Abstract
Beim Sinus pilonidalis handelt es sich um eine Entzündung des subkutanen Fettgewebes meist der Sakralregion, die häufig durch einwachsende Haare entsteht. Sie stellt eine verbreitete Erkrankung insb. bei stark behaarten, adipösen Männern dar. Klinisch kann sie sich asymptomatisch, durch rezidivierendes Nässen und Rötung (chronischer Verlauf) oder bei Abszedierung durch deutliche Schmerzen (akuter Verlauf), ggf. in Begleitung von Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber, äußern.
Während die asymptomatische Form nicht therapiert wird, bedürfen die akute und chronische Form im Regelfall einer chirurgischen Sanierung. Hier kommen unterschiedliche Operationsverfahren zum Einsatz.
Definition
- Sinus pilonidalis: Entzündung des subkutanen Fettgewebes
- Lokalisation
- Meist Sakralregion
- Weitere: (Peri‑)Umbilikal, perimamillär, Vulva, Mons pubis, Klitoris, (inter‑)digital, Nase
Epidemiologie
Pathophysiologie
- Erworbener Sinus pilonidalis: Abgeschnittene (Kopf‑)Haare fallen herab (bspw. in die Rima ani) → Diese bohren sich mit dem wurzelnahen Ende in die Haut hinein → Durch Reibung (bspw. der zwei Gesäßhälften) gelangen die Haare immer tiefer in die Subkutis → Ausbildung von Pori (Vertiefungen der Haut) → Fremdkörpergranulom → Sinus pilonidalis
- Angeborener Sinus pilonidalis (selten), Assoziation mit
- Rückenmarks- und Spinalkanalanomalien
- Hohem Phenytoin-Spiegel während der Schwangerschaft
Risikofaktoren
Risikofaktoren für die Konversion eines asymptomatischen in einen symptomatischen Pilonidalsinus [1]
- Junge, stark behaarte Männer
- Adipositas
- Militärdienst bzw. Kurzhaarfrisuren in Kombination mit häufigen Haarschnitten
- Tiefe Analfalte
- Wissenschaftlich nicht belegt: Schlechte Analhygiene
Regelmäßiges Duschen und Baden, insb. nach Haarschnitten, wirkt möglicherweise protektiv in Bezug auf die Entstehung eines symptomatischen Sinus pilonidalis! [1]
Symptome/Klinik
Der meist präsakral gelegene Sinus pilonidalis kann drei unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen.
Sinus pilonidalis | |
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Verlaufsform | Klinische Erscheinung |
Asymptomatisch |
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Akut |
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Chronisch |
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Diagnostik
Die Diagnose eines Pilonidalsinus wird klinisch gestellt. Auf eine Bildgebung kann im Regelfall verzichtet werden .
- Körperliche Untersuchung
- Inspektion (Blickdiagnose)
- Palpation
- Evtl. Sondierung von Fistelgängen
- Weiterführende Diagnostik
- Labor: Ggf. Leukozytose und CRP-Erhöhung bei der akuten Form
- Körpertemperatur: Ggf. Fieber bei der akuten Form
Differenzialdiagnosen
Therapie
Da der asymptomatische Sinus pilonidalis klinisch nicht zwingend auffällig wird, gibt es zunächst keinen Handlungsbedarf. Eine Spontanheilung ist jedoch ausgeschlossen. Die asymptomatische Form kann in eine akute oder chronische Form übergehen. Die akute Abszedierung stellt eine dringliche Indikation dar, die chronische Form eine (relative) elektive Indikation zur operativen Versorgung. Beim akuten Verlauf finden überwiegend eine Abszessentdeckelung und definitive Versorgung im Intervall, in Ausnahmefällen die radikale Exzision Anwendung. Für den chronischen Verlauf stehen offene, minimal-invasive oder plastische Techniken zur Verfügung. Die Operationsarten sind vielfältig, sodass im Folgenden nur einige genannt werden.
