels Pulswellen (Strompuls und Druckpuls) beschreiben. Im Niederdrucksystem herrscht ein deutlich reduzierter Blutdruck, der im Bereich des rechten Vorhofes auch als zentraler Venendruck (ZVD) bezeichnet wird. Die rhythmischen Veränderungen des ZVDs, bspw. durch die Herzaktion, werden als Venenpuls beschrieben. Da das Niederdrucksystem keinen eigenen Motor besitzt (im Hochdrucksystem ist das Herz der antreibende Motor), sorgen verschiedene Hilfseinrichtungen wie Venenklappen für den gerichteten Rückstrom zum Herzen. Die Blutdrücke des Hoch- und Niederdrucksystems werden zusätzlich auch von der Schwerkraft und somit der Haltung des Menschen beeinflusst. Der Bereich des Körpers, an dem die Blutdrücke im Liegen und Stehen konstant bleiben, heißt hydrostatischer Indifferenzpunkt. Beim Übergang vom Liegen zum Stehen sinken die Blutdrücke über diesem Punkt ab und steigen darunter an.
Um die im Kreislauf herrschenden Kräfte genauer zu beschreiben, kann man unter bestimmten vereinfachenden Annahmen viele physikalische Gesetze auf den Kreislauf anwenden. Anhand physikalischer Gesetze wie dem Ohm'schen Gesetz, den Kirchhoff'schen Gesetzen und dem Hagen-Poiseuille-Gesetz lassen sich sowohl Volumenstromstärke, Druckdifferenz und Widerstand einzelner Gefäße als auch ganzer Kreislaufabschnitte bestimmen. Ob das Blut dabei in gleichmäßigen Flüssigkeitsschichten (laminar) oder völlig ungeordnet (turbulent) fließt, hängt maßgeblich von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Der Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung wird anhand der sog. Reynolds-Zahl beschrieben.
Anatomische und funktionelle Gliederung des Kreislaufes
Anatomische Gliederung der Kreislaufsysteme
Der menschliche Kreislauf lässt sich anatomisch in zwei miteinander verbundene Kreislaufsysteme gliedern: den großen Kreislauf (Körperkreislauf) und den kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf).
- Großer Kreislauf / Körperkreislauf
- Flussrichtung des Blutes: Linker Ventrikel → Aorta → Organarterien → Organe (Kapillarbett) → Organvenen → Obere/untere Hohlvene → Rechter Vorhof
- Funktionen
- Versorgung des Körpers und der Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen
- Abtransport von Gasen (bspw. CO2) und Stoffwechselmetaboliten
- Sonderfall: Pfortadersysteme
- Definition: Gefäßsystem, bei dem zwei Kapillarbetten aufeinanderfolgen
- Beispiele
- Kleiner Kreislauf / Lungenkreislauf
- Flussrichtung des Blutes: Rechter Vorhof → Rechter Ventrikel → Pulmonalarterie → Lunge (Kapillarbett) → Pulmonalvenen → Linker Vorhof
- Funktion: Transport des „verbrauchten“ venösen Blutes zur Lunge (zum dortigen Gasaustausch)
Pfortadersysteme bilden eine Ausnahme beim Blutfluss, da hier zwei Kapillarbetten nacheinander durchflossen werden!
Die allgemeine Definition, dass Arterien immer sauerstoffreiches und Venen immer sauerstoffarmes Blut führen, kann im Lungenkreislauf nicht angewendet werden. Dort führt die Pulmonalarterie sauerstoffarmes Blut und die Pulmonalvenen sauerstoffreiches Blut!
Funktionelle Gliederung des Kreislaufes
Der Druck im menschlichen Kreislauf ist in verschiedenen Kreislaufabschnitten unterschiedlich hoch. Anhand des vorherrschenden Druckes kann funktionell ein Hoch- von einem Niederdrucksystem unterschieden werden.
Hochdrucksystem | Niederdrucksystem | |
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Bestandteile |
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Funktion |
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Anteil am Gesamtblutvolumen |
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Vorherrschende Drücke |
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Physikalische Grundlagen: Stromstärke und Widerstand im Kreislaufsystem
Gesetze der Strömungslehre werden häufig zur Beschreibung von Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Kreislaufes verwendet. Sie dienen vor allem dem Verständnis von grundlegenden Zusammenhängen, denn streng genommen lassen sich die meisten Gesetze der Strömungslehre nicht auf den menschlichen Kreislauf und das Blut übertragen. Sie gelten in der Regel nur für starre Rohre und ideale Newton'sche Flüssigkeiten. Beides trifft auf den menschlichen Körper mit seinen elastischen Gefäßen und dem inhomogenen Blut nicht zu.
Grundlegende Größen: Stromstärke und Widerstand
- Volumenstromstärke
- Definition: Volumen, das pro Zeiteinheit durch ein System strömt
- Formel: Q = ΔV / Δt
- Q = Volumenstromstärke; ΔV = Volumendifferenz; Δt = Zeitdifferenz
- Einheit: L/min (Liter pro Minute)
- Besonderheit: Die Volumenstromstärke ist in einem System kommunizierender Röhren (bspw. im menschlichen Kreislauf) überall gleich groß (Kontinuitätsgesetz, s.u.)
- Beispiel: Das Herzzeitvolumen entspricht der Gesamtvolumenstromstärke des menschlichen Körpers.
- Gefäßwiderstand
Ohm'sches Gesetz im Kreislauf
Das Ohm'sche Gesetz gibt eigentlich die Zusammenhänge von Spannung, Widerstand und Stromstärke in der Elektrik wieder. Mithilfe der unten erläuterten Grundüberlegungen lässt es sich jedoch auch auf strömende Flüssigkeiten anwenden. Hierbei gibt es den Zusammenhang zwischen Druckdifferenz, Widerstand und Volumenstromstärke wieder.
