Abstract
Beim Parkinson-Syndrom handelt es sich um ein klinisches Bild mit den Symptomen Akinese, Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität, das durch einen Dopaminmangel jeglicher Genese verursacht wird.
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS, Morbus Parkinson) als degenerative Erkrankung dopaminerger Neurone der Substantia nigra ist mit einem Anteil von ca. 75% das häufigste Parkinson-Syndrom und steht im Fokus dieses Kapitels. Das IPS verläuft langsam progredient und ist nicht heilbar. Entsprechend der Symptom-Trias zeigen sich ein typisches vornübergebeugtes, kleinschrittiges Gangbild und ein einseitig beginnender Ruhetremor. Die Krankheit manifestiert sich üblicherweise nach dem 50. Lebensjahr. Die Diagnose IPS wird klinisch nach Ausschluss anderer Ursachen, insb. atypischer und sekundärer Parkinson-Syndrome, gestellt. Zur symptomatischen Therapie kommen vor allem L-Dopa, Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer zum Einsatz. Problematisch sind Medikamentennebenwirkungen bzw. ein Verlust der Wirksamkeit im Krankheitsverlauf. Als alternative Therapie wird bei jungen Patienten zunehmend eine tiefe Hirnstimulation vorgenommen.
Die atypischen Parkinson-Syndrome (auch Parkinson-Plus-Syndrome) stellen eigenständige neurologische Krankheitsbilder dar und werden in einem gesonderten Kapitel behandelt. Bei sekundären Parkinson-Syndromen zeigen sich die typischen Symptome im Rahmen bestimmter Auslöser (z.B. infolge antidopaminerger Medikamentennebenwirkungen).
Epidemiologie
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Die Unterteilung der Parkinson-Syndrome erfolgt ätiologisch in vier Gruppen:
- Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS, Morbus Parkinson)
- Degeneration der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra sowie des Locus caeruleus
- Ätiologie der Degeneration bisher unbekannt
- Wahrscheinlich multifaktoriell (inkl. genetischer Disposition) [2]
- Genetische Formen des Parkinson-Syndroms
- Monogenetische Gendefekte, die zum Untergang dopaminerger Neurone führen
- Atypische Parkinson-Syndrome (auch: Parkinson-Plus-Syndrome)
- Aufgrund einer anderen neurodegenerativen Erkrankung kommt es zum Untergang dopaminerger Neurone und dadurch neben anderen Leitsymptomen auch zur Ausbildung eines Parkinson-Syndroms
- Sekundäre Parkinson-Syndrome (auch: Symptomatische Parkinson-Syndrome)
- Am häufigsten: Antidopaminerge Medikamentennebenwirkung (auch Parkinsonoid) z.B.
- Traumatisch
- Tumorbedingt
- Toxisch (Kohlenstoffmonoxid, Manganbelastung)
- Metabolisch (z.B. Morbus Wilson)
- Entzündlich (HIV-Enzephalopathie, Enzephalitis lethargica (= postenzephalitisch))
Pathophysiologie
Dopaminmangel führt zur Motorikhemmung in der Basalganglienschleife
- Physiologie der Basalganglien: Die Substantia nigra hemmt dopaminerg den motorikhemmenden Anteil des Striatums. Über diese „Disinhibition“ wirkt sie Motorik-fördernd.
