Abstract
Zur medikamentösen Therapie des Morbus Parkinson werden in erster Linie L-Dopa, Non-Ergot-Dopaminagonisten (bspw. Pramipexol) und MAO-B-Hemmer (bspw. Rasagilin) eingesetzt. Entgegen früherer Empfehlungen gibt es, unabhängig vom Patientenalter, kein universales Medikament der 1. Wahl mehr - die Therapieentscheidung soll vielmehr individualisiert erfolgen. Nichtsdestotrotz bietet L-Dopa den meisten Patienten das beste Wirkungs-/Nebenwirkungsverhältnis und im Verlauf der Erkrankung ist eine Therapie mit L-Dopa ab einem gewissen Zeitpunkt praktisch unabdingbar. Die Therapie kann in frühen Stadien eine Reihe der Symptome abmildern, wodurch sich die Patienten deutlich besser fühlen (sog. Honeymoon-Phase). Mittel der 2. Wahl bzw. Pharmaka, die nur im Rahmen einer Kombinationstherapie oder in speziellen klinischen Situationen eingesetzt werden, sind bspw. NMDA-Antagonisten oder COMT-Hemmer. Die Pharmakotherapie des Morbus Parkinson ist in jedem Fall rein symptomatisch.
Übersicht
Grundsätzlich sind L-Dopa, Non-Ergot-Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer gleichberechtigte Mittel der 1. Wahl, die Auswahl des Mittels soll anhand der individuellen klinischen und anamnestischen Umstände erfolgen. Die frühere Empfehlung, jüngere Parkinson-Patienten primär mit Non-Ergot-Dopaminagonisten zu therapieren und L-Dopa erst im Verlauf einzusetzen, ist mittlerweile verlassen worden. [1][2]
Substanzklasse | Wirkstoffe | Indikation | ||
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Dopaminvorstufen |
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MAO-B-Hemmer |
| |||
Dopaminagonisten | Non-Ergot |
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Ergot |
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COMT-Hemmer |
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NMDA-Antagonisten |
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Anticholinergika |
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L-Dopa (Levodopa)
Wirkstoffe
L-Dopa-Präparate stehen als Kombinationspräparate mit einem peripheren Decarboxylasehemmer zur Verfügung. Die folgenden Dosierungsvorschläge dienen der Orientierung; die differenzierte Einstellung in einem spezialisierten Zentrum ist dennoch insb. bei schwierigen Fällen sinnvoll.
Wirkung
- Pharmakokinetik
- Effekte
- Erhöhung der Dopaminkonzentration im ZNS
- Wirkung auf Akinese > Rigor > Tremor
- Wirksamste Einzelsubstanz beim Parkinson-Syndrom (Goldstandard)
- Wirkverstärkung: Kombination mit einem peripheren Decarboxylasehemmer
- Periphere Decarboxylasehemmer hemmen die periphere Umwandlung von L-Dopa in Dopamin
- Dies führt zu einer Erhöhung der zentralen Verfügbarkeit von L-Dopa und ermöglicht eine Dosisreduktion von L-Dopa
- Des Weiteren werden periphere Dopamin-Nebenwirkungen gesenkt
Wichtige Nebenwirkungen
- Motorisch: Hypo- oder hyperkinetische Wirkungsfluktuationen
-
Hypokinetisch
- End-of-Dose-Akinesie / Wearing Off
- Freezing
- On-Off-Phänomen
-
Hyperkinetisch
- On-Dyskinesie / Peak-Dose-Dyskinesie
- Off-Dyskinesie
- Biphasische Dyskinesien
-
Hypokinetisch
- Vegetativ
- Nausea und Emesis
- Orthostatische Hypotonie
- Psychisch
- Unruhe
- Verwirrtheit
- Halluzinationen bis hin zu L-Dopa-induzierten Psychosen (siehe hierzu: Therapie psychotischer Episoden bei M. Parkinson)
- Selten: Gestörte Impulskontrolle mit z.B. Libidosteigerung oder Glücksspielsucht
Zu beachten
- Wirkungsverlust:
- Evtl. Notwendigkeit der Verkürzung der Dosierungsintervalle zum Erzielen gleichmäßigerer Plasmaspiegel
- Titrierung der Erhaltungsdosis
- Einschleichende Dosierung
- Niedrigste mögliche Erhaltungsdosis wählen
- Folgen eines schweren Dopaminmangels, z.B. nach Absetzen der L-Dopa-Therapie oder bei unzureichender Resorption
- Akinetische Krise
- Klinik: Vollständige Bewegungsunfähigkeit , unverständliche Sprache, ggf. Hyperthermie; Gefahr der Entwicklung einer Dehydratation, von Beinvenenthrombosen sowie Pneumonien
- Therapie: Intensivmedizinische Betreuung, Flüssigkeitssubstitution, Gabe von L-Dopa, Apomorphin, Amantadin
- Maximalvariante: Malignes L-Dopa-Entzugssyndrom
- Klinik: Ähnlich wie maligne Hyperthermie und malignes neuroleptisches Syndrom → Hyperthermie und Rigor, zudem mit Akinese, Vigilanzminderung, CK-, Transaminasen- und Leukozyten-Erhöhung
- Therapie: wie bei akinetischer Krise
- Akinetische Krise
L-Dopa wird optimalerweise zwischen Mahlzeiten eingenommen (z.B. 30 min vor einer Mahlzeit). Eine hohe Eiweißbindung führt zu verminderter Wirkung!
