Zusammenfassung
Die Anlage eines Blasenverweilkatheters kann aus therapeutischer oder diagnostischer Indikation erfolgen. Diese sollte streng und ärztlich gestellt und die Liegedauer aufgrund der Infektionsgefahr auf ein Minimum reduziert werden. Nosokomiale Harnwegsinfektionen sind ein häufiges Erscheinungsbild und überwiegend mit transurethralen Blasenkathetern assoziiert.
Ein Blasenverweilkatheter ist unter sterilen Bedingungen anzulegen. Bei mutmaßlich längerer Verweildauer sollte, sofern nicht kontraindiziert, einem suprapubischen Katheter Vorzug gegeben werden.
Definition
- Transurethraler Blasenkatheter
- Transurethraler Blasenverweilkatheter („DK“, „Dauerkatheter“): Durch die Harnröhre führender Blasenkatheter zur Dauerharnableitung oder als Spülkatheter
- Transurethraler Einmalkatheter („EK“): Durch die Harnröhre führender Blasenkatheter zur einmaligen oder intermittierenden Harnableitung oder Uringewinnung
- Suprapubischer Blasenkatheter („SBK“) : Die Harnröhre umgehender, transabdomineller Blasenkatheter zur längerfristigen Harnableitung
Indikation
Indikationen zur Anlage eines Blasenverweilkatheters
- Perioperativ
- Bilanzierung der Harnausscheidung schwer erkrankter Personen
- Akuter Harnverhalt
- Perineale Wundheilungsstörungen
- In der Palliativmedizin zur Verbesserung der Lebensqualität
- Neurogene Blasenentleerungsstörung
Die Anlage eines Blasenverweilkatheters allein aufgrund einer Harninkontinenz ist nicht indiziert!
Indikationen zur Anlage eines transurethralen Einmalkatheters
- Regelmäßige Einmalkatheterisierung bei neurogener Blasenentleerungsstörung
- Diagnostische Uringewinnung bei Frauen, wenn Kollektion von Mittelstrahlurin nicht möglich
- Akuter Harnverhalt
Bei stabilen Patienten, die in der Lage sind, Urin zu lassen, sollen in der ZNA Urindauerkatheter nicht verwendet werden, um die Urinausscheidung zu messen. (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme 2)
Kontraindikation
Kontraindikationen für die Anlage eines transurethralen Blasenkatheters
- Absolut: Harnröhrenabriss
- Relativ
- Harnröhrenstriktur
- Nicht lange zurückliegende Operation an den Harnwegen
- Bei neurogener Blasenentleerungsstörung: Nur in der Frühphase indiziert [1]
Kontraindikationen für die Anlage eines suprapubischen Blasenkatheters
- Absolut
- Relativ
- Schwangerschaft, Adipositas, Meteorismus, Ileus
- Gerinnungsstörungen, gerinnungshemmende Medikation, Thrombopenie
- Narben/Verbrennungen an der Punktionsstelle
Es werden die wichtigsten Kontraindikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Wahl des Katheters
Drainageform
- Transurethraler Blasenverweilkatheter: Bei kurzzeitiger Anwendung (<5 Tage) zur Dauerharnableitung [1]
- Vorteile
- Einfache Umsetzbarkeit (Anlage kann durch ärztliches und pflegerisches Personal erfolgen, kein operativer Eingriff)
- Blasenspülung möglich
- Niedriges Verletzungsrisiko
- Wenige Kontraindikationen (siehe auch: Kontraindikationen für die Anlage eines transurethralen Blasenkatheters)
- Nachteile
- Hohe Inzidenz von Harnwegsinfektionen
- Kein Erhalt der Spontanmiktion
- Pflegeaufwand
- Komplikationen des transurethralen Blasenverweilkatheters
- Vorteile
- Transurethraler Einmalkatheter siehe: Indikationen zur Anlage eines transurethralen Einmalkatheters
- Suprapubischer Katheter: Bei längerer Verweildauer (>5 Tage)
- Vorteile
- Geringere Infektionsgefahr
- Umgehung der Harnröhre → Keine Urethritis, Orchitis, Prostatitis, Urethrastriktur
- Erhalt der Spontanmiktion
- Möglichkeit der Restharnbestimmung
- Geringerer Pflegeaufwand
- Nachteile
- Viele Kontraindikationen (siehe auch: Kontraindikationen für die Anlage eines suprapubischen Katheters)
- Operativer Eingriff
- Vorteile
- Für Kontraindikationen siehe: Kontraindikationen für die Anlage eines Blasenkatheters
Katheterform und -größe
Bei der Wahl der Kathetergröße sind klinikeigene Standards zu beachten.