Akuter Sinus pilonidalis
- Indikation zur dringlichen Operation
- Therapieoptionen
- Zweizeitige Operation: Methode der Wahl
- Abszessentdeckelung
- Definitive Versorgung (z.B. durch plastische Rekonstruktion) nach Abklingen der Entzündung
- Radikale En-bloc-Sanierung mit sekundärer Wundversorgung (offene Heilung) : In Ausnahmefällen
- Einfache Inzision: Bei kleinen Abszessen ggf. ausreichend
- Zweizeitige Operation: Methode der Wahl
Chronischer Sinus pilonidalis
- Therapie: Operativ
- Zeitpunkt: Elektiv
Operative Therapieoptionen
- Plastische Verfahren
- Prinzip: Defektdeckung mittels Lappenplastiken
- Verfahren nach Limberg
- Rautenförmige Exzision des Sinus pilonidalis und anschließende Deckung mittels rautenförmigem Subkutanlappen
- Häufigstes plastisches Verfahren
- Verfahren nach Karydakis: Elliptische Exzision der Haut und anschließende Mobilisation eines subkutanen Lappens auf der Gegenseite
- Exzision
- Prinzip: Exzision des gesamten Sinus pilonidalis, ggf. mit intraoperativer Darstellung der Fistelgänge
- Varianten
- Offene Wundheilung
- Mit Wundverschluss [1]
- Minimal invasive Verfahren: Anwendbar bei begrenzten Befunden
- Pit Picking („Herauspicken“ von Fisteln) [1]
- Sinusektomie: Knappe Exzision jedes Fistelgangs
- Lay-open-Verfahren/Fistelspaltung: Eröffnung des Fistelgangs in der Länge mit sekundärer Wundheilung
- Endoskopische Verfahren: Lokalexzision der Primärfisteln in Kombination mit endoskopischem Abtragen der Fistelgänge
- Laser-basierte Operation: Exzision der Poren, Reinigung der Hohlräume und Koagulation der Fistelgänge mittels Laser
Perioperatives Management
Für allgemeine Hinweise zum perioperativen Management siehe:
Präoperative Laboruntersuchungen und Diagnostik
- Mögliche Laboruntersuchungen
- Blutbild, Elektrolyte
- Gerinnung
- Präoperative Diagnostik: In Ausnahmefällen
Präoperative Anordnungen
- Siehe: Perioperativer Umgang mit Vormedikation
- Ggf. perioperative Thromboseprophylaxe ansetzen
Aufklärung
- Allgemeine Inhalte siehe auch: Chirurgische Aufklärung und Anästhesiologische Aufklärung
- Eingriffspezifische Aufklärung (je nach Verfahren), insb.
- Art des Eingriffs
- Komplikationen, siehe auch: Komplikationen des Pilonidalsinus
- Bei En-bloc-Sanierung oder plastischer Rekonstruktion: I.d.R. Operation unter stationären Bedingungen [1]
Insb. bei der radikalen En-bloc-Sanierung sollte auf einen langwierigen Heilungsprozess mit möglicherweise längerem Dienstausfall hingewiesen werden!
Unmittelbar perioperatives Management
- Keine perioperative Antibiotikaprophylaxe [1]
Bei der operativen Therapie des Pilonidalsinus soll nach aktueller S3-DGK-Leitlinie keine perioperative Antibiotikaprophylaxe erfolgen! [1]
Postoperatives Management
- Wundbehandlung [1]
- Spülen der Wundhöhle
- Bei Sekundärheilung (nach radikaler En-bloc-Sanierung): Regelmäßiges Ausduschen der Wunde mit Leitungswasser (kräftiger Wasserstrahl) durch Patient
- Bei Abszessentdeckelung: Nach strenger Indikationsstellung ggf. einmalige antiseptische Spülung mit Octenidin, Polihexanid, ggf. PVP-Iod
- Austasten der Wunde: Insb. bei größeren Wunddefekten zur Vermeidung eines Sekretverhalts
- Wundverband: Bspw. mittels eingelegter Kompresse und ausreichend großem Pflaster
- Spülen der Wundhöhle
- Bedarfsorientierte Schmerzmedikation
In der Literatur gibt es keinen nennenswerten Vorteil für eine postoperative VAC-Therapie oder Hydrokolloid-Verbände, insb. sind deren Kosten hoch! [1]
Komplikationen
- Operationsassoziierte Komplikationen
- Postoperativer Wundinfekt, Wundheilungsstörungen
- Rezidiv
- Langwieriger Heilungsprozess
- Nachblutung
- Sehr selten: Maligne Entartung zu einem Plattenepithelkarzinom
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2022
- L05.-: Pilonidalzyste
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2022, DIMDI.