Abstract
Zu den Psychostimulanzien werden psychoaktive Substanzen mit unterschiedlicher chemischer Struktur zusammengefasst, die über eine sympathomimetische Hauptwirkung verfügen. Hauptvertreter sind das Amphetamin („Speed“), seine Derivate (z.B. „Ecstasy“), Methamphetamin („Crystal Meth“), Kokain und das Medikament Methylphenidat. Bei einer Intoxikation kann die sympathische Überstimulation u.a. zu Agitation, Herzrhythmusstörungen und zerebralen Krampfanfällen führen. Insb. Kokain und Methamphetamin haben ein starkes Abhängigkeitspotenzial mit ausgeprägten Entzugssyndromen und Langzeitschäden. Im Folgenden werden primär die illegalen Substanzen beschrieben. Für Informationen zu Psychostimulanzien in der Pharmakotherapie siehe: ADHS - Therapie.
Amphetaminderivate
Epidemiologie des Amphetamin- und Ecstasy-Konsums [1]
- Mehrheitlich Probierkonsum → Starke Differenz zwischen Lebenszeit- und 12-Monats-Prävalenz
- Lebenszeitprävalenz: Je 3,3%
- 12-Monats-Prävalenz: 1,0% (Amphetamin), 0,6% (Ecstasy)
Wirkstoffe
Zu den Psychostimulanzien werden verschiedene Wirkstoffe gezählt, die sich durch eine sympathomimetische Hauptwirkung auszeichnen. Hauptwirkstoffe sind Amphetamine und Ecstasy, die im Zentrum dieses Abschnitts stehen. Wegen seiner speziellen Charakteristika und Therapieanforderungen wird Methamphetamin gesondert aufgeführt.
- Drogen
- Amphetamin
- Ecstasy-Gruppe : MDMA und seine Derivate
- Medikamente [2]
Rechtsmedizinischer Nachweis von Amphetaminen und Ecstasy
- Amphetamine: Im Blut ca. 8–34 h, im Urin 1–4 Tage
- Ecstasy: Im Blut ca. 24 h, im Urin 1–4 Tage
Wirkungen und Nebenwirkungen
Wirkungen
Zeitlicher Ablauf [4]
- Amphetamin
- Wirkbeginn: Je nach Konsumform wenige Sekunden (intravenös), Minuten (intranasal) oder ca. eine ½ Stunde (oral)
- Wirkdauer: 6–8 Stunden
- Ecstasy
- Wirkbeginn: ½ Stunde nach oraler Einnahme
- Wirkdauer: 3–6 Stunden
Körperliche Wirkungen
Sympathomimetisches Wirkprinzip mit vermehrter Ausschüttung und Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin
- Kardiovaskulär: Vasokonstriktion, Tachykardie, Hypertonie
- Pulmonal: Tachypnoe, Bronchodilatation
- Allgemein: Mydriasis, Erhöhung der Körpertemperatur mit vermehrtem Schwitzen, motorische Unruhe, teils Hypermetrie
Psychische Wirkungen
- Euphorie
- Erhöhte Vigilanz und Konzentration
- Gesteigertes Selbstbewusstsein
- Appetitminderung
- Libidosteigerung
- Logorrhö
Nebenwirkungen
- Übelkeit/Erbrechen
- Angst/Nervosität und Dysphorie
- Halluzinationen und psychotische Symptomatik
- Typ-C-Gastritis
- Dyskinesien
- Hyponatriämie
- Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt, hypertensive Krisen
- Zerebrale Krampfanfälle
- Lebensbedrohliche Hyperthermie
- Wechselwirkungen beim Mischkonsum mit anderen Substanzen
Langzeitschäden
- Gewichtsverlust durch erhöhten Bewegungsdrang und Appetitminderung (insb. bei regelmäßigem Konsum)
- Hinweise auf neurotoxische Wirkungen, insb. in serotonergen und dopaminergen Zielgebieten [5] [6]
Weitere Wirkungen und Nebenwirkungen speziell bei Ecstasy
Zusätzliche Wirkungen durch vermehrte Ausschüttung von Serotonin sowie Ähnlichkeiten mit halluzinogenen Substanzen
