ambossIconambossIcon

Posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom

Letzte Aktualisierung: 31.10.2023

Abstracttoggle arrow icon

Beim posterioren reversiblen Enzephalopathie-Syndrom (PRES) handelt es sich um eine akut auftretende Form der Enzephalopathie, bei der es zu subkortikalen und kortikalen ödematösen Gewebeveränderungen kommt, die sich auf die posterioren Anteile beider Großhirnhemisphären, weiterhin das Kleinhirn und/oder den Hirnstamm, beschränken bzw. dort beginnen. Daraus resultiert das klinische Erscheinungsbild aus qualitativen und im Verlauf auch quantitativen Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen sowie retrochiasmalen Visusstörungen und epileptischen Anfällen. Die genaue Ursache dieser Enzephalopathie ist noch nicht geklärt, es sind jedoch verschiedene Triggerfaktoren bekannt. Dazu zählen z.B. Präeklampsien/Eklampsien, Z.n. Organtransplantationen oder Therapien mit zytotoxischen Medikamenten/Zytostatika. Im Rahmen des PRES werden sehr häufig anhaltend und teilweise krisenhaft erhöhte Blutdruckwerte registriert, die sowohl als Folge der Enzephalopathie als auch als deren möglicher Auslöser diskutiert werden. Bei klinischem Verdacht auf ein PRES erfolgt die Diagnosesicherung mittels cMRT, die die typisch lokalisierten Hirngewebsödeme sichtbar machen kann. Therapeutisch steht neben der Behandlung des Auslösers die antihypertensive und ggf. anfallssuppressive Therapie im Vordergrund, was in aller Regel einen erhöhten Überwachungsaufwand bis zur Intensivtherapie erfordert.

Ätiologietoggle arrow icon

Die folgenden Triggerfaktoren sind bekanntermaßen mit der Entwicklung eines PRES assoziiert, wenngleich die genaue Pathophysiologie des Syndroms noch nicht bekannt ist: [1][2]

Pathophysiologietoggle arrow icon

Symptome/Kliniktoggle arrow icon

Das klinische Erscheinungsbild des PRES beinhaltet als gemeinsamen Nenner mit anderen Formen der Enzephalopathie ein zerebrales Allgemeinsyndrom, das hier in typischer Kombination mit weiteren neurologischen und internistischen Symptomen auftritt. Die Symptome entwickeln sich meist innerhalb von Stunden bis Tagen. [1][2]

Zerebrale Allgemeinsymptome

  • Bewusstseinsstörungen
    • Qualitativ: Orientierungs-, Auffassungs- und Konzentrationsstörungen, Halluzinationen, Agitation und Lethargie
    • Quantitativ: Von Somnolenz bis Koma, oft auch fluktuierend, auch mit prolongiertem Verlauf über mehrere Tage
  • Kopfschmerzen
    • Eher dumpfe Qualität in bilateraler Lokalisation
    • Meist in geringer bis moderater Schmerzintensität
  • Übelkeit und Erbrechen

Fokal-neurologische Begleitsymptome

Typische internistische Begleitsymptome

PRES-Patient:innen benötigen eine engmaschige Überwachung bis hin zum intensivmedizinischen Management! [1]

Diagnostiktoggle arrow icon

Bildgebung

cMRT [1][7]

Die Diagnose PRES wird bei wegweisenden klinischen Befunden (zerebrale Allgemeinsymptome, insb. qualitative Bewusstseinsstörung plus typische neurologische und internistische Begleitsymptome) sowie passenden Triggerfaktoren v.a. durch eine zeitnahe zerebrale MRT-Bildgebung gestützt!

  • Typisches Muster vasogener Ödeme [8]
  • Darstellung der Läsionen je nach Bildgewichtung
    • T1-Gewichtung mit Kontrastmittel: Keine oder nur geringe Kontrastmittelanreicherung
    • T2-Gewichtung mit FLAIR-Sequenz: Bilaterale Hyperintensitäten
    • DWI-Gewichtung: Isointenses Signal
      • Ggf. nur leichte Hyperintensität („T2-Durchscheineffekt“)
      • ADC (Apparent Diffusion Coefficient“) gesteigert

cCT [1][2]

  • Indikation
    • In der Akutsituation nur zum Ausschluss von ischämischen, hämorrhagischen oder grob raumfordernden Differenzialdiagnosen
    • Zusätzliche cMRT unbedingt erforderlich!
  • Befund
    • Keine PRES-spezifischen Befunde, häufig unauffällig

EEG [2]

  • Indikationen
    • Ausschluss eines nonkonvulsiven Status epilepticus als Ursache der Symptomatik bzw. Komplikation des PRES
    • Erkennen einer möglichen Erregbarkeitssteigerung
  • Befunde: Über die o.g. hinaus in den meisten Fällen unspezifisch

Abklärung anderer Ursachen

Wenn die bisherige Diagnostik keine klärenden Befunde erbracht hat, muss die weitere Diagnostik dem allgemeinen leitsymptombasierten Ansatz folgen (und alle anderen Enzephalopathie-Ursachen berücksichtigen).

Wie bei jeder Enzephalopathie mit neu aufgetretener unklarer qualitativer Bewusstseinsstörung sollte diese auch hier neben der cMRT-Bildgebung zügig umfassend differenzialdiagnostisch abgeklärt werden, insb. wenn kein wegweisender cMRT-Befund erhoben werden kann!

Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

  • Embolische Infarkte im vertebrobasilären Stromgebiet, insb. beidseitige Infarzierungen durch Embolien über die A. basilaris
    • Embolien im vertebrobasilären Stromgebiet, insb. multiple Embolien können zur Infarzierungen in beiden Hemisphären führen
    • Ischämische Läsionsmuster und resultierende Symptome entlang der vaskulären Versorgung
    • Epileptische Anfälle eher selten
    • cMRT zeigt Hyperintensität in der DWI-Gewichtung mit gleichzeitiger Absenkung des Apparent Diffusion Coefficient (ADC)
  • Zerebrale Vaskulitis
    • Variable klinische Symptomatik: Kann der des PRES ähneln, insb. wenn posteriore Hirnregionen deutlich betroffen sind
    • Bildgebender Nachweis von
      • Ischämien und/oder Blutungen (in für zerebrale Vaskulitis typischer Verteilung) schließt das PRES aus
      • Nachweis von Vasospasmen spricht für eine Vaskulitis, schließt das PRES allein aber nicht sicher aus
    • Sicherer Nachweis einer zerebralen Vaskulitis gelingt per Biopsie
      • Klinische Besserung unter Immunsuppression grenzt das PRES allerdings bereits deutlich ab
  • Enzephalitis, insb. Autoimmunenzephalitis und Virusenzephalitis
    • Symptomatik entwickelt sich i.d.R. weniger rasch
    • Meist stehen kognitive und psychiatrische Symptome, weniger die Visusstörung oder Hypertension im Vordergrund
    • cMRT zeigt Läsionen mit typischerweise abweichendem Verteilungsmuster
    • Sicherung erfolgt labordiagnostisch über die Detektion von Erregern bzw. Antikörpern in Blut und Liquor

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Therapietoggle arrow icon

Neben dem Absetzen oder Beheben des auslösenden Trigger-Faktors steht die antihypertensive und anfallssuppressive Therapie im Vordergrund. I.d.R. ist die Behandlung auf einer neurologischen Intensivstation unter engmaschigem, idealerweise invasivem Blutdruck-Monitoring und die Beteiligung weiterer Fachdisziplinen je nach individuellem Auslöser angezeigt.

Bei PRES im Kontext einer Präeklampsie/Eklampsie siehe bzgl. antihypertensiver und anfallssuppressiver Therapie sowie zur Entbindungsindikation: Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen

Entsprechend dem Auslöser sollte eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fächern (bspw. Onkologie oder Gynäkologie/Geburtshilfe) erfolgen! [1]

Antihypertensive Therapie [2]

Nitroglycerin sollte wegen der möglichen Verstärkung vasogener Ödeme vermieden werden!

Anfallssuppressive Therapie [2]

Prognosetoggle arrow icon

  • Bei rechtzeitiger Therapie gute Prognose mit kompletter Rückbildung der Symptome innerhalb weniger Tage [1][2][13]
  • Einzelfälle mit verbleibenden Defiziten oder sekundären Komplikationen [1][2]

Quellentoggle arrow icon

  1. Staykov, Schwab:Posteriores reversibles EnzephalopathiesyndromIn: Der Nervenarzt. Band: 83, Nummer: 8, 2012, doi: 10.1007/s00115-012-3480-2 . | Open in Read by QxMD p. 1013-1020.
  2. Matthaei, Roth:Posteriores reversibles EnzephalopathiesyndromIn: DGNeurologie. Band: 2, Nummer: 1, 2018, doi: 10.1007/s42451-018-0035-1 . | Open in Read by QxMD p. 49-57.
  3. Li et al.:Spectrum and Potential Pathogenesis of Reversible Posterior Leukoencephalopathy SyndromeIn: Journal of Stroke and Cerebrovascular Diseases. Band: 21, Nummer: 8, 2012, doi: 10.1016/j.jstrokecerebrovasdis.2011.05.010 . | Open in Read by QxMD p. 873-882.
  4. Marra et al.:Posterior reversible encephalopathy syndrome: The endothelial hypothesesIn: Medical Hypotheses. Band: 82, Nummer: 5, 2014, doi: 10.1016/j.mehy.2014.02.022 . | Open in Read by QxMD p. 619-622.
  5. Kastrup et al.:Posterior Reversible Encephalopathy Syndrome: The Spectrum of MR Imaging PatternsIn: Clinical Neuroradiology. Band: 25, Nummer: 2, 2014, doi: 10.1007/s00062-014-0293-7 . | Open in Read by QxMD p. 161-171.
  6. Bartynski, Boardman:Distinct imaging patterns and lesion distribution in posterior reversible encephalopathy syndrome.In: AJNR. American journal of neuroradiology. Band: 28, Nummer: 7, 2007, doi: 10.3174/ajnr.A0549 . | Open in Read by QxMD p. 1320-7.
  7. Fachinformation - Carinopharm.. Abgerufen am: 10. März 2022.
  8. Fachinformation - Clonidin-ratiopharm Ampullen.. Abgerufen am: 10. März 2022.
  9. Fachinformation - Nepresol Injekt.. Abgerufen am: 10. März 2022.
  10. Kozak et al.:Status epilepticus as initial manifestation of posterior reversible encephalopathy syndromeIn: Neurology. Band: 69, Nummer: 9, 2007, doi: 10.1212/01.wnl.0000269780.45472.16 . | Open in Read by QxMD p. 894-897.
  11. Roth, Ferbert:Posterior reversible encephalopathy syndrome: long-term follow-upIn: Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry. Band: 81, Nummer: 7, 2009, doi: 10.1136/jnnp.2009.189647 . | Open in Read by QxMD p. 773-777.
  12. Burnett et al.:Presentation of reversible posterior leukoencephalopathy syndrome in patients on calcineurin inhibitorsIn: Clinical Neurology and Neurosurgery. Band: 112, Nummer: 10, 2010, doi: 10.1016/j.clineuro.2010.07.023 . | Open in Read by QxMD p. 886-891.
  13. Lai et al.:Clinical Features and Outcomes of Posterior Reversible Encephalopathy Syndrome in Patients With Systemic Lupus ErythematosusIn: Arthritis Care & Research. Band: 65, Nummer: 11, 2013, doi: 10.1002/acr.22047 . | Open in Read by QxMD p. 1766-1774.
  14. Servillo et al.:Posterior reversible encephalopathy syndrome in intensive care medicineIn: Intensive Care Medicine. Band: 33, Nummer: 2, 2006, doi: 10.1007/s00134-006-0459-0 . | Open in Read by QxMD p. 230-236.

Icon of a lockNoch 3 weitere Kapitel kostenfrei zugänglich

Du kannst diesen Monat noch 3 Kapitel kostenfrei aufrufen. Melde dich jetzt an, um unbegrenzten Zugang zu erhalten.
 Evidenzbasierte Inhalte, von festem ärztlichem Redaktionsteam erstellt & geprüft. Disclaimer aufrufen.