Abstract
Das Vorhofflimmern ist eine häufige Herzrhythmusstörung, die ca. 1–2% der Bevölkerung in Deutschland betrifft und im Rahmen verschiedener kardialer oder extrakardialer Grunderkrankungen auftreten kann. Klinisch bleibt das Vorhofflimmern häufig symptomarm, es kann jedoch auch zu Palpitationen und Herzrasen führen. Bei Brady- oder Tachyarrhythmien können Synkopen auftreten, während durch die fehlende Synchronität zwischen Vorhof und Kammer auch Symptome einer Herzinsuffizienz hervorgerufen oder verschlimmert werden können. Durch Bedingungen einer turbulenten Strömung im linken Vorhof bei ineffektiver Kontraktion wird zudem eine Thrombenbildung begünstigt, was zu einem deutlich erhöhten Risiko für Thromboembolien führt.
Diagnostisch lässt sich die Erkrankung im EKG durch unregelmäßige QRS-Komplexe („Arrhythmia absoluta“) sowie fehlende P-Wellen feststellen. Intermittierend auftretende Episoden können durch das Langzeit-EKG oder den Event-Rekorder diagnostiziert werden. Aufgrund des erhöhten Thromboembolie-Risikos besteht bei Patienten mit Vorhofflimmern und erhöhtem Risikoprofil ggf. die Indikation zur langfristigen oralen Antikoagulation, wobei die Kontraindikationen beachtet werden müssen. Als grundsätzliche symptomatische Therapieformen können die Frequenz- und Rhythmuskontrolle unterschieden werden. Eine Rhythmustherapie mittels Kardioversion kann vorgenommen werden, nachdem zuvor das Vorhandensein von kardialen Thromben (mittels transösophagealer Echokardiografie) ausgeschlossen oder eine Antikoagulation in den letzten vier Wochen gesichert vorgenommen worden ist.
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Epidemiologie
- Prävalenz: 1–2% in der Gesamtbevölkerung, ca. 3% in der Altersgruppe 35–74, somit häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung
- Epidemiologische Risikofaktoren
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Primäres Vorhofflimmern (ca. 15%): Ohne zugrundeliegende bzw. nachweisbare Risikofaktoren oder strukturelle Herzerkrankung („Lone Atrial Fibrillation“, „idiopathisches Vorhofflimmern“)
- Sekundäres Vorhofflimmern: Durch zugrunde liegende epidemiologische Risikofaktoren oder Erkrankungen ausgelöste Formen
-
Kardiale Erkrankungen
- Myokarditis
- Mitralstenose und andere Klappenvitien (valvuläres Vorhofflimmern, s.u.)
- Koronare Herzkrankheit, insb. bei bereits eingetretenem Myokardinfarkt
- Chronische Herzinsuffizienz (inkl. der hypertensiven Herzkrankheit als Komplikation der arteriellen Hypertonie)
- Kardiomyopathien
- Vorhofseptumdefekte und andere angeborene Herzfehler
- Erkrankungen der Reizbildung und Reizweiterleitung (z.B. Sick-Sinus-Syndrom, Präexzitationssyndrome)
- Sportlerherz (Sonderform): Erhöhte Inzidenz eines i.d.R. paroxysmalen Vorhofflimmerns bei Männern mittleren Alters (40–60 Jahre) mit anamnestisch langjährigem Ausdauersport
-
Extrakardiale Erkrankungen
- Hyperthyreose
- Elektrolytstörungen (insb. Hypokaliämie)
- Akute (z.B. Lungenembolie) und chronische (Rechts‑)Herzbelastung (z.B. COPD)
- Rezidivierende oder chronische Hypoxien (z.B. bei Schlafapnoe-Syndrom oder chronischen Lungenerkrankungen)
- Medikamentös-toxische Einflüsse
- Holiday-Heart-Syndrom : Auftreten von Herzrhythmusstörungen (insb. paroxysmales Vorhofflimmern) bei Herzgesunden nach Alkoholexzess (auch bei jungen Menschen)
- Direkte und indirekte Sympathomimetika (z.B. Dobutamin, Theophyllin)
- Parasympatholytika (z.B. Atropin)
-
Kardiale Erkrankungen
Valvuläres vs. nicht-valvuläres Vorhofflimmern
Es handelt sich hierbei um eine inzwischen eher historische Unterteilung.
- Klassisches valvuläres Vorhofflimmern: Enger definiert als Vorhofflimmern bei (rheumatischer) Mitralstenose bzw. nach mechanischem Herzklappenersatz → Deutlich erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse gegenüber anderen Formen des Vorhofflimmerns
- Nicht-valvuläres Vorhofflimmern: Alle anderen Formen des Vorhofflimmerns
- Pathophysiologie: Herzklappenerkrankungen, insb. eine Mitralstenose, führen zu chronischer Druck- und Volumenbelastung des linken Vorhofs und zu einer fortschreitenden Hypertrophie und Fibrose. Kreisende Erregungen auf Vorhofebene werden begünstigt.
- Häufigkeit von Herzklappenerkrankungen: Ca. 30% der Patienten mit Vorhofflimmern haben eine echokardiografisch nachweisbare pathologische Herzklappenveränderung, nur ein kleiner Teil fällt in die engere Definition des valvulären Vorhofflimmerns
Klassifikation
- Einteilung nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens
- Paroxysmales VHF: Spontan innerhalb von 48 h bis maximal 7 Tage in den Sinusrhythmus konvertiertes bzw. in dieser Zeitspanne iatrogen kardiovertiertes Vorhofflimmern
- Persistierendes VHF: Dauert länger als 7 Tage an, konvertiert entweder spontan oder wird durch Kardioversion (iatrogen!) beendet
- Lang anhaltendes persistierendes VHF: Dauert länger als 1 Jahr an, bevor eine Entscheidung hinsichtlich einer therapeutischen Rhythmuskontrolle erfolgt
- Permanentes Vorhofflimmern: Unmögliche Rhythmuskontrolle, somit akzeptiertes Vorhofflimmern
- Einteilung nach Vorhoffrequenz
- Vorhofflimmern → Vorhoffrequenz 350–600/Minute
- Vorhofflattern → Vorhoffrequenz 250–450/Minute (siehe auch: Differenzialdiagnose)
Symptome/Klinik
- Asymptomatische Verläufe: Häufig, bei bis zu ⅓ der Patienten!