- Adaptiertes Ohm'sches Gesetz: ΔP = R × Q'
- Einheiten: ΔP = Druckdifferenz [mmHg]; R = Strömungswiderstand [(mmHg×min)/L]; Q' = Volumenstromstärke [L/min]
- Anwendungsbeispiel: Totaler peripherer Widerstand (TPR)
- Definition: Der totale periphere Widerstand beschreibt die Summe aller Gefäßwiderstände im Körperkreislauf
- Grundüberlegungen
- Druckdifferenz (ΔP) des Körperkreislaufes entspricht dem Unterschied zwischen arteriellem Mitteldruck (PA) und zentralem Venendruck (PZVD)
- Volumenstromstärke des Körperkreislaufes ist das Herzzeitvolumen (HZV)
- Rechenbeispiel
- Gegeben: Arterieller Mitteldruck (PA ≈ 100 mmHg), zentraler Venendruck (PZVD ≈ 5 mmHg), Herzzeitvolumen (HZV ≈ 5 L/min)
- Gesucht: Totaler peripherer Widerstand
- Berechnungsvorschrift
- Herleitung des adaptierten Ohm'schen Gesetzes
- Ohm'sches Gesetz: U = R × I (U = Spannung [V], R = Widerstand [Ω], I = Stromstärke [A])
- Überlegungen zur Anwendung des Ohm'schen Gesetzes auf den Blutfluss
- Elektrische Spannung (U) stellt eine elektrische Potenzialdifferenz dar
- Analogie beim Kreislauf: Elektrische Potenzialdifferenz ist hier eine Differenz (Δ) des (Blut‑)Druckes (P) zwischen Anfangs- und Endpunkt des Kreislaufes → U wird zu ΔP
- Elektrischer Widerstand (R) kann beim Blutfluss analog als Strömungswiderstand (R) verwendet werden → R bleibt R
- Elektrische Stromstärke (I) gibt an, wieviel elektrische Ladung eine Querschnittsfläche (pro Zeiteinheit) passiert
- Analogie beim Kreislauf: Elektrische Stromstärke ist hier die Menge Volumen (V), die das Gefäß pro Zeiteinheit (/min) durchfließt → I wird zu Q'
- Elektrische Spannung (U) stellt eine elektrische Potenzialdifferenz dar
- Normwerte der Widerstände
- Körperkreislauf (= TPR): Ca. 11–20 mmHg × min/L
- Lungenkreislauf: Ca. 0,5–1 mmHg × min/L
Bayliss-Effekt
Verschiedene Organe (bspw. das Gehirn und die Niere) sind in der Lage, ihre Durchblutung durch muskuläre Regulation der Gefäßweite konstant zu halten, auch wenn sich der arterielle Blutdruck verändert. Dies wird als sog. Bayliss-Effekt bezeichnet und lässt sich aus dem Ohm'schen Gesetz ableiten: Steigt der Blutdruck an (ΔP↑), muss der Widerstand (R) erhöht werden, um die Volumenstromstärke (Q') konstant zu halten. Dies wird v.a. durch Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur erreicht, die zu einer Lumeneinengung und somit zur gewünschten Widerstandserhöhung führt. Diese starke Abhängigkeit des Widerstands vom (Gefäß‑)Radius wird mithilfe des Hagen-Poiseuille-Gesetzes erläutert.
Kontinuitätsgesetz
Das Kontinuitätsgesetz besagt, dass die Volumenstromstärke einer Flüssigkeit in einem System aus kommunizierenden Röhren in allen Bereichen gleich groß ist. Da sich die Volumenstromstärke aus dem Produkt des Gefäßquerschnitts und der Flussgeschwindigkeit ergibt, müssen sich diese gegensätzlich verhalten, damit die Volumenstromstärke konstant bleibt.
- Kontinuitätsgesetz: Q' = A × vm
- Für mehrere kommunizierende Gefäße gilt: Q = A1 × v1 = A2 × v2 = ... = An × vn
- Einheiten: Q' = Volumenstromstärke [L/min]; A = Gefäßquerschnitt [cm2]; vm = mittlere Strömungsgeschwindigkeit [cm/s]
- Herleitung/Grundüberlegungen
- Die Volumenstromstärke muss in einem System kommunizierender Röhren in allen Abschnitten gleich bleiben
- Diese Aussage lässt sich auf das Kreislaufsystem mit seinen Gefäßen (≈ kommunizierende Röhren) übertragen.
- Schlussfolgerungen
- Da die Volumenstromstärke in allen Bereichen konstant ist, verhalten sich die Strömungsgeschwindigkeit und der Gefäßquerschnitt gegensätzlich zueinander.
- 1. Rechenbeispiel (Aorta ascendens)
- Gegeben: Gefäßquerschnitt (A ≈ 3 cm2) und Volumenstromstärke der Aorta ascendens (Q' = HZV ≈ 5 L/min)
- Gesucht: Mittlere Fließgeschwindigkeit (v) der Aorta ascendens
- Berechnungsvorschrift
- Q' = A × v
- v = Q' / A
- v = 5 L/min / 3 cm2
- v = 5/3 L/ cm2 × min → v = 5/3 × 1000 cm3 / cm2 × min
- v = 5/3 x 103 cm/min → v = 5/3 x 103 cm/60 s
- v ≈ 28 cm/s
- 2. Rechenbeispiel (Kapillaren)
- Gegeben: Gefäßquerschnitt aller Kapillaren (A ≈ 3000 cm2) und Gesamtvolumenstromstärke des Körpers (= HZV ≈ 5 L/min)
- Gesucht: Fließgeschwindigkeit (v)
- Berechnungsvorschrift
- Q' = A × v
- v = Q' / A
- v = 5 L/min / 3000 cm2
- v = 5/3000 L/cm2× min → v = 5/3000 × 1000 cm3/cm2 × min → v = 5/3 cm/min → v = 5/3 x cm/60 s
- v ≈ 0,028 cm/s = 28 x 10-3 cm/s
Kirchhoff'sche Gesetze und die Widerstände von Kreislaufabschnitten
Der Gesamtwiderstand durchflossener Systeme lässt sich anhand der Kirchhoff'schen Gesetze der Elektrizitätslehre berechnen. Der Gesamtwiderstand von nacheinander durchflossenen Gefäßen ergibt sich aus der Summe der Einzelwiderstände. Der Kehrwert des Gesamtwiderstandes parallel durchflossener Gefäße wird aus der Summe der Kehrwerte der Einzelwiderstände berechnet.
