Zusammenfassung
Escherichia coli (E. coli) ist ein gramnegatives, stäbchenförmiges und begeißeltes Bakterium, das einen wichtigen Bestandteil der bakteriellen Darmflora darstellt. Die durch E. coli ausgelösten Krankheiten entstehen entweder durch Aufnahme eines für den menschlichen Darm pathogenen Subtyps (z.B. über kontaminierte Lebensmittel) oder durch Verschleppung der Darmkeime in ein anderes Milieu (z.B. Harnblase, Lunge), wo sie zu einer Infektion führen. Die klinische Symptomatik hängt vom vorliegenden Subtyp ab: Eine Infektion mit enterohämorrhagischem E. coli (EHEC) kann insb. bei Kleinkindern/Säuglingen zu einer schweren Kolitis führen und als Komplikation das gefürchtete hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) auslösen. Therapeutisch sind die Durchfälle nach Möglichkeit symptomatisch zu behandeln. Die Indikation für die Gabe von Antibiotika sollte vorsichtig gestellt werden, da sie oft zu einer vermehrten Toxinfreisetzung führen können.
Allgemein
- Erreger
- Escherichia coli (E. coli): Gramnegatives, stäbchenförmiges und begeißeltes Bakterium
- Wichtiger Bestandteil der bakteriellen Darmflora
- Erkrankung durch Aufnahme eines für den menschlichen Darm pathogenen Subtyps oder durch Verschleppung der Darmkeime in ein anderes Milieu
- Escherichia coli (E. coli): Gramnegatives, stäbchenförmiges und begeißeltes Bakterium
- Diagnostik darmpathogener E. coli: Erfolgt durch
- Nachweis von für die Subtypen charakteristischen Virulenzgenen (PCR)
- Nachweis von Toxinen nach Anreicherungskultur (EIA bzw. ELISA)
- Ggf. durch Serotypbestimmungen (O- und H-Antigene mit Agglutinationsverfahren)
- Anforderung: Darmpathogene E. coli; eine einfache Anforderung „Durchfallerreger im Stuhl“ ist nicht ausreichend!
- Indikation
- Blutige Diarrhö
- Schwere Verläufe (insb. HUS und TTP, Sepsis), insb. vor antibiotischer Therapie
- Hospitalisierung aufgrund der Diarrhö (insb. bei Kindern)
- Relevante Komorbiditäten (insb. Immunsuppression)
- Reiseanamnese
- Auftreten in Gemeinschaftseinrichtungen
- Auftreten bei Patienten, die beruflich in der Gastronomie und Lebensmittelverarbeitung tätig sind
- Therapie der darmpathogenen E.-coli-Infektionen (erregerspezifische Besonderheiten sind in den jeweiligen Sektionen aufgeführt)
- Symptomatische Therapie der Durchfälle
- Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten
- Motilitätshemmer (z.B. Loperamid): Wenn überhaupt, dann nur kurzzeitig indiziert, da durch die Gabe die Ausscheidung der Erreger verzögert wird
- Spasmolytika (z.B. Buscopan®): Indiziert bei abdominellen Krämpfen
- Antibiotika: Keine unkritischen bzw. unreflektierten antibiotischen Therapien – insb. bei EHEC kann bei Ciprofloxacin-Therapie durch Zerfall der Erreger eine vermehrte Toxinfreisetzung und ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines HUS resultieren [1]
- Kalkulierte antibiotische Therapie nur bei schweren Verläufen mit länger anhaltenden Durchfällen bzw. besonderen Risikofaktoren
- Wenn möglich Erregerdiagnostik vor der ersten Antibiotikagabe!
- Für Therapievorschläge zur Antibiotikatherapie siehe folgende Sektionen
- Symptomatische Therapie der Durchfälle
- Differenzialdiagnosen
- Siehe: Gastroenteritiden nach Nahrungsmittelverzehr
- Siehe: Bakterielle Durchfallerkrankungen
- Siehe: Durchfall
Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)
- Erreger
- Enterohämorrhagische Escherichia coli: Besitzen potenziell die Eigenschaft, Zytotoxine zu bilden (Shiga-Toxine, syn. Shiga-like-Toxine, Verotoxine)
- Einteilung nach Oberflächen-O-Antigenen
- Verbreitung
- Assoziiert mit industrieller Fertigung von Lebensmitteln in Industrienationen
- Alter (zwei Häufigkeitsgipfel): Säuglinge/Kleinkinder und höheres Lebensalter
- Infektionsweg
- Fäkal-oral
- Fäkal kontaminierte Lebensmittel, z.B.
