Abstract
Bei Tic-Störungen leiden die Patienten vor allem unter unwillkürlichen, im gleichen Muster wiederkehrenden motorischen Bewegungen oder vokalen Äußerungen, die bis zu einem gewissen Grad unterdrückt werden können. Tic-Störungen werden zu den extrapyramidal-motorischen Hyperkinesien gezählt. Dabei wird zwischen einfachen und komplexen Tics unterschieden. Allgemein bekannt (wenn auch klinisch eher selten) sind die komplexen motorischen und vokalen Tics beim Gilles-de-la-Tourette-Syndrom. Tic-Störungen zeigen in der Regel einen progredienten Verlauf und sind sehr schwer zu therapieren. Medikamentös werden Antipsychotika (bevorzugt Aripiprazol) eingesetzt. Einen Sonderfall bilden die Tic-Störungen im Kindesalter, die häufig auftreten (etwa jedes 4. Kind) und in den allermeisten Fällen nach Tagen bis Wochen spontan sistieren und daher i.d.R. nicht therapiebedürftig sind.
Allgemein
- Tic: Unwillkürliche, rasche, wiederholte, unrhythmische Bewegung meist umschriebener Muskelgruppen oder eine Lautproduktion, die plötzlich einsetzt und keinem erkennbaren Zweck dient. [1]
Symptome/Klinik
- Motorische Tics
- Einfache motorische Tics: z.B. Stirnrunzeln, Augenblinzeln
- Komplexe motorische Tics: z.B. Springen, Körperverdrehungen, Echopraxie
- Vokale Tics
- Einfache vokale Tics: z.B. Räuspern, Schmatzen, Bellen
- Komplexe vokale Tics: z.B. Koprolalie, Echolalie
- „premonitory urge“: Vorgefühl vor dem Auftreten der Symptome [2] [1][3]
- Leidensdruck
Tourette-Syndrom (F95.2)
Das Gilles-de-la-Tourette-Syndrom ist eine Störung, die durch multiple motorische und vokale Tics charakterisiert ist. Der unwillkürliche Gebrauch von obszönen Begriffen (Koprolalie) ist dabei zwar sehr charakteristisch, aber eher ein seltenes Symptom.
- Klinik: Komplexe multiple motorische Tics und vokale Tics, die nicht gleichzeitig auftreten müssen
- Verlauf: Eine Aggravation der Symptome während der Adoleszenz und eine Persistenz ins Erwachsenenalter ist häufig
- Geschlecht: ♂>♀
- Komorbiditäten: ADHS, Asperger-Autismus, weitere psychiatrische Erkrankungen
Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Differenzialdiagnose: Muskelzuckungen des Gesichts
Differenzialdiagnose: Muskelzuckungen des Gesichts | ||
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Erkrankung | Charakteristika | Therapie |
Blepharospasmus |
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Oromandibuläre Dystonie |
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Spasmus hemifacialis |
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Faziale Tic-Störung |
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Therapie
Tic-Störungen werden zu den extrapyramidal-motorischen Hyperkinesien gezählt. In der Regel liegt ein Dopaminüberschuss in den Basalganglien vor, sodass die Therapieansätze auf einen Dopaminantagonismus abzielen.
- Psychoedukation, Verhaltenstherapie und pädagogische Unterstützung [4]
- Medikamentös: Antipsychotika (Off-Label Use) [4]
- Mittel der 1. Wahl: Aripiprazol
- Alternativ
- Bei Kindern: Tiaprid
- Bei Kindern und Erwachsenen: Risperidon, Sulpirid
Prognose
- Häufig Chronifizierung
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- F95.-: Ticstörungen
- Syndrome, bei denen das vorwiegende Symptom ein Tic ist. Ein Tic ist eine unwillkürliche, rasche, wiederholte, nichtrhythmische Bewegung meist umschriebener Muskelgruppen oder eine Lautproduktion, die plötzlich einsetzt und keinem erkennbaren Zweck dient. Normalerweise werden Tics als nicht willkürlich beeinflussbar erlebt, sie können jedoch meist für unterschiedlich lange Zeiträume unterdrückt werden. Belastungen können sie verstärken, während des Schlafens verschwinden sie. Häufige einfache motorische Tics sind Blinzeln, Kopfwerfen, Schulterzucken und Grimassieren. Häufige einfache vokale Tics sind z.B. Räuspern, Bellen, Schnüffeln und Zischen. Komplexe Tics sind Sich-selbst-schlagen sowie Springen und Hüpfen. Komplexe vokale Tics sind die Wiederholung bestimmter Wörter und manchmal der Gebrauch sozial unangebrachter, oft obszöner Wörter (Koprolalie) und die Wiederholung eigener Laute oder Wörter (Palilalie).
- F95.0: Vorübergehende Ticstörung
- F95.1: Chronische motorische oder vokale Ticstörung
- Sie erfüllt die allgemeinen Kriterien für eine Ticstörung, wobei motorische oder vokale Tics, jedoch nicht beide zugleich, einzeln, meist jedoch multipel, auftreten und länger als ein Jahr andauern.
- F95.2: Kombinierte vokale und multiple motorische Tics [Tourette-Syndrom]
- Eine Form der Ticstörung, bei der gegenwärtig oder in der Vergangenheit multiple motorische Tics und ein oder mehrere vokale Tics vorgekommen sind, die aber nicht notwendigerweise gleichzeitig auftreten müssen. Die Störung verschlechtert sich meist während der Adoleszenz und neigt dazu, bis in das Erwachsenenalter anzuhalten. Die vokalen Tics sind häufig multipel mit explosiven repetitiven Vokalisationen, Räuspern und Grunzen und Gebrauch von obszönen Wörtern oder Phrasen. Manchmal besteht eine begleitende gestische Echopraxie, die ebenfalls obszöner Natur sein kann (Kopropraxie).
- F95.8: Sonstige Ticstörungen
- F95.9: Ticstörung, nicht näher bezeichnet
- Tic o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.