Grundüberlegungen
- Kirchhoff'sche Gesetze (Knotenregel und Maschenregel) der Elektrizitätslehre treffen Aussagen über den Gesamtwiderstand von parallel oder seriell geschalteten Einzelwiderständen
- Können ebenfalls für strömende Flüssigkeiten (bspw. Blut im Kreislauf) verwendet werden
Nacheinander durchflossene Gefäße (Widerstände)
- 1. Kirchhoff'sches Gesetz: Rgesamt = R1 + R2 + R3 + ... + Rn
- Schlussfolgerungen
- Der Gesamtwiderstand eines Gefäßabschnittes ergibt sich aus der Summe der nacheinander (seriell) überwundenen Einzelwiderstände
- Der Widerstand eines Kreislaufabschnittes steigt mit der Anzahl bzw. der Länge der nacheinander durchflossenen „Einzelgefäße“
- Rechenbeispiel
- Gegeben: Flusssystem mit zwei nacheinander durchflossenen Widerständen R1 (= 20 mmHg×min/L) und R2 (= 5 mmHg×min/L)
- Gesucht: Gesamtwiderstand des durchflossenen Systems
- Berechnungsvorschrift
- Rgesamt = R1 + R2
- Rgesamt = (20 mmHg×min/L) + (5 mmHg×min/L) = 25 mmHg×min/L
Parallel durchflossene Gefäße (Widerstände)
- 2. Kirchhoff'sches Gesetz: 1/Rgesamt = 1/R1 + 1/R2 + … + 1/Rn
- Schlussfolgerungen
- Der Kehrwert des Gesamtwiderstandes ergibt sich aus der Summe der Kehrwerte der Einzelwiderstände
- Der Gesamtwiderstand von parallel durchflossenen Gefäßen ist immer kleiner als jeder Einzelwiderstand eines durchflossenen Gefäßes
- Der Gesamtwiderstand ist umso kleiner, je mehr Gefäße parallel durchflossen werden
- Rechenbeispiel
- Gegeben: Flusssystem mit zwei parallel (gleichzeitig) durchflossenen Widerständen R1 (= 20 mmHg×min/L) und R2 (= 5 mmHg×min/L)
- Gesucht: Gesamtwiderstand des durchflossenen Systems
- Berechnungsvorschrift
- 1/Rgesamt = 1/R1 + 1/R2
- 1/Rgesamt = 1/(20 mmHg×min/L) + 1/(5 mmHg×min/L) = 1/20 (mmHg×min/L) + 4/20 (mmHg×min/L)
- 1/Rgesamt = 5/20 (mmHg×min/L) = 1/4 (mmHg×min/L)
- Rgesamt = 4 mmHg×min/L
Der Übergang einer Arteriole bzw. Metarteriole in ein Kapillarbett ist ein anschauliches Beispiel für die Kirchhoff'schen Gesetze. Durch die Aufspaltung eines Gefäßes in viele parallel durchflossene Gefäße sinkt der Widerstand im Kapillarbett stark ab!
Hagen-Poiseuille-Gesetz und der Gefäßwiderstand
Das Hagen-Poiseuille-Gesetz beschreibt eigentlich die Volumenstromstärke einer laminar strömenden Newton'schen Flüssigkeit in einem Rohr mit dem Radius r. Bei der Durchströmung eines Rohres ist die Volumenstromstärke am stärksten vom Rohrradius (r4) abhängig. Laut des Ohm'schen Gesetzes ergibt sich die Volumenstromstärke aus dem Quotienten der Druckdifferenz (ΔP) und des Gefäßwiderstandes (R). Daher wird aus der Kombination des Ohm'schen Gesetzes und des Hagen-Poiseuille-Gesetzes ersichtlich, dass nicht nur die Volumenstromstärke, sondern auch der Gefäßwiderstand v.a. durch den Gefäßradius (r4) beeinflusst werden.
- Grundüberlegungen
- Gilt streng genommen nur für laminar strömende Newton'schen Flüssigkeiten in einem Rohr → Vereinfachende Annahme für Anwendung auf den Kreislauf nötig
- Dient eigentlich der Berechnung der Volumenstromstärke (diese ist am stärksten vom Rohrradius abhängig!)