- Mögliche Symptome
- Palpitationen und Herzrasen
- Unregelmäßiger Puls
- Schwindel, ggf. Synkope
- Angst, innere Unruhe
- Symptome der Herzinsuffizienz bzw. Auftreten einer kardialen Dekompensation
- Zeichen von abgelaufenen systemischen Embolien, z.B. Hirninfarkte/TIA
EHRA-Score
- Anwendung: Zur Einordnung von Symptomen, die durch das Vorhofflimmern verursacht werden
- Ziel: Entscheidungshilfe bezüglich des angestrebten Therapieziels (Rhythmuskontrolle oder Frequenzkontrolle)
EHRA-Score zur Graduierung von Symptomen bei Vorhofflimmern | |
---|---|
EHRA I | Asymptomatisch |
EHRA II | Leichte Symptome, Alltagskompetenz erhalten |
EHRA III | Schwere Symptome, Alltagskompetenz eingeschränkt |
EHRA IV | Massive Symptome, keinerlei Alltagskompetenz |
Diagnostik
- Anamnese und klinische Untersuchung
- Beginn des Vorhofflimmerns – sicher oder unsicher?
- Mögliche Auslöser des Vorhofflimmerns erfragen: Körperliche Belastung, Alkohol, Infektionen
- Hinweise auf stattgehabte Embolien: Hirninfarkte/TIA, Niereninfarkte, Milzinfarkte, Mesenterialinfarkte
- Palpation des Pulses: Unregelmäßige Herzaktion
- Pulsdefizit: Differenz zwischen peripher tastbarer Pulsfrequenz und „hörbarer“ bzw. im EKG angegebener Herzfrequenz
- Wechselnde Lautstärke des 1. Herztons
- Erfragen von Risikofaktoren und Vorerkrankungen (siehe: Epidemiologie & Ätiologie)
- Labordiagnostik
- TSH, ggf. Schilddrüsenhormone
- Elektrolyte, insb. Kalium und Magnesium
- Gerinnung (INR, PTT)
- Ggf. Infektparameter bei klinischen Hinweisen
- EKG
- Irreguläre/unregelmäßige RR-Intervalle („Arrhythmia absoluta“ )
- Fehlende P-Wellen
- Schmale QRS-Komplexe
- Flimmerwellen (insb. in V1)
- Bei Frequenzen ≥100/min spricht man von einer Tachyarrhythmia absoluta (TAA)
- Bei Frequenzen von <50–60/min spricht man von einer Bradyarrhythmia absoluta (BAA)
- Langzeit-EKG
- Detektion eines (vermuteten) Vorhofflimmerns bzw. einer Rhythmusinstabilität
- Erfassung des Herzfrequenzprofils
- Event-Recorder: Erlaubt bei fortbestehendem Verdacht und bisher nicht nachweisbarem Vorhofflimmern eine längere EKG-Aufzeichnung
- Echokardiografie
- Untersuchung auf strukturelle Herzerkrankungen bei Erstdiagnose
- Verlaufsuntersuchungen bei bekanntem Vorhofflimmern, insb. bei Veränderung und Dynamik der Symptomatik
Differenzialdiagnosen
Vorhofflattern
- Definition
- Vorhofflattern ist eine Form der supraventrikulären Tachykardie mit gleichförmiger Vorhoffrequenz (i.d.R. 250–450/min)
- Vorhofflimmern und Vorhofflattern können auch ineinander übergehen
- Diagnostik: Typisches kontinuierliches „Sägezahnmuster“ in II, III , avF anstelle von P-Wellen, meist rhythmisch im Gegensatz zum i.d.R. absolut arrhythmischen Vorhofflimmern im Ruhe-EKG, Kammerfrequenz i.d.R. ca. 140/min
- Überleitung: Der AV-Knoten filtert die hohen Frequenzen und schützt vor einer schnellen Überleitung (1:1) auf den Ventrikel
- Rhythmische Kammeraktion: 2:1-, 3:1- und 4:1-Überleitungen zwischen Vorhof und Kammer, es zeigt sich eine rhythmische Kammeraktion
- Typische Kammerfrequenz bei ca. 140/min
- Arrhythmische Kammeraktion: Variable Überleitungsraten; es resultieren arrhythmische Kammeraktionen
- Valsalva-Manöver oder Adenosin: Können bei Problemen der Diagnosestellung unterstützend genutzt werden, um die Flatterwellenmorphologie zu demaskieren
- Überleitung: Der AV-Knoten filtert die hohen Frequenzen und schützt vor einer schnellen Überleitung (1:1) auf den Ventrikel
- Formen: Im Gegensatz zu Vorhofflimmern besteht zumindest bei der typischen Form des Vorhofflatterns eine definierte elektrophysiologische Leitungsbildung und -ausbreitung
- Typisches Vorhofflattern (ca. 85%): Die arrhythmogene Erregungsausbreitung erfolgt als Makro-Reentry-Kreislauf entlang des cavotrikuspidalen Isthmus des rechten Vorhofs. Nach Richtungsverlauf der Erregungsausbreitung werden zwei Unterformen unterschieden
- Counterclockwise Type: Negative Flatterwellen in II, III, avF und positive Flatterwellen in V1, die Erregungsausbreitung verläuft gegen den Uhrzeigersinn
- Clockwise type: Positive Flatterwellen in II, III, avF und negative Flatterwellen in V1, die Erregungsausbreitung verläuft im Uhrzeigersinn
- Atypisches Vorhofflattern (ca. 15%): Sägezahnmorphologie der Vorhofaktivität, die nicht in das Polaritätenmuster des typischen Vorhofflatterns passt
- Typisches Vorhofflattern (ca. 85%): Die arrhythmogene Erregungsausbreitung erfolgt als Makro-Reentry-Kreislauf entlang des cavotrikuspidalen Isthmus des rechten Vorhofs. Nach Richtungsverlauf der Erregungsausbreitung werden zwei Unterformen unterschieden
- Therapie: Medikamentös wie beim Vorhofflimmern , bei typischem Vorhofflattern ist jedoch eine Katheterablation (Isthmusablation) zur Rhythmuskontrolle erfolgversprechend
- Frequenzkontrolle: Mit Betablockern oder Verapamil ± Digitalisglykosid
- Rhythmuskontrolle: Medikamentös bevorzugt mit Amiodaron oder Sotalol; Flecainid und Propafenon sollten vorsichtig eingesetzt werden, da sie eine 1:1-Überleitung triggern können
- Elektrische Kardioversion: Bei hämodynamischer Instabilität oder frustraner Frequenzkontrolle
- Katheterablation: Bei erstem Rezidiv nach initialer Rhythmuskontrolle sollte die Indikation zur elektrophysiologischen Untersuchung und Katheterablation gestellt werden
- Overdrive-Stimulation: Bei Patienten mit Herzschrittmacher (mit Vorhofsonde) kann durch eine aufsteigende hochfrequente Vorhofstimulation bis oberhalb der Vorhofflatterfrequenz das Vorhofflattern unterbrochen und eine Kardioversion erzielt werden
- Antikoagulation: Vorgehen wie bei Vorhofflimmern
Weitere
- Supraventrikuläre Tachykardien inkl. Präexzitationssyndromen
- Ventrikuläre Tachykardie, insb. bei Patienten mit einem Schenkelblockbild
Bei bekanntem oder vermutetem Präexzitationssyndrom und zusätzlichem Vorhofflimmern oder Vorhofflattern keine negativ chronotrope Therapie mit Wirkung auf den AV-Knoten (Adenosin, Betablocker, Digitalisglykoside, Verapamil) verabreichen, sondern elektrisch kardiovertieren – ansonsten droht die Induktion von Kammerflimmern!
