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Rauchen und Tabakkonsum

Letzte Aktualisierung: 22.11.2023

Abstracttoggle arrow icon

In Deutschland rauchen etwa 30% der Bevölkerung. Insb. die Schadstoffe im Tabakrauch führen bei regelmäßigem Konsum zu enormen gesundheitsschädlichen Langzeitschäden (z.B. Tumorerkrankungen, kardiovaskuläre und pulmonale Folgeerkrankungen). Neben nicht-medikamentösen Therapieansätzen (z.B. verhaltenstherapeutische Maßnahmen) stehen auch medikamentöse Ansätze zur Unterstützung eines Rauch-Stopps zur Verfügung.

Epidemiologietoggle arrow icon

  • In Deutschland rauchen etwa 30% der Bevölkerung [1]
  • In Deutschland sterben jährlich etwa 120.000 Menschen durch das Rauchen [1]

Rauchen ist die häufigste vermeidbare Todesursache!

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

Wirkstoffe und Wirkmechanismustoggle arrow icon

Häufig werden Nikotinkonsum und das Tabakrauchen synonym verwendet. Streng genommen ist Nikotin aber lediglich für Abhängigkeit verantwortlich, während weitere Bestandteile einer Zigarette, die durch den Verbrennungsprozess entstehen, die eigentlichen gesundheitsschädlichen Wirkungen hervorrufen.

Die gesundheitsschädlichen Langzeitschäden von Zigaretten (z.B. Tumorerkrankungen, Arteriosklerose) sind vor allem auf die Schadstoffe und nicht auf das Nikotin zurückzuführen!

Spezielle Konsumformentoggle arrow icon

E-Zigaretten [2][3]

Seit der Einführung in China 2003 haben sich E-Zigaretten weltweit verbreitet. Sie werden teilweise als weniger schädliche Alternative angesehen, bergen aber eigene Risiken.

  • Prinzip: Erzeugung eines Aerosols zur Inhalation
    • Flüssigkeit wird verdampft, nicht verbrannt
  • Inhaltsstoffe
    • Nikotin: Variabel, sowohl nikotinfreie als auch stark nikotinhaltige Flüssigkeiten erhältlich [4]
    • Feuchthaltemittel: Glycerin, Propylenglykol und andere
    • Aromastoffe: Viele Geschmacksrichtungen erhältlich, dadurch diverse Aromen in Benutzung
    • Insg. weit über 100 verschiedene Substanzen
  • Vorteile gegenüber Tabakrauchen
    • Weniger Karzinogene
    • Durch Umstellung Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei starken Rauchern [5]
    • Reduktion des Nikotingehalts stufenlos möglich
  • Probleme
    • Auch E-Zigaretten erhöhen das kardiovaskuläre Risiko [6]
    • Lungenschäden durch E-Zigaretten möglich [7]
      • Bei kombinierter Nutzung von E-Zigaretten und Tabakrauch sogar erhöhtes Risiko gegenüber dem alleinigen Tabakkonsum
      • EVALI (E-Zigaretten-induzierter Lungenschaden, ARDS infolge einer „Acute Lipoid Pneumonia“) [8][9]
        • 2019 in den USA erstmals aufgefallene Häufung schwerer Lungenschäden auch bei jungen E-Zigaretten-Nutzern
        • Ätiologie unklar, aktuell Vitamin-E-Zusätze im Verdacht [10][11]
    • Wenig Langzeitdaten
    • Viele enthaltene Stoffe kaum untersucht bezüglich Inhalation als Aerosol
  • Siehe auch: E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung

Shisha (Wasserpfeife) [1]

  • Prinzip: Tabak wird erhitzt
    • Entstehender Rauch wird durch Wasser geleitet und inhaliert
  • Inhaltsstoffe
  • Probleme
    • Beliebte Konsumform unter jungen Menschen
    • Gesundheitsrisiko und Abhängigkeitspotenzial ähnlich wie beim Zigarettenrauchen

Shisha-Rauchen birgt ein vergleichbares Gesundheits- und Abhängigkeitsrisiko wie das Zigarettenrauchen!