- Setzt man das Ohm'sche Gesetz in das Gesetz von Hagen-Poiseuille ein, lassen sich Aussagen über den Widerstand eines Gefäßes treffen
- Herleitung
- Ohm'sches Gesetz auf den Kreislauf angewendet: ΔP = R × Q' → Q' = ΔP / R
- Hagen-Poiseuille-Gesetz: Q' = [(π × r4) / (8 × η × l)] × ΔP
- Einheiten: (Q' = Volumenstromstärke [L/min]; r = Radius [cm]; η = dynamische Viskosität [Pa×s], l = Gefäßlänge [cm], ΔP = Druckdifferenz [mmHg])
- „Gleichsetzen der Volumenströme“: Q' = [(π × r4) / (8 × η × l)] × ΔP = ΔP / R
- Umformung nach dem Widerstand R: R = (8 × η × l) / (π × r4)
- Adaptiertes Hagen-Poiseuille-Gesetz: R = (8 × η × l) / (π × r4)
- Schlussfolgerungen
- Volumenstromstärke ist direkt proportional zur vierten Potenz des Gefäßradius
- Strömungswiderstand ist umgekehrt proportional zur vierten Potenz des Gefäßradius
- Kleine Änderungen im Gefäßradius (bspw. durch atherosklerotische Plaques) erhöhen den Strömungswiderstand (und die effektive Durchblutung) bereits sehr stark!
- Rechenbeispiel: Halbierung des Gefäßradius (R ∼ 1/ 0,54 = 1/ 0,0625 = 16) → Gefäßwiderstand R erhöht sich um den Faktor 16!
Die Hauptaussage des Hagen-Poiseuille-Gesetzes ist: Kleinste Änderungen des Gefäßradius führen zu extremen Veränderungen des Strömungswiderstands (R ∼ 1/r4)!
Gefäßstenose
Bei einer Gefäßstenose handelt es sich um eine pathologische Verengung eines Blutgefäßes. Die Ursachen hierfür können bspw. Arteriosklerose, Thrombosen oder Tumoren sein. Eine Stenose drosselt den Blutdruck in den ihr nachgeschalteten Abschnitten des Blutgefäßes, während unmittelbar vor der Stenose der Druck durch die Lumeneinengung des Gefäßes überproportional hoch ist. Patienten mit einer Stenose im Verlauf des Versorgungsgebietes eines Armes zeigen somit bei der Oberarmblutdruckmessung Unterschiede bezüglich der Blutdruckwerte beider Arme. Seitenunterschiede von mehr als 20 mmHg gelten hierbei als beweisend für eine Stenose. So zeigt sich bei einer rechtsseitigen Stenose zwischen dem Abgang des Truncus brachiocephalicus und dem Messpunkt am rechten Arm ein deutlich niedrigerer Blutdruck als am linken Arm des Patienten.
Die Durchblutung distal einer Stenose kann bis zu einem gewissen Stenosegrad durch verschiedene Mechanismen sichergestellt werden. Hierzu zählen u.a. die Bildung von Kollateralgefäßen und die Dilatation der Gefäße distal einer Stenose.
Physikalische Grundlagen: Blutströmung
Bei strömenden Flüssigkeiten wie dem Blut wird zwischen geordneter (laminarer) und turbulenter Strömung unterschieden. Turbulente Strömungen kommen im menschlichen Körper lediglich im Bereich der Abgänge der großen herznahen Gefäße (bspw. dem Aortenbogen) bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten vor.
Laminare und turbulente Strömungen
- Laminare Strömung
- Definition: Die Flüssigkeit strömt in geordneten übereinander liegenden Schichten, ohne dabei Verwirbelungen zu erzeugen
- Fließrichtung: Nur parallel zum Gefäß
- Erzeugte Reibung: Gering
- Besondere Fließeigenschaften
- Die zentrale Blutschicht (sog. Axialstrom) fließt am schnellsten
- Die maximale Fließgeschwindigkeit nimmt zu den äußeren (gefäßwandnahen) Schichten hin ab → es ergibt sich ein parabelförmiges Strömungsprofil
- Turbulente Strömung
- Definition: Die Blutbestandteile werden beim Strömen verwirbelt, sodass ein ungeordneter Blutfluss entsteht
- Fließrichtung: Ungerichtet zum Gefäß
- Erzeugte Reibung: Deutlich erhöht
- Besondere Fließeigenschaften
- Die maximale Fließgeschwindigkeit ist nahezu gleich über den gesamten Gefäßquerschnitt, da die Verwirbelungen (= Turbulenzen) signifikant zum Strömungswiderstand beitragen
- Durch zusätzliche Reibung an der Gefäßwand ist die Fließgeschwindigkeit direkt dort etwas niedriger
- Turbulente Strömungen fließen langsamer als laminare Strömungen (bei gleicher Druckdifferenz)
- Die maximale Fließgeschwindigkeit ist nahezu gleich über den gesamten Gefäßquerschnitt, da die Verwirbelungen (= Turbulenzen) signifikant zum Strömungswiderstand beitragen
- Reynolds-Zahl (Re)
- Definition: Die Reynolds-Zahl ist eine dimensionslose Größe , anhand derer eingeschätzt werden kann, ob eine Flüssigkeit unter bestimmten Konditionen laminar oder turbulent strömt .
- Ermittlung der Reynolds-Zahl: Re = (2 × r × ρ × v) / η
- Einheiten: r = Radius [cm] , ρ = Dichte [kg×m−3], v = Geschwindigkeit [m/s], η = Dynamische Viskosität [Pa×s]
- Schlussfolgerungen: Übergang von laminarer zu turbulenter Strömung ab einer Reynolds-Zahl >2000–2200
Abgesehen von wenigen herznahen Gefäßen während der Austreibungsphase, herrschen in allen Gefäßen des Körpers physiologischerweise laminare Strömungen vor. Bei steigender Flussgeschwindigkeit kann jedoch prinzipiell jede laminare auch in eine turbulente Strömung übergehen – z.T. ist dies sogar in Form von Strömungsgeräuschen hörbar (bspw. bei der Blutdruckmessung nach Riva Rocci)!
