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Parasomnien

Letzte Aktualisierung: 15.3.2023

Abstracttoggle arrow icon

Parasomnien sind unerwünschte Ereignisse, die während des Schlafens oder beim Übergang zwischen Schlaf- und Wachphase auftreten. Neben Insomnien gehören sie zu den häufigsten Schlafstörungen. Sie können sowohl im REM-Schlaf als auch im NREM-Schlaf auftreten.

Die häufigsten NREM-Parasomnien sind Somnambulismus (Schlafwandeln) und Pavor nocturnus (Nachtschreck). Die Ereignisse treten typischerweise während des ersten Drittels des Nachtschlafes auf und sind i.d.R. selbstlimitierend und nicht behandlungsbedürftig. Allerdings ist auf gute Schlafhygiene und beim Schlafwandeln zusätzlich auf eine sichere Schlafumgebung zu achten.

Von den REM-Schlaf-Parasomnien haben Albträume die höchste Prävalenz. Diese Träume mit bedrohlichen Inhalten treten bevorzugt in der zweiten Schlafhälfte auf, da der REM-Schlaf dann am ausgeprägtesten ist. Nach dem Aufwachen sind die Betroffenen schnell wieder orientiert und können sich i.d.R. an den Trauminhalt erinnern. Wiederholt auftretende Albträume und die damit einhergehenden Schlafstörungen können Stimmungsschwankungen auslösen. Hinzu kommen die Angst ins Bett zu gehen, kognitive und Verhaltensprobleme sowie Tagesschläfrigkeit und Einschränkungen im sozialen und schulischen bzw. beruflichen Bereich, sodass eine frühzeitige Behandlung wichtig ist. Die seltenere REM-Schlaf-Verhaltensstörung äußert sich als Ausführung heftiger Bewegungen und z.T. komplexer Handlungen im Schlaf. Man unterscheidet sekundäre und idiopathische Formen, wobei sich letztere im Verlauf häufig als das Prodrom einer neurodegenerativen Erkrankung herausstellen (insb. idiopathisches Parkinson-Syndrom).

Definitiontoggle arrow icon

Parasomnieformentoggle arrow icon

Parasomnieformen – Übersicht [2][3]
Merkmale Zeitpunkt Schlafphase Prävalenz

Schlafwandeln (Somnambulismus)

  • Umherwandeln während des Schlafs
  • Keine Reaktion beim Aufweckversuch
  • Keine Erinnerung nach dem Aufwachen
  • 1. Nachtdrittel
  • NREM
  • Insb. im (Vor‑)Schulalter, Kinder 4–6 Jahre: 30%
  • Jugendliche: 17%
  • Erwachsene: 4%
Pavor nocturnus
  • Plötzliches Aufschrecken aus dem Schlaf mit Panikschrei
  • Angstzustand mit vegetativen Symptomen
  • Keine Reaktion beim Aufweckversuch
  • Abwehren von Beruhigungsversuchen
  • Keine Erinnerung nach dem Aufwachen
  • 1. Nachtdrittel
  • NREM
  • Insb. im Kleinkindalter, im Alter von 18 Monaten fast 35%
  • Kinder 0–10 Jahre: Insg. ca. 17%
  • Erwachsene: Vereinzelt
Albträume
  • Detaillierte Träume mit bedrohlichen Inhalten
  • Angstzustand mit vegetativen Symptomen
  • Deutliche Erinnerung nach dem Aufwachen
  • 3. Nachtdrittel
  • REM
REM-Schlaf-Verhaltensstörung
  • Motorisches Ausführen von Trauminhalten
  • Oft ausladende Bewegungen mit Gefahr der Selbst- und Fremdgefährdung
  • Trauminhalte oft erinnerlich und passend zu Bewegungen
  • Ab 1,5 h Schlafenszeit durchgängig möglich
  • REM
  • Erwachsene: ∼2%

Ätiologietoggle arrow icon

Pathogenese

  • Unklar

Risikofaktoren für Parasomnien

  • Genetische Faktoren [2]
  • Stresssituationen, bspw. Mobbing [4]
  • Schlafmangel
  • Fieber

Zusätzliche Risikofaktoren für Albträume

  • Sensible Persönlichkeitsstruktur
  • Schwere körperliche und/oder psychische Traumen (PTBS)
  • Medikamente, bspw. Montelukast
  • Assoziation mit psychosozialen Verhaltensproblemen [5]

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

NREM-Schlaf-Parasomnien [3][6][7]