Rauchlose Tabakprodukte [1][12]

Da der Verbrennungsprozess fehlt, entstehen weniger gesundheitsschädliche Stoffe als beim klassischen Zigarettenrauchen. Dennoch birgt der Konsum gesundheitliche Risiken .

Schnupftabak

  • Prinzip: Tabakmischung (gemahlen/gestoßen) wird in die Nase gesogen
  • Probleme

Kautabak

  • Prinzip: Fermentierter Rohtabak wird in Stücken in die Wange gelegt, gelutscht und ausgedrückt
    • Sonderform: Snus (gängig in Skandinavien)
  • Probleme
    • Teils verbreitete Konsumform im Leistungssport
    • Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Erkrankungen und HNO-Karzinome

Nikotinabhängigkeittoggle arrow icon

Diagnostik

Bei allen Personen sollte regelmäßig der Rauchstatus erhoben werden. [12]

  • Spezielle Raucheranamnese
    • Einstiegsalter, Aufhörversuche, Motivationsstatus bezüglich eines Rauchstopps
    • Dauer und Menge des Zigarettenkonsums in Pack Years (py): Berechnung über Multiplikation der täglich konsumierten Päckchen (1 Päckchen = 20 Zigaretten) mit der Anzahl der Raucherjahre
    • Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit [12]
    • Objektivierung einer Rauchkarenz: CO-Konzentration in der Ausatemluft
  • Diagnosekriterien
    • Nikotinabhängigkeit: Entsprechend den allgemeinen Kriterien des Abhängigkeitssyndroms (ICD-10) bzw. der Substanzgebrauchsstörung (DSM-5)
    • Nikotinentzugssyndrom nach DSM-5
      • Täglicher Nikotinkonsum über mehrere Wochen
      • und Auftreten von mind. 4 der folgenden Symptome innerhalb von 24 h nach Rauchstopp
        • Zunahme von Reizbarkeit, Frustration und Wut
        • Ängstlichkeit
        • Abnahme der Konzentrationsfähigkeit
        • Vermehrter Appetit, ggf. Gewichtszunahme
        • Rastlosigkeit
        • Depressive Stimmungslage
        • Schlaflosigkeit
      • und signifikante Beeinträchtigung durch die Symptomatik
      • und Abwesenheit einer anderen Ursache für die Symptomatik

Das Thema Rauchstopp sollte immer wieder angesprochen, der Motivationsstatus ermittelt und ggf. gefördert werden!

Jedem Raucher mit einer chronischen Lungenerkrankung soll eine strukturierte Tabakrauchentwöhnung angeboten werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie)

Rauchentwöhnung

Eine Kombination aus medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapie ist in vielen Fällen (insb. bei ausgeprägter Abhängigkeit und einem Lebensalter >50 Jahre) sinnvoll. [12]

Nicht-medikamentöse Therapie

Allgemeine Maßnahmen [12]

  • Rauchstopp empfehlen, insb. bei
    • (Verdacht auf) Vorliegen einer tabakassoziierten Erkrankungen
    • Anstehender Operation
    • Schwangerschaft [1]
      • Beratungsplattform der BZgA: IRIS (siehe: Tipps & Links)
      • Nicht-medikamentöse Optionen bevorzugen
      • Ultima Ratio: Nikotinersatztherapie
  • (Telefonische) Kurzberatungen über verfügbare Hilfsangebote, bspw.
    • BZgA-Telefonberatung
    • Präventionsprogramme der Krankenkassen
    • Einzel- und Gruppentherapie
    • Selbsthilfematerial
  • Risikofeedback
  • Internetbasierte Interventionen anbieten
  • Techniken des motivational Interviewing nutzen

Psychotherapeutische Verfahren

Medikamentöse Therapie [12]

Die Therapie mit Nikotinersatzmitteln, Vareniclin und Bupropion kann auch nach der Entwöhnung im Sinne einer Rückfallprophylaxe fortgeführt werden.