Blutdruckmessung nach Riva-Rocci
Der menschliche Blutdruck ist ein wichtiger diagnostischer Parameter, der im klinischen Alltag durch die indirekte Messung nach Riva Rocci ermittelt werden kann. Hierbei nutzt man aus, dass turbulente Strömungen zu einer Geräuschentwicklung führen. Zu Beginn wird dem Patienten eine Manschette in Herzhöhe um den Oberarm gelegt, die mittels Handpumpe über den systolischen Blutdruck des Patienten aufgepumpt wird (>120mmHg). Hierdurch wird die Blutzufuhr und somit auch die Blutströmung in der A. brachialis vollständig unterbunden. Wird nun das Stethoskop in die Ellenbeuge gelegt, hört man erwartungsgemäß nichts, da kein Blut strömt. Der Druck der Manschette wird nun langsam abgelassen. Sobald er unter den systolischen Blutdruck fällt, fließt während der Systole erneut Blut durch den Oberarm. Die A. brachialis ist jedoch durch die Manschette immer noch deutlich komprimiert, d.h. ihr Radius ist deutlich geringer (als ohne Manschette). Entsprechend dem Kontinuitätsgesetz fließt das Blut bei verringertem Gefäßradius deutlich schneller, wodurch das vorher laminar strömende Blut (ohne Manschette) in eine turbulente Blutströmung übergeht. Diese Turbulenzen verursachen Geräusche (sog. Korotkow-Geräusche), welche mit dem Stethoskop in der Ellenbeuge wahrgenommen werden können. Nun wird der Druck in der Manschette gleichmäßig weiter abgelassen, bis die Geräusche verschwinden. Dies markiert physikalisch gesehen den Übergang der geräuschvollen turbulenten Blutströmung zur geräuscharmen laminaren Blutströmung. Der Druck, bei dem die Geräusche erstmals auftauchen, kennzeichnet den systolischen Blutdruck und der Druck, bei dem die Geräusche wieder verschwinden, zeigt den diastolischen Blutdruck an.
Einflussgrößen auf die Blutviskosität
Die Viskosität ist ein Maß für die innere Reibung einer Flüssigkeit. Bei nicht-Newton'schen Flüssigkeiten wie Blut hängt die Viskosität neben der Temperatur von verschiedenen weiteren Faktoren wie dem Hämatokrit, der Strömungsgeschwindigkeit oder der Gefäßgröße ab. Daher wird die jeweils vorherrschende Viskosität als sog. scheinbare Viskosität bezeichnet. Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt und die reversible Aggregation sind Strömungsphänomene der Mikrozirkulation, die die scheinbare Viskosität gegensätzlich verändern.
- Hämatokrit
- Gefäßradius
- Fåhraeus-Lindqvist-Effekt
- Definition: Senkung der scheinbaren Viskosität aufgrund einer zentralen Anordnung von Erythrozyten im Axialstrom von Gefäßen mit kleinem Durchmesser
- Bedingung: Gefäßgröße <300 μm. Sinkt der Gefäßdurchmesser unter 7–10 μm ab, endet der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt, d.h. die scheinbare Viskosität steigt wieder an
- Mechanismus
- Erythrozyten reihen sich aufgrund der im Zentrum niedrigeren Scherkräfte im Axialstrom zentral an (sog. Axialmigration)
- Zellarme Gleitschicht entsteht zwischen den im Zentrum liegenden Erythrozyten und der Gefäßwand
- Schlussfolgerung: Minimum der scheinbaren Viskosität in Gefäßen von 7–10 μm Durchmesser
- Fåhraeus-Lindqvist-Effekt
- Strömungsgeschwindigkeit
- Reversible Aggregation
- Definition: Steigerung der scheinbaren Viskosität durch reversible Aneinanderlagerung (Aggregation) der Erythrozyten bei niedrigen Flussgeschwindigkeiten
- Bedingung: Niedrige Flussgeschwindigkeit
- Mechanismus
- Erythrozyten lagern sich mithilfe von Plasmaproteinen (bspw. Fibrinogen) zu geldrollenartigen Aggregaten zusammen
- Aggregate „passen“ nicht mehr gut durch kleine Gefäße → Anstieg der scheinbaren Viskosität
- Schlussfolgerung: Steigerung der scheinbaren Viskosität, die nur bei sehr niedrigen Flussgeschwindigkeiten auftritt (bspw. bei einem Kreislaufschock)
- Reversible Aggregation
- Temperatur
- Plasmaproteine
Der Widerstand eines Gefäßes hängt nach Hagen-Poiseuille R = (8 × η × l) / (π × r4) zwar v.a. vom Rohrradius (r4) ab, wird jedoch auch von der Viskosität (η) beeinflusst. Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt verringert die scheinbare Viskosität des Blutes im Bereich kleiner Gefäße und wirkt so dem Einfluss des Gefäßradius entgegen!
Besonderheiten des Hochdrucksystems
In der Systole wirft das Herz sein Schlagvolumen in die Gefäße des Hochdrucksystems aus und erzeugt dadurch den systolischen Blutdruck. Die elastischen Gefäßwände der herznahen Gefäße werden dabei gedehnt. In der Diastole entspannen sich diese elastischen Fasern wieder und erzeugen durch ihre Rückstellkräfte den diastolischen Blutdruck – dies wird als Windkesselfunktion bezeichnet. Der in der Systole vom Herzen erzeugte Druck wird über die Gefäße in Form einer Druckwelle fortgeleitet, was mithilfe der Druckpulskurve beschrieben wird. Die eigentliche Bewegung des Blutes ist langsamer als die Ausbreitung der Druckwelle, weswegen die Blutströmung mit einer separaten Kurve – der Strompulskurve – beschrieben wird.