- Transurethraler Blasenkatheter
- Suprapubischer Blasenkatheter
- Größe: Häufig 14–16 Charrière
- Form: Ballonkatheter vs. Pigtail-Katheter (mit und ohne Ballon)
- Bei längerfristiger Harndrainage empfiehlt sich die Anlage eines Ballonkatheters
Material
Die aktuelle Leitlinie empfiehlt derzeit nicht die Verwendung antimikrobiell beschichteter Blasenkatheter, da eine Infektionsprophylaxe hierdurch noch nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte. [1]
- Transurethraler Blasenverweilkatheter: Material abhängig von Liegedauer und möglicher Latexallergie
- Verweildauer >5 Tage → Silikon
- Verweildauer <5 Tage → Ggf. Latex, bei Latexallergie: Silikon
- Transurethraler Einmalkatheter: PVC
- Suprapubischer Blasenkatheter: Silikon
Material zur Durchführung
- Allgemein
- Sterile Handschuhe
- Steriles Abdeck-/Lochtuch
- Sterile Tupfer oder Kompressen
- Schleimhautantiseptikum
- Fakultativ: Sterile Pinzette
- Steriles Gleitgel (z.B. Instillagel® oder Cathejell®)
- Nierenschale
- Steriler Blasenkatheter
- Steriler Stopfen oder Ablaufbeutel
- Sterile Spritze zum Blocken
- 8–10%ige Glycerol-Wasser-Lösung (z.B. CURITY Glyzerin Block oder Glyco Block) oder steriles Aqua dest.
- Zusätzliches Material für den suprapupischen Blasenkatheter
- Haube, Mundschutz, steriler Kittel
- Einwegrasierer
- Ultraschallgerät
- Lokalanästhetikum, Spritze mit langer Kanüle
- Skalpell, Trokar
- Sterile Schlitzkompresse/Pflaster
Ablauf/Durchführung
Ablauf der transurethralen Blasenverweilkatheter-Anlage
- Lagerung: Patient(in) flach gelagert, bei Frauen leicht abgespreizte Beine
- Personal
- Falls möglich mit Hilfsperson
- Anlage kann durch ärztliches Personal oder Pflegepersonal erfolgen
- Ablauf
- Hygienische Händedesinfektion , Anziehen steriler Handschuhe , steriles Abdecken
- Bei Männern
- Bei Frauen
- Spreizen der Labien mit der linken Hand sofern Personal rechtshändig
- Desinfektion der Labien und des Harnröhreneingangs durch mehrfaches Wischen mit jeweils neuen und sterilen Tupfern
- Applikation von Gleitgel auf die Katheterspitze und in die Urethra
- Einführen des Katheters in die Harnröhre, bis Urin fließt, gefolgt von weiterem Vorschub um wenige Zentimeter
- Blocken des Katheters mit steriler Glycerol-Wasser-Lösung oder sterilem Aqua dest., Volumen nach Herstellerangaben
- Konnektion mit Ablaufbeutel
Ablauf der suprapubischen Katheteranlage
- Aufklärung über Art und Komplikationen des suprapubischen Blasenkatheters
- Lagerung: Rückenlage, ggf. Oberkörpertieflagerung
- Personal
- Idealerweise mit assistierender Person
- Anlage ist rein ärztliche Aufgabe
- Ablauf
- Bei starker Behaarung: Haarentfernung mit elektrischer Haarschneidemaschine (Clipper) mit Einwegkopf
- Sonografie: Lokalisierung der Blase und Kontrolle des Blasenfüllstandes
- Hygienische Händedesinfektion , Anziehen steriler Handschuhe ,
- Steriles Abwaschen und Abdecken der Haut um die Punktionsstelle
- Aufsuchen der Punktionsstelle: I.d.R. in der Mittellinie zwei Querfinger über der Symphyse
- Setzen der Lokalanästhesie an der Punktionsstelle: Zunächst oberflächlich, dann streng senkrecht in die Tiefe, gefolgt von Probeaspiration von Urin
- Vorbereiten des Punktionssets: Einführen des Katheters in den Trokar , Anschluss an den Urinbeutel
- Senkrechte Inzision von Haut und Faszie
- Senkrechtes Setzen von Trokar mit innenliegendem Katheter, bis Urinfluss erfolgt
- Nach weiterem Vorschub des Katheters: Entfernen des Trokars
- Blocken des Katheters mit steriler Glycerol-Wasser-Lösung oder sterilem Aqua dest., Volumen nach Herstellerangaben
- Steriler Verband mit Schlitzkompresse und Pflaster