- Milde halluzinogene Wirkung
- Gesteigertes Berührungsempfinden bis hin zu Missempfindungen der Haut bei steigender Dosis
- Sedative und anxiolytische Effekte, entaktogene Wirkung [7]
- Trismus und Bruxismus
- Gefahr eines Serotoninsyndroms
- Postakut (2–5 Tage nach Konsum) häufig depressive Verstimmung [4]
Therapie bei Intoxikation mit Amphetamin und Ecstasy
Häufig ist bei Intoxikation mit Amphetamin oder seinen Derivaten die Beruhigung und Reizabschirmung des Patienten ausreichend. Allerdings haben insb. die steigenden Wirkstoffdosen in Ecstasy-Pillen dazu geführt, dass immer häufiger auch eine medikamentöse, z.T. auch intensivmedizinische Behandlung erforderlich ist. [4]
- Supportive Therapie
- Beruhigung
- Stabilisierung und Kontrolle von Vitalparametern
- Ggf. Elektrolytausgleich und Rehydrierung (siehe auch: Therapie der Hyponatriämie)
- Ggf. Therapie von Mischintoxikationen
- Bei maligner Hyperthermie: Dantrolen
- Medikamentöse Therapie bei ausgeprägter psychischer Symptomatik
Die Gabe von Antidepressiva (insb. von SSRI) ist bei Ecstasy-Intoxikation aufgrund der Begünstigung eines lebensbedrohlichen Serotoninsyndroms kontraindiziert!
Die Gabe von Antipsychotika ist bei Ecstasy-Intoxikation wegen Hinweisen auf eine Exazerbation aversiver psychischer Rauschwirkungen nicht empfohlen.
Da bei der Intoxikation mit Psychostimulanzien Mischintoxikationen häufig sind, sollten sedierende Medikamente mit großer Vorsicht und unter engmaschiger Kontrolle verabreicht werden.
Abhängigkeit von Amphetamin und Ecstasy
Diagnosekriterien
- Entsprechend den allgemeinen Kriterien
- ICD-10: Abhängigkeitssyndrom
- ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung): Unter Tipps & Links
- DSM-5: Substanzgebrauchsstörung
Abhängigkeitsentwicklung und Entzugssymptomatik
- Allgemeine Entzugssymptomatik: Viele Amphetamin- und Ecstasy-Konsumenten sind gesellschaftlich gut integrierte „Partykonsumenten“ – es werden aber auch abhängige Verläufe beschrieben
- Psychische Entzugssymptomatik: Dysphorie, Angst, Unruhe, Verlangen nach Konsum
- Körperliche Entzugssymptomatik: Selten und eher unspezifisch, oft Gewichtszunahme und Bradykardien
- Amphetamin
- Mittelstarkes Abhängigkeitspotenzial mit psychischen und körperlichen Entzugssymptomen
- Teils starker „Rebound-Effekt“ mit Abgeschlagenheit und depressiver Verstimmung bis hin zu Suizidalität
- Ecstasy
- Niedrigeres Abhängigkeitspotenzial
- Körperliche und psychische Entzugssymptomatik fraglich
Therapie bei Abhängigkeit
- I.d.R. im Rahmen einer polytoxischen Substanzabhängigkeit
- Bestandteile
- Psychotherapeutische Behandlungsansätze: Gute Evidenz für Wirksamkeit
- Medikamentöse Therapieoptionen bei Entzugssymptomatik: Symptomorientiert unter Beachtung psychiatrischer Komorbiditäten
- Zum allgemeinen Vorgehen bei Abhängigkeitserkrankungen siehe: Therapie von Abhängigkeiten
Methamphetamin
Bei Methamphetamin handelt es sich ebenfalls um ein Amphetaminderivat. Wegen seiner speziellen Charakteristika und Therapieanforderungen wird es hier gesondert aufgeführt.