Windkesselfunktion
- Definition: Temporäre Speicherung eines Teils der vom Herzen in der Systole erzeugten Energie in den elastischen Fasern herznaher Gefäße
- Funktion: Umwandlung des pulsatilen (diskontinuierlichen) Blutflusses des Herzens in einen gleichmäßigen (kontinuierlichen) Blutfluss
- Ablauf
- Systole
- Herz wirft Schlagvolumen in die Aorta aus → Erhöhung des Blutvolumens in der Aorta ascendens (da nicht das gesamte Schlagvolumen direkt in den Kreislauf fließt)
- Dehnung der elastischen Fasern der Aorta (aufgrund des vermehrten Volumens)
- Speicherung der vom Herzen erzeugten Energie (als potenzielle Energie) in den gedehnten elastischen Fasern der herznahen Arterien
- Diastole
- Langsame und gleichmäßige Entspannung der elastischen Fasern → Blutvolumen, das die elastischen Fasern gedehnt hat, fließt in den Kreislauf
- Erzeugung des kontinuierlichen diastolischen Blutdrucks
- Systole
Aufgrund der Windkesselfunktion sinkt der diastolische Blutdruck in den herznahen Gefäßen (bspw. in der A. pulmonalis und der Aorta ascendens) nicht unter den diastolischen Ventrikeldruck!
Aortensklerose
Bei atherosklerotischen Umbauvorgängen verhärtet sich die Gefäßwand. Im Bereich der Aorta führt dies dazu, dass die Aortenwand starrer wird und an Elastizität verliert, sodass insgesamt die Windkesselfunktion der Aorta negativ beeinträchtigt wird: Eine starrere Aorta hat zur Folge, dass in der Systole weniger Energie (in Form des vom Herzen beschleunigten Blutvolumens) in den elastischen Fasern zwischengespeichert werden kann, sodass der systolische Blutdruck ansteigt. Während der Diastole kann dadurch entsprechend weniger zwischengespeichertes Blutvolumen von der Aorta mobilisiert werden, sodass der diastolische Blutdruck sinkt. Insgesamt steigt hierdurch die Blutdruckamplitude an.
Pulswellen
Wenn das Herz sein Schlagvolumen in die Aorta pumpt, erzeugt es damit zwei sog. Pulswellen. Die Druckpulswelle beschreibt die Ausbreitung des Drucks, der vom Herzen erzeugt wird und sich mit hoher Geschwindigkeit über das Gefäßsystem ausbreitet. Die Strompulswelle gibt hingegen die Ausbreitung des Blutvolumens wieder, das vom Herzen ausgetrieben wird. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Strompulswelle entspricht daher der Fließgeschwindigkeit des Blutes, wohingegen sich der Druck deutlich schneller ausbreitet.
Druckpuls
- Definition: Pulsatile Schwankungen des arteriellen Blutdrucks in den Gefäßen des Hochdrucksystems im zeitlichen Verlauf
- Entstehung: Anstieg des Blutdrucks von 80 mmHg auf 120 mmHg (in der Systole)
- Ausbreitungsgeschwindigkeit: Schneller als die Strömungsgeschwindigkeit (etwa 4–6 m/s )
- Abhängig von: Blutdruck, Gefäßgröße und -elastizität
- Moens-Korteweg-Gleichung: c = √[(h × E')/ (2r × P)]
- Einheiten: c = Pulswellengeschwindigkeit [cm/s]; h = Gefäßwanddicke [cm]; E' = Volumenelastizitätsmodul [g/cm×s2]; r = Innenradius [cm]; P = Dichte des Blutes in [g/cm3]
- Schlussfolgerungen
- Je starrer und kleiner das Gefäß, desto schneller die Ausbreitung der Druckwelle
- Ausbreitungsgeschwindigkeit in Gefäßen: zentral < peripher
- Beispielgeschwindigkeit: Aorta ∼ 5 m/s → Peripherie ∼ 8–12 m/s
- Besonderheiten
- Inzisur des zentralen Druckpulses der Aorta durch Schluss der Aortenklappe
- Reflexion: Die von der Aorta erzeugte Druckwelle wird im Körper bspw. an Aufzweigungen des Gefäßsystems reflektiert, d.h. sie „läuft“ wieder zurück zum Herzen
- Überhöhung der Druckkurve in der Peripherie
- Reflexion der reflektierten Druckwelle → Entstehung einer sog. dikroten Welle
Strompuls
- Definition: Pulsatile Schwankungen der Blutströmungsgeschwindigkeit in den Gefäßen des Hochdrucksystems im zeitlichen Verlauf
- Entstehung: Rhythmischer Auswurf von Blutvolumen in die Aorta
- Ausbreitungsgeschwindigkeit: Entspricht der Strömungsgeschwindigkeit (im Mittel 0,15–0,2 m/s )
- Abhängig von: Elastizität der Gefäßwände, Gefäßdurchmesser und Volumenstromstärke (siehe auch Kontinuitätsgesetz)
- Schlussfolgerung: Der Strompuls gibt den zeitlichen Verlauf und die Richtung des strömenden Blutvolumens an
- Besonderheiten
- Negative Werte der Strömungsgeschwindigkeit in den Gefäßen des großen Kreislaufs durch kurzen Blutrückfluss zur Aortenklappe
- Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit in der Peripherie
- Zweigipfliger Verlauf der Strompulskurve
Ändern sich Gefäßeigenschaften (bspw. Querschnitt oder Wanddicke), werden Pulswellen an diesen Stellen des Gefäßsystems reflektiert. Sich überlagernde Druckpulse addieren sich hierbei, wohingegen sich die entgegengesetzt fließenden Stromstärken subtrahieren. Somit nimmt der Druckpuls in der Peripherie zu und der Strompuls ab!
Arterieller Blutdruck
Der durch das Hochdrucksystem erzeugte Druck wird als arterieller Blutdruck bezeichnet. Er wird in den systolischen und diastolischen Blutdruck unterteilt und in mmHg (Kraft pro Grenzfläche) gemessen. Der zeitliche Verlauf des arteriellen Blutdrucks wird mithilfe der Druckpulskurve beschrieben.