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Therapiegrundsätze und Ziele
- Verhinderung thromboembolischer Ereignisse → Thromboembolieprophylaxe
- Verhinderung zu hoher Kammerfrequenzen → Frequenzkontrolle
- Wiederherstellung des Sinusrhythmus bei geeigneten Patienten → Rhythmuskontrolle
- „Upstream-Therapie“ → Behandlung ätiologisch zugrundeliegender Faktoren (z.B. Behandlung einer arteriellen Hypertonie)
Maßnahmen zur Vermeidung von Thromboembolien und zur basalen Frequenzkontrolle sind initial vorrangige Therapieziele bei Vorhofflimmern, die weiteren Schritte müssen nach vollständiger diagnostischer Evaluation geplant und ggf. eingeleitet werden!
Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern [1][2]
- Indikation: Nach Evaluation des Schlaganfall-Risikos mithilfe des CHA2DS2VASc-Scores (siehe auch: Komplikationen)
- Geschlechtsabhängigkeit: Das weibliche Geschlecht ist ein Risikofaktor, daher haben Frauen im Score den Punktwert stets um 1 Punkt gegenüber Männern erhöht.
- Score ≥2 bei Männern bzw. Score ≥3 bei Frauen: Antikoagulation
- Score = 1 bei Männern bzw. Score = 2 bei Frauen: Antikoagulation nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung
- Score = 0 bei Männern bzw. Score = 1 bei Frauen: Keine Therapie
- Durchführung der Sekundärprävention (Dauertherapie): Orale Antikoagulation im Verlauf, hierfür bestehen bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern mehrere Optionen [3]
- Direkte orale Antikoagulanzien
-
Vitamin-K-Antagonisten mit einem Ziel-INR von 2–3
- Valvuläres Vorhofflimmern: Nur Vitamin-K-Antagonisten empfohlen!
- Stationäre Patienten: Ggf. Einleitung der Antikoagulation mit Heparin in therapeutischer Dosierung, insb. wenn Kardioversion oder andere Interventionen geplant
- Für Medikamentenauswahl, Dosierung und Praxishinweise siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung
- Blutungsrisiko berücksichtigen: HAS-BLED-Score
- Score >2: Optimierung der Risikofaktoren, engmaschigere Kontrollen unter Antikoagulation, alternative Thromboembolie-Prophylaxemaßnahmen erwägen (z.B. interventioneller Vorhofohrverschluss)
- Stellenwert von ASS: Acetylsalicylsäure als Thrombozytenaggregationshemmer wird zur Thromboembolie-Prophylaxe nicht mehr empfohlen
Bei Patienten mit Vorhofflimmern und dadurch erhöhtem Schlaganfallrisiko (CHA2DS2VASc-Score Frauen ≥3, Männer ≥2) soll eine unbefristete Blutverdünnung (orale Antikoagulation) durchgeführt werden . (DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie)
Bei Patienten mit Vorhofflimmern und dennoch nur geringem Schlaganfall-Risiko (CHA2DS2VASc-Score = 0) soll eine Blutverdünnung nicht durchgeführt werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Kardiologie)
Vorhofohrverschluss
- Indikation: Möglichkeit einer Thromboembolie-Prophylaxe für Patienten, bei denen eine Antikoagulationsbehandlung langfristig nicht möglich ist oder abgelehnt wird
- Therapieprinzip: Ausschaltung des Vorhofohres am linken Vorhof („Left Atrial Appendage“, LAA), das in den meisten Fällen Bildungsort eines Vorhofthrombus ist
- Interventioneller Vorhofohrverschluss: Einbringen eines Okklusionssystems (sog. „LAA-Occluder“) im linken Vorhofohr, dadurch zirkuliert in diesem Bereich kein Blut mehr
- Epikardialer Vorhofohrverschluss: „Abklemmen“ des Vorhofohres von Außen
- Operative Vorhofohrresektion: Patienten, denen eine kardiochirurgische Operation bevorsteht, können von einer Resektion des linken Vorhofohres profitieren.
- Interventioneller Vorhofohrverschluss: Einbringen eines Okklusionssystems (sog. „LAA-Occluder“) im linken Vorhofohr, dadurch zirkuliert in diesem Bereich kein Blut mehr
- Bewertung
- Anwendungshäufigkeit: Behandlungszentren mit Erfahrung in der Anwendung sind nicht weit verbreitet. Beim interventionellen Vorhofohrverschluss ist ein klarer Zusammenhang zwischen der Erfahrung des behandelnden interventionellen Kardiologen und der Komplikationsrate gegeben.
- Evidenz: Die Datenlage ist uneinheitlich; weitere Untersuchungen, insb. zum Stellenwert eines epikardialen Vorhofohrverschlusses, fehlen.
- ASS nach Intervention: Beim konventionellen interventionellen Verschluss ist eine fortwährende ASS-Therapie notwendig, die auch mit einem Blutungsrisiko einhergeht.
Frequenzkontrolle
- Definition: Frequenzkontrolle bezeichnet einen Therapieansatz, bei dem darauf verzichtet wird, das Vorhofflimmern zu beenden und einen Sinusrhythmus herzustellen. Stattdessen wird ein normofrequentes Vorhofflimmern angestrebt.
- Indikation: Basistherapie bei jeder Form des tachykarden Vorhofflimmerns (TAA)
- Ziel-Herzfrequenz: I.d.R. reicht eine moderate Frequenzkontrolle (<110/min) zur Symptomkontrolle aus, eine strikte Frequenzkontrolle (<80/min) sollte nur bei fortbestehenden Symptomen durchgeführt werden
- Therapeutische Optionen
- 1. Wahl: Betablocker (z.B. Metoprolol)
- Alternative: Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ bei Kontraindikationen für Betablocker
- Bei TAA aufgrund Hyperthyreose: Propranolol bevorzugen
- Bei Scheitern der Monotherapie: Kombination von Betablocker oder Verapamil mit
- Ultima ratio: Implantation eines Herzschrittmachers und Katheterablation des AV-Knotens
- Applikation: Per os bei Dauertherapie, in der Akutsituation intravenös
- Siehe auch: Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern - klinische Anwendung
Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ dürfen nicht mit Betablockern kombiniert werden, da AV-Blockierungen und eine Abnahme der Auswurfleistung zu befürchten sind!