Epidemiologie [1]
- Lebenszeitprävalenz für Methamphetaminkonsum: 0,6%
- Problematik
- Starke regionale Unterschiede
- Vermutlich Unterschätzung der wahren Prävalenz [8]
Wirkstoff [4]
- Chemisch: N-Methylamphetamin
- Szenenamen: „Crystal“, „Crystal Meth“, „Ice“, „Pico“, „Crank“, „Yaba“, „Vint“, „Shishe“ oder „Pervitin“
- Herstellungsformen: I.d.R. als Kristalle oder als weißes Pulver
- Konsumformen: Oral, intranasal, inhalativ oder intravenös
- Historische Verwendung
- Industrielle Herstellung in Deutschland ab den 1930ern (Handelsname: Pervitin®) zur
- Medizinischen Verwendung bei Asthma und Kreislaufschwäche
- Leistungssteigerung in der Militärmedizin, insb. im Zweiten Weltkrieg
- Weiterverwendung im deutschen Militär bis Ende der 1980er
- Steigende illegale Produktion in Mexiko, Bolivien und Ländern des ehemaligen Ostblocks seit den 1970ern
- Aktuell wichtigstes Herkunftsland: Tschechien [8]
- Industrielle Herstellung in Deutschland ab den 1930ern (Handelsname: Pervitin®) zur
- Pharmakokinetik
- Hohe Lipophilie
- Lange HWZ von >11 Stunden
- Abbau: Langsam und unvollständig über die Leber
Rechtsmedizinischer Nachweis
- Blut: Ca. 24 h, je nach Konsummuster ggf. auch länger
- Urin: 1–7 Tage
Wirkungen und Nebenwirkungen
Wirkmechanismus und zeitlicher Ablauf
- Wirkmechanismus
- Sympathomimetische Wirkung durch vermehrte Ausschüttung und Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin
- Viele Symptome entsprechend der „Fight-or-Flight“-Reaktion
- Wirkbeginn
- Oral: Ca. 30 Min.
- Intranasal: Ca. 10 Min.
- Inhalativ: Wenige Sekunden
- Intravenös: Wenige Sekunden
- Wirkdauer: Dosisabhängig zwischen 6–20 Stunden
Wirkungen
Körperliche Wirkungen
- Kardiovaskulär: Vasokonstriktion, Tachykardie, Hypertonie
- Pulmonal: Tachypnoe, Bronchodilatation
- Allgemein: Mydriasis, Erhöhung der Körpertemperatur mit vermehrtem Schwitzen, motorische Unruhe, teils Hypermetrie
Psychische Wirkungen [4][8]
- Starke Euphorie
- Erhöhte Vigilanz und Konzentration
- Gesteigertes Selbstbewusstsein
- Kurzzeitig erhöhte Leistungsfähigkeit
- Appetitlosigkeit
- Starke Libidosteigerung
- Logorrhö
- Soziale Enthemmtheit
- Vermindertes Schmerzempfinden
- Gefallen an stereotypen Tätigkeiten
Nebenwirkungen/Komplikationen [4][8]
- Allgemein
- Übelkeit/Erbrechen
- Hyperthermie
- Hautjucken
- Psychiatrisch/Neurologisch
- Agitation
- Psychotische Symptomatik und Halluzinationen
- Krampfanfälle
- Schlaganfälle, Hirnblutungen
- Hypermotorik
- Atemdepression
- Kardiovaskulär
- Postkonsumsyndrom
- Auftreten: Nach Abklingen der Rauschwirkung bei gelegentlichem Methamphetaminkonsum
- Symptome: Umkehr der sympathomimetischen Wirkung („Rebound“-Phänomen)
- Starke Abgeschlagenheit mit körperlicher Schwäche
- Ausgeprägtes Schlafbedürfnis
- Depressive Stimmung, Motivationslosigkeit
Langzeitschäden
- Psychiatrisch/Neurologisch
- Kognitive Defizite und motorische Ausfälle
- Induktion von Psychosen, Angststörungen und Depressionen
- Häufige Suizidversuche
- Weitere körperliche Langzeitschäden
- Starke Kachexie
- Zahnschäden, Mundsoor und Karies
- Immunschwäche
- Kardiotoxische Schädigung
- Bei intranasalem Konsum: Nasenschleimhautschädigungen
- Bei inhalativem Konsum: Lungenerkrankungen
- Bei intravenösem Konsum und Needle-Sharing: Risiko von Infektion mit Hepatitis B/C oder HIV
- Bei riskantem Sexualverhalten in Rauschphasen: Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen
Therapie bei Intoxikation
Management bei Methamphetamin-Intoxikation [8]
Bei ausgeprägter sympathoadrenerger Symptomatik ist oft eine intensivmedizinische Behandlung notwendig. Bei Eigen- und Fremdgefährdung hat hingegen die akutpsychiatrische Behandlung Vorrang, sofern keine unmittelbar behandlungsbedürftige somatische Komorbidität vorliegt.