- Zusammensetzung des arteriellen Blutdrucks
- Systolischer Blutdruck
- Definition: Maximaler arterieller Blutdruck während der Systole (und höchster Punkt der Druckpulskurve)
- Normwert: ≤130 mmHg
- Erzeugung durch: Auswurfkraft des linken Ventrikels
- Diastolischer Blutdruck
- Definition: Minimaler arterieller Blutdruck während der Diastole (und niedrigster Punkt auf der Druckpulskurve)
- Normwert: ≤85 mmHg
- Erzeugung durch: Windkesselfunktion der Aorta (und den herznahen elastischen Gefäßen)
- Systolischer Blutdruck
- Blutdruckamplitude
- Definition: Druckdifferenz des maximalen systolischen und des minimalen diastolischen Blutdruckwertes
- Verlauf: Wird zur Peripherie hin größer
- Arterieller Mitteldruck
- Definition: Über die Zeit der Systole und Diastole gemittelter Druck in den Gefäßen des Hochdrucksystems
- Verlauf: Nimmt zur Peripherie hin ab
- Berechnung
- Bei herznahen Arterien: Arterieller Mitteldruck (MAD) = Diastolischer Druck + ½ × (systolischer Druck – diastolischer Druck)
- Bei herzfernen Arterien: Arterieller Mitteldruck (MAD) = Diastolischer Druck + ⅓ × (systolischer Druck – diastolischer Druck)
- Physiologische Schwankungen des Blutdrucks
- Blutdruckschwankung erster Ordnung: Die Schwankung des Blutdrucks zwischen der Systole und der Diastole
- Blutdruckschwankung zweiter Ordnung: Die atemsynchrone Blutdruckabnahme bei Inspiration und Blutdruckzunahme bei Exspiration. Die Dauer dieser Schwankungen hängt im Gegensatz zu den Schwankungen erster Ordnung v.a. von der Atemfrequenz ab.
Bei der meist täglichen Bestimmung des arteriellen Blutdrucks von Patienten im Krankenhaus wird nur der maximale systolische und minimale diastolische Blutdruck gemessen, nicht der arterielle Mitteldruck!
Bluthochdruck/Arterielle Hypertonie
Ist der mehrfach in Ruhe gemessene arterielle Blutdruck höher als 140/90 mmHg, spricht man von Bluthochdruck bzw. arterieller Hypertonie. Sie zählt zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen und gilt als der Hauptrisikofaktor für weitere Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und für Schlaganfälle. Da ein erhöhter arterieller Blutdruck meist keine Symptome verursacht, ist dessen Erkennung häufig ein Zufallsbefund. Die arterielle Hypertonie wird anhand der zugrunde liegenden Ursache in eine essenzielle (keine Ursache bekannt) und eine sekundäre (durch eine andere Erkrankung verursachte) Form unterteilt. Bei der sekundären arteriellen Hypertonie steht neben der Senkung des Blutdrucks v.a. die Behandlung der auslösenden Grunderkrankung im Vordergrund.
Besonderheiten des Niederdrucksystems
Das Niederdrucksystem weist deutlich geringere Blutdrücke als das Hochdrucksystem auf. Der venöse Blutdruck im Bereich des rechten Vorhofes und der großen herznahen Venen wird als zentraler Venendruck bezeichnet. Dieser unterliegt rhythmischen Schwankungen im Verlauf der Herzaktion, die mithilfe der Venenpulskurve beschrieben werden können. Im Hochdrucksystem reicht die Pumpleistung des Herzens aus, um das Blut zu transportieren. Im Niederdrucksystem muss der venöse Rückstrom hingegen durch spezielle Mechanismen und Strukturen wie der Muskelpumpe oder den Venenklappen unterstützt werden.
Zentraler Venendruck (ZVD)
- Definition: Blutdruck im Bereich des rechten Vorhofs und der herznahen Venen
- Abhängig von: Füllung des Venensystems, Förderleistung des „rechten“ Herzens, Körperlage
- Schwankungen: Puls- und atemsynchron; Pulssynchrone Druckschwankungen bezeichnet man als Venenpuls
- Orientierender Normwert: 2–6 mmHg
Messung des ZVD
Die Messung des ZVD erfolgt typischerweise invasiv über einen zentralen Venenkatheter (bspw. zur Überwachung während größerer Operationen oder auf der Intensivstation). In der körperlichen Untersuchung kann der ZVD näherungsweise abgeschätzt werden und Aufschluss über eine Stauung des Blutes vor dem rechten Herzen geben (bspw. im Rahmen einer sog. Rechtsherzinsuffizienz).
Venenpulskurve
- Definition: Die Venenpulskurve stellt die Veränderungen des zentralen Venendrucks während einer Herzaktion dar
- Achsen: x = Zeit [t], y = Druck [mmHg]
Phase der Herzaktion | Verlauf der Venenpulskurve |
---|---|
Austreibungsphase |
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| |
Füllungsphase |
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Anspannungsphase |
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Die a-Welle wird durch die Kontraktion des A(!)triums, die v-Welle durch die sich hebende V(!)entilebene und die c-Welle durch die Vorwölbung der C(!)uspis (Segel) der Trikuspidalklappe in den Vorhof verursacht!
Positiv inotrope Effekte (bspw. durch Sympathikus-Wirkung) führen zu einer Erhöhung der a-Welle!
Venöser Rückstrom
- Definition: Der venöse Rückstrom beschreibt die Bewegung des „venösen“ Blutes zum Herzen und kommt durch verschiedene Mechanismen des Niederdrucksystems zustande.