- Siehe auch: Basalganglienschleife
- Pathophysiologie beim Parkinson-Syndrom: Dopaminmangel an Rezeptoren des Striatums → Abnahme der „Disinhibition“ → Zunehmende Hemmung der Motorik → Bradykinese
- Zur Ätiologie des Dopaminmangels siehe: Ätiologie der Parkinson-Syndrome
Andere betroffene Transmittersysteme beim idiopathischen Parkinson-Syndrom
Im Rahmen der Erkrankung kommt es zur Neurodegeneration nicht nur der Substantia nigra, sondern auch verschiedener anderer Hirnregionen. Dortige Störungen der Transmittersysteme scheinen ursächlich für die typische nicht-motorische Begleitsymptomatik zu sein. [3]
- Noradrenalin- und Serotonin-Mangel
- Degeneration serotonerger Neurone im Raphekern → Depressive Symptomatik
- Acetylcholin-Ungleichgewicht
- Relativer Überschuss cholinerger Interneurone durch den Untergang dopaminerger Neurone in den Basalganglien → Tremor und vegetative Begleitsymptomatik
- Degeneration cholinerger Neurone im Ncl. basalis Meynert → Acetylcholinmangel → Demenzielle Entwicklung
Symptome/Klinik
Diagnosekriterien des Parkinson-Syndroms und Leitsymptome des Morbus Parkinson
- Bradykinese/Akinese und mind. eines der folgenden Kriterien
- Ruhetremor (sog. Pillendreher- oder Münzenzähler-Tremor)
- Ca. 4–8 Hz
- Bei Bewegung → Amplitude↓
- Emotionale Aufregung/Anspannung → Amplitude↑
- Rigor
- Posturale Instabilität
- Störung von Halte- und Stellreflexen → Beeinträchtigte aufrechte Körperhaltung
- Betroffene müssen ihre Körperhaltung häufig korrigieren
- Ruhetremor (sog. Pillendreher- oder Münzenzähler-Tremor)
„Klinische Symptomatik des Parkinson-Syndroms: TRAP (von eng. "Falle") - Tremor, Rigor, Akinese und posturale Instabilität.“
Symptome, die vermehrte Bewegung widerspiegeln (z.B. Tremor), werden Plus-Symptome genannt. Symptome, die verminderte Bewegung widerspiegeln, werden als Minus-Symptome (Akinese) bezeichnet!
Motorische Symptome des idiopathischen Parkinson-Syndroms
- Für typische Befunde des idiopathischen Parkinson-Syndroms siehe auch: Diagnosekriterien des idiopathischen Parkinson-Syndroms
- Motorische Frühsymptome
- Verminderung, Verlangsamung und Verkleinerung insb. unbewusster Spontanbewegungen, v.a. anfangs
- Schmerzen im Schulter-/Nackenbereich oder der Wirbelsäule
- Typisches Stand- und Gangbild beim Morbus Parkinson
- Ellenbogen-, Knie- und Hüftgelenke gebeugt
- Rumpf nach vorne gebeugt
- Arme: Eng am Körper adduziert, reduziertes Mitschwingen beim Gehen
- Schrittmuster: Kleinschrittiger Gang mit schlurfenden Schritten, die unwillkürlich immer schneller werden
- Anlauf- und Abbremshemmung
- Retro-, Latero- und Propulsionstendenz
- Motorische Symptomatik bei fortgeschrittenem M. Parkinson
- Mikrografie
- Hypomimie
- Hypophonie (Stimme wird leise und monoton)
- Dysphagie
- Steigende Pflegebedürftigkeit im Rahmen zunehmender Bewegungsarmut
- Hypo- und hyperkinetische Symptome unter L-Dopa-Gabe
Das einzige obligate Symptom des Parkinson-Syndroms ist die Bradykinese. Ein einseitiger Beginn der Erkrankung ist charakteristisch für den Morbus Parkinson!
Nicht-motorische Symptome des idiopathischen Parkinson-Syndroms
Grob kann man Früh- und Spätsymptome unterscheiden, wobei die Verläufe recht stark variieren:
- Frühsymptome
- Neuropsychiatrische Symptome
- Depressive Verstimmung
- Vegetative Symptome
- Sensorische Symptome
- Neuropsychiatrische Symptome
- Spätsymptome
- Neuropsychiatrische Symptome
- Apathie
- Affektlabilität
- Angststörungen
- Bradyphrenie, Demenz mit Orientierungsstörungen
- Selten: Suchtverhalten, Glücksspiel (siehe auch: Glücksspielsucht unter Parkinsonmedikation)
- Vegetative Symptome
- Neuropsychiatrische Symptome
Die nicht-motorischen Symptome sollten nicht unterschätzt werden. Oft stellen sie für Patienten und Angehörige die für die Lebensqualität zentralen Probleme dar!