Indikationen
- Therapie des Morbus Parkinson: Mittel der 1. Wahl (gleichrangig mit Dopaminagonisten) [1][3][4]
- Abklärung eines Parkinson-Syndroms: Siehe L-Dopa-Test
- Symptomatische Parkinson-Syndrome (außer: Medikamenten-induzierte Parkinson-Syndrome, siehe hierzu: Parkinsonoid)
- Restless-Legs-Syndrom
Kontraindikationen
- Kontraindikation bei Patienten <25. Lebensjahr
- Schwere Leber- und Niereninsuffizienz
- Gravidität und Stillzeit
Dopaminagonisten
Wirkstoffe
- Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Ropinirol
- Pramipexol
- Apomorphin
- Rotigotin
- Piribedil
- Ergot-Dopaminagonisten
- Bromocriptin
- Cabergolin
Wirkung
- Agonistische Wirkung an postsynaptischen Dopaminrezeptoren → Direkte dopaminerge Wirkung, unabhängig vom Funktionszustand der präsynaptischen striatalen Neurone
- Wirkung auf Akinese > Rigor > Tremor
Wichtige Nebenwirkungen
- Alle Dopaminagonisten
- Vegetativ: Übelkeit, Erbrechen, orthostatische Hypotension, Schwindel
- Motorisch: Dyskinesien (selten)
- Psychisch
- Unruhe
-
Impulskontrollstörung, bspw.
- Gesteigerte Libido
- Zwanghaftes Einkaufen
- Glücksspielsucht
- Punding: Zwanghaftes Ausführen repetitiver, nicht-zielgerichteter Verhaltensweisen (bspw. Putzen, sinnloses Umsortieren)
- Halluzinationen bis hin zur Psychose (siehe hierzu: Therapie psychotischer Episoden bei Morbus Parkinson)
- Vermehrte Tagesmüdigkeit und Schlafattacken
- Speziell für Ergot-Derivate: Fibrosen (bspw. Herzklappenfibrosen), Raynaud-Syndrom, pulmopleurale und retroperitoneale Fibrosen
Bei IPS-Patienten mit kognitiver Leistungseinschränkung, Demenz und/oder psychotischem Erleben sollten Dopaminagonisten nicht eingesetzt werden.
Zu beachten
- Ergot-Derivate: Vor Beginn einer Therapie und im Verlauf sollten echokardiografische Kontrolluntersuchungen zum Ausschluss kardialer Fibrosierungen erfolgen
- Erhöhtes Psychoserisiko: Induktion von Psychosen, insb. bei Risikogruppen wie Demenzpatienten oder Patienten mit bereits bekannten, psychotischen Symptomen (z.B. Halluzinationen)
Indikationen
- Therapie des Morbus Parkinson: Non-Ergot-Dopaminagonisten sind Mittel der 1. Wahl (gleichrangig mit L-Dopa)
- Medikamentöse Therapie des Prolaktinoms und zum Abstillen: Cabergolin, Bromocriptin
- Medikamentöse Therapie der Akromegalie
Kontraindikationen
- Stillzeit
- Relative Kontraindikation in Schwangerschaft
- Schwere Leber- und Niereninsuffizienz
- Ergot-Dopaminagonisten: Patienten mit vorbekannten Herzklappenschädigungen bzw. pleuralen oder peritonealen Fibrosierungen
COMT-Hemmer
Wirkstoffe
- Opicapon [5]
- Entacapon [6]
- Tolcapon [7]
Wirkung
- Hemmt über Inhibition der Catechol-O-Methyltransferase (= COMT) den Dopaminabbau → Verstärkung Dopaminwirkung, Verbesserung Wirkfluktuationen
Wichtige Nebenwirkungen
- Gastrointestinale Nebenwirkungen
- Dyskinesien und psychische Störungen (z.B. Halluzinationen)
Indikationen
- Therapie des Morbus Parkinson
- In fortgeschrittenen Erkrankungsstadien mit Wirkungsfluktuationen
- COMT-Hemmer sollten immer mit L-Dopa und Carbidopa kombiniert werden
Kontraindikationen (Auswahl) [5][6][7]
- Leberinsuffizienz
- Gravidität und Stillzeit
- Phäochromozytom
- Z.n. malignem neuroleptischen Syndrom
