Zusammenfassung
Die periorale Dermatitis (Synonyme: Dermatitis perioralis, Mundrose) ist eine Hauterkrankung, die sich mit erythematösen Papeln bis hin zu Papulovesikeln und/oder -pusteln auf geröteter, geschwollener Haut präsentiert. Typische Lokalisation sind Nasolabialfalten, Kinn und seitliche Mundpartien mit charakteristischem freien Randsaum um das Lippenrot herum. Betroffen sind meistens jüngere Frauen mit bekannter Atopie. Häufig sind eine lokale Glucocorticoidtherapie oder übermäßiger Kosmetikagebrauch als Auslöser eruierbar. Therapeutisch zielführend ist das Absetzen aller Externa (sog. „Nulltherapie“), was jedoch oft nicht toleriert wird, da es vorübergehend die Symptomatik verschlechtern kann. Ggf. kommen lokale Antibiotika und Pimecrolimus zum Einsatz. Bei schwereren, therapieresistenten Verläufen können auch systemische Antibiotika oder Isotretinoin in Erwägung gezogen werden.
Epidemiologie
- Gesamtprävalenz: 0,3% in einer aktuellen monozentrischen Studie [1]
- Weitere Charakteristika [2][3]
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
- Epidermale Barrierestörung aufgrund einer Hautirritation durch (i.d.R. übermäßigen) Gebrauch topischer Präparate [2][3][4][5]
- Genaue Pathogenese unklar
- Circulus vitiosus: Gebrauch topischer Präparate → Hautirritation → Epidermale Barrierefunktionsstörung → Quellung der Hornschicht → Transepidermaler Wasserverlust → Irritative Follikulitis der Vellushaare → Papeln und Entzündungsreaktion der Haut, Trockenheits- und Spannungsgefühl → Gebrauch topischer Präparate↑
- Auslösende Präparate
-
Topische Glucocorticoide
- Häufig nach lokaler Glucocorticoidtherapie leichter Gesichtsekzeme
- Stärke des Glucocorticoids korreliert mit der Ausprägung der Symptome
- Kosmetika (u.a. Pflege- und Sonnenschutzcremes)
-
Topische Glucocorticoide
- Prädisponierende Faktoren: Atopie
- Triggerfaktoren, die die Symptomatik verschlimmern
- UV-Exposition
- Ggf. Tragen von medizinischem Mund-Nasen-Schutz [6][7]
Symptomatik
- Lokalisation [2][4]
- Prädilektionsstelle: Nasolabialfalten
- Perioral mit Ausbreitung auf Wangen, Kinn
- Typisch: Freier Randsaum um das Lippenrot
- Ggf. periorbitale Region, Augenlider und Stirn betroffen
- Bei schwerem Verlauf: Läsionen am Hals und hinter den Ohren
- Effloreszenzen
- Erythematöse, follikulär gebundene Papeln mit wenigen Millimetern Durchmesser, z.T. konfluierend
- Umgebende Haut gerötet, möglicherweise geschwollen und/oder schuppend
- Je nach Schweregrad Papulopusteln und Papulovesikel
- KEINE Komedonen
- Weitere Symptome
- Brennen und Spannungsgefühl
- Selten Juckreiz
- Verlauf
- Chronisch über mehrere Monate mit fluktuierendem Schweregrad
- Verschlimmerung durch fortführenden Gebrauch der auslösenden Kosmetika und/oder UV-Bestrahlung
- Nach lokaler Glucocorticoidtherapie nach kurzer Verbesserung deutliche Zunahme der Symptome bis hin zum Kortikoderm
Verlaufs- und Sonderformen
Lupoide periorale Dermatitis [8]
- Klinik [9]
- Sehr ähnlich der perioralen Dermatitis
- Rötlich-bräunliche Papeln mit Schuppung
- Auf Glasspateldruck lupoides Infiltrat
- Histologie: Nicht-verkäsende tuberkuloide Granulome und entzündliches Infiltrat
- Therapie: Wie bei perioraler Dermatitis (siehe: Therapie der perioralen Dermatitis)
Periorale granulomatöse Dermatitis [10]
- Definition: Granulomatöse Erkrankung der Gesichtshaut, v.a. Kinder betroffen [11][12]
- Klinik
- Gleichförmige, gelblich bis bräunliche Papeln, gruppiert stehend im Bereich des Mundes, der Nase und der Augenpartie
- Ggf. Effluvium, Blepharitis und Konjunktivitis
- Histologie: Nicht-verkäsende Granulome, epidermale Spongiose
- Differenzialdiagnosen: Sarkoidose, Hautinfektion mit Pilzen oder Mykobakterien, granulomatöse Rosazea
- Therapie
- Lokale oder systemische Antibiotikatherapie
- Keine Glucocorticoide
- Verlauf: Selbstlimitierend innerhalb von Monaten bis Jahren, ggf. Narbenbildung
Diagnostik
Die Diagnose wird i.d.R. auf Basis von Anamnese und Klinik gestellt, eine Probenentnahme ist nur selten (bspw. bei Therapieresistenz) notwendig [2][4].