Allgemein
- Engmaschige Überwachung mit Kontrolle von Vitalfunktionen
- Reizabschirmung, beruhigende Ansprache (Talking Down), wenn möglich Begleitung durch konstante Bezugsperson
- Bei agitiertem und aggressivem Verhalten siehe: Aggressives Verhalten bei intoxikierten Patienten
- Mischintoxikationen im toxikologischen Screening beachten
Der Schweregrad einer Methamphetamin-Intoxikation lässt sich insb. gut am Ausmaß der Tachykardie und Hypertonie beurteilen.
Psychopharmakologische Therapieoptionen
- Zur Sedierung und bei Krampfanfällen: Schnellwirksame Benzodiazepine, z.B. Lorazepam , Diazepam oder Midazolam
- Ggf. zusätzlich Antipsychotika
- 1. Wahl: Atypische Antipsychotika Olanzapin oder Risperidon
- 2. Wahl: Typisches Antipsychotikum Haloperidol
Antipsychotika senken die Krampfschwelle und können die Wahrscheinlichkeit eines zerebralen Krampfanfalls erhöhen, weshalb eine Gabe so kurz und niedrig dosiert wie möglich erfolgen sollte!
Die Pharmakotherapie sollte nur begonnen werden, wenn sie nicht vermeidbar ist und währenddessen ein Monitoring durchgeführt werden kann! Es drohen insb. bei unklaren oder Mischintoxikationen medikamentös induzierte Komplikationen wie Atemdepression oder eine Verschlechterung der Bewusstseinslage!
Notfallmedizinische Therapie
Die Therapie erfolgt symptomorientiert inkl. Monitoring und Sicherung der Vitalparameter. Im Folgenden sind insb. für die Methamphetamin-Intoxikation besonders zu beachtende Punkte dargestellt. Weitere Informationen finden sich in den notfallmedizinischen Fachkapiteln.
- Narkoseeinleitung
- Einsatz nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien wie Rocuronium oder Vecuronium
- Depolarisierende Muskelrelaxanzien wie Succinylcholin sind kontraindiziert!
- Hyperthermie
- Externe Kühlung
- Ab >41 °C Körpertemperatur zusätzlich
- Gabe von Rocuronium oder Vecuronium
- Sicherstellen einer suffizienten Sedierungstiefe und Beatmung
- Ausreichende Volumensubstitution beachten
- Rhabdomyolyse: Volumensubstitution mit Ziel der Urinbildung von >2 mL/kgKG/h
Methamphetaminabhängigkeit
Der Konsum von Methamphetamin bewirkt eine schnelle Toleranzentwicklung mit hohem psychischen Abhängigkeitspotenzial. Es kommt oft zu einer raschen Dosissteigerung und die Abhängigkeit ist häufig mit ausgeprägten psychosozialen Folgeschäden wie beruflicher und sozialer Desintegration verbunden. [4]
Diagnostik
Diagnosekriterien
- Entsprechend den allgemeinen Kriterien
- ICD-10: Abhängigkeitssyndrom
- ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung): Unter Tipps & Links
- DSM-5: Substanzgebrauchsstörung
Anamnese
- Suchtanamnese
- Psychiatrische Folgeschäden/Komorbiditäten
- Sozialanamnese
- Impfstatus
Körperliche Untersuchung
- Komplette körperliche Untersuchung mit Fokus auf somatische Folgeschäden, z.B.