Bradyarrhythmia absoluta
- Definition: Eine bradykarde Herzfrequenz bei Vorhofflimmern wird als Bradyarrhythmia absoluta bezeichnet, ggf. ist eine frequenzsteigernde Behandlung notwendig.
- Therapieoptionen zur Frequenzsteigerung
- Atropin
- Orciprenalin
- Anlage eines temporären Herzschrittmachers, ggf. mit Anschluss einer definitiven Herzschrittmacher-Implantation
- Kardioversion
Rhythmuskontrolle (Kardioversion)
- Definition: Rhythmuskontrolle bezeichnet einen Therapieansatz, bei dem versucht wird, das Vorhofflimmern in den Sinusrhythmus zu konvertieren und in der Folge den Sinusrhythmus zu erhalten.
- Indikation: Bei Symptompersistenz trotz Frequenzkontrolle bzw. bei Aussicht auf lange Rezidivfreiheit nach Kardioversion
- Notfallindikation: Tachyarrhythmia absoluta mit kardialer Dekompensation und hämodynamischer Instabilität, i.d.R. als elektrische Kardioversion.
- Elektive Kardioversion: Bei hämodynamisch stabilen, aber durch das Vorhofflimmern beeinträchtigten Patienten stellen eine elektrische oder eine medikamentöse Kardioversion therapeutische Optionen dar.
- Langfristige Rhythmuskontrolle: Zur Reduktion symptomatischer Vorhofflimmer-Rezidive; die langfristige Rezidivfreiheit ist mit allen Antiarrhythmika nur eingeschränkt möglich. Die Häufigkeit von Rezidiven und die Dauer von Vorhofflimmer-Episoden können jedoch reduziert werden. Potenziell proarrhythmische Effekte sind bei der Indikationsstellung zu beachten, insb. bei Patienten mit strukturellen Herzerkrankungen.
- Eingeschränkte Erfolgsaussichten bei:
- Vorhofflimmern >12 Monate (Richtwert)
- Fortgeschrittene strukturelle Herzerkrankung
- Dilatation des linken Vorhofs (Durchmesser >50 mm in der Echokardiografie)
- Valvuläre Genese (insb. Mitralstenose)
- Unzureichend behandelte zugrunde liegende Ursache (z.B. Hyperthyreose)
- Siehe auch
Voraussetzungen für eine Kardioversion
- Berücksichtigung des Thromboembolie-Risikos
- Jedes Konversionsereignis von Vorhofflimmern in den Sinusrhythmus stellt ein Triggerereignis für eine Thromboembolie dar
- Antikoagulation: Eine therapeutische Antikoagulation sollte bei geplanter Kardioversion bereits etabliert bzw. ausreichend lange erfolgt sein – während und nach einer Kardioversion fortgeführt werden und im Rahmen einer langfristigen Rhythmuskontrolle aufrecht erhalten werden, sofern das Schlaganfallrisiko erhöht ist (CHA2DS2VASc-Score)
- TEE zum Thrombenausschluss: Im Zweifel muss vor jeder rhythmuskontrollierenden therapeutischen Intervention eine transösophageale Echokardiografie zum Ausschluss eines Vorhofthrombus erfolgen.
- Vorhofflimmern <48 h: Eine Rhythmuskontrolle kann i.d.R. ohne TEE erfolgen
- Vorhofflimmern >48 h: Immer TEE vor Rhythmuskontrolle!
- Ausnahme: Vorbestehende und glaubhaft dokumentierte therapeutische Antikoagulation für mindestens 4 Wochen vor dem Auftreten des Vorhofflimmerns
- Bei Vorhofthrombus-Nachweis: Einleitung einer therapeutischen Antikoagulation für 4 Wochen
- Nach der Rhythmuskontrolle: Fortführung der therapeutischen Antikoagulation für mindestens 4–6 Wochen
- Ggf. medikamentöse Rhythmuskontrolle: Bei vertretbarem Risikoprofil sollte eine medikamentöse Rezidivprophylaxe mit Antiarrhythmika erfolgen
- Siehe auch: Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung
Therapeutische Optionen
- Elektrische Kardioversion: Nach Sedierung des Patienten durch eine mit der Herzaktion synchronisierte transthorakale Applikation von biphasischem Gleichstrom über einen Defibrillator – es erfolgt ein kontinuierliches EKG-Monitoring.
- Siehe auch: Elektrische Kardioversion - klinische Anwendung
- Medikamentöse Rhythmuskontrolle: Gabe eines zur Rhythmuskontrolle geeigneten antiarrhythmischen Wirkstoffs unter Beachtung spezifischer Kontraindikationen
- Klasse-Ic-Antiarrhythmika
- Klasse-III-Antiarrhythmika
- Andere
- Vernakalant (nur i.v.): Zugelassen zur Kardioversion von paroxysmalem (<7 d Dauer) und postoperativem Vorhofflimmern (<3 d Dauer)
- „Pill in the pocket“-Konzept: Ambulante medikamentöse Kardioversion in Eigenregie des Patienten
- Siehe auch: Medikamentöse Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern - klinische Anwendung
- Katheterablation: Herzkatheteruntersuchung mit elektrischem Mapping der Erregungsleitung und -ausbreitung, nach Identifikation von Bildungszentren für ein Vorhofflimmern erfolgt eine Ablation
- Indikation: Insb. Patienten ohne strukturelle Herzerkrankungen mit frustraner anderweitiger Rhythmuskontrolle
- Vorhofflattern, insb. die typische Form (Siehe: Differenzialdiagnose)
- Indikation: Insb. Patienten ohne strukturelle Herzerkrankungen mit frustraner anderweitiger Rhythmuskontrolle
- Chirurgische Techniken: Maze-Operation
Frequenzkontrolle - klinische Anwendung
Stufenweise Eskalation einer Frequenzkontrolle | |
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Basistherapie | |
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Eskalation Stufe I | |
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Eskalation Stufe II | |
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Amiodaron nicht(!) zur Frequenzkontrolle einsetzen, wenn ein Vorhofthrombus besteht, da durch eine unbeabsichtigte Rhythmisierung thromboembolische Komplikationen ausgelöst werden können!
