Zusammenfassung
Das Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS) ist eine lebensbedrohliche, blasenbildende Erkrankung mit durch Staphylokokken-Toxin ausgelöster Abhebung der Haut. Meist geht der Erkrankung eine mukokutane Infektion (z.B. Pharyngitis oder Otitis) voraus. Betroffen sind vor allem Säuglinge und Kleinkinder sowie immungeschwächte Erwachsene. Das SSSS manifestiert sich durch hohes Fieber und eine diffuse Rötung des ganzen Körpers mit anschließender Bildung von schlaffen, leicht reißenden Blasen. Als wegweisende Befunde zeigen sich ein positives Nikolski-Phänomen I und in der histopathologischen Untersuchung der Haut eine Spalt- und Blasenbildung zwischen Stratum corneum und Stratum granulosum. Ein Erregernachweis aus den Hautblasen ist i.d.R. nicht möglich, da sie durch die Toxine hervorgerufen werden. Die Therapie besteht in der Gabe von Antibiotika sowie ggfs. intensivmedizinischen Allgemeinmaßnahmen.
Synonyme
Das Staphylococcal scalded skin syndrome besitzt eine Vielzahl an Synonymen:
- Morbus Ritter von Rittershain
- Dermatitis exfoliata neonatorum (Ritter von Rittershain)
- Staphylodermia superficialis diffusa exfoliativa
- Staphylogenes Lyell-Syndrom
- Staphylogene toxische epidermale Nekrolyse
- Staphylokokken-Schälsyndrom
- Staphylokokkenbedingtes Syndrom der verbrühten Haut
- Pemphigus acutus neonatorum (nicht zu verwechseln mit Pemphigus neonatorum)
Epidemiologie
- Seltene Erkrankung, betrifft vor allem Säuglinge und Kleinkinder, vereinzelt auch immungeschwächte Erwachsene .
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Erreger: Exfoliatin-bildende Stämme des Staphylococcus aureus [1][2]
- Übertragungsweg
- Schmierinfektion: Nach Kontakt zu Staphylokokken-tragenden Kontaktpersonen
- Endogen: Von eigener Staphylokokkeninfektion ausgehend (bspw. Pharyngitis, Otitis media, Konjunktivitis)
- Pathogenese: Hämatogene Ausbreitung von Staphylococcus-aureus-Toxinen (Exfoliatin A und B)
Symptomatik
- Initial: Hohes Fieber und Scharlach-ähnliches Exanthem
- Nach 24–48 Stunden: Diffuse Rötung des gesamten Körpers mit schlaffen, leicht reißenden Blasen, die erodierte Areale zurücklassen (scalded skin)
- Reduzierter Allgemeinzustand
- Kein Befall der Schleimhaut (Abgrenzung zum Stevens-Johnson-Syndrom!)
- Im Verlauf groblamelläre Ablösung der Haut, narbenlose Abheilung
Beim differenzialdiagnostisch zu berücksichtigenden Stevens-Johnson-Syndrom sind obligat die Schleimhäute betroffen, während sie beim Staphylococcal scalded skin syndrome ausgespart bleiben!
Diagnostik
- Positives Nikolski-Phänomen I
- Histopathologie: Intraepidermale Spalt- und Blasenbildung zwischen Stratum corneum und Stratum granulosum, Keratinozytennekrosen
Differenzialdiagnosen
- Stevens-Johnson-Syndrom bzw. toxische epidermale Nekrolyse
- Pemphigus neonatorum
- Großblasige Impetigo contagiosa
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
- Allgemeine Maßnahmen
- Intensivmedizinische Betreuung!
- Lagerung auf nicht-klebenden Folien
- Medikamentöse Therapie
- Topische Antiseptika (bspw. Polyhexanid, Polyvidon, Octenidin oder Chlorhexidin)
- Topische Antibiotika: Bspw. Fusidinsäure
- Systemische Antibiotika: Staphylokokken-wirksames Antibiotikum, bspw. Flucloxacillin
- Bei lokalisierter Form
- Flucloxacillin p.o.
- Säuglinge, Kinder und Jugendliche <30 kgKG (Off-Label Use bei Kindern <6 Jahre) [3]
- Jugendliche und Erwachsene ≥30 kgKG [3]
- Oder Cefalexin p.o.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Cefalexin (pädiatrisch)
- Oder Clindamycin p.o.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Clindamycin (pädiatrisch)
- Weitere Alternativen: Cotrimoxazol oder Doxycyclin p.o.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Cotrimoxazol (pädiatrisch) und Doxycyclin (pädiatrisch)
- Flucloxacillin p.o.
- Bei generalisierter Form
- Flucloxacillin i.v.
- Jugendliche ≥12 Jahre und Erwachsene [3]
- Säuglinge und Kinder ≥1 Monat bis <12 Jahre [3]
- oder Cefazolin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Cefazolin (pädiatrisch)
- Flucloxacillin i.v.
- Bei MRSA: Bei Verdacht, bekannter Trägerschaft oder aktuellem Nachweis
- Vancomycin i.v.
- Für pädiatrische Dosierungen siehe: Vancomycin (pädiatrisch)
- oder Linezolid i.v.
- Vancomycin i.v.
- Ggf. Therapieumstellung oder Erweiterung nach Resistogramm
- Bei lokalisierter Form
Glucocorticoide sind sowohl lokal als auch systemisch kontraindiziert!
Komplikationen
- Superinfektion
- Sepsis
- Pneumonie
- Dehydratation
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prognose
Bei unkompliziertem Verlauf narbenlose Abheilung
- Letalität ca. 1 %
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- L00.-: Staphylococcal scalded skin syndrome [SSS-Syndrom]
- Inklusive: Dermatitis exfoliativa neonatorum [Ritter (-von-Rittershain)], Pemphigus acutus neonatorum, Staphylogenes Lyell-Syndrom
- Exklusive: Toxische epidermale Nekrolyse [Lyell-Syndrom] (L51.2‑)
- L00.0: Befall von weniger als 30 % der Körperoberfläche
- L00.1: Befall von 30 % der Körperoberfläche und mehr
- Schleimhautbefall
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.