Abstract
Die meisten Fehlbildungen an Vagina und Uterus entstehen durch den unvollständigen Verschluss der Müller-Gänge. Fehlbildungen des Uterus können aber sowohl die Folge einer unvollständigen Resorption des Septums als auch einer fehlenden Verschmelzung der Müller-Gänge sein.
Eine besonders komplexe Form der Fehlbildung stellt das Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom dar, bei dem sich typischerweise weder Vagina noch Zervix ausbilden und auch die Uterushörner nur rudimentär angelegt sind. Die Mädchen entwickeln jedoch aufgrund der normalen Ovarialfunktion ganz normale sekundäre Geschlechtsmerkmale und fallen meist erst durch eine primäre Amenorrhö in der Pubertät auf.
Fehlbildungen der Mamma
In der Embryonalentwicklung des Menschen bildet sich die Milchleiste in der 7. bis 8. Woche zurück. Bei Störungen kann es zu folgenden Anomalien kommen:
- Polymastie: Überzählige Mammae
- Polythelie: Überzählige Brustwarzen
- Athelie: Fehlende Brustwarzen
Fehlbildungen des Uterus
Anatomische Grundlagen
Der Uterus wird anatomisch in das Corpus uteri und die Cervix uteri unterteilt. Der Abschnitt der Zervix, der ins Vaginalgewölbe hereinragt, wird als Portio (Muttermund) bezeichnet. Die Zervix wird in die Endo- und die Ektozervix unterteilt. Der Übergang liegt an der Portio und wird Transformationszone genannt. Der Winkel zwischen Zervix und Vagina wird als Versio, zwischen Korpus und Zervix als Flexio bezeichnet. In den meisten Fällen ist der Uterus antevertiert und anteflektiert.
- Anteversio uteri: Nachvorneneigung der Cervix uteri gegenüber der Vagina
- Anteflexio uteri: Nachvorneneigung des Corpus uteri gegenüber der Cervix uteri
- Blutversorgung: Der obere Abschnitt des Corpus uteri wird von den Aa. ovaricae aus der Aorta abdominalis versorgt. Der untere Abschnitt und die Zervix werden von den Aa. uterinae aus den Aa. iliacae internae versorgt. Der venöse Abfluss läuft über einen Venenplexus in der Gebärmutterwand (Plexus uterinus) in die Vena uterina.
- Histologie: Das Cavum uteri (Uterushöhle) wird innen durch das Zylinderepithel des Endometriums ausgekleidet. Das Endometrium besteht aus der Lamina functionalis und der Lamina basalis. Nur die Lamina functionalis unterliegt dem Menstruationszyklus. Dahinter liegt die Muskelschicht der Uteruswand, die Myometrium genannt wird. Umkleidet wird der Uterus durch das Perimetrium.