Handhabung und Pflege
Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe
- Regelmäßiges Überprüfen der Indikation: Liegedauer des Katheters so kurz wie möglich halten
- Verwenden des korrekten Kathetersystems
- Silikonkatheter bei Liegedauer >5 Tage bzw. suprapubischer Katheter
- Ableitungssystem mit Rücklaufsperre und Entnahmestelle für Urinproben
- Aufhängung des Urinbeutels
- Ohne Zug auf den Katheter (Befestigung bei mobilen Patienten bspw. am oberen Oberschenkel / Infusionsständer)
- Auffangbeutel unter Blasenniveau ohne Bodenkontakt
- Kein Abknicken des Schlauchs
- Entleerung des Urinbeutels
- Rechtzeitig, insb. vor Lagewechseln
- Tragen von Handschuhen, auf Spritzschutz achten
- Kein Blasentraining (intermittierendes Abklemmen des Katheters)
- Hygiene
- Tägliches Waschen von Genitale inkl. Urethramündung und Katheter mit Wasser und Seife, bei suprapubischem Katheter (>48 h nach Anlage) zusätzlich Waschen der Punktionsstelle mit Wasser und Seife
- System geschlossen halten
- Bei versehentlicher Diskonnektion des Urinbeutels: Re-Konnektion eines neuen Beutels an Katheter nach Sprüh-Wisch-Desinfektion
- Besonderheit suprapubischer Blasenkatheter: Verbandswechsel 2 Tage nach Anlage
- Spülen des Katheters (Blasenspülung, Instillation) nur bei speziellen urologischen Indikationen
- Wechsel des Katheters bei Verstopfung, Verschmutzung, Inkrustation und vor Einleiten einer antibiotischen Therapie bei V.a. Harnwegsinfekt
- Ausreichende Diurese
Keine prophylaktische Antibiotikatherapie bei Blasenverweilkatheter!
Wechsel eines Blasenkatheters
Laut Leitlinie gibt es keine standardisierten, zeitlichen Vorgaben zum Katheterwechsel. Wenn ein Katheterwechsel erfolgt, wird auch das Beutelsystem erneuert. [1]
- Indikationen zum Wechsel
- Fragliche Verstopfung
- Inkrustation, Verschmutzung
- Vor Einleitung einer antibiotischen Therapie bei V.a. symptomatische Harnwegsinfektion
- Durchführung
- Transurethraler Blasenkatheter: Nach Ziehen des alten Katheters analog zum Ablauf der transurethralen Blasenverweilkatheter-Anlage
- Suprapubischer Blasenkatheter: Aseptischer Katheterwechsel, ggf. über Führungsdraht
- Anziehen unsteriler Handschuhe
- Entfernen des Pflasters
- Sprühdesinfektion / Säuberung der Punktionsstelle und des Katheters
- Komplettes Entblocken des Ballons
- Anziehen steriler Handschuhe
- Einführen eines Führungsdrahtes in den Katheter
- Entfernen des Katheters bei gleichzeitiger Fixierung des Führungsdrahtes
- Applizieren von Gleitgel in die Punktionsstelle
- Einführen eines Dilatators über den Führungsdraht
- Entfernen des Führungsdrahtes
- Einführen des neuen Katheters durch den Dilatator
- Entfernen des Dilatators
- Blocken des Katheters
Management bei V.a. symptomatische Harnwegsinfektion
- Kathetersystem entfernen oder wechseln
- Urinprobe gewinnen
- Aus patientennaher Entnahmestelle des neu angelegten Kathetersystems
- Alternativ: Mittelstrahlurin nach Katheterentfernung oder Einmalkatheter-Urin
- Siehe auch: Ablauf der Urindiagnostik
- Bei positivem Urinstatus
- Beginn einer kalkulierten Antibiotikatherapie
- Evtl. Anpassen des Antibiotikums nach Eingang des Resistogramms
- Für die Wahl des Antibiotikums siehe: Antibiotische Therapie der nosokomialen Harnwegsinfektion
Komplikationen
- Allgemein
- Nosokomiale Harnwegsinfektion insb. beim transurethralen Katheter!
- Verletzung der Blase
- Komplikationen des transurethralen Blasenverweilkatheters
- Verletzung der Harnröhre
- Urethritis, Prostatitis, Epididymitis
- Harnröhrenstriktur (Spätfolge)
- Komplikationen des suprapubischen Blasenkatheters
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.