- Ziel-Herzfrequenz: Jegliche Herzfrequenz <110/min, bei der eine Beschwerdefreiheit bzw. maximale Symptomkontrolle für den Patienten erreichbar ist
- Moderate Frequenzkontrolle: Herzfrequenz <110/min, i.d.R. ausreichend
- Strikte Frequenzkontrolle: Herzfrequenz <80/min, nur bei Patienten mit Symptompersistenz unter moderater Frequenzkontrolle
Je intensiver eine Frequenzkontrolle erfolgt, desto höher ist das Risiko einer symptomatischen Bradykardie mit der Notwendigkeit einer Herzschrittmacher-Implantation!
Akute Frequenzkontrolle bei Tachyarrhythmia absoluta
- Intravenöse Basistherapie mit Betablockern: Betablocker sollten intravenös und langsam injiziert werden; bei Verwendung des sehr kurzwirksamen Esmolol ist eine Perfusortherapie sinnvoll.
- Metoprolol
- Propranolol
- Esmolol
- Alternativ bei stabilen Patienten: Bisoprolol p.o.
- Intravenöse Basistherapie mit Verapamil
- Eskalation Stufe I mit Digitalisglykosiden
- Eskalation Stufe II
- Bei Unwirksamkeit bzw. Eintreten hämodynamischer Instabilität: Siehe Elektrische Kardioversion - klinische Anwendung
Sonderfall Präexzitationssyndrom
Präexzitationssyndrome sind Störungen der Herzerregung, die durch eine vorzeitige Überleitung auf das Kammermyokard gekennzeichnet sind. Die Ursache sind akzessorische Leitungsbahnen, bekanntester Vertreter ist das Wolff-Parkinson-White-Syndrom. Bei Vorhofflimmern dient der AV-Knoten normalerweise als Filter, sodass die übergeleitete Frequenz begrenzt wird. Die zusätzliche Leitungsbahn bei Präexzitationssyndromen leitet aber häufig ungefiltert, sodass die Kombination aus Präexzitationssyndrom und Vorhofflimmern zu lebensgefährlichen Kammertachykardien führen kann.
Vorhofflimmern ist bei gleichzeitigem Vorliegen eines Präexzitationssyndroms als lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung zu bewerten!
- Gefahr: Paradoxe Beschleunigung unter frequenzkontrollierender Medikation, z.B.
- Betablocker, Adenosin, Verapamil und Digitalis-Präparate verlangsamen/blockieren die Überleitung im AV-Knoten, beeinflussen aber die akzessorische Leitungsbahn nicht
- Dadurch erfolgt die Überleitung unter Umständen hauptsächlich über die akzessorische Leitungsbahn, die keine Frequenzfilterfunktion besitzt
- Eine beschleunigte Überleitung mit der Entwicklung lebensbedrohlicher Kammertachykardien ist möglich
- Therapie
- Akut
- Flecainid, Amiodaron oder Ajmalin
- Ggf. elektrische Kardioversion bei hämodynamischer Instabilität oder Versagen der medikamentösen Therapie
- Im Verlauf: Elektrophysiologische Untersuchung, Ablation der akzessorischen Leitungsbahn
- Akut
Bei Vorhofflimmern kann ein Präexzitationssyndrom im normalen EKG nicht diagnostiziert werden. Kommt es nach Gabe von frequenzkontrollierender Medikation zu einem Frequenzanstieg, sollte man an eine akzessorische Leitungsbahn denken!
Bei bekanntem Präexzitationssyndrom und Vorhofflimmern sind Adenosin, Betablocker, Verapamil und Digitalis kontraindiziert!
Langfristige Frequenzkontrolle bei Tachyarrhythmia absoluta
- Betablocker (1. Wahl)
- Calciumantagonisten (Alternative zu Betablockern)
- Zusätzlich bei nicht ausreichender Basistherapie: Digitalisglykoside zusätzlich zu Betablockern oder Verapamil
- Digitoxin - vorteilhaft bei vorliegender Niereninsuffizienz
- Digoxin - vorteilhaft wenn ein schneller Wirkungseintritt gewünscht ist
Akute Frequenzkontrolle bei Bradyarrhythmia absoluta
Meistens tritt bei Vorhofflimmern eine Tachykardie auf. Es kann jedoch auch zu bedrohlichen Bradykardien kommen, insb. bei vorbestehenden Störungen der Erregungsausbreitung oder unter frequenzsenkender Medikation.
- Ursachen beheben
- Elektrolytstörungen ausgleichen
- Digitalis-Intoxikation
- Frequenzsenkende Medikation absetzen
- Intravenöse Therapie mit Atropin
- Eskalation: Intravenöse Therapie Orciprenalin
- Temporärer Schrittmacher
- Zur Überbrückung bis zu einer definitiven Schrittmacherversorgung oder bis zur Behebung der Ursache kann ein temporärer Schrittmacher eingesetzt werden
- Ggf. Planung einer definitiven Schrittmacherversorgung
- Wenn keine behandelbare Ursache vorliegt, ist eine symptomatische Bradykardie unter Vorhofflimmern im Allgemeinen eine Indikation für eine Schrittmacherversorgung
- Bei hämodynamischer Instabilität: Kardioversion
- Falls diese erfolglos bleibt, kann als Ultima ratio eine externe Schrittmacherstimulation durchgeführt werden
Chronotrope Insuffizienz unter Frequenzkontrolle
- Definition: Patienten mit Vorhofflimmern und Frequenzkontrolle, bei denen symptomatische Bradykardien (Bradyarrhythmia absoluta) auftreten
- Klinik: Symptome einer Bradykardie unter Frequenzkontrolle, gelegentlich auch als asymptomatischer (aber potenziell bedrohlicher) Zufallsbefund
- Diagnostik: Langzeit-EKG
- Therapie: Implantation eines Herzschrittmachers
Rhythmuskontrolle - klinische Anwendung
Akute Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern
- In der Akutsituation
- Elektrische Kardioversion: Bei hämodynamischer Instabilität schnell, effektiv und sicher
- Medikamentöse Kardioversion bei stabiler Hämodynamik: Kann ohne Sedierung erfolgen, eine EKG-Monitorüberwachung ist jedoch i.d.R. erforderlich und sinnvoll
- Medikamentöse Optionen: Die Auswahl des Medikaments richtet sich nach dem Ausmaß vorbestehender Herzerkrankungen
- Schwere Herzerkrankung: Amiodaron
- Herzinsuffizienz maximal NYHA II: Vernakalant
- Keine strukturelle Herzerkrankung: Flecainid oder Propafenon
Langfristige Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern
- Leitsätze zur langfristigen Rhythmuskontrolle
- Realismus: Die Effektivität aller Wirkstoffe ist begrenzt; langfristiges Ziel ist daher eher die Reduktion der Anzahl und der Frequenz symptomatischer Rezidive eines Vorhofflimmerns.
- Risikoadaptation: Jedes Antiarrhythmikum hat proarrhythmogenes Potenzial, sodass die Kontraindikationen streng zu beachten sind.