- Körpergewicht
- Beurteilungen von Hautexkoriationen und – bei intravenösem Konsum – von Einstichstellen
- Beurteilung von Zahnstatus , Mund- und Nasenschleimhaut
- Hinweise auf Verletzungen durch körperliche Gewalt
- Zusätzlich bei Frauen: Gynäkologische Untersuchung
Kardiologische und pulmonologische Diagnostik
- Blutdruck- und Pulsmessung
- EKG
- TTE/TEE
- Röntgen-Thorax
Labordiagnostik
- Aufnahmelabor
- Blutbild
- CRP, ggf. PCT
- Leberwerte: ALT, AST, γGT
- TSH
- Ggf. weiteres toxikologisches Screening
- Hepatitis A, B, C und HIV-Serologie
- Zusätzlich bei Frauen: β-HCG
- Mikrobiologie
- Urinkultur und Urin-Stix
- Sputumkultur
Entzugssyndrom
- Dauer: Oft mehrere Wochen, teils auch Monate anhaltend
- Psychisch
- Depressivität, oft verbunden mit Suizidalität
- Gereiztheit
- Hypersomnie, Schlafstörungen
- Antriebslosigkeit und Anhedonie
- Starkes Craving
- Körperlich
- Bradykardie
- Körperliche Schwäche
- Gewichtszunahme
Therapieangebote [8]
Das Angebot ambulanter, teilstationärer und stationärer Therapieformen für Methamphetaminabhängige ist breit. Die Auswahl der richtigen Maßnahme richtet sich u.a. nach Bedarf, Abstinenzmotivation und sozialem Umfeld des Patienten. I.d.R. wird eine stationäre, qualifizierte Entzugsbehandlung empfohlen.
- Ambulant: Selbsthilfe, szenenahe Angebote , ambulante medizinische Rehabilitationsmaßnahmen, Nachsorgeangebote, suchtzentrierte Psychotherapie, betreutes Einzelwohnen oder Wohngemeinschaften
- Stationär: Entgiftungsbehandlung, qualifizierte Entzugsbehandlung , medizinische Rehabilitationsmaßnahmen, Soziotherapien
- Psychotherapeutische Verfahren: Insb. psychoedukative und motivationale Methoden empfohlen
- Zum allgemeinen Vorgehen bei Abhängigkeitserkrankungen siehe: Therapie von Abhängigkeiten
Medikamentöse Therapieoptionen des Entzugssyndroms [8]
- Antidepressiva
- Starke psychomotorische Unruhe oder Schlafstörungen: Sedierendes Antidepressivum, z.B. Amitriptylin
- Depression, Angst oder starke Hypersomnie, Abgeschlagenheit: Antriebssteigerndes Antidepressivum, z.B. Bupropion
- Antipsychotika zur Behandlung einer Methamphetamin-induzierten Psychose: Atypisches Antipsychotikum, z.B. Risperidon
- Benzodiazepine: Zur Sedierung bei Eigen- und Fremdgefährdung oder bei Methamphetamin-induzierter Psychose intermittierend als Ergänzung zu einem Antipsychotikum, z.B. Lorazepam
- Stimulanz Dexamphetamin Retardpräparat
- Experimenteller Einsatz bei stationärer Entzugsbehandlung im Einzelfall, wenn Patienten mehrere erfolglose Abhängigkeitsbehandlungen hinter sich haben
- Nur unter sehr vorsichtiger, individueller Dosistitration
- Absetzen mit Ausschleichschema nach max. dreiwöchiger Anwendung
- Keine Anwendung im ambulanten Setting
- Acetylcystein: Experimenteller Einsatz bei starkem Craving [9]
Bei Gabe von Antipsychotika im Rahmen eines Methamphetamin-Entzugssyndroms ist eine Reevaluation und ggf. ein Ausschleichen nach sechs Monaten empfohlen. Besteht die psychotische Symptomatik nach sechsmonatiger Therapie weiter, so muss differenzialdiagnostisch an eine zugrunde liegende Schizophrenie gedacht werden.