Klinischer Verlauf des idiopathischen Parkinson-Syndroms (Morbus Parkinson)
- Erkrankungsstadien
- Präklinische Phase
- Keine Symptome vorhanden
- Aktuelle Forschungsansätze: Früherkennung der Parkinson-Erkrankung in dieser Phase mit Liquoruntersuchungen, spezieller Bildgebung oder Synuklein-Ablagerungen in Biopsien von Darmzotten [5] [6] [7]
- Prodromalstadium
- Abhängig vom Krankheitsverlauf Jahre bis Jahrzehnte andauernd
- Diagnostische Kriterien noch nicht erfüllt, aber erste Symptome vorhanden
- Motorische Symptome nicht sichtbar oder sehr subtil
- Häufigste nicht-motorische Symptome: Hyposmie, Depression, Obstipation, REM-Schlaf-Verhaltensstörung
- Klinische Phase [8]
- Klinische Diagnosekriterien der Erkrankung sind erfüllt
- Motorische und nicht-motorische Symptome vorhanden
- Präklinische Phase
- Verlaufsformen
- Akinetisch-rigider Typ: Tremor fehlt oder ist nur minimal ausgeprägt
- Äquivalenz-Typ: Ruhetremor, Akinese, Rigor gleich stark ausgeprägt
- Tremordominanz-Typ: Akinese und Rigor minimal vorhanden
- Monosymptomatischer Ruhetremor (selten)
Der akinetisch-rigide Parkinsontyp hat eine schlechte Prognose mit schneller Demenzentwicklung; ein Tremor ist prognostisch günstig!
Diagnostik
Welche Kriterien müssen durch die Diagnostik abgeklärt werden?
Meist stellt sich die Verdachtsdiagnose eines Morbus Parkinson aufgrund eines bradykinetischen Bewegungsmusters. Da sich hinter ca. jedem vierten klinischen Parkinson-Syndrom kein Morbus Parkinson, sondern eine sekundäre und atypische Parkinson-Erkrankung verbirgt, ist eine strukturierte Diagnostik sinnvoll.
- Schritt: Überprüfung der Diagnosekriterien des Parkinson-Syndroms
- Schritt: Überprüfung der Diagnosekriterien des idiopathischen Parkinson-Syndroms
- Dies beinhaltet den Ausschluss sekundärer und atypischer Parkinson-Syndrome
- Schritt: Im spezialisierten Setting erfolgt die weitere differenzielle Einordnung des Schweregrades anhand einer der folgenden Skalen [9]
- Hoehn und Yahr-Skala [10]
- Stadium 0: Es bestehen keine Anzeichen der Erkrankung
- Stadium 1: Einseitige Erkrankung
- Stadium 2: Beidseitige Erkrankung ohne Gleichgewichtsstörung
- Stadium 3: Leichte bis mäßige Behinderung mit leichter Haltungsinstabilität, ohne Hilfsbedürftigkeit
- Stadium 4: Starke Behinderung, Gang und Stand aber noch ohne Hilfe möglich
- Stadium 5: Sehr starke Behinderung, Gang unmöglich, der Patient ist nur im Rollstuhl mobil oder bettlägerig
- UPDRS (Unified Parkinson's Disease Rating Scale) [10]
- MDS-UPDRS (Movement Disorder Society-sponsored revision of the Unified Parkinson's Disease Rating Scale) [10]
- Hoehn und Yahr-Skala [10]
Diagnostische Maßnahmen
Der Morbus Parkinson ist eine klinische Diagnose! Anamnese und klinische Untersuchung sind die zentralen diagnostischen Maßnahmen!
Anamnese
Neben der genauen Erfragung der Kern- und Begleitsymptomatik sollte in diesem Rahmen auf Warnhinweise zu Differenzialdiagnosen geachtet werden:
- Charakterisierung der motorischen Leitsymptomatik (inkl. Beginn/Dauer/Charakteristika/dominante Seite)
- Vorerkrankungen
- Medikamentenanamnese
- Vegetative Anamnese / Begleitsympomatik
- Berufsanamnese
- Familienanamnese
- Psychopathologischer Befund / neuropsychiatrische Begleitsymptomatik
Neurologische Untersuchung
- AMBOSS-Video-Tutorial zur Überprüfung der Koordination, Gang und Stand:
Typische auffällige Befunde eines Parkinson-Syndroms in der neurologischen Untersuchung
- Bradykinese/Akinese
- Gangprüfung
- Siehe: Typisches Stand- und Gangbild beim Morbus Parkinson
- Erhöhte Wendeschrittzahl (5–8 Wendeschritte)
- Prüfung der Diadochokinese: Bspw. indem man den Patienten bittet, mit beiden Händen schnell alternierende Bewegungen (wie beim Einschrauben einer Glühbirne) durchzuführen oder die Faust schnell zu öffnen und zu schließen
- Typischerweise auffällig: Bradydiadochokinese
- Gangprüfung
- Ruhetremor: Lässt sich häufig demaskieren, indem man z.B. den Patienten von 100 rückwärts zählen lässt.
- Rigor
- Pendeltest: Der Untersucher bewegt die Schultern des Patienten vor und zurück und beobachtet dabei die passive Pendelbewegung der Arme. Beim Parkinson-Syndrom zeigt sich typischerweise ein einseitig vermindertes Pendeln.