- Anamnese
- Einschätzung des Schweregrades: PODSI (Perioral Dermatitis Severity Index)
- Zur Therapieentscheidung
- Zur Beurteilung von Therapieeffektivität und -verlauf
PODSI (Perioral Dermatitis Severity Index) [13] | |||
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Schweregrad | Grad 1 | Grad 2 | Grad 3 |
Erythem | Milde Ausprägung, blass-rosa, diskret | Moderate Ausprägung, rötlich, fleckig | Starke Ausprägung, dunkelrot, diffus konfluierend |
Papeln | Wenige, klein, ohne Farbveränderung | Einige, disseminiert | Viele, erythematös, gruppiert stehend |
Hautschuppung | Feine Schuppung, kaum sichtbar | Mittelgrobe Schuppung, deutlich | Ausgeprägt, grobe Schuppung, ausgedehnt |
Bewertung: Leicht (0,5–2,5), mittel (3,0–5,5), schwer (6,0–9,0) |
- Probenentnahme mit Histopathologie
- Spongiose der Epidermis und Ödem, ggf. Lymphozyten im Bereich der Haarfollikel
- Abgrenzung zur Rosazea: Keine Teleangiektasien, Demodexmilben oder aktinische Elastose
Differenzialdiagnosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Basismaßnahmen [2][3][4]
-
„Nulltherapie“
- Konsequente Karenz aller Kosmetika und Glucocorticoide
- Wird Karenz nicht akzeptiert : Sparsames Auftragen hydrophiler, nicht-parfümierter Creme
- Hautreinigung nur mit Wasser und z.B. Mikrofasertuch, ggf. sparsam Syndet
- Konsequenter Lichtschutz: Besser Meidung der Sonne oder physikalischer Schutz statt Sonnenschutzcremes
- Schwarzteeumschläge: Bei Spannungsgefühl
Medikamentöse Therapie [3]
Die folgende Therapieempfehlung orientiert sich an der Leitlinie. Aufgrund der mangelnden Datenlage gibt es außer der Nulltherapie keinen Goldstandard in der Therapie und keine explizit für periorale Dermatitis zugelassenen Medikamente. Bei nicht bedrohlichem Krankheitsbild sind die u.g. Medikamente mittleren bis schweren oder therapieresistenten Fällen und Sonderformen vorbehalten. Die Indikation zur medikamentösen Therapie sollte in Anbetracht der unerwünschten Arzneimittelreaktionen und möglicher Resistenzbildungen bei antibiotischer Therapie zurückhaltend gestellt werden. Die Wirkweise der Medikamente auf die periorale Dermatitis ist nicht genau geklärt, scheint aber nicht auf einer antibakteriellen, sondern antientzündlichen Komponente zu beruhen.
Übersicht der medikamentösen Therapieoptionen
- Lokaltherapie: I.d.R. Metronidazol, Erythromycin oder Pimecrolimus
- Systemische Therapie
- Antibiotika: 1. Wahl Doxycyclin und Minocyclin
- Isotretinoin
Lokaltherapie
- Metronidazol topisch
- Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen Metronidazol
- Nebenwirkungen: Hautirritationen, Kontaktallergie
- Dosierung und Anwendung
- Metronidazol in nicht-fettender Grundlage (ab 18 Jahren)
- UV-Schutz während der Therapie, da Metronidazol durch UV-Exposition an Wirksamkeit verliert
- Erythromycin topisch
- Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen Erythromycin
- Nebenwirkungen: Hautirritationen, Kontaktallergie, Resistenzbildung, akute generalisierte Pustulose
- Dosierung und Anwendung: Erythromycin in nicht-fettender Grundlage (ohne Altersangabe)
- Pimecrolimus topisch
- Dosierung und Anwendung: Pimecrolimus (ab 2 Jahren)
- Siehe auch: Topische Calcineurininhibitoren
- Weitere lokale Therapeutika/Therapieverfahren
- ALA-PDT, Azelainsäure, Ichthyol
- Adapalen, Tacrolimus
- Kontraindiziert: Topische Glucocorticoide
- Nach Absetzen langfristig verwendeter lokaler Glucocorticoide: Häufig Hautbildverschlechterung
- Kurzfristig Umstellung auf niedrigdosiertes lokales Glucocorticoid (z.B. Hydrocortison)
- Im Verlauf ausschleichen
- Nach Absetzen langfristig verwendeter lokaler Glucocorticoide: Häufig Hautbildverschlechterung
Systemische Antibiotika
- Indikationen
- Schwere Fälle und Sonderformen
- Bei unzureichendem Ansprechen auf topische Therapie
- Zu beachten
- Off-Label Use
- I.d.R. Kombination mit topischer Therapie
- 1. Wahl Tetracyclin und Derivate
- 2. Wahl Makrolide: Bei Kontraindikationen gegen Tetracycline, bei Kindern oder in der Schwangerschaft
- Wirkstoffe
- Doxycyclin (Dosierung ≥8 Jahre)
- Minocyclin (Dosierung ≥8 Jahre)
- Erythromycin (Dosierung ≥12 Jahre)
- Für Kinder <12 Jahren siehe: Erythromycin (pädiatrisch)
- Clarithromycin (Dosierung ≥12 Jahre)
- Für Kinder <12 Jahren siehe: Clarithromycin (pädiatrisch)
Systemische Therapie mit Isotretinoin
- Indikation
- Unzureichendes Ansprechen auf topische Therapie
- Gute Wirksamkeit bei schwerwiegendem Befall oder Sonderformen
- Off-Label Use
- Rote-Hand-Brief zu Retinoiden: Sorgfältige Patientenselektion und ausführliche Aufklärung in Bezug auf erhöhte Teratogenität und mögliche neuropsychiatrische Nebenwirkungen [14]
- Zulassung: Ab 12 Jahren
- Dosierung: Isotretinoin in niedriger Dosis und mit kurzer Therapiedauer oft schon ausreichend
- Zu weiteren Informationen bzgl. Kontraindikationen und Nebenwirkungen siehe: Isotretinoin
Keine Kombination oraler Retinoide und Tetracycline, da die Entstehung eines Pseudotumor cerebri droht!
Aufgrund der starken Teratogenität muss vor der Therapie mit oralen und topischen Retinoiden eine Schwangerschaft ausgeschlossen und eine sichere Kontrazeption gewährleistet werden!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.