Mechanismus des venösen Rückstroms | Funktionsweise |
---|---|
Venenklappen |
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Muskelpumpe |
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Atmung |
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Ventilebenenmechanismus |
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Arteriovenöse Kopplung |
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Im Hochdrucksystem reicht die Pumpleistung des Herzens aus, sodass die hier genannten Mechanismen im Hochdrucksystem nicht notwendig sind!
Die atemabhängige Sog-/Druckwirkung auf das Venensystem fördert nicht nur den venösen Rückstrom, sondern beeinflusst auch den ZVD. Dieser sinkt bei Inspiration („Sogwirkung“) ab und steigt bei Exspiration („Druckwirkung“) an!
Hydrostatische Einflüsse auf den Blutdruck
Der Blutdruck wird einerseits durch körpereigene Faktoren und andererseits durch die Erdanziehungskraft („Schwerkraft“) beeinflusst. Wirkt die Erdanziehung auf eine Flüssigkeit, erzeugt sie dadurch in ihr den sog. hydrostatischen Druck, der vor allem von der Höhe der Flüssigkeitssäule abhängt. Je höher die durchgehende Flüssigkeitssäule, desto höher ist der hydrostatische Druck, da mehr Wassermoleküle in einer senkrechten Linie mit ihrer Gewichtskraft aufeinander lasten. Daher ist der Blutdruck in tiefergelegenen Körperteilen höher und in höher gelegenen Körperteilen niedriger. Der Punkt des Körpers, an dem der Blutdruck im Stehen und Liegen gleich ist, wird hydrostatischer Indifferenzpunkt genannt.
Hydrostatische Indifferenzebene
- Definition: Ebene des Körpers, an der der Blutdruck im Stehen und Liegen gleich ist
- Lage: Ca. 10 cm unterhalb des Zwerchfells
- Faustregel für hydrostatische Einflüsse: Pro 1 cm Abweichung von der Indifferenzebene werden ∼0,7 mmHg auf den Blutdruck addiert (unter der Indifferenzebene) bzw. von ihm subtrahiert (über der Indifferenzebene)
- Ausnahme: Venöses System
- Einfluss auf die Flüssigkeitssäule beim stehenden Menschen durch Venenklappen, Muskelpumpe und Kollaps extrakranieller Venen → Hydrostatischer Einfluss auf den venösen Blutdruck geringer als im arteriellen System
- Ausnahme: Venöses System
Mittlere Blutdrücke verschiedener Körperregionen des stehenden Menschen
Ungefährer mittlerer arterieller Blutdruck [mmHg] | Ungefährer mittlerer venöser Blutdruck [mmHg] | |
---|---|---|
Kopf | 50 | −20 |
Herzhöhe | 100 | −3 |
Fuß | 180 | 90 |
Wiederholungsfragen zum Kapitel Grundlagen des Kreislaufes
Anatomische und funktionelle Gliederung des Kreislaufes
Beschreibe die Flussrichtung des Blutes im kleinen Kreislauf!
Physikalische Grundlagen: Stromstärke und Widerstand
Was bezeichnet man als Volumenstromstärke und was verstehst du in diesem Zusammenhang unter dem Kontinuitätsgesetz? Was bedeutet dies für die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes im Körper?
Erkläre das Ohm'sche Gesetz in Bezug auf den Kreislauf!
Wofür gilt das Hagen-Poiseuille-Gesetz eigentlich und was besagt es?
Welche Aussage ergibt sich letztendlich für den Strömungswiderstand im menschlichen Kreislauf, wenn man Hagen-Poiseuille-Gesetz und Ohm'sches Gesetz gemeinsam betrachtet?
Wie verändern sich Strömungswiderstand, Strömungsgeschwindigkeit und Blutdruck im Bereich einer Stenose?
Wie berechnet sich der Widerstand in parallel bzw. nacheinander geschalteten Gefäßen und wie hoch sind die tatsächlichen Widerstände im Körper- bzw. Lungenkreislauf?
Physikalische Grundlagen: Blutströmung
Beschreibe die Fließeigenschaften von laminaren und turbulenten Strömungen! Wodurch kann eine laminare zur turbulenten Strömung werden?
Was ist die sog. „Reynolds-Zahl“?
Welche Einflussgrößen auf die Blutviskosität kennst du und welche Rolle spielt der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt dabei?
Besonderheiten des Hochdrucksystems
Wie verändert sich die Blutdruckamplitude bei einer Aortensklerose?
Was ist der sog. „Druckpuls“ und ist er schneller oder langsamer als die Strömungsgeschwindigkeit?
Wie verändert sich der Blutdruck während der Atmung?
Besonderheiten des Niederdrucksystems
Wie hoch ist der zentralvenöse Druck (ZVD) normalerweise ungefähr und was passiert mit ihm während der Füllungsphase?
Welche Wirkung haben positiv inotrope Effekte (bspw. durch Sympathikuswirkung) auf die a-Welle der Venenpulskurve?
Welchen Einfluss hat die Atmung auf den venösen Rückstrom?
Hydrostatische Einflüsse auf den Blutdruck
Was bezeichnet man als hydrostatische Indifferenzebene und wie verändert sich der Blutdruck bezüglich einer Abweichung von ihr?
Wie hoch ist der ungefähre mittlere arterielle Blutdruck auf Herzhöhe?
Eine Sammlung von allgemeineren und offeneren Fragen zu den verschiedenen prüfungsrelevanten Themen findest du im Kapitel Beispielfragen aus dem mündlichen Physikum.
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Hagen-Poiseuille-Gesetz
Kreislauf
Kreislauf – Teil 1: Grundlagen
Kreislauf – Teil 2: Regulation
Kreislauf – Teil 3: Steuerung der Organdurchblutung
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