- Passives Durchbewegen einer Extremität: (i.d.R. Hand- oder Ellenbogengelenk)
- Bleierner/wächserner Widerstand (unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit)
- Zahnradphänomen: Durchbewegen nur stufenweise bzw. zahnradähnlich möglich
- Froment-Manöver: Während der Untersucher den einen Arm durchbewegt, wird der Patient aufgefordert, wiederholt Bewegungen des kontralateralen Arms auszuführen (z.B. Öffnen und Schließen der Hand). Auf diese Weise wird ein subklinischer Rigor demaskiert (und eine aktive Mitbewegung des Patienten unterdrückt).
- Kopffalltest: Nach passivem Anheben und plötzlichem Loslassen des Kopfes beim liegenden Patienten sinkt dieser nur langsam wieder ab.
- Posturale Instabilität
- Retro- und Antepulsion: Dem Patienten, der mit geschlossenen Beinen und Armen am Körper adduziert steht, wird ein sanfter Stoß versetzt. Typischerweise zeigt sich beim Parkinson-Syndrom eine Störung der Haltereflexe mit Tendenz zum Fall und mehreren notwendigen Ausfallschritten.
- Unerschöpflicher Glabellareflex: Beim Beklopfen der Glabella, also der Region zwischen den Augenbrauen, werden die Augen unwillkürlich geschlossen
Neurologische Untersuchungsbefunde, die an ein atypisches Parkinson-Syndrom denken lassen
- Kleinhirn-Zeichen (z.B. starke Gangataxie, Koordinationsstörungen oder Nystagmus) → An Multisystematrophie denken
- Pyramidenbahnzeichen (z.B. positives Babinski-Zeichen, gesteigerte Muskeleigenreflexe, spastische Lähmungen) → An Multisystematrophie denken
- Starke posturale Instabilität und Stürze → An Multisystematrophie oder supranukleäre Blickparese denken
- Okulomotorikstörungen → An Multisystematrophie, supranukleäre Blickparese oder kortikobasale Degeneration denken
Bildgebende Diagnostik
- Standard bei Erstdiagnose
- MRT oder cCT: Zum Ausschluss sekundärer und in geringerem Maße atypischer Parkinson-Syndrome; der M. Parkinson zeigt sich in der MRT unauffällig.
- Fakultative zusätzliche Bildgebung
- Transkranielle Sonografie
- Zusatzdiagnostik außerhalb der klinischen Routine
- DaTSCANTM (Dopamin-Transporter-Szintigrafie)
- Erlaubt die Darstellung dopaminerger nigrostriataler Bahnen durch die Markierung von Dopamintransportern
- Indikation: Zur Abgrenzung eines tremordominanten Parkinson-Syndroms von einem essenziellen Tremor
- IBZM-SPECT (Dopamin-D2-Rezeptor-Szintigrafie): Misst die D2-Rezeptorendichte im Striatum und zeigt, in Abgrenzung zu den atypischen Parkinson-Syndromen, beim M. Parkinson zumeist einen Normalbefund oder eine erhöhte Rezeptordichte im Putamen
- FDG-PET: Zur Differenzierung zwischen idiopathischem und atypischem Parkinson-Syndrom
- DaTSCANTM (Dopamin-Transporter-Szintigrafie)
Weitere Tests in der Standarddiagnostik
L-Dopa-Test (L-Dopa Response Test) bzw. Apomorphin-Test
- Hintergrund: Eine Symptomverbesserung nach Gabe einer einmaligen Dosis von L-Dopa soll eine Differenzierung zwischen idiopathischem (spricht gut an) und atypischem (spricht schlecht/nicht an) Parkinson ermöglichen.