- Reevaluation: Regelmäßig sollte eine begonnene Therapie bezüglich ihrer Effektivität und dem Auftreten von Nebenwirkungen geprüft werden, ggf. ist die Fortführung einer Therapie kritisch zu hinterfragen.
- Pill-in-the-Pocket: Flecainid oder Propafenon
Medikamentöse Optionen zur langfristigen Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern | ||
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Wirkstoff | Dosierung und Tipps | Sicherheitshinweise |
Flecainid |
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|
Propafenon |
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Amiodaron |
| |
Dronedaron | ||
Sotalol |
| |
Therapiestart | ||
Elektrische Kardioversion - klinische Anwendung
Vorbereitung
- TEE: Ausschluss eines Vorhofthrombus, wenn erforderlich (siehe: Therapie)
- Labor
- Kalium: Hochnormale Kaliumwerte anstreben (4,5–5,0 mmol/L); eine Hypokaliämie verschlechtert die Erfolgsaussichten
- TSH: Immer prüfen, um eine einfache und behebbare Ursache auszuschließen
- EKG: Ausschluss einer QT-Zeit-Verlängerung >450 ms bzw. der gleichzeitigen Einnahme von QT-Zeit-verlängernden Medikamenten
- Antikoagulation: Prüfen, ob eine wirksame Antikoagulation etabliert ist
- Patientenvorbereitung
- Aufklärung und schriftliche Einverständniserklärung über Kardioversion und Analgosedierung
- Nüchterngebot 6 h vor der Kardioversion
- Ggf. Rasur bei starker Behaarung an Brust und Rücken
- Flügelhemd anziehen lassen
- Patienten die Blase entleeren lassen
- Zahnprothesen, Brille und andere Accessoires ablegen lassen
- Material & Monitoring
- Kontinuierliches EKG-Monitoring (Pulston laut stellen) und Pulsoxymetrie
- Blutdruckmanschette mit einstellbarem automatischen Messprotokoll nach Bedarf
- Defibrillator mit Klebestreifen oder Defibrillationspads
- Absauggerät, Laryngoskop (Funktion prüfen!) und Intubationsutensilien bereithalten
- Sauerstoffbrille zur nasalen Insufflation
- Beatmungsbeutel und geeignete Maske
- Mindestens ein venöser Zugang
Sedierung
- Analgosedierung: Der Patient wird sedativ und analgetisch behandelt, dabei ist die Spontanatmung zu erhalten
- Durchführung: In Intubationsbereitschaft
Kardioversion
- Defibrillator
- EKG-Elektroden des Defibrillators zur Aufzeichnung anbringen
- Synchronisierten Betriebsmodus einstellen
- Paddles und Elektroden
- Paddles: Verwendung mit reichlich leitendem Gel oder spezieller Defibrillations-Pads (z.B. Defib-Pads®) unter fester Auflage und ausreichendem Druck
- Klebeelektroden: Aufkleben auf unbehaarte bzw. rasierte Haut, Nutzen der vollen Kontaktfläche der Klebeelektroden, die Klebeflächen sollten keine Aufwerfungen zeigen
- Elektrodenposition: Grundsätzlich soll der Stromfluss zwischen den Elektroden das Herz und bei der Kardioversion insb. den linken Vorhof erfassen
- Anteroposteriore Variante (effektiver): Frontale Elektrode rechts parasternal im 3. ICR in der Medioklavikularlinie, dorsale Elektrode links infraskapulär
- Anterolaterale Variante: Rechts parasternal im 3. ICR in der Medioklavikularlinie und links über der Herzspitze im 5. ICR in der vorderen Axillarlinie
- Schrittmacherpatienten: Bei Patienten mit Schrittmacher und/oder ICD-System sollte die anteroposteriore Variante bevorzugt und ein Abstand von >8 cm zum Aggregat eingehalten werden
- Energiewahl:
- 1. Versuch: 120–150 J biphasisch
- 2. Versuch: 150–200 J biphasisch
- 3. Versuch: 200 J biphasisch
- Stromabgabe
- Laden: Vor dem Laden alle Anwesenden vom Bett wegtreten lassen, laute Ansage „Laden“
- Schocken: Abgabe durch Betätigen der Auslösetaste, laute Ansage „Strom“
- Checken: Patienten und EKG-Monitor beobachten und Effekt prüfen
- Amiodaron-Gabe: Optional kann bei frustraner Kardioversion nach der Gabe von Amiodaron erneut eine Kardioversion versucht werden
Überwachung
- Intensiviertes Monitoring und personelle Zuwendung bis der Patient wach, ansprechbar und kreislaufstabil ist
- EKG-Monitoring für mindestens weitere 3 h
- Ggf. Schrittmacherkontrolle nach Kardioversion und Terminvereinbarung zur erneuten Kontrolle
Schrittmacherpatienten
- Vor der Kardioversion
- Prüfung der Impedanzen, der Batteriespannung und der Reizschwellen; ggf. sollte bei schrittmacherabhängigen Patienten die Stimulationsamplitude gesteigert werden (mind. doppelt so hoch wie die Reizschwellen), um bei einer Schädigung der Elektroden eine Funktionalität zu erhalten.
- Bei implantierten Kardiovertern und Defibrillatoren kann ggf. eine interne, synchronisierte Stromabgabe zur Kardioversion genutzt werden.
- Während der Kardioversion
- Programmiergerät hochgefahren am Patientenbett, aber nicht den Magneten auflegen
- >8 cm Abstand der Elektrodenpositionen zum Aggregat
- Ggf. bedarfsweise Steigerung der Stimulationsamplitude bei (passagerer) Schrittmacherdysfunktion
- Nach der Kardioversion
- Schrittmacherkontrolle mit Abfrage aller Funktionsparameter; selten kommt es zu einem Reset der zuvor eingestellten Programmierungen, dann wird eine erneute Programmierung der Schrittmacherfunktionen auf die Patientenbedürfnisse erforderlich
- Ca. eine Woche später erneute Schrittmacherkontrolle
Das Vorhandensein eines Herzschrittmachers ist eine relative Kontraindikation für die elektrische Kardioversion. I.d.R. kann aber bei Beachtung der Sicherheitsregeln eine Schädigung von Gerät und Elektroden verhindert werden!
Komplikationen
Thromboembolie
-
Thrombenbildung (insb. im linken Vorhofohr)
- Abgang als Embolus
-
Gehirn (ischämischer Schlaganfall)
- Zum Notfallmanagement des Schlaganfalls siehe: Schlaganfall - AMBOSS-SOP
- Nieren- oder Milzinfarkt
- Verschluss der Beinarterien (akuter arterieller Verschluss)
- Mesenterialinfarkt
-
Gehirn (ischämischer Schlaganfall)
- Abgang als Embolus
Die drei wichtigsten Embolieorgane sind Gehirn, Niere und Milz!
