Allgemeines
- Anwendungsbereich: Durchführung der primären Giftelimination im Rahmen von akuten Intoxikationen
- Zum allgemeinen praktischen Vorgehen bei akuten Intoxikationen siehe auch: Akute Intoxikationen - AMBOSS-SOP
Gabe spezifischer Antidote bei bekannter Noxe
- Praxisorientierte Minimalausstattung an Antidoten zur präklinischen Versorgung: Die „Bremer Liste“
- Für eine umfassendere Übersicht siehe auch: Häufige Gifte und ihre Antidote
Nach äußerer Exposition
- Spülen mit reichlich lauwarmem, fließendem Wasser oder isotonischer Kochsalzlösung für mind. 15 Minuten
- Patienten vor Auskühlung schützen (insb. bei Entfernung kontaminierter Kleidung bzw. Durchnässung)
- Druckschädigung bei Spülen der Augen vermeiden, keine forcierte Anwendung
Kein Versuch, ätzende Substanzen zu neutralisieren (abgesehen vom Einsatz spezifischer medizinischer Spülflüssigkeiten)!
Dekontamination der Haut
- Ggf. Entfernung kontaminierter Kleidung
- Bei lipophilen Noxen: Seife oder spezifische Lösungsvermittler verwenden (niemals andere Stoffe wie Benzin oder Alkohol!)
- Wunden (nach Spülung) steril abdecken
Dekontamination der Augen
- Geeignete Flüssigkeiten
- Wasser
- Spezielle Pufferlösungen
- Im Notfall: Alle trinkbaren alkoholarmen/alkoholfreien, maximal leicht sauren Flüssigkeiten
- Durchführung
- Spülung bei seitlich gedrehtem Kopf und weit gespreizten Lidern
- Spülrichtung von medial nach lateral
Nach Ingestion
Die Gabe von Aktivkohle oder von spezifischen Antidota (inkl. Sauerstoff) kann/sollte bereits am Ereignisort geschehen – die restlichen Maßnahmen sind dagegen der klinischen Versorgung vorbehalten!
Gabe von Aktivkohle
- Indikation
- Orale Ingestion eines Gifts, das ausreichend an Aktivkohle adsorbiert wird
- Für Details siehe: Adsorptionsverhalten an Aktivkohle
- Anwendung i.d.R. innerhalb von 1–2 h nach Ingestion des Gifts
- Orale Ingestion eines Gifts, das ausreichend an Aktivkohle adsorbiert wird
- Kontraindikationen
- Ingestion eines Gifts, das nicht ausreichend an Aktivkohle adsorbiert wird
- Gefahr einer Aspiration
- Rezidivierendes Erbrechen
- Gefahr eines epileptischen Anfalls
- Gefahr von Blutungen und/oder Perforationen
- Bestehende oder vermutete Schluckstörung oder Störungen der Magen-Darm-Passage
- Dosierung
- Bei bekannter Giftdosis: Mind. 10-facher Überschuss (Einmaldosis max. 50 g)
- Bei nicht bekannter Giftdosis: 0,5–1 g/kgKG (Einmaldosis max. 50 g)
- Anwendung
- Aktivkohle steht in Form von gepressten Tabletten („Kompretten“), Granulat oder Pulver zur Verfügung → Aufschlämmung vorzugsweise in (stillem) Wasser → Gabe oral als wässrige Lösung
- Wiederholte Gabe
- Gabe der Einmaldosis in Intervallen von je 4 h über 24 h (ggf. auch Kürzung der Intervalle auf bis zu 1 h möglich, dann entsprechende Verdünnung)
- Kontrolle bzw. Sicherstellung einer ausreichenden Darmmotilität und Magenentleerung
- Kombinationen
- Kombination mit Laxantien nur in spezifischen Ausnahmefällen
- Verabreichung von Polyethylenglykol-Elektrolytlösungen zeitversetzt (Abstand von 2 h) zur Gabe von Aktivkohle
- Kombination mit Laxantien nur in spezifischen Ausnahmefällen
- Nebenwirkungen/Komplikationen: Im Rahmen des Einsatzes bei akuten Intoxikationen selten und i.d.R. nur bei hohen Dosierungen bzw. wiederholter Gabe
Induziertes Erbrechen
- Indikation
- Lebensgefährliche Intoxikationen, sofern Aktivkohle nicht sinnvoll oder ausreichend ist
- Kontraindikationen
- Gefahr einer Aspiration
- Gefahr eines epileptischen Anfalls
- Z.n. Ingestion ätzender Noxen
- Anwendung
- Gabe von 15–30 mL Ipecacuanha-Sirup, gefolgt von 250 mL Wasser
- Wirkeintritt nach ca. 20–30 min, Wirkdauer ca. 2–3 h (→ Nachbeobachtung bis 4 h nach Gabe erforderlich)
- Nebenwirkungen/Komplikationen
- Aspiration
- Risse/Blutungen in Magen und/oder Ösophagus
- Druckbedingtes Verschwemmen des Gifts in Richtung des unteren Gastrointestinaltrakts
- Diarrhö
- Bewusstseinstrübung
Erbrechen sollte nur in Ausnahmefällen bei potenziell lebensgefährlichen Intoxikationen herbeigeführt werden, im Allgemeinen nach Rücksprache mit einem Giftnotruf!