- Diagnostische Relevanz/Indikation
- Keine routinemäßige Diagnostik
- Nachteile/Einschränkungen
- Mögliche Medikamentennebenwirkungen
- Geringe negative und positive Prädiktivität
- Sinnvoll im Rahmen spezieller Fragestellungen
- Alternative: Normale Einstellung auf eine dauerhafte L-Dopa-Therapie und Verlaufsbeobachtung
- Durchführung
- Vormedikation mit Domperidon , danach Medikamentenpause von ca. 12 h
- Einschätzung der Parkinson-Symptomatik eine halbe Stunde vor L-Dopa-Gabe
- Gabe von L-Dopa (+ peripherem Decarboxylasehemmer)
- Alternativ: Injektion von Apomorphin
- Einschätzung der Parkinson-Symptomatik eine halbe Stunde nach L-Dopa-Gabe
- Befund: Verbesserung der Parkinson-Symptomatik → Test ist positiv
- Diagnostische Konsequenz
- Positives Ergebnis: Zusätzlicher Hinweis auf das Vorliegen eines idiopathischen Parkinson-Syndroms
- Negatives Testergebnis: Hinweis auf ein atypisches Parkinson-Syndrom
Geruchstestung
- Beschreibung: Geruchstestung zur Objektivierung einer Hyposmie/Anosmie
- Durchführung standardisierter Tests (z.B. „Sniffin' Sticks“)
- Diagnostische Relevanz
- Ggf. wertvoll als Zusatzdiagnostik in Zusammenschau mit anderen Befunden
- Keine gute Aussagekraft in der Differenzierung des idiopathischen zu sekundären und atypischen Parkinson-Syndromen
Diagnosekriterien des idiopathischen Parkinson-Syndroms (M. Parkinson)
- Vorliegen eines Parkinson-Syndroms
- Und Vorliegen von drei der folgenden Symptome
- Einseitiger Beginn
- Persistierende Asymmetrien im Krankheitsverlauf (z.B. Tremor auf einer Seite stärker ausgeprägt)
- Ruhetremor (nimmt wie alle Tremortypen mit Anspannung an Amplitude (nicht Frequenz) zu; ist außerdem mit Aktivität der Extremität zu beenden)
- Gutes Ansprechen auf L-Dopa (Ruhetremor muss trotz Vorliegen eines Morbus Parkinson nicht unbedingt gut ansprechen)
- Choreatiforme Dyskinesien durch L-Dopa-Gabe
- Progressiver Verlauf
- Klinischer Verlauf >10 Jahre
- Und Ausschluss eines atypischen oder sekundären Parkinson-Syndroms [11]
Neue klinische Diagnosekriterien der MDS (Movement Disorder Society) [8]
Neuer Diagnose-Algorithmus der Arbeitsgruppe der MDS (Movement Disorder Society) zur Verbesserung des Anteils richtig erkannter idiopathischer Parkinson-Syndrome:
- Klinische Feststellung der typischen motorischen Leitsymptomatik Bradykinese, Rigor und Tremor
- Miteinbeziehung von Untersuchungsbefunden, die für oder gegen das Vorliegen eines idiopathischen Parkinson-Syndroms sprechen
Pathologie
Histologie
Die post-mortem Analyse von Hirngewebe kann bei speziellen Fragestellungen sinnvoll sein, um einen Morbus Parkinson zu sichern.
- Charakteristisch zeigen sich sog. "Lewy-Körperchen"
- Hyaline eosinophile Einschlusskörperchen in den betroffenen Hirnregionen
- Vorkommen auch bei Lewy-Body-Demenz
- Bestandteile: Proteinablagerungen, hauptsächlich fehlgefaltetes α-Synuklein
- Bedeutung: Noch unklar
Differenzialdiagnosen
Neben dem Ausschluss sekundärer und atypischer Parkinson-Syndrome sind insbesondere folgende Differenzialdiagnosen für den M. Parkinson von Bedeutung:
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Übersicht
- Für stadienabhängige Behandlungsempfehlungen siehe: Stadienabhängige Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms
- Zur medikamentösen Therapie häufiger Parkinson-assoziierter Symptome siehe:
- Für Behandlungsempfehlungen sekundärer Parkinson-Syndrome siehe: Therapie sekundärer Parkinson-Syndrome
- Für Behandlungsempfehlungen atypischer Parkinson-Syndrome siehe: Atypische Parkinson-Syndrome
- Für einen Überblick über mögliche Substanzen siehe: Parkinson-Medikamente
Allgemeine Behandlungsprinzipien beim idiopathischen Parkinson-Syndrom [9][12][13]
- Alle Parkinson-Medikamente wirken über die Beeinflussung des gestörten Transmittergleichgewichts, insb. über den Ausgleich des Dopaminmangels
- Beginn: Möglichst frühzeitig nach Diagnosestellung