Wegen ihres Abhängigkeitspotenzials sind Benzodiazepine zurückhaltend und nur zeitlich begrenzt einzusetzen!
Kokain
Epidemiologie
- Prävalenz von Abhängigkeit [10]
- Gesamt: 0,2%
- In der Altersgruppe 18–29 Jahre: 1%
- Jahresprävalenz des Kokainkonsums
- Jahresprävalenz Gesamtbevölkerung: 0,8% [10]
- Lebenszeitprävalenz des Kokainkonsums
- Gesamtbevölkerung (18–64 Jährige): 3,8% [1]
- Junge Erwachsene in Großstädten: 5–10% [4]
Herstellungs- und Konsumformen
- Gewinnung
- Aus Blättern des Kokastrauches
- Verarbeitung der Kokablätter zu einer Paste
- Gewinnung von Kokainchlorid aus der Paste (entspricht der Pulverform)
- Herstellungsformen
- Konsumformen
Pharmakokinetik
- Bioverfügbarkeit
- Intravenöser Konsum: 100%
- Andere Konsumformen: Ca. 25%
- Wirkdauer
- Oraler Konsum: Ca. 60 Minuten
- Intranasaler Konsum: Ca. 30 Minuten
- Inhalativer und intravenöser Konsum: Ca. 10 Minuten
- Verteilung: Durchdringen der Blut-Hirn-Schranke, dort kurzzeitige Kumulation, dann Verteilung in andere Gewebe
- Wirkmechanismus: Wiederaufnahmehemmung von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin → Erhöhung von Dopamin im mesolimbischen Belohnungssystem und daraus resultierende sympathomimetische Wirkung
- Abbau: Im Blutplasma und hepatisch
Wirkungen
Kokain wirkt sympathomimetisch. Viele Symptome entsprechen der „Fight-or-Flight“-Reaktion.
- Körperliche Wirkungen
- Kardiovaskulär: Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck, Vasokonstriktion
- Respiratorisch: Tachypnoe, Bronchodilatation
- Weitere: Mydriasis, Anstieg der Körpertemperatur, motorische Unruhe, Appetitlosigkeit
- Psychische Wirkungen
Nebenwirkungen
Akute Nebenwirkungen
- Körperlich
- Herzrhythmusstörungen und Myokardinfarkt
- Maligne Hyperthermie
- Tachypnoe bis zum Atemstillstand
- Neurologisch: Tremor, Ataxie, Schlaganfälle, epileptische Krampfanfälle
- Psychisch
- Angst
- Dysphorie und Aggression
- Agitation und Verwirrtheit
- Kokainpsychose
Langzeitschäden
- Körperlich
- U.a. Gewichtsverlust, Immunsuppression, toxische Leberschädigung
- Applikationsabhängige Schäden
- Intranasale Anwendung: Nasenschleimhautentzündung, Nekrotisierung im Nasopharyngealbereich, Anosmie
- Intravenöse Anwendung: Allgemeine Risiken intravenösen Drogenkonsums wie bakterielle Endokarditis, lokale Abszesse, intravenös übertragbare Erkrankungen wie Hepatitis B und C, HIV uvm.