NMDA-Antagonisten
Wirkstoffe
- Amantadin
- Budipin
Wirkung
- Wiederherstellung eines Gleichgewichts von Glutamat und Dopamin im Gehirn
- Budipin hemmt zusätzlich MAO-B und den muskarinergen Acetylcholinrezeptor
- Wirkung auf Akinese > Rigor > Tremor
Wichtige Nebenwirkungen
- Ähnliche Nebenwirkungen wie L-Dopa, jedoch in deutlich geringerem Ausmaß
- Vegetativ
- Nausea und Emesis
- Orthostatische Hypotonie
- Psychisch
- Unruhe
- Verwirrtheit
- Halluzinationen bis hin zu Psychosen (siehe hierzu: Therapie psychotischer Episoden bei M. Parkinson)
- Zusätzlich: QT-Zeit-Verlängerung
Als Nebenwirkung sind QT-Zeit-Verlängerungen möglich! Daher ist die Gabe bei schweren kardialen Vorerkrankungen kontraindiziert!
Zu beachten
- Wirkungsverlust nach einigen Monaten Behandlungsdauer
Indikationen
- Therapie des Morbus Parkinson
- Mittel der Wahl bei akinetischer Krise
- Amantadin: Einsatz in Kombinationstherapie bei Wirkungsfluktuationen möglich [1]
- Weitere Indikationen: Amantadin wird auch als Virostatikum eingesetzt (weitere Informationen siehe: Antivirale Pharmaka gegen Influenzaviren)
Kontraindikationen
- Schwere kardiale Vorerkrankungen
- Gravidität und Stillzeit: Relative Kontraindikationen (strenge Indikationsstellung)
MAO-B-Hemmer
Wirkstoffe
- Selegilin [8]
- Rasagilin [9]
- Safinamid [10]
Wirkung
- Hemmung des zentralnervösen Dopamin- und Katecholaminabbaus → Verlängerung der Dopaminwirkung → L-Dopa-Bedarf↓
Wichtige Nebenwirkungen
- Kopfschmerzen, Dyskinesien, psychische Störungen (z.B. Halluzinationen)
- Bei hohen Dosierungen: Statt selektiver Hemmung von MAO-B auch MAO-A-Hemmung → amphetaminerge Nebenwirkungen (z.B. Tachykardie, Hypertonie)
- Wechselwirkungen: Gefahr eines Serotonin-Syndroms bei Kombination mit SSRIs oder SSNRIs
Zu beachten
- MAO-B-Hemmer sollten nicht mit SSRIs kombiniert werden (Gefahr der Entwicklung eines Serotonin-Syndroms) [11]
Indikationen
- Therapie des Morbus Parkinson
- Alternative zu L-Dopa oder Dopaminagonisten bei Patienten mit milder Symptomatik
- In Kombinationstherapie mit L-Dopa bei Wirkungsfluktuationen im fortgeschrittenen Stadium
Kontraindikationen (Auswahl) [8][9][10]
- Selegilin
- Leber- und Niereninsuffizienz
- Gravidität und Stillzeit
- Rasagilin und Safinamid: Schwere Leberinsuffizienz
- Safinamid
- Netzhautdegeneration
- Uveitis
- Erblich bedingte oder schwere progressive diabetische Retinopathie
Anticholinergika
Wirkstoffe
- Biperiden
Wirkung
- Hemmung exzitatorischer cholinerger Neurone → Acetylcholinspiegel↓
Wichtige Nebenwirkungen
Zu beachten
- Ungünstige Nebenwirkungen insb. bei alten oder kognitiv eingeschränkten Patienten → Gefahr der Verschlechterung einer Demenz, Entwicklung eines anticholinergen Delirs
Indikationen
- Therapie des medikamentös-induzierten Parkinson-Syndroms (Antipsychotika-assoziiertes Parkinsonoid und Frühdyskinesien)
- Therapie des Morbus Parkinson: Supportiv zur Standardtherapie bei nicht suffizient kontrolliertem Tremor
Kontraindikationen
- Demenz
- Patienten mit Morbus Parkinson und psychotischer Symptomatik
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Dopaminagonisten
L-Dopa
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