- Wahl des Mittels: Abhängig von Alter, Komorbidität und psychosozialen Faktoren
-
L-Dopa (+ Decarboxylasehemmer Benserazid oder Carbidopa)
- Stärkste Wirkung bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen
- CAVE: Auftreten L-Dopa-assoziierter Spätkomplikationen
-
MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin)
- Normalerweise gute Verträglichkeit
- CAVE: Häufig nicht ausreichende Wirksamkeit (insb. bei relevanten motorischen Symptomen), in hoher Dosierung ggf. unerwünschte kardiovaskuläre und zentralnervöse Stimulation
-
Non-Ergot-Dopaminagonisten (Ropinirol, Pramipexol, Rotigotin)
- In Form von Retardpräparaten (Ropinirol, Pramipexol) oder als Pflaster (Rotigotin) verfügbar, daher Applikation einmal pro Tag möglich
- CAVE: Geringere Wirksamkeit und wesentlich schlechteres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu L-Dopa
- Ergot-Dopaminagonisten (Bromocriptin, Pergolid)
- NMDA-Antagonisten (Amantadin, Budipin)
- COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon)
- Anticholinergika (Biperiden, Metixen)
-
L-Dopa (+ Decarboxylasehemmer Benserazid oder Carbidopa)
- Patientenkollektive: Die Unterscheidung folgender Patientengruppen zum Zwecke der Differenzialtherapie ist klinisch gebräuchlich, wird aber eigentlich in dieser Form nicht mehr von den aktuellen Leitlinien gedeckt
- Patienten <70 Jahren ohne wesentliche Komorbidität: Ggf. Non-Ergot-Dopaminagonisten bevorzugen
- Patienten >70 Jahre oder multimorbide Patienten: Ggf. L-Dopa bevorzugen
- Fokus in der Anfangsphase: Symptomkontrolle
- Fokus in der Spätphase: Kombination verschiedener Therapeutika zum Erreichen der geringstmöglichen L-Dopa-Dosis
Supportive Therapien bei Parkinson-Syndromen [9]
- Physiotherapie
- Logopädie
- Ergotherapie
- Neuropsychologisches Training
- Künstlerische Therapien (z.B. Musiktherapie)
Stadienabhängige Therapie des idiopathischen Parkinson-Syndroms
Zur Behandlung des idiopathischen Parkinson-Syndroms stehen eine Reihe verschiedener Substanzgruppen zur Verfügung, deren Einsatz teilweise noch Gegenstand aktueller Forschung ist. Die Leitlinien-Empfehlungen sind daher komplex. Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung. Detaillierte Informationen zu Wirkstoffen, (Neben‑)Wirkungen und Indikationen der verschiedenen Medikamente befinden sich im Kapitel Parkinson-Medikamente. [14][15]
Milde Symptomatik/Initialphase [12]
- 1. Wahl: Initial ist eine Monotherapie mit einer dieser Stoffgruppen anzustreben
- 2. Wahl: Diese Stoffgruppen sollten nur in speziellen klinischen Situationen bzw. als Add-on-Therapie eingesetzt werden
- Amantadin
- COMT-Hemmer (nur in Kombination mit L-Dopa + Decarboxylasehemmer!) (1. Wahl: Entacapon, 2. Wahl: Tolcapon)
-
Anticholinergika (Biperiden, Metixen)
- Anwendung i.d.R. nur bei dominierendem Ruhetremor
- Keine Anwendung bei Patienten mit Psychosen oder Demenz und nicht bei geriatrischen Patienten!
- Ergot-Dopaminagonisten (Bromocriptin, Pergolid)
Stärkere Symptomatik/beginnende Fluktuationen
- Anpassung der jeweiligen Monotherapie bis zur suffizienten Symptomkontrolle bzw. zur Maximaldosis
- Kombinationstherapie: I.d.R. L-Dopa mit einer der anderen Stoffgruppen (vorzugsweise Non-Ergot-Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmer oder COMT-Hemmer)
- Bei nächtlichen motorischen Symptomen: Retardierte L-Dopa-Präparate
L-Dopa wird optimalerweise zwischen Mahlzeiten eingenommen (z.B. 30 min vor einer Mahlzeit). Eine hohe Eiweißbindung führt zu verminderter Wirkung!
Regellose Fluktuationen: Intensivierte Therapieformen
In der Regel kann durch diese Therapieformen eine Einsparung der oralen bzw. transdermalen Parkinson-Medikamente erreicht werden - nur selten ist durch die intensivierten Therapieformen der Ersatz der konventionellen Medikation möglich. Die Auswahl richtet sich nach Indikationen/Kontraindikationen der jeweiligen Maßnahme sowie nach dem Patientenwunsch und der Frage der häuslichen Wartbarkeit/Pflege.