- Rohmilchprodukte
- Rohes Fleisch
- Gemüse
- Direkter Kontakt zu Wiederkäuern (z.B. Rinder, Schafe)
- Übertragung von Mensch zu Mensch
- Fäkal kontaminierte Lebensmittel, z.B.
- Fäkal-oral
- Infektionsdosis: Gering! (<100 für Serogruppe O157)
- Infektiosität
- Pathophysiologie
- EHEC enthalten Bakteriophagen, die für die Shiga-Toxine kodieren und diese bilden
- Mithilfe des Adhärenzfaktors Intimin, dessen Gen auf der Pathogenitätsinsel LEE (locus of enterocyte effacement) im bakteriellen Genom liegt, gelangen die Shiga-Toxine in die Darmepithelzellen und entfalten ihre zytotoxische Wirkung → Hemmung der Proteinbiosynthese und Induktion der Apoptose → Blutige Durchfälle möglich
- Inkubationszeit: 2–10 Tage
- Symptomatik
- Wässrige Durchfälle, gelegentlich blutig, meist(!) jedoch unblutig
- Übelkeit, Erbrechen und abdominelle Schmerzen
- Asymptomatische Verläufe ebenfalls möglich
- In 10–20% hämorrhagischer Verlauf mit blutigen Durchfällen, Fieber, Tenesmen
- Säuglinge, Kleinkinder, ältere Patienten und Immunsupprimierte sind häufiger betroffen
- Symptome eines HUS treten durchschnittlich 7 Tage nach Beginn der Durchfälle auf
- Diagnostik: Gemäß Diagnostik darmpathogener E. coli
- Spezielle Indikationen zur EHEC-Diagnostik im Stuhl
- Nachweis des Toxins bzw. Toxingens
- Toxingennachweis mittels PCR aus Kolonieabschwemmung oder Stuhlanreicherung
- Direkter Toxinnachweis mittels ELISA aus der bakteriellen Kultur
- Meldepflicht
- Arztmeldepflicht
- Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ): Namentliche Meldepflicht bei Erkrankung, Tod und Ausscheidern von EHEC ohne Auftreten eines HUS, bei durch EHEC ausgelöstem HUS namentliche Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung, Tod und Ausscheidern
- Nach § 6 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod durch von EHEC ausgelöstem HUS
- Labormeldepflicht
- Nach § 7 IfSG: Namentliche Meldepflicht bei direktem oder indirektem Nachweis, soweit die Nachweise auf eine akute EHEC-Infektion (mit und ohne HUS) hinweisen
- Arztmeldepflicht
- Therapie [1]
- Symptomatische und supportive Therapie
- Keine routinemäßige antibiotische Therapie!
- Aktuelle Leitlinien empfehlen bei begründeter Indikation (extraintestinale, bzw. generalisierte Infektion) Carbapeneme [2][3][4]
- Komplikationen
- Hämolytisch-urämisches Syndrom
- Insb. bei Säuglingen/Kleinkindern
- Hämolytisch-urämisches Syndrom
- EHEC-Epidemie 2011
- 2011 kam es insb. in Norddeutschland zu einer epidemischen Infektionswelle mit EHEC des Serotyps O104
- Infektionsvehikel waren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus Ägypten importierte kontaminierte Sprossen
- Erkrankungszahlen: 2987 an Gastroenteritis (davon 18 Todesfälle), 855 am HUS (davon 35 Todesfälle)
EHEC → „H“ wie „hämolytisch-urämisches Syndrom“ als wichtige Komplikation!