  • Zeitpunkt: I.d.R. während des ersten Drittels des Nachtschlafes
  • Gemeinsame Klinik
    • Episoden unvollständigen Erwachens aus dem Schlaf
    • Fehlende Reaktionsmöglichkeit beim Aufweckversuch
    • Aufgehobene Wahrnehmung und partielle oder komplette Amnesie
  • Schlafwandeln
    • Plötzliches Aufstehen aus dem Bett
    • Auffälliges Verhalten
      • Agitation, Desorientierung und verworrene Reaktion auf Ansprache, starrer Blick
      • Abstruse Handlungen, wie z.B. das Urinieren in einen Schrank
    • Risiko von Selbstgefährdung
  • Pavor nocturnus
    • Plötzliches Aufschrecken aus dem Schlaf mit Panikschrei und angstbesetztem Verhalten
    • Autonome Erregung, bspw. Tachykardie, Tachypnoe, Erröten, Schwitzen, Muskeltonuserhöhung
    • Abwehren jeglicher Beruhigungsversuche

REM-Schlaf-Parasomnien

  • Zeitpunkt: I.d.R. im letzten Schlafdrittel, da der REM-Schlaf dann am ausgeprägtesten ist
  • Albträume
    • Bedrohliche Träume mit den Inhalten Verfolgung, Angst, Tod, Fallen oder Eingesperrtsein
    • Autonome Erregung, bspw. Tachykardie, Tachypnoe, Erröten, Schwitzen, Muskeltonuserhöhung
    • Beim Aufwachen rasche Reorientierung und i.d.R. vollständige Erinnerung an den Traum
    • Folgen: Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Angst, ins Bett zu gehen, kognitive und Verhaltensprobleme, Tagesschläfrigkeit und Einschränkungen im sozialen und schulischen Bereich

Diagnostiktoggle arrow icon

Basisdiagnostik

Erweiterte Diagnostik

Bei unklarer Symptomatik bzw. zum Ausschluss anderer Ursachen

Der Pavor nocturnus wird (insb. durch die Eltern) häufig als Albtraum fehlgedeutet! Eine gezielte Anamnese ist daher entscheidend.

I.d.R. ist die Diagnose klinisch so eindeutig, dass auf eine apparative Diagnostik verzichtet werden kann!

Bei einer atypischen Symptomatik, Frequenzzunahme des Auftretens oder zusätzlichen Symptomen sollte eine erweiterte Abklärung erfolgen!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Allgemeine Maßnahmen [3][6]

Zusätzlich bei NREM-Schlaf-Parasomnien (Schlafwandeln und Pavor nocturnus) [3][7]

  • Umsetzen der Empfehlungen zur Schlafhygiene und zur Schlafumgebung
  • Bei Kindern zusätzlich
    • Ausführliche Beratung der Eltern über die Einordnung der Symptomatik als Entwicklungsphänomen mit spontanem Sistieren bis zur Pubertät
    • Ggf. antizipatorisches Wecken
  • Kein Wecken während der Symptomatik!
  • Beim Schlafwandeln zusätzlich: Sicherung der Schlafumgebung zuhause und in ungewohnter Umgebung, um Verletzungen zu vermeiden
  • Bei ausgeprägter, persistierender Symptomatik

Zusätzlich bei REM-Schlaf-Parasomnien (Albträumen)

Emotional belastende Reizeinwirkung v.a. im Rahmen des Medienkonsums begünstigt Parasomnien und ist insb. abends dringend zu vermeiden!

Von allen Parasomnien haben Albträume die höchste Relevanz und sollten insb. wegen der damit einhergehenden psychosozialen Belastungen frühestmöglich behandelt werden!

Es ist wichtig, sich mit der Angstthematik auseinanderzusetzen und Ängste zu überwinden, um eine Aufrechterhaltung der Albträume zu verhindern!

Prognosetoggle arrow icon

  • I.d.R. spontanes Sistieren bis zum Jugendalter
  • Lebenslanges Auftreten möglich

Sonderform: REM-Schlaf-Verhaltensstörungtoggle arrow icon

  • Definition: Parasomnie mit intermittierendem Verlust der physiologischen Muskelatonie in der REM-Schlaf-Phase
  • Epidemiologie
    • Prävalenz: ∼1–2% [12]
    • Wahrscheinlich >
    • Symptombeginn i.d.R. 40.–60. Lebensjahr
  • Ätiologie
  • Symptome: Mit variabler Frequenz auftretende, ausgeprägte motorische Aktivität während des Traums in der REM-Schlaf-Phase, insb.
    • Vokalisieren
    • Bewegungen: Einfach oder komplex
    • Nach Erwachen
      • Direkte Reorientierung
      • Bewegungen selbst nicht erinnerlich
      • Trauminhalte oft passend zu ausgeführten Bewegungen
  • Diagnostik: (Fremd‑)Anamnese und Video-Polysomnografie im Schlaflabor
  • Therapie
    • Wenn möglich Behandlung der Ursache
    • Ggf. symptomatische Therapie zur Verhinderung von Verletzungen

Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

F51.-: Nichtorganische Schlafstörungen

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Wiater, Lehmkuhl: Handbuch Kinderschlaf. Schattauer Verlag 2011, ISBN: 978-3-794-52764-9.
  2. Mayer et al.:S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen2009, doi: 10.1007/s11818-009-0430-8 . | Open in Read by QxMD.
  3. Sauseng et al.:Nachtschreck, Schlafwandeln und AlbträumeIn: Monatsschrift Kinderheilkunde. Band: 164, Nummer: 12, 2016, doi: 10.1007/s00112-016-0170-3 . | Open in Read by QxMD p. 1096-1102.
  4. Krakow, Zadra:Clinical management of chronic nightmares: imagery rehearsal therapy.In: Behavioral sleep medicine. Band: 4, Nummer: 1, 2006, doi: 10.1207/s15402010bsm0401_4 . | Open in Read by QxMD p. 45-70.
  5. Ebner, Deuschl: EEG. Georg Thieme Verlag 2010, ISBN: 978-3-131-55632-5.
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  7. Oertel et al.:REM-Schlaf-Verhaltensstörung als prodromales Stadium von α-SynukleinopathienIn: Der Nervenarzt. Band: 85, Nummer: 1, 2014, doi: 10.1007/s00115-013-3891-8 . | Open in Read by QxMD p. 19-25.
  8. Roguski et al.:A Neurologist's Guide to REM Sleep Behavior DisorderIn: Frontiers in Neurology. Band: 11, 2020, doi: 10.3389/fneur.2020.00610 . | Open in Read by QxMD.
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  12. Wolke, Lereya:Bullying and Parasomnias: A Longitudinal Cohort StudyIn: PEDIATRICS. Band: 134, Nummer: 4, 2014, doi: 10.1542/peds.2014-1295 . | Open in Read by QxMD p. e1040-e1048.
  13. Schredl et al.:Longitudinal study of nightmares in children: stability and effect of emotional symptoms.In: Child psychiatry and human development. Band: 40, Nummer: 3, 2009, doi: 10.1007/s10578-009-0136-y . | Open in Read by QxMD p. 439-49.
  14. Stuck et al.: Praxis der Schlafmedizin. Springer 2013, ISBN: 978-3-642-34881-5.
  15. Kamtsiuris et al.:Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS): Stichprobendesign, Response und Nonresponse-AnalyseIn: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. Band: 50, Nummer: 5-6, 2007, doi: 10.1007/s00103-007-0215-9 . | Open in Read by QxMD p. 547-556.
  16. Einsatz von Melatonin bei Kindern mit Schlafstörungen - Stellungnahme der Arbeitsgruppe Pädiatrie der DGSM.
  17. Rabenschlag: So finden Kinder ihren Schlaf. Herder 2001, ISBN: 978-3-451-34065-9.
  18. Schlarb et al.:Sleep Duration and Sleep Problems in a Representative Sample of German Children and AdolescentsIn: Health. Band: 07, Nummer: 11, 2015, doi: 10.4236/health.2015.711154 . | Open in Read by QxMD p. 1397-1408.
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  28. Garrison et al.:Media Use and Child Sleep: The Impact of Content, Timing, and EnvironmentIn: PEDIATRICS. Band: 128, Nummer: 1, 2011, doi: 10.1542/peds.2010-3304 . | Open in Read by QxMD p. 29-35.
  29. Frölich, Lehmkuhl: Computer und Internet erobern die Kindheit. Schattauer 2012, ISBN: 978-3-794-52771-7.
  30. Boergers et al.:Child sleep disorders: associations with parental sleep duration and daytime sleepiness.In: Journal of family psychology : JFP : journal of the Division of Family Psychology of the American Psychological Association (Division 43). Band: 21, Nummer: 1, 2007, doi: 10.1037/0893-3200.21.1.88 . | Open in Read by QxMD p. 88-94.
  31. Gut hinsehen und zuhören! Ratgeber für Eltern: Tipps und Informationen für Eltern zum Thema „Mediennutzung in der Familie".
  32. Daten zur Mediensituation in Deutschland.Stand: 1. Januar 2017. Abgerufen am: 25. Januar 2019.
  33. Research: Teenage use of mobile devices during the night.Stand: 6. Oktober 2016. Abgerufen am: 25. Januar 2019.

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