E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung [2][3]

  • Hintergrund
    • Kardiovaskuläres Risiko sinkt bei Umstieg auf E-Zigaretten [5]
    • Deutlich weniger Toxine, geringere Kanzerogenität wahrscheinlich
  • Vorteile
    • Nikotingehalt in E-Zigaretten kann stufenlos herunterreguliert werden
    • Geringere Verhaltensänderung durch Patienten erforderlich
    • Evtl. höhere Erfolgsraten als mit Nikotinpflastern und konventionellen nicht-medikamentösen Maßnahmen [15]
  • Kritik
    • Auch E-Zigaretten bergen Risiken
    • Wenig Langzeitdaten
    • Komplette Abstinenz ist besser
    • Empfehlungen zur Umstellung auf E-Zigaretten können zu höherer Akzeptanz führen und damit zu insg. erhöhter Nikotinexposition der Bevölkerung [2]

In der S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ wird der Gebrauch von E-Zigaretten zur Tabakentwöhnung nicht empfohlen! [12]

Jeder Raucher soll eine Messung der Lungenfunktion erhalten. (DGIM - Klug entscheiden in der Pneumologie)

Gesundheitliche Schäden durch Rauchentoggle arrow icon

Rauchen ist ein bedeutsamer Faktor für die Entstehung (Ätiologie) und das Fortschreiten (Progression) zahlreicher Erkrankungen. Neben der Raucheranamnese des Patienten ("pack years") hat für die Progression von Erkrankungen insbesondere auch das aktuelle Rauchverhalten ("aktive vs. nicht-aktive Raucher") eine große Bedeutung. I.d.R. sinkt das relative Risiko für mit dem Rauchen assoziierte Erkrankungen mit zunehmender Dauer einer Rauchkarenz.

Krebserkrankungen

Pathophysiologie

  • Tabakrauch enthält eine Vielzahl von karzinogenen Schadstoffen
  • Pathophysiologische Kaskade: Schadstoffe wirken auf Schleimhäute oder werden in den Blutstrom aufgenommen → Mutationen von Genen, die das Zellwachstum kontrollieren → Aktivierung von Genen, die das Zellwachstum fördern bzw. Inaktivierung von sog. TumorsuppressorgenenHyperplasieMetaplasieDysplasie → Übergang zu Karzinomen und anderen Malignomen fließend

Die Schadstoffe im Tabakrauch leiten die Karzinogenese nicht nur ein, sondern fördern auch deren Progression! Nahezu alle Malignome treten bei Rauchern häufiger auf als bei Nichtrauchern!

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Der Konsum von zehn Zigaretten täglich erhöht die kardiovaskuläre Mortalität um ca. 20% bei Männern und um ca. 30% bei Frauen!

Pathophysiologie

Pulmonale Erkrankungen

Stoffwechselerkrankungen

Weitere Erkrankungen

Rauchen ist unbestritten einer der schädlichsten Faktoren für die menschliche Gesundheit – führend sind Auswirkungen auf die Karzinogenese und Erkrankungen der Blutgefäße!

Rauchen als „protektiver Faktor“

Bei einigen wenigen Erkrankungen sind Inzidenz und Prävalenz unter Rauchern vermindert.

Daten zu Rauchen als protektiver Faktor sollten mit Vorsicht bewertet werden – i.d.R. überwiegen die schädlichen Folgen des Rauchens!

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Tabakabhängigkeit – Richtig ansprechen, Leben retten (Juni 2023)

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Nikotin und Rauchen

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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023toggle arrow icon

F17.-: Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak

T65.-: Toxische Wirkung sonstiger und nicht näher bezeichneter Substanzen

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.

