Zusammenfassung
Ein komplettes Querschnittsyndrom beschreibt eine Läsion der gesamten auf- und absteigenden Leitungsbahnen des Rückenmarks, wobei die potenziell reversible, akute Form als spinaler Schock bezeichnet wird. Es kommt zum kompletten Verlust von Sensibilität und Motorik. Die schlaffe Paraparese (oder Tetraparese) und die Areflexie des spinalen Schocks werden bei Übergang in ein komplettes Querschnittsyndrom zu spastischer Parese und Hyperreflexie, hinzu kommen dann auch pathologische Reflexe (z.B. Babinski-Reflex). Liegt die Schädigung oberhalb von C4, stellt eine Zwerchfellparese eine lebensbedrohliche Situation dar.
Für das Notfallmanagement des akuten Querschnittsyndroms siehe: Akutes Querschnittsyndrom - AMBOSS-SOP
Spinaler Schock
- Definition: Akute Phase eines kompletten Querschnittsyndroms (potenziell reversibel) mit Läsion der gesamten afferenten und efferenten Leitungsbahnen des Rückenmarks
- Beachte: Der Begriff „Schock“ kann in die Irre führen. Er bezeichnet hier die akut einsetzende neurologische Funktionsstörung und sollte nicht mit hämodynamischen Schockformen verwechselt werden. Der spinale Schock kann allerdings einen neurogenen Schock mit Herz-Kreislauf-Dysregulation beinhalten.
- Ätiologie: Meist traumatisch (z.B. Sturz von der Leiter)
- Klinik/Klinische Untersuchung
-
Unterhalb des Querschnitts beidseits
- Sensibilitätsstörungen: Analgesie und Anästhesie
- Schlaffe Paraplegie oder Tetraplegie
- Areflexie: Ausfall von Eigen- und Fremdreflexen (z.B. Bauchhautreflex)
- Atone Überlaufblase
- Fehlender Analreflex (Beurteilung bei digitaler rektaler Untersuchung)
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Unterhalb des Querschnitts beidseits
- Prognose
- Schlecht, meist Übergang in komplettes Querschnittsyndrom
- Kommt es innerhalb einer Woche zu einem Rückgang der Plegie, kann auf eine Teilremission gehofft werden
Sondersituation: Beteiligung des N. phrenicus
- Ein komplettes Querschnittsyndrom oberhalb von C4 stellt wegen einer Zwerchfellparese eine lebensbedrohliche Situation dar!
Komplettes Querschnittsyndrom
- Definition: Läsion der gesamten afferenten und efferenten Leitungsbahnen des Rückenmarks
- Ätiologie
- Akut: Durch Trauma 6–8 Wochen nach spinalem Schock
- Chronisch: Allmählich bei z.B. spinalen Tumoren, Multiple Sklerose oder Myelitis möglich
- Klinik/ Klinische Untersuchung
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Unterhalb des Querschnitts beidseits
- Analgesie und Anästhesie
- Tonuserhöhung der Muskulatur mit spastischer Parese (bei hohen, zervikalen Läsionen bis hin zur Tetraplegie)
- Gesteigerte Muskeleigenreflexe: Hyperreflexie
- Analreflexe bleiben erloschen
- Pathologische Reflexe: Z.B. Babinski-Reflex
- Unerschöpfliche Kloni: Z.B. Fußklonus
- Reflexblase: Fehlender Harndrang mit unwillkürlicher Blasenentleerung bei geringer Blasenfüllung
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Unterhalb des Querschnitts beidseits
Bei einem akuten Querschnitt (spinalen Schock) kommt es unterhalb der Läsion zu einer schlaffen Plegie und zum Ausfall aller Reflexe (auch die Muskeleigenreflexe sind erloschen). Nach 6–8 Wochen ändert sich die Symptomatik. Die Plegie wird spastisch, die Muskeleigenreflexe kehren im Sinne einer Hyperreflexie wieder und pathologische Reflexe (z.B. Babinski-Reflex) treten hinzu!
Notfalldiagnostik und -therapie
Für das Notfallmanagement des akuten Querschnittsyndroms siehe: Akutes Querschnittsyndrom - AMBOSS-SOP
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
S14.-: Verletzung der Nerven und des Rückenmarkes in Halshöhe
- S14.1-: Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des zervikalen Rückenmarkes
S24.-: Verletzung der Nerven und des Rückenmarkes in Thoraxhöhe
- S24.1-: Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des thorakalen Rückenmarkes
- S24.10: Verletzung des thorakalen Rückenmarkes, nicht näher bezeichnet
- S24.11: Komplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
- S24.12: Inkomplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
- Hinterhornsyndrom
- Inkompletter thorakaler Querschnitt o.n.A.
- Vorderhornsyndrom
- Zentrales Rückenmarksyndrom
S34.-: Verletzung der Nerven und des lumbalen Rückenmarkes in Höhe des Abdomens, der Lumbosakralgegend und des Beckens
- S34.1-: Sonstige Verletzung des lumbalen Rückenmarkes
- S34.10: Komplette Querschnittverletzung des lumbalen Rückenmarkes
- S34.11: Inkomplette Querschnittverletzung des lumbalen Rückenmarkes
- S34.18: Sonstige Verletzung des lumbalen Rückenmarkes
P11.-: Sonstige Geburtsverletzungen des Zentralnervensystems
- P11.5-: Geburtsverletzung der Wirbelsäule und des Rückenmarkes
- Wirbelsäulenfraktur durch Geburtsverletzung
- P11.50: Mit akuter Querschnittlähmung
- P11.51: Mit chronischer Querschnittlähmung
- P11.59: Nicht näher bezeichnet
- Geburtsverletzung der Wirbelsäule und des Rückenmarkes ohne Querschnittlähmung
G82.-: Paraparese und Paraplegie, Tetraparese und Tetraplegie
- Inklusive:
- Paraplegie (chronisch)
- Quadriplegie (chronisch)
- Tetraplegie (chronisch)
- Exklusive: Akute traumatische Querschnittlähmung (S14.-, S24.-, S34.‑), Angeborene und infantile Zerebralparese (G80.‑)
- Die folgenden fünften Stellen sind bei den Subkategorien G82.0–G82.5 zu verwenden:
- 0: Akute komplette Querschnittlähmung nichttraumatischer Genese
- 1: Akute inkomplette Querschnittlähmung nichttraumatischer Genese
- 2: Chronische komplette Querschnittlähmung
- Komplette Querschnittlähmung o.n.A.
- 3: Chronische inkomplette Querschnittlähmung
- Inkomplette Querschnittlähmung o.n.A.
- 9: Nicht näher bezeichnet
- Zerebrale Ursache
- G82.0-: Schlaffe Paraparese und Paraplegie
- G82.1-: Spastische Paraparese und Paraplegie
- G82.2-: Paraparese und Paraplegie, nicht näher bezeichnet
- Lähmung beider unterer Extremitäten o.n.A.
- Paraplegie (untere) o.n.A.
- G82.3-: Schlaffe Tetraparese und Tetraplegie
- G82.4-: Spastische Tetraparese und Tetraplegie
- G82.5-: Tetraparese und Tetraplegie, nicht näher bezeichnet
- Quadriplegie o.n.A.
- G82.6-:! Funktionale Höhe der Schädigung des Rückenmarkes
- G82.60!: C1–C3
- G82.61!: C4–C5
- G82.62!: C6–C8
- G82.63!: T1–T6
- G82.64!: T7–T10
- G82.65!: T11–L1
- G82.66!: L2–S1
- G82.67!: S2–S5
- G82.69!: Nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.