- Neurologisch/Psychiatrisch
- Chronische Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen
- Vielfältige psychiatrische Störungsbilder
Besonderheiten der Kokainwirkung [4]
- Phasen des Kokainrauschs
- Frühes Rauschstadium
- Klinik: Positiv empfundene Rauschwirkungen, insb. hohes Selbstbewusstsein und starke Euphorie
- Dauer: Sekunden bis wenige Minuten
- Umkehr der psychischen Symptomatik
- Klinik: Noch leicht gehobene Stimmung, gemischt mit ängstlich-paranoiden Gefühlen
- Dauer: 1–2 Stunden
- Abklingender Rausch
- Klinik: Ausgeprägter Angstzustand, Dysphorie, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, bei chronischen Konsumenten häufig verbunden mit Suizidgedanken und ausgeprägtem paranoidem Wahn
- Dauer: z.T. mehrere Stunden anhaltend
- Frühes Rauschstadium
- Sensibilisierung: Zunahme der stimulierenden Wirkung bei regelmäßigem Konsum
Kokainabhängigkeit
Diagnosekriterien
- Entsprechend den allgemeinen Kriterien
- ICD-10: Abhängigkeitssyndrom
- ICD-11 (deutsche Entwurfsfassung): Unter Tipps & Links
- DSM-5: Substanzgebrauchsstörung
Entzugssymptome
- Dauer
- Gipfel in den ersten 4 Tagen der Abstinenz
- Ausgeprägtes Craving noch nach Monaten
- Körperlich: Eher unspezifisch und schwach ausgeprägt
- Psychisch
- Starkes Craving
- Ängste, Depression , Antriebslosigkeit
- Insomnie oder vermehrtes Schlafbedürfnis
- Psychomotorische Verlangsamung oder Unruhe
- Albträume
Therapie von Kokainintoxikation und -abhängigkeit
Therapie der Kokainintoxikation
- Engmaschige Überwachung mit Kontrolle von Vitalfunktionen
- Ggf. Rehydrierung und Elektrolytausgleich
- Bei Hyperthermie: Physikalische Maßnahmen , Beruhigung und sedierende Maßnahmen
- Ggf. Therapie von Mischintoxikationen
- Beruhigende Ansprache (Talking Down)
- Medikamentöse Therapieoptionen
- Agitation/psychomotorische Unruhe/Panikattacken: Diazepam
- Psychotische Symptomatik: Haloperidol
- Epileptische Anfälle: Diazepam
-
Hypertensive Entgleisung: Mittel der Wahl sind Nitrate
- Ggf. alternativ oder zusätzlich: Urapidil als α1-Blocker
- Umstritten: Betablocker [11][12]
Auch die Hypertonie und Tachykardie normalisieren sich i.d.R. bei ausreichender Sedierung mit Benzodiazepinen.
Therapie der Kokainabhängigkeit
- Therapieangebote
- Ambulante, teilstationäre und stationäre Entzugs- und Entwöhnungstherapien verfügbar
- Selbsthilfegruppen
- Medikamentöse Therapieoptionen des Kokainentzugsyndroms
- Starke depressive Verstimmung und Craving: Trizyklische Antidepressiva
- Agitation/psychomotorische Unruhe: Benzodiazepine
- Psychoseartige Zustände: Antipsychotika
- Zum allgemeinen Vorgehen bei Abhängigkeitserkrankungen siehe: Therapie von Abhängigkeiten
Rechtsmedizinischer Nachweis
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Meditricks
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Kaffee und Koffein
Methylphenidat
Amphetamine: Speed & Crystal Meth
Kokain (und Crack)
MDMA (Ecstasy-Gruppe)
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
F14.-: Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain
- F14.0: Akute Intoxikation [akuter Rausch]
- Rausch o.n.A.