Enterotoxinbildende Escherichia coli (ETEC)
- ETEC ist der häufigste Erreger der Reisediarrhö
- Erreger: Neben ETEC sind noch andere E.-coli-Stämme (z.B. EAEC), Salmonellen, Shigellen oder Rotaviren für das Auftreten einer Reisediarrhö verantwortlich
- Vorkommen
- Reiserückkehrer aus asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern („Montezumas Rache“)
- In o.g. Ländern häufiger Erreger von Gastroenteritiden bei Säuglingen und Kleinkindern
- Pathophysiologie: ETEC produzieren entweder eines oder beide der folgenden Toxine
- Hitze- und säurelabiles Enterotoxin (LT): Besitzt Ähnlichkeit zum Choleratoxin → Hemmung der GTPase des G-Proteins → Erhöhung der cAMP-Spiegel → Steigerung der cAMP-abhängigen Sekretion von Wasser und Chlorid (sekretorische Diarrhö)
- Hitzestabiles Enterotoxin (ST): Vermehrte Bildung von cGMP im Darm → Ebenfalls Steigerung der Sekretion
- Klinik: Unspezifische Gastroenteritis mit meist wässriger Diarrhö für 1–4 Tage
- Symptome ähnlich der Cholera
- Therapie
- Supportiv (ETEC-Infektion meist selbstlimitierend)
- Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme
- Ausgleich von evtl. Elektrolytverlusten
- Antibiotikatherapie: Nur bei Fieber, Blut im Stuhl, anhaltender Diarrhö mit hoher Stuhlfrequenz
- Mittel der Wahl: Azithromycin [4]
- Supportiv (ETEC-Infektion meist selbstlimitierend)
- Prophylaxe
- Lebensmittel- und Trinkwasserhygiene
- Eine antibiotische Prophylaxe ist generell nicht indiziert
- Cholera-Impfung zeigt vermutlich keine gleichzeitige Schutzwirkung gegen ETEC [5]
ETEC → „T“ wie „travel“ → Reisediarrhö!
Enteropathogene Escherichia coli (EPEC)
- Krankheitsbild: Erreger der sogenannten Säuglingsdiarrhö
- Erwachsene sind selten betroffen
- Vorkommen
- In Deutschland und in industrialisierten Ländern inzwischen selten, Vorkommen hauptsächlich in Säuglingsstationen und Kindertagesstätten[6]
- In Ländern des Globalen Südens hinter der Rotavirusinfektion eine der Hauptursachen für hohe Kindersterblichkeit
- Pathophysiologie [6]
- EPEC haften mithilfe des Adhärenzproteins Intimin an das Dünndarmepithel → Durch ein spezielles Sekretionssystem werden die bakteriellen Effektorproteine in die Zellen injiziert → Die Aktinfasern des Bürstensaums konglomerieren → Verlust des Bürstensaums → Gestörte Resorption
- Klinik
- Breiig-wässrige Durchfälle, ggf. schleimig (jedoch nicht blutig)
- Klinik abhängig von Ernährungszustand und Begleiterkrankungen
- Therapie
- Aufgrund zunehmender Resistenzen wird eine antibiotische Therapie bei Nachweis von EPEC in aktuellen Leitlinien nicht empfohlen [4]
EPEC → „P“ wie „Pädiatrie“ → Säuglingsdiarrhö!
Enteroinvasive Escherichia coli (EIEC)
- Vorkommen: In Deutschland betroffen sind meist Reiserückkehrer aus tropischen Ländern
- Pathophysiologie: Invasion des Darmepithels und Enterotoxinbildung (ähnlich der Invasion durch Shigellen – EIEC und Shigellen besitzen einige gemeinsame Antigene)
- Infektionsweg [7]
- Mensch als einziges Reservoir für EIEC
- Übertragung meist durch kontaminierte Lebensmittel oder Wasser
- Mensch-zu-Mensch-Übertragung ebenfalls möglich
- Klinik
- Therapie
- Bei leichten Verläufen antibiotische Therapie nach Möglichkeit vermeiden, ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit und Elektrolyten
- Unter Umständen bei einer Reisediarrhö Antibiotikagabe erwägen, wenn es die Umstände erforderlich machen, z.B. mit Azithromycin oder Ciprofloxacin [4]
Enteroaggregative Escherichia coli (EAEC)
- Vorkommen: Weltweite Verbreitung, in Europa ca. 5% der bakteriellen Gastroenteritiden [6]
- Pathophysiologie
- Adhäsion ans Dünndarmepithel mithilfe aggregativer Fimbrien
- Auslösen einer sekretorischen Diarrhö durch hitzestabile Enterotoxine
- Biofilm der Bakterien und von den Mukosazellen vermehrt gebildeter Schleim bilden eine Nische für die Bakterien
- Klinik
- Therapie
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
E. coli
E. coli – Teil 1
E. coli – Teil 2
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- A04.-: Sonstige bakterielle Darminfektionen
- Exklusive: Lebensmittelvergiftungen, anderenorts klassifiziert; Tuberkulöse Enteritis (A18.3)
- A04.0: Darminfektion durch enteropathogene Escherichia coli
- A04.1: Darminfektion durch enterotoxinbildende Escherichia coli
- A04.2: Darminfektion durch enteroinvasive Escherichia coli
- A04.3: Darminfektion durch enterohämorrhagische Escherichia coli
- A04.4: Sonstige Darminfektionen durch Escherichia coli
- Enteritis durch Escherichia coli o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.