CHA2DS2VASc-Score (Akronym) [4]
- Definition: Scoring-System zur klinischen Risikoeinschätzung bezüglich des Thromboembolie-Risikos bei Patienten mit Vorhofflimmern (Siehe auch: Thrombembolie-Prophylaxe bei Vorhofflimmern)
Akronym | Risikofaktor | Punkte |
---|---|---|
C | Chronische Herzinsuffizienz* oder linksventrikuläre Dysfunktion | 1 |
H | Hypertonus (arterielle Hypertonie) | 1 |
A2 | Alter ≥75 Jahre | 2 |
D | Diabetes mellitus | 1 |
S2 | Schlaganfall/TIA/Thromboembolie | 2 |
V | Vaskuläre Vorerkrankung, KHK, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Aortenplaque | 1 |
A | Alter 65–74 Jahre | 1 |
Sc | Sex Category: Weibliches Geschlecht | 1 |
*Auch Mitralklappenvitien stellen eine Indikation zur Antikoagulation dar |
CHA2DS2VASc-Score (Rechner)
Thromboembolie-Risiko ohne Antikoagulation
CHA2DS2VASc-Score | Schlaganfallrisiko/Jahr |
---|---|
1 | ca. 1% |
2 | ca. 2% |
3 | ca. 3% |
4 | ca. 4% |
5 | ca. 7% |
6 | ca. 10% |
Blutungsrisiko nach HAS-BLED-Score [5]
HAS-BLED | Kriterium | Punktwert |
---|---|---|
H | Hypertonus | 1 |
A | Abnorme Funktion von Niere (1 Punkt) oder Leber (1 Punkt) | 1–2 |
S | Schlaganfall | 1 |
B | Blutungsneigung (z.B. bekannte Hämophilie) | 1 |
L | Labile INR-Werte (unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonist) | 1 |
E | Elderly, Alter >65 Jahre | 1 |
D | Drugs, Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern, NSAR (1 Punkt) oder Alkoholabusus (1 Punkt) | 1–2 |
Auswertung | ||
|
Ein hoher HAS-BLED-Score schließt die Möglichkeit einer Antikoagulation nicht aus – Patienten mit einem hohen Score erfordern jedoch bei Einstellung und Überwachung einer Antikoagulation besondere Sorgfalt!
HAS-BLED-Score (Rechner)
Weitere Komplikationen
Insb. durch eine unkontrollierte Tachyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern kann die Herzleistung kurz- oder langfristig eingeschränkt sein – es resultiert die Klinik einer Herzinsuffizienz.
- Kardiale Dekompensation: Tritt insb. bei Patienten mit bereits eingeschränkter Pumpleistung des Herzens auf, die sich bei einer Tachyarrhythmie noch weiter verstärkt
- Tachykardiomyopathie: Tritt als Form der chronischen Herzinsuffizienz bei längerfristig unkontrollierter Tachykardie im Rahmen eines Vorhofflimmerns auf
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Fahrtauglichkeit bei Vorhofflimmern und Vorhofflattern
Siehe: Fahrtauglichkeit bei supraventrikulären Herzrhythmusstörungen
- Siehe auch für Empfehlungen zur Fahrtauglichkeit weiterer Herzrhythmusstörungen
- Siehe auch für Empfehlungen zur Fahrtauglichkeit im Rahmen weiterer kardiovaskulärer Erkrankungen
- Fahrtauglichkeit nach Synkope
- Fahrtauglichkeit bei Herzschrittmacher und ICD
- Fahrtauglichkeit bei koronarer Herzkrankheit
- Fahrtauglichkeit bei Herzinsuffizienz
- Fahrtauglichkeit bei arterieller Hypertonie
- Fahrtauglichkeit bei Herzklappenerkrankungen
- Fahrtauglichkeit bei pAVK
- Fahrtauglichkeit bei Aortenaneurysma
- Fahrtauglichkeit bei hypertropher Kardiomyopathie
Postoperatives Vorhofflimmern nach herzchirurgischen Eingriffen
Epidemiologie und Risikofaktoren [2][6]
- Inzidenz
- 15–45% aller herzchirurgischer Patienten
- Häufigkeitsgipfel: 2.–4. Tag postoperativ
- Risikogruppen
- Nach klappenchirurgischem Eingriff höher als nach ACVB
- Alter: >70 Jahre
- Patient mit kardialer Vorschädigung
- Assoziierte Risiken
- Erhöhte postoperative Mortalität und Komplikationsrate
- Längere Behandlungsdauer
Ätiopathogenese [6]
- Perioperative Auslöser: Bspw. Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, supraventrikuläre Extrasystolen, Perikarderguss, erhöhter Sympathikotonus, operative Manipulation
- Strukturelle und/oder elektrische Veränderungen im Vorhof: Bspw. durch entzündliche oder fibrotische Veränderungen, Fibrose, elektrische Automatismen
Perioperative Prophylaxe [2][6]
- Indikation
- Evidenzlage unklar
- Individuelle Abwägung unter Einbezug der Patienten- und OP-abhängigen Risikofaktoren
- Mögliche Substanzen
- Orale Betablocker, bspw. Bisoprolol oder Metoprolol
- Alternative bei Kontraindikation oder besonders erhöhtem Risiko für postoperatives Vorhofflimmern: Amiodaron
- Nicht empfohlen: Kalium- oder Magnesiumsupplementierung [7]
Therapie [2]
- Indikation: Rezidivierende oder lang anhaltende Episoden
- Therapieoptionen: Rhythmuskontrolle oder Frequenzkontrolle in Abhängigkeit der Symptomatik (ggf. Berechnung des EHRA-Scores) [8]
- Hämodynamisch instabile Patienten: Versuch einer elektrischen Kardioversion oder medikamentösen Rhythmuskontrolle
- Symptomatische Patienten: Versuch einer medikamentösen Rhythmuskontrolle
- Asymptomatische Patienten: Frequenzkontrolle und orale Antikoagulation
- Therapiedauer: Bei stabilem Sinusrhythmus im Langzeit-EKG kann nach 2 Monaten ein Absetzversuch erwogen werden
- Siehe für Anwendungshinweise
- Zur Frequenzkontrolle
- Zur Rhythmuskontrolle
- Zur therapeutischen Antikoagulation
- Thromboembolieprophylaxe bei Vorhofflimmern
- Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung
Studientelegramme zum Thema
- HOMe Studientelegramme Innere Medizin
- Studientelegramm 269-2023-1/3: NOAH-AFNET 6: Keine orale Antikoagulation bei atrialen Hochfrequenzepisoden
- Studientelegramm 260-2023-1/3: Noch ein “No” für NOAK: Antikoagulation nach mechanischem Klappenersatz
- Studientelegramm 253-2023-2/3: NOAH – AFNET 6: Studie zur oralen Antikoagulation bei Vorhof-Hochfrequenz-Episoden vorzeitig beendet
- Studientelegramm 224-2022-2/3: Duale antithrombotische Therapie „under fire“
- Studientelegramm 217-2022-2/3: ELDERCARE: Antikoagulation bei alten Menschen mit Vorhofflimmern
- Studientelegramm 217-2022-3/3: LAA-KIDNEY: Vorhofohrverschluss bei dialysepflichtiger CKD
- Studientelegramm 210-2022-3/3: Screening auf Vorhofflimmern reloaded: VITAL-AF
- Studientelegramm 206-2022-1/3: Vorhofflimmern - “To screen, or not to screen?”