- L-Dopa per Jejunalsonde
- Beschreibung: Intrajejunale Infusionstherapie mit (in Gelform gebundenem) L-Dopa (Häufig vor Anlage: Testung der Wirksamkeit durch nasogastrale Sonde, dann PEG-Anlage mit Vorschub in das Jejunum, siehe auch: Duodenalsonde)
- Nutzen: Gleichmäßige Wirkung durch kontinuierliche Abgabe von Wirkstoff, unabhängig von der Motilität des Magendarmtraktes
- Kontraindikationen: Fehlende pflegerische Unterstützung, schwere Demenz
- Risiken/Nebenwirkungen: Analog zur oralen L-Dopa-Medikation, außerdem operatives Risiko und Risiko lokaler Infektionen an der Halteplatte der PEG-Sonde
- Zu beachten
- Schwierige Handhabung (gute Schulung des Patienten oder ggf. pflegerische Unterstützung wichtig), eingeschränkte Mobilität (durch relativ große und schwere Pumpe), Polyneuropathien beschrieben → Kontrolle und ggf. Substitution von Vitamin B12, Folsäure und Homocystein empfohlen
- Subkutane Apomorphinpumpe
- Beschreibung: Feine Nadel wird ins subkutane Fettgewebe eingebracht und dort fixiert, sie ist durch einen dünnen Schlauch mit der Medikamentenpumpe verbunden
- Nutzen: Gleichmäßige Wirkung durch kontinuierliche Abgabe von Wirkstoff
- Kontraindikationen: Fehlende pflegerische Unterstützung, schwere Demenz
- Risiken/Nebenwirkungen: Analog zu oralen Dopaminagonisten, außerdem häufig Hautreizungen an Einstichstelle
- Zu beachten: Einstellung in spezialisierten Zentren empfohlen, im Verlauf regelmäßige Kontrollen notwendig, schwierige Handhabung (gute Schulung des Patienten oder ggf. pflegerische Unterstützung wichtig)
- Tiefe Hirnstimulation
- Beschreibung: Stereotaktische Implantation von stimulierenden Elektroden in den Ncl. subthalamicus (seltener Globus pallidus, Thalamus)
- Nutzen: Starke und gleichmäßige Wirksamkeit, Einsparung (meist jedoch kein völliger Ersatz) der oralen Medikation möglich
- Kontraindikationen: Demenz, ausgeprägte Depression, strukturelle Hirnläsion, hohes Alter, schwere Allgemeinerkrankung
- Risiken/Nebenwirkungen: Operatives Risiko → Eher bei jungen Patienten empfohlen, ggf. Verschlechterung einer Parkinson-assoziierten Dysarthrie
Behandlungsoptionen bei idiopathischem Parkinson-Syndrom mit therapieresistentem Tremor
- Im Frühstadium bei allen Patienten
-
Betablocker (insb. Propranolol)
-
Betablocker (insb. Propranolol)
- Bei Patienten <70 Jahre ohne wesentliche Komorbidität
-
Anticholinergika (Biperiden)
- Cave: Bei Vorliegen kognitiver Defizite ist eine Symptomverschlechterung wahrscheinlich und ein Harnverhalt möglich!
- Ggf. tiefe Hirnstimulation
-
Anticholinergika (Biperiden)
Therapie von Komplikationen der L-Dopa-Behandlung
- Schnelle Beendigung von Off-Phasen bei starken Fluktuationen: Apomorphin-Injektionen
- Bei starker Off-Phase siehe: Akinetische Krise
- Bei durch L-Dopa induzierten Dyskinesien: NMDA-Antagonisten (Amantadin)
Therapie von psychischen und Verhaltenssymptomen
Demenztherapie bei M. Parkinson
- Leichtes und mittleres Stadium: Rivastigmin-Kapseln [16][17]
- Rivastigmin-Pflaster sind nicht zugelassen [17]
Therapie depressiver Episoden bei Morbus Parkinson [9][18]
- Sicherstellen einer suffizienten dopaminergen Therapie
- Psychotherapie, insb. KVT
- Pharmakotherapie: Studienlage insgesamt unzureichend
- Häufiger Einsatz von SSRI, bspw. Citalopram
- Auch möglich: Venlafaxin, Moclobemid, Trizyklika [19]
Therapie psychotischer Episoden bei M. Parkinson
- Allgemein
-
Überprüfung der medikamentösen Therapie, ggf. Reduktion/Absetzen erwägen
- Parkinson-Medikamente: L-Dopa wenn möglich weiterführen (stärkste Wirksamkeit auf Motorik), bevorzugt zunächst schwächer wirksame Parkinson-Medikamente reduzieren/absetzen
- Beseitigung evtl. auslösender Faktoren
-
Überprüfung der medikamentösen Therapie, ggf. Reduktion/Absetzen erwägen
- Medikamentöse Optionen
- Indikation: Bei schweren psychotischen Symptomen , wenn eine Dosisreduktion/Absetzen der Antiparkinson-Mittel aufgrund einer Verschlechterung der motorischen Symptome nicht möglich ist
- Zu beachten: Viele Antipsychotika sind hier kontraindiziert!