Quellentoggle arrow icon

  1. Stratton et al.: Public Health Consequences of E-Cigarettes. National Academies Press 2018, ISBN: 978-0-309-46834-3.
  2. Bals et al.:Electronic cigarettes: a task force report from the European Respiratory SocietyIn: European Respiratory Journal. Band: 53, Nummer: 2, 2019, doi: 10.1183/13993003.01151-2018 . | Open in Read by QxMD p. 1801151.
  3. Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse.
  4. George et al.:Cardiovascular Effects of Switching From Tobacco Cigarettes to Electronic CigarettesIn: Journal of the American College of Cardiology. Band: 74, Nummer: 25, 2019, doi: 10.1016/j.jacc.2019.09.067 . | Open in Read by QxMD p. 3112-3120.
  5. Alzahrani et al.:Association Between Electronic Cigarette Use and Myocardial InfarctionIn: American Journal of Preventive Medicine. Band: 55, Nummer: 4, 2018, doi: 10.1016/j.amepre.2018.05.004 . | Open in Read by QxMD p. 455-461.
  6. Bhatta, Glantz:Association of E-Cigarette Use With Respiratory Disease Among Adults: A Longitudinal AnalysisIn: American Journal of Preventive Medicine. 2019, doi: 10.1016/j.amepre.2019.07.028 . | Open in Read by QxMD.
  7. Layden et al.:Pulmonary Illness Related to E-Cigarette Use in Illinois and Wisconsin — Preliminary ReportIn: New England Journal of Medicine. 2019, doi: 10.1056/nejmoa1911614 . | Open in Read by QxMD.
  8. Siegel et al.:Update: Interim Guidance for Health Care Providers Evaluating and Caring for Patients with Suspected E-cigarette, or Vaping, Product Use Associated Lung Injury — United States, October 2019In: MMWR. Morbidity and Mortality Weekly Report. Band: 68, Nummer: 41, 2019, doi: 10.15585/mmwr.mm6841e3 . | Open in Read by QxMD p. 919-927.
  9. Taylor et al.:Characteristics of E-cigarette, or Vaping, Products Used by Patients with Associated Lung Injury and Products Seized by Law Enforcement — Minnesota, 2018 and 2019In: MMWR. Morbidity and Mortality Weekly Report. Band: 68, Nummer: 47, 2019, doi: 10.15585/mmwr.mm6847e1 . | Open in Read by QxMD p. 1096-1100.
  10. Blount et al.:Vitamin E Acetate in Bronchoalveolar-Lavage Fluid Associated with EVALIIn: New England Journal of Medicine. 2019, doi: 10.1056/nejmoa1916433 . | Open in Read by QxMD.
  11. Voderholzer: Therapie psychischer Erkrankungen - State of the art. Urban & Fischer 2022, ISBN: 978-3-437-24915-0.
  12. S3-Leitlinie Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung.Stand: 1. Januar 2021. Abgerufen am: 21. Juni 2023.
  13. Mathias Berger: Psychische Erkrankungen. 6. Auflage Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2018, ISBN: 978-3-437-22485-0.
  14. Benkert, Hippius: Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. 13. Auflage Springer 2020, ISBN: 978-3-662-61752-6.
  15. Hajek et al.:A Randomized Trial of E-Cigarettes versus Nicotine-Replacement TherapyIn: New England Journal of Medicine. Band: 380, Nummer: 7, 2019, doi: 10.1056/nejmoa1808779 . | Open in Read by QxMD p. 629-637.
  16. Werner et al.:The Role of Smoking History in the Development of Postoperative Nausea and VomitingIn: Anesthesiology. Band: 109, Nummer: 1, 2008, doi: 10.1097/aln.0b013e31817b5afd . | Open in Read by QxMD p. 156-157.
  17. Effraimidis, Wiersinga:MECHANISMS IN ENDOCRINOLOGY: Autoimmune thyroid disease: old and new playersIn: European Journal of Endocrinology. Band: 170, Nummer: 6, 2014, doi: 10.1530/eje-14-0047 . | Open in Read by QxMD p. R241-R252.
  18. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientinnenmit Endometriumkarzinom.Stand: 1. Januar 2018. Abgerufen am: 26. November 2018.

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