- Studientelegramm 153-2021-1/3: Revival für Digitalis? – Vergleich mit Bisoprolol beim permanenten Vorhofflimmern
- Studientelegramm 150-2020-1/3: Frühe interventionelle Rhythmustherapie bei Vorhofflimmern: EARLY-AF und STOP-AF
- Studientelegramm 140-2020-2/3: AXADIA-Studie wird beendet
- Studientelegramm 139-2020-1/3: Neue Leitlinien zu NSTEMI und Vorhofflimmern
- Studientelegramm 138-2020-4/4: ELDERCARE-AF: DOAK bei Vorhofflimmern im hohen Alter
- Studientelegramm 138-2020-2/4: EAST-AFNET 4: Prognostischer Nutzen einer frühen Rhythmuskontrolle bei VHF
- Studientelegramm 129-2020-3/3: Vorhofohrverschluss vs. DOAK bei Vorhofflimmern
- Studientelegramm 124-2020-1/3: Primum non nocere – Antikoagulation bei Vorhofflimmern und Dialyse?
- Studientelegramm 110-2020-2/3: Dosisanpassung von DOAK bei chronischer Niereninsuffizienz – Sind Kardiologen die besseren Nephrologen?
- Studientelegramm 107-2020-3/3: Prost Neujahr? Alkoholkonsum als Risikofaktor beim Vorhofflimmern
- Studientelegramm 101-2019-3/3: Elektrische Kardioversion und Thromboembolierisiko – Der Kausalkette auf der Spur
- Studientelegramm 95-2019-1/3: Ski Heil? Eine Langzeitstudie zu den kardioprotektiven Effekten von Ausdauersport
- Studientelegramm 89-2019-2/3: CAPTURE: Karotisfilter zur Schlaganfallprävention bei VHF?
- Studientelegramm 88-2019-1/3: Perioperative Pausierung von DOAK: Zeit für eine Standardisierung
- Studientelegramm 83-2019-1/3: AHA/ACC/HRS-Leitlinien-Update: Indikation und Auswahl der Antikoagulantien bei Vorhofflimmern
- Studientelegramm 83-2019-2/3: AHA/ACC/HRS-Leitlinien-Update: Antithrombotische Therapie bei Patienten mit Vorhofflimmern und akutem Koronarsyndrom
- Studientelegramm 83-2019-3/3: AHA/ACC/HRS-Leitlinien-Update: Lifestyle-Empfehlungen für Patienten mit Vorhofflimmern
- Studientelegramm 70-2019-1/3: ACC Rückblick IV: Apple doesn’t keep the doctor away
- Studientelegramm 69-2019-2/3: ACC Rückblick II: AUGUSTUS ‒ Der Beginn einer neuen Ära?
- Studientelegramm 68-2019-2/3: Vorschau ACC 2019 ‒ Nach den Iden des März erscheint AUGUSTUS
- Studientelegramm 59-2019-1/3: Vorhofflimmern bei chronischer Nierenerkrankung (1) – Inzidenz und prognostische Bedeutung bei nicht-dialysepflichtigen Patienten
- Studientelegramm 59-2019-2/3: Vorhofflimmern bei chronischer Nierenerkrankung (2) – Vitamin-K-Antagonisten oder DOAK bei Dialysepatienten?
- Studientelegramm 30-2018-1/3: Health Tech: Früherkennung von Vorhofflimmern durch Smartwatches?
- Studientelegramm 16-2018-1/3: Vorhofflimmern, Antikoagulation und Demenz
- Studientelegramm 15-2018-3/4: Vorhofflimmern: Ablation bei Patienten mit Herzinsuffizienz (CASTLE-AF) – erstmals Verbesserung der Sterblichkeit?
- Studientelegramm 10-2017-3/3: Die Qual der Wahl: Welches Antikoagulans zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern?
- One-Minute Telegram (aus unserer englischsprachigen Redaktion)
- One-Minute Telegram 67-2023-1/3: Freezing the progression of atrial fibrillation
- One-Minute Telegram 65-2022-1/3: 2022 U.S. Preventive Services Task Force: summary of recommendations
- One-Minute Telegram 63-2022-1/3: Apixaban: the right pick for atrial fibrillation?
- One-Minute Telegram 63-2022-3/3: No revelations on the best anticoagulant for patients with end-stage kidney disease
- One-Minute Telegram 62-2022-1/3: K+ may be more than OK at making bad rhythms go away
- One-Minute Telegram 59-2022-3/3: The rhythm is gonna get you: early rhythm control in low-risk AF
- One-Minute Telegram 44-2022-2/3: To screen or not to screen for atrial fibrillation: 2022 updated USPSTF recommendations
- One-Minute Telegram 15-2020-3/4: Anticoagulation for patients with bioprosthetic mitral valves: is it time for a DOAC?
- One-Minute Telegram 12-2020-4/4: Levothyroxine and AFib in older patients: what’s the right dose?
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Patienteninformationen
- Vorhofflimmern
- Vorhofflattern
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CHA2DS2VASc-Score
Vorhofflimmern
Vorhofflimmern – Teil 1
Vorhofflimmern – Teil 2
Vorhofflimmern – Teil 3: Diagnostik & Differentialdiagnosen
Vorhofflimmern – Teil 4: Therapie
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
- I48.-: Vorhofflimmern und Vorhofflattern
- I48.0: Vorhofflimmern, paroxysmal
- I48.1: Vorhofflimmern, persistierend
- I48.2: Vorhofflimmern, permanent
- I48.3: Vorhofflattern, typisch
- Vorhofflattern, Typ I
- I48.4: Vorhofflattern, atypisch
- Vorhofflattern, Typ II
- I48.9: Vorhofflimmern und Vorhofflattern, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.