- Mögliche Substanzen
Therapie sekundärer Parkinson-Syndrome
- Wenn möglich Behandlung der Ursache
- Bei medikamentös induziertem Parkinson-Syndrom siehe: Parkinsonoid
Prognose
- Prognose des idiopathischen Parkinson-Syndroms [21]
- Je nach Unterform unterschiedlich, mit der schlechtesten Prognose bei akinetisch-rigidem Typ
- I.d.R. Entwicklung medikamentenassoziierter Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen innerhalb der ersten zehn Behandlungsjahre
- Pflegebedürftigkeit i.d.R. innerhalb von ca. 20 Jahren
- Unter guter medikamentöser Einstellung in etwa normale Lebenserwartung
- Tod meist im Rahmen von Aspirationspneumonien bei fortgeschrittener Dysphagie
Patienteninformationen
Meditricks
In Kooperation mit Meditricks bieten wir durchdachte Merkhilfen an, mit denen du dir relevante Fakten optimal einprägen kannst. Dabei handelt es sich um animierte Videos und Erkundungsbilder, die auf AMBOSS abgestimmt oder ergänzend sind. Die Inhalte liegen meist in Lang- und Kurzfassung vor, enthalten Basis- sowie Expertenwissen und teilweise auch ein Quiz sowie eine Kurzwiederholung. Eine Übersicht aller Inhalte findest du im Kapitel „Meditricks“. Meditricks gibt es in unterschiedlichen Paketen – für genauere Informationen empfehlen wir einen Besuch im Shop.
Morbus Parkinson
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2023
G20.-: Primäres Parkinson-Syndrom
- Inklusive: Hemiparkinson, Paralysis agitans, Parkinsonismus oder Parkinson-Krankheit: idiopathisch, primär, o.n.A.
- Die folgenden fünften Stellen sind bei der Kategorie G20 zu benutzen:
- 0: Ohne Wirkungsfluktuation bzw. ohne Angabe einer Wirkungsfluktuation (bspw. G20.00 Primäres Parkinson-Syndrom mit fehlender oder geringer Beeinträchtigung ohne Wirkungsfluktuation)
- 1: Mit Wirkungsfluktuation (bspw. G20.01 Primäres Parkinson-Syndrom mit fehlender oder geringer Beeinträchtigung mit Wirkungsfluktuation)
- G20.0-: Primäres Parkinson-Syndrom mit fehlender oder geringer Beeinträchtigung
- Stadien 0 bis unter 3 nach Hoehn und Yahr
- G20.1-: Primäres Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerer Beeinträchtigung
- Stadien 3 oder 4 nach Hoehn und Yahr
- G20.2-: Primäres Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung
- Stadium 5 nach Hoehn und Yahr
- G20.9-: Primäres Parkinson-Syndrom, nicht näher bezeichnet
G21.-: Sekundäres Parkinson-Syndrom
- Inklusive: Sekundärer Parkinsonismus
- G21.0: Malignes Neuroleptika-Syndrom
- G21.1: Sonstiges arzneimittelinduziertes Parkinson-Syndrom
- G21.2: Parkinson-Syndrom durch sonstige exogene Agenzien
- G21.3: Postenzephalitisches Parkinson-Syndrom
- G21.4: Vaskuläres Parkinson-Syndrom
- G21.8: Sonstiges sekundäres Parkinson-Syndrom
- G21.9: Sekundäres Parkinson-Syndrom, nicht näher bezeichnet
Sonstiges und Folgen
- G22*: Parkinson-Syndrom bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- Inklusive: Parkinson-Syndrom bei Syphilis (A52.1†)
- F02.-*: Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
- F02.3*: Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (G20.-†)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.