Fehlbildungen
- Fehlerhafte Verschmelzung der Müller-Gänge während der Embryonalentwicklung
- Uterus arcuatus: Weitestgehend abgeschlossene Vereinigung der Müller-Gänge, nur der Fundusbereich ist verbreitert und eingefurcht
- Uterus bicornis: Unvollständige Verschmelzung mit paarigem Uterus
- Uterus didelphys (Uterus duplex): Unvollständige Verschmelzung mit zwei getrennten Uteri und Zervices und meist auch zwei getrennten Vaginae
- Uterus unicornis: Aplasie eines Müllergangs
- Abgeschlossene Verschmelzung der Müller-Gänge bei unvollständiger Resorption des Septums
- Uterus subseptus/Uterus septus: Von der äußeren Form unauffälliger Uterus; medianes Septum und zwei Uteruslumina hysteroskopisch und sonografisch nachweisbar
Fehlbildungen der Vulva, Vagina und Zervix
Angeborene Gynatresien
- Hymenalatresie und Vaginalatresie
- Definition: Bei der Hymenalatresie ist die Vaginalöffnung membranartig verschlossen, bei der Vaginalatresie fehlt angeboren oder erworben (Infektion, Verletzung) die äußere Mündung der Vagina. Dadurch kann das Menstruationsblut nicht abfließen. Das Blut staut sich zunächst in der Vagina (= Hämatokolpos), später bis in den Uterus (= Hämatometra) und auch in die Tuben (= Hämatosalpinx) zurück
- Klinik
- Vor der Menarche (Pubertät) symptomlos
- Primäre Amenorrhö
- Molimina menstrualia: Amenorrhö, die monatlich an Schmerzintensität zunimmt
- Tastbarer Unterbauchtumor
- Therapie
- Inzision des Hymens bzw. je nach Ursache und Ausprägung der Vaginalatresie: Inzision der Verwachsung oder plastisch-chirurgische Wiederherstellung der Vagina (Neovagina)
- Ausräumung des restlichen Menstruationsblutes
Erworbene Gynatresien
- Synechien im Zervikalkanal
- Ätiologie
- Postentzündlich (z.B. Chlamydien)
- Posttraumatisch (z.B. Kürettage)
- Symptome/Klinik
- Sekundäre Amenorrhö
-
Molimina menstrualia: Amenorrhö, die monatlich an Schmerzintensität zunimmt
- Ausbildung einer Hämatometra (Blut im Uterus)
- Therapie
- Operative Lösung der Synechien und Ausräumung der Hämatometra
- Ätiologie
- Labiensynechie
- Definition: Partielle oder komplette Verklebung der inneren Labien
- Epidemiologie: 2–5% aller Mädchen bis zum 4. Lebensjahr leiden an Synechien
- Ätiologie: Östrogenmangel, seltener Trauma (Entzündung, sexueller Missbrauch)
- Therapie: Lösung mit östrogenhaltiger Salbe (eine operative Lösung ist nicht zu empfehlen, da es hierbei häufig zu Vernarbungen und Rezidiven kommt)
Eine Hämatometra, also eine Blutansammlung in der Gebärmutter, kann sowohl angeboren als auch erworben sein: Nach Infektionen (z.B. im Rahmen der Geburt) kann es zu Verwachsungen und Verklebungen (Synechien) im Bereich des Uterus und der Zervix kommen, welche den Blutabfluss verhindern!
Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom
- Kurzbeschreibung: Fehlbildung der Genitalorgane (Vaginalaplasie, Zervixaplasie, rudimentäre Uterushörner) unbekannter Ätiologie aufgrund einer Störung in der Entwicklung der Müller-Gänge im zweiten Embryonalmonat. Es gibt in der Regel keine Auffälligkeiten im Hormonhaushalt und der Entwicklung des normalen weiblichen Habitus. Die äußeren Geschlechtsorgane (Vulva, Mammae, Behaarung) sind aufgrund unauffälliger Ovaranlage in der Regel nicht beeinträchtigt.
- Klinik
- Normaler weiblicher Genotyp (46,XX)
- Normale Ovarfunktion: Normale Entwicklung von Mammae und Vulva
- Erstes Symptom: Primäre Amenorrhö
- Schmerzhafte oder nicht mögliche vaginale Penetration
- Sterilität
- Evtl. MURCS-Assoziation : Skelettanomalien, Fehlbildungen des Herzens, Muskelschwäche, Nieren- oder Harnwegsfehlbildungen möglich
- Diagnostik
- Labor: Geschlechtshormone im Normbereich: LH, FSH, Prolaktin, Östradiol und Testosteron
- Sonografie: Uterus und Vagina nur begrenzt darstellbar, unauffällige Ovarien, evtl. Begleitfehlbildungen der Nieren oder der Harnwege
- Therapie
- Verschiedene konservative (z.B. Dehnung mittels Dilatatoren) oder operative Verfahren (z.B. Vaginalplastik) können die vaginale Penetration ermöglichen
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
Q50.-: Angeborene Fehlbildungen der Ovarien, der Tubae uterinae und der Ligg. lata uteri
- Q50.0: Angeborenes Fehlen des Ovars
- Exklusive: Turner-Syndrom (Q96.‑)
- Q50.1: Dysontogenetische Ovarialzyste
- Q50.2: Angeborene Torsion des Ovars
- Q50.3: Sonstige angeborene Fehlbildungen des Ovars
- Q50.4: Embryonale Zyste der Tuba uterina
- Fimbrienzyste
- Q50.5: Embryonale Zyste des Lig. latum uteri
- Zyste:
- Epoophoron
- Gartner-Gang
- Parovarial-
- Zyste:
- Q50.6: Sonstige angeborene Fehlbildungen der Tuba uterina und des Lig. latum uteri
- Akzessorisch
- Atresie
- Fehlen
- Angeborene Fehlbildung der Tuba uterina und des Lig. latum uteri o.n.A.
