- Klinik
Sehnenverletzung der Hand
Abstract
Sehnenverletzungen der Hand werden direkt durch Unfälle (z.B. Schnittverletzungen) oder Bagatelltraumata bei degenerativer Vorschädigung verursacht und unterteilen sich in Beuge- und Strecksehnenverletzungen. Aus der klinischen Ausfallerscheinung lässt sich oft auf das betroffene Sehnensegment schließen:
Strecksehnenverletzungen zeichnen sich durch eine meist gering ausgeprägte klinische Symptomatik aus und können vor allem bei Verletzung im Bereich des Endglieds teilweise konservativ mit einer Stack-Schiene behandelt werden. Als operative Therapie kommt in der Regel die Sehnennaht zum Einsatz.
Beugesehnenverletzungen werden nach der obligaten Sehnennaht mittels einer dorsalen Schiene mit Gummizügeln nach Kleinert nachbehandelt, wobei eine gute Compliance des Patienten essentiell ist.
Ätiologie
- Trauma
- Direkt: Schnittverletzungen
- Indirekt: Sportverletzung (z.B. beim Ballspielen)
- Traumatische Beugung → Strecksehnenabriss am Fingerendgelenk
- Überstreckung der Finger → Zerreißung der Beugesehnen
- Degeneration (rheumatisch, ischämisch)
Klassifikation
- Nach betroffenem Sehnenabschnitt eingeteilt
- Beugesehnenverletzungen
- Strecksehnenverletzungen
- Sonderform: Busch-Fraktur: Die Busch-Fraktur bezeichnet einen knöchernen Ausriss einer Strecksehne am Fingerendglied, bei dem mehr als 50% der Gelenkfläche betroffen ist
Pathophysiologie
Anatomie
Die drei Fingergelenke setzen sich zusammen aus
- MCP = Metakarpophalangealgelenk
- PIP = Proximales Interphalangealgelenk
- DIP = Distales Interphalangealgelenk
Die Strecksehnen sind über den Connexus intertendineus miteinander verbunden. Die Beugesehnen werden durch Ringbänder stabilisiert und kreuzen untereinander. Ansatz der oberflächlichen Beugesehne ist die Mittelphalanx, während die tiefe Beugesehne an der Endphalanx inseriert.
Symptome/Klinik
Beugesehnenverletzung
- Verletzung der oberflächlichen Beugesehnen → Nur durch gezielte Untersuchung erkennbar (siehe „Diagnostik“)
- Verletzung der tiefen Beugesehnen → Fehlende Beugung im Fingerendgelenk (DIP)
- Verletzung der oberflächlichen und tiefen Beugesehnen → Fehlende Beugung im Fingermittelgelenk (PIP) und Fingerendgelenk (DIP)
- Verletzung der tiefen und oberflächlichen Beugesehnen sowie der Mm. lumbricales → Aufhebung der Beugung in allen Gelenken
Strecksehnenverletzung
- Aufgrund der möglichen Kompensation durch gegenseitige Verbindungen häufig milde Klinik
- Strecksehnenverletzung am Endglied → Fehlende Endgliedstreckung (sog. „Hammerfinger“ mit Beugestellung im Endgelenk)
- Strecksehnenverletzung am Mittelgelenk → Knopflochdeformität → Überstreckung im DIP und Beugung im PIP
- Strecksehnenverletzung am Grundgelenk → Aufgehobene Streckfähigkeit
Strecksehnenverletzungen zeichnen sich oft durch eine gering ausgeprägte Klinik aus!
Diagnostik
- Funktionsprüfung der aktiven und passiven Fingerbeweglichkeit mit Kontrolle von Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS)
- Jeweils Untersuchung eines Gelenks - der restliche Finger wird (z.B. auf dem Tisch) fixiert, um Kompensation durch andere, intakte Sehnen zu vermeiden
- Untersuchung der oberflächlichen Beugesehne je nach Lokalisation
- Bei Verletzung an D3–5: Fixierung der Nebenfinger in Streckhaltung
- Bei Verletzung an D2: Beugestellung im Endgelenk bei Spitzgriff unter Belastung
- Röntgen der Hand in zwei Ebenen, um knöcherne Läsionen auszuschließen
- Immer die Wunde eingehend untersuchen, um Sehnen- und Nervenläsionen auszuschließen
Therapie
- Therapie von Strecksehnenverletzungen
- Konservativ (Endglied): Stack-Schiene
- Operativ
- Sehnennaht und Behandlung mit dynamischer Schiene
- Bei gleichzeitiger Absprengung eines größeren knöchernen Fragments → Transossäre Ausziehnaht , Behandlung mit dynamischer Schiene
- Therapie von Beugesehnenverletzungen
- Immer operative Therapie (z.B. mittels Kirchmayr-Kessler-Naht , Sehnenverlängerung oder Sehnentransplantation)
- Nachbehandlung mittels dorsaler Schiene mit Gummizügeln nach Kleinert
Die Therapie von Beugesehnenverletzungen bedarf einer guten Operationstechnik sowie der vollständigen Mitarbeit des Patienten - Nachbehandlung ist essentiell!
Komplikationen
- Insuffizienz der Sehnen-Anastomose
- Sehnennekrose
- Verwachsungen, Bewegungseinschränkungen
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2019
- S66.-: Verletzung von Muskeln und Sehnen in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- Inklusive: Verstauchung und Zerrung
- S66.0: Verletzung der langen Beugemuskeln und -sehnen des Daumens in Höhe des
- Handgelenkes und der Hand
- S66.1: Verletzung der Beugemuskeln und -sehnen sonstiger Finger in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.2: Verletzung der Streckmuskeln und -sehnen des Daumens in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.3: Verletzung der Streckmuskeln und -sehnen sonstiger Finger in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.4: Verletzung der kurzen Muskeln und Sehnen des Daumens in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.5: Verletzung der kurzen Muskeln und Sehnen sonstiger Finger in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.6: Verletzung mehrerer Beugemuskeln und -sehnen in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.7: Verletzung mehrerer Streckmuskeln und -sehnen in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.8: Verletzung sonstiger Muskeln und Sehnen in Höhe des Handgelenkes und der Hand
- S66.9: Verletzung eines nicht näher bezeichneten Muskels oder einer nicht näher bezeichneten Sehne in Höhe des Handgelenkes und der Hand
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2019, DIMDI.