Magenspülung
- Indikation: Intoxikationen, bei denen Aktivkohle nicht sinnvoll oder ausreichend ist
- Kontraindikationen
- Gefahr eines epileptischen Anfalls
- Z.n. Ingestion ätzender Noxen, großstückiger Noxen sowie organischer und/oder tensidhaltiger flüssiger Noxen mit niedriger Viskosität
- Bei drohenden oder bestehenden Bewusstseinseinschränkungen: Durchführung nur unter Intubationsschutz!
- Anwendung
- Innerhalb 1 h nach Ingestion des Gifts
- Lagerung des Patienten in Linksseiten- und Kopftieflage (Neigungswinkel = 20°)
- Einführen des Magenschlauchs (befeuchtet mit einem Gleitgel auf Zellulose-Basis)
- Lagekontrolle durch Instillation von 50–100 mL Luft → Bei korrekter Lage Auskultation eines Blubbergeräusches über dem Epigastrium
- Spülen mit Portionen von je 200–300 mL körperwarmem Wasser oder isotoner NaCl-Lösung bis der Rückfluss wasserklar bleibt ; Asservierung einer Probe aus dem ersten Rückfluss zur toxikologischen Analyse
- Falls möglich endoskopische Kontrolle und ggf. Entfernung von Resten
- Instillation von Aktivkohle (1 g/kgKG suspendiert in 500 mL Wasser)
- Abklemmen des Schlauchs, dann rasches Herausziehen ohne Unterbrechung
- Nebenwirkungen/Komplikationen
- Verschwemmung des Gifts nach aboral
- Hypotone Hyperhydratation (bei Verwendung von Wasser) bzw. Hypernatriämie (bei Verwendung von NaCl-Lösung)
- Herzrhythmusstörungen (insb. Tachykardien)
- Laryngospasmus, Atemdepression
- Mechanische Verletzung von Ösophagus und/oder Magen
- Bei fehlerhafter Lage des Magenschlauchs: Aspiration, Spannungspneumothorax
Anterograde Darmspülung
- Indikationen
- Lebensgefährliche Vergiftungen, bei denen andere Verfahren zur primären Giftelimination nicht ausreichend effektiv sind (insb. bei Ingestion von Giften, die nicht oder nicht ausreichend an Aktivkohle adsorbieren, Giften, die zur Verklumpung neigen oder von lebensgefährlichen Mengen eines Retardpräparats)
- Ingestion von kleinen rundlichen Fremdkörpern oder verpackten Drogen
- Kontraindikationen
- Instabile Vitalfunktionen
- Heftiges Erbrechen
- Perforationen/Blutungen im Gastrointestinaltrakt, Ileus
- Gefahr eines epileptischen Anfalls
- Bei drohenden oder bestehenden Bewusstseinseinschränkungen: Durchführung nur unter Intubationsschutz!
- Anwendung
- Lagerung des Patienten in Sitzposition bzw. in Kopfhochlage (mind. 45°)
- Anlage einer nasogastralen Sonde (äußerer Durchmesser: 4 mm, entspricht 12 French/Charrière)
- Verabreichung von isotoner Polyethylenglykol-Elektrolytlösung über die Sonde (1500–2000 mL/h, bis rektal eine klare Flüssigkeit ausgeschieden wird, max. Anwendung von 10 L)
- Nebenwirkungen/Komplikationen
- Aspirationsgefahr
- Erbrechen
- Abdominelle Krämpfe, Meteorismus
Nach Inhalation
Primäre Giftelimination nach Inhalation | |
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Inhalierte Noxe | Maßnahmen |
Reizgase vom Soforttyp |
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Reizgase vom Latenztyp |
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Kohlenstoffmonoxid |
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Kohlenstoffdioxid |
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Blausäure |