- Trance und Besessenheitszustände bei Intoxikation mit psychotropen Substanzen
- “Horrortrip“ (Angstreise) bei halluzinogenen Substanzen
- Exklusive: Intoxikation im Sinne einer Vergiftung (T36-T50)
- F14.1: Schädlicher Gebrauch
- F14.2: Abhängigkeitssyndrom
- Nicht näher bezeichnete Drogensucht
- F14.3: Entzugssyndrom
- F14.4: Entzugssyndrom mit Delir
- F14.5: Psychotische Störung
- Exklusive: Durch Alkohol oder psychoaktive Substanzen bedingter Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung (F10-F19, vierte Stelle .7)
- F14.6: Amnestisches Syndrom
- Alkohol- oder substanzbedingte amnestische Störung
- Durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingte Korsakowpsychose
- Nicht näher bezeichnetes Korsakow-Syndrom
- Exklusive: Nicht substanzbedingte(s) Korsakow-Psychose oder -Syndrom (F04)
- F14.7: Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
- Demenz und andere leichtere Formen anhaltender Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten
- Nachhallzustände (Flashbacks)
- Posthalluzinogene Wahrnehmungsstörung
- Residuale affektive Störung
- Residuale Störung der Persönlichkeit und des Verhaltens
- Verzögert auftretende psychotische Störung durch psychotrope Substanzen bedingt
- Exklusive: Alkohol- oder substanzbedingt:
- Korsakow-Syndrom (F10-F19, vierte Stelle .6)
- Psychotischer Zustand (F10-F19, vierte Stelle .5)
- F14.8: Sonstige psychische und Verhaltensstörungen
- F14.9: Nicht näher bezeichnete psychische und Verhaltensstörung
F15.-: Psychische und Verhaltensstörungen durch andere Stimulanzien, einschließlich Koffein
- F15.0: Akute Intoxikation [akuter Rausch]
- Rausch o.n.A.
- Trance und Besessenheitszustände bei Intoxikation mit psychotropen Substanzen
- “Horrortrip“ (Angstreise) bei halluzinogenen Substanzen
- Exklusive: Intoxikation im Sinne einer Vergiftung (T36-T50)
- F15.1: Schädlicher Gebrauch
- F15.2: Abhängigkeitssyndrom
- Nicht näher bezeichnete Drogensucht
- F15.3: Entzugssyndrom
- F15.4: Entzugssyndrom mit Delir
- F15.5: Psychotische Störung
- Exklusive: Durch Alkohol oder psychoaktive Substanzen bedingter Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung (F10-F19, vierte Stelle .7)
- F15.6: Amnestisches Syndrom
- Alkohol- oder substanzbedingte amnestische Störung
- Durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingte Korsakowpsychose
- Nicht näher bezeichnetes Korsakow-Syndrom
- Exklusive: Nicht substanzbedingte(s) Korsakow-Psychose oder -Syndrom (F04)
- F15.7: Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
- Demenz und andere leichtere Formen anhaltender Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten
- Nachhallzustände (Flashbacks)
- Posthalluzinogene Wahrnehmungsstörung
- Residuale affektive Störung
- Residuale Störung der Persönlichkeit und des Verhaltens
- Verzögert auftretende psychotische Störung durch psychotrope Substanzen bedingt
- Exklusive: Alkohol- oder substanzbedingt:
- Korsakow-Syndrom (F10-F19, vierte Stelle .6)
- Psychotischer Zustand (F10-F19, vierte Stelle .5)
- F15.8: Sonstige psychische und Verhaltensstörungen
- F15.9: Nicht näher bezeichnete psychische und Verhaltensstörung
T40.-: Vergiftung durch Betäubungsmittel und Psychodysleptika [Halluzinogene]
- Exklusive: Intoxikation im Sinne von Rausch (F10-F19)
- T40.5: Kokain
T43.-: Vergiftung durch psychotrope Substanzen, anderenorts nicht klassifiziert
- Exklusive:
- Appetitzügler (T50.5)
- Barbiturate (T42.3)
- Benzodiazepine (T42.4)
- Intoxikation im Sinne von Rausch (F10-F19)
- Methaqualon (T42.6)
- Psychodysleptika [Halluzinogene] (T40.7-T40.9)
- T43.6: Psychostimulanzien mit Missbrauchspotential
- T43.8: Sonstige psychotrope Substanzen, anderenorts nicht klassifiziert
- T43.9: Psychotrope Substanz, nicht näher bezeichnet
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.