Q51.-: Angeborene Fehlbildungen des Uterus und der Cervix uteri
- Q51.0: Agenesie und Aplasie des Uterus
- Angeborenes Fehlen des Uterus
- Q51.1: Uterus duplex mit Uterus bicollis und Vagina duplex
- Q51.2: Sonstige Formen des Uterus duplex
- Uterus duplex o.n.A.
- Q51.3: Uterus bicornis
- Q51.4: Uterus unicornis
- Q51.5: Agenesie und Aplasie der Cervix uteri
- Angeborenes Fehlen der Cervix uteri
- Q51.6: Embryonale Zyste der Cervix uteri
- Q51.7: Angeborene Fisteln zwischen Uterus und Verdauungs- oder Harntrakt
- Q51.8: Sonstige angeborene Fehlbildungen des Uterus und der Cervix uteri
- Hypoplasie des Uterus und der Cervix uteri
- Q51.9: Angeborene Fehlbildung des Uterus und der Cervix uteri, nicht näher bezeichnet
Q52.-: Sonstige angeborene Fehlbildungen der weiblichen Genitalorgane
- Q52.0: Angeborenes Fehlen der Vagina
- Q52.1: Vagina duplex
- Q52.2: Angeborene rektovaginale Fistel
- Exklusive: Kloake (Q43.7)
- Q52.3: Hymenalatresie
- Q52.4: Sonstige angeborene Fehlbildungen der Vagina
- Angeborene Fehlbildung der Vagina o.n.A.
- Zyste:
- embryonal, vaginal
- Processus vaginalis peritonei [Nuck-Kanal], angeboren
- Q52.5: Verschmelzung der Labien
- Q52.6: Angeborene Fehlbildungen der Klitoris
- Q52.7: Sonstige angeborene Fehlbildungen der Vulva
- Angeboren:
- Fehlbildung o.n.A.
- Fehlen
- Zyste
- Angeboren:
- Q52.8: Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungen der weiblichen Genitalorgane
- Q52.9: Angeborene Fehlbildung der weiblichen Genitalorgane, nicht näher bezeichnet
O34.-: Betreuung der Mutter bei festgestellter oder vermuteter Anomalie der Beckenorgane
- O34.0: Betreuung der Mutter bei angeborener Fehlbildung des Uterus
- Betreuung der Mutter bei:
- O34.5: Betreuung der Mutter bei sonstigen Anomalien des graviden Uterus
- Betreuung der Mutter bei
- O34.6: Betreuung der Mutter bei Anomalie der Vagina
- O34.7: Betreuung der Mutter bei Anomalie der Vulva und des Perineums
- O34.8: Betreuung der Mutter bei sonstigen Anomalien der Beckenorgane
- Betreuung der Mutter bei
- Beckenbodenplastik (vorangegangen)
- Hängebauch
- Rektozele
- Rigidität des Beckenbodens
- Zystozele
- Betreuung der Mutter bei
- O34.9: Betreuung der Mutter bei Anomalie der Beckenorgane, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.