Verschiedene Arbeitszeitmodelle in der Klinik

Die offizielle Arbeitszeit in deutschen Krankenhäusern und die Realität, sprich die tatsächlich geleisteten Wochenstunden der Ärztinnen und Ärzte, unterscheiden sich oft deutlich. Das weiß jeder Medizinstudent spätestens nachdem er erste Erfahrungen in der Klinik gesammelt hat. Ob in Famulaturen oder im PJ, jeder hat schon einmal Klagen über die „straffen” Arbeitsbedingungen in deutschen Kliniken vernommen oder angesichts überarbeiteter Assistenzärzte den Kopf geschüttelt. Die Dienstbelastung ist ein wichtiges Thema, wenn es um die Frage nach der optimalen Arbeitsstelle geht.

Wie sind die Arbeitsbedingungen medizinischer Berufe in Deutschland geregelt?

Das europäische Arbeitszeitgesetz erlaubt maximal 48 Arbeitsstunden in der Woche. Dies schließt seit 2004 sowohl die Tagdienste als auch die Bereitschaftsdienste mit ein. Die sogenannte Opt-Out-Regelung ermöglicht es, dass Ärzte durchaus mehr als 48 Stunden, jedoch innerhalb von 6-12 Monaten maximal 60 Stunden pro Woche im Durchschnitt arbeiten dürfen. Dem muss allerdings im Arbeitsvertrag schriftlich zugestimmt werden.

Wie soll man überhaupt noch durchblicken angesichts dieses Dschungels verschiedener Arbeitszeitmodelle?

Grundsätzlich sind die Arbeitszeitmodelle in Dienstmodelle und Schichtsysteme zu unterteilen.

Dienstmodelle

Dienstmodelle sind immer noch das gängige Arbeitszeitmodell vieler deutscher Kliniken. Begriffe wie Bereitschaftsdienst, Rufdienst, Tagdienst, Nachdienst, Spätdienst, etc. haben viele im Studium schon gehört, doch was verbirgt sich eigentlich dahinter?

  • Tagdienst: Normaler Arbeitstag mit der im Arbeitsvertrag festgelegten Stundenzahl, die eine Pause beinhalten muss. In der Regel werden hier Stationsarbeit bzw. planmäßige OPs, Diagnostik, usw. geleistet.
  • Spätdienst: Verlängerter Tagdienst eines einzelnen Arztes. Vorrübergehende Entlastung des Nachtdienstes z.B. mit „liegen gebliebener” Stationsarbeit, Ambulanz, Notfällen, usw.
  • Nachtdienst: Von Klinik zu Klinik unterschiedliche Arbeitszeiten, wie der Name schon sagt, hauptsächlich nachts. Arbeitsbeginn ist morgens (24h-Dienst) oder erst abends (dann nur über Nacht).
  • 24h-Dienst: Kombinierter Tag- und Nachtdienst mit Ruhephasen je nach Möglichkeit.
  • Bereitschaftsdienst: Der Arzt ist vor Ort in der Klinik und hält sich für anfallende Aufgaben bereit. Die Vergütung ist für jede Arbeitsstunde des Bereitschaftsdienstes die gleiche.
  • Rufdienst: Der Arzt muss sich nicht in der Klinik aufhalten, muss aber stets erreichbar sein, um sich bei Bedarf sofort in die Klinik zu begeben. Tritt dieser Fall ein, fällt die Vergütung höher aus, als während der Zeit der Erreichbarkeit. Rufdienste gibt vor allem in chirurgischen Fächern, um OPs durchführen zu können.
  • Wochenend- und Feiertagsdienste: An diesen Tagen sind die Krankenhäuser schwächer als unter der Woche besetzt. Meist sind es einzelne Ärzte im Tag- bzw. Nachtdienst (je nach Abteilungsgröße), die oftmals auch Ambulanz oder Notaufnahme mit abdecken. Außerdem sind die sogenannten Visiten- bzw. Hausdienste, während derer man sich um nicht-verschiebbare Stationsarbeit meist mehrerer Stationen kümmern muss.
  • Hintergrund-Dienst: Diese betreffen in der Regel Oberärzte und in kleineren Häusern auch Chefärzte, die sich zur Beratung und Mithilfe für die Ärzte im Bereitschaftsdienst bereithalten.

 

Wie ihr seht, gibt es eine Vielzahl verschiedener Dienstmöglichkeiten und folglich auch verschiedene Dienstmodelle. Daher kann man schwer „das eine” Dienstsystem beschreiben, vielmehr unterscheiden sich die jeweiligen Arbeitszeiten für die Dienste mit gleicher Bezeichnung von Haus zu Haus. So fängt der eine Nachtdienst im Haus X bereits um 17 Uhr an, der im Haus Y aber erst um 19 Uhr, andere Häuser haben dagegen ausschließlich 24h-Dienste, um die Nächte abzudecken. Letztere sind unter einigen Assistenzärzten als ein Relikt vergangener Zeiten verschrien. Deshalb gibt es mittlerweile auch schon einige Varianten, z.B. 19h-Dienste. Außerdem werden in einigen Häusern die Nachtdienste einzeln über den Monat verteilt, während sie in anderen Häusern kumuliert an einen Arzt in einer Woche vergeben werden.

Nicht zu vergessen: Dienstmodelle und Dienstanzahl hängen auch von der Bettenzahl, von Abteilungskooperationen (z.B. deckt ein Dienstarzt nachts mehrere Stationen ab, weshalb weniger Dienstärzte benötigt), von der Besetzung (Unikliniken sind oftmals sehr gut besetzt und haben dadurch weniger Dienste) und vom Fachgebiet ab (z.B. ob auch Ambulanz, Intensivstation oder Notaufnahme abzudecken sind).

Bei Abteilungen, die auch eine Intensivstation haben, gilt es auch Folgendes zu beachten: Muss sich nachts der Dienstarzt auch um diese kümmern oder gibt es einen weiteren Nachtdienst, der die Intensivstation übernimmt? Für Berufsanfänger ist es natürlich von Vorteil, auch einen erfahrenen Ansprechpartner während des Nachtdienstes zu haben, sodass man nicht gleich seinen Hintergrunddienst anrufen muss.

Mehrarbeit wird entweder automatisch („stempeln”) oder von den Ärzten vermerkt. Je nach Klinik kann diese per Freizeitausgleich oder Vergütung beglichen werden.

Schichtsysteme

Besonders auf der Intensivstation ist ein sogenanntes Schichtsystem sehr beliebt. Anders als auf einer Normalstation, wo vor allem tagsüber die Hauptarbeit geschieht und nachts nur noch Notfälle behandelt werden und somit ein Dienstarzt mehrere Stationen gleichzeitig betreuen kann, ist es hier wichtig, dass rund um die Uhr ausreichend Personal für die Versorgung der schwer kranken, häufig instabilen Patienten vorhanden ist.

Unterschieden wird dort nochmal in ein 2-Schicht-System mit jeweils 12 Stunden und ein 3-Schicht-System mit 8 Stunden. Heutzutage gibt es dieses Schichtsystem auch schon auf Normalstationen und auch in der Pflege ist es längst fest etabliert. Oftmals werden Schichtsysteme als die Lösung zu geregelten Arbeitszeiten im Gesundheitswesen angepriesen, doch wie wirkt sich dieses auf die Betroffenen aus?

Vorteile:

Gesicherte Ablöse, dadurch geregelte Arbeitszeiten (z.B. im OP)
Gelegentlich auch unter der Woche freie Tage, freie Tage auch oftmals zusammenhängend
Kürzere Dienstzeiten (keine 24h-Dienste!)
Weniger Personalwechsel und dadurch auch weniger Übergaben notwendig, woraus ein Arbeitszeitgewinn und weniger Informationsverlust resultiert und so eine stetigere Betreuung der Patienten gewährleistet
Nachteile:

Das klassische Wochenende existiert nicht mehr, damit eingeschränktes Sozialleben
Studien zeigen, wie ungesund ein fehlender Biorhythmus während Schichtarbeit ist
Weniger Gehalt durch fehlende Dienste

Wichtig ist, sich bereits im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs bzw. einer Hospitation bei den zukünftigen Chefs und Kollegen zu informieren, welches Arbeitszeitmodell in der Klinik betrieben wird. Vor- und Nachteile dieser Modelle sind diskutabel. So präferieren die einen wenige aber längere Dienste, ganz nach dem Motto „geschafft ist geschafft”, verzichtet dafür aber evtl. auf ein freies Wochenende mehr im Monat. Andere sind Freunde des Dienstsystems mit wirklich geregelten Arbeitszeiten, aber meistens auch geringerem Einkommen. Gerade der jungen Generation an Ärzten wird ja häufig unterstellt, besonders großen Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu legen. Nicht zu vergessen ist allerdings auch, dass immer mehr Frauen im Arztberuf tätig sind, für die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie unerlässlich ist. Daher gewinnen Teilzeitmodelle immer mehr an Bedeutung und es wird stetig versucht, weitere innovative Arbeitszeitmodelle zu entwickeln.

Letztendlich bleibt es doch persönliche Entscheidung der Bewerber, welches Arbeitszeitmodell man vorzieht. Nicht selten ist dies auch ein wichtiges Entscheidungsmerkmal für die Annahme einer Stelle. Fest steht, es gibt mehrere Systeme, die das Arbeitszeitgesetz zulässt.

Fazit: Denk an deine persönliche Präferenz, wenn du dich für eine Klinik entscheiden willst und (